Drucksache 17 / 11 326 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 06. Dezember 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Dezember 2012) und Antwort Ist Berlin gegen einen katastrophalen Blackout gesichert? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Berliner Senat das Ergebnis der Studie „Szenarienorientierte Grundlagen und Innovative Methoden zur Reduzierung des Ausfallrisikos der Strom- versorgung unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Bevölkerung“ des Bundesamts für Katastrophenschutz und Bevölkerungshilfe und welche Schlussfolgerungen zieht er daraus für das Land Berlin? Zu 1.: Das Projekt „Szenarienorientierte Grundlagen und Innovative Methoden zur Reduzierung des Ausfallri- sikos der Stromversorgung unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Bevölkerung - GRASB“ wurde im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit “ als Teil der Hightech-Strategie der Bundesregierung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung fi- nanziert. Vorrangiges Ziel des Verbundprojektes war es, aktu- elle und zukünftige Risiken eines länger anhaltenden, großflächigen Stromausfalls zu reduzieren. Dafür wurden insbesondere die sich verändernden Gefahren sowie wirtschaftliche , politische und technologische Rahmenbedin- gungen betrachtet. Es sollten Methoden erarbeitet werden und Grundlagen eines Risikomanagementkonzepts ge- schaffen werden, die die Stromversorger in die Lage ver- setzen, die Risiken der kritischen Bereiche hinsichtlich der in Szenarien dargestellten Gefahren abzuschätzen und zu minimieren. Die im GRASB-Projekt entwickelten Analysemethoden zur Identifizierung und Bewertung von Szenarien im Hinblick auf einen Stromausfall sind in der Regel qualitative Abschätzungen von Expertin- nen/Experten auf der Basis einer vorhandenen Risikomatrix . Damit sollen die Bevölkerung geschützt und ein Bei- trag zur Verbesserung der zivilen Sicherheit geleistet werden. Die Projektlaufzeit war von September 2009 bis Dezember 2012 angesetzt. Nach Auskunft des Projektlei- ters, Dr.-Ing. Heiko Klick, liegen der Abschlussbericht, bzw. die Studie derzeit noch nicht vor. Daher kann weder eine Bewertung der Studie vorgenommen noch können Schlussfolgerungen gezogen werden. 2. Welche Vorkehrungen werden getroffen, um im Land Berlin ein Blackout-Risiko der Stromversorgung zu verhindern bzw. zu minimieren? Zu 2.: Bei der Diskussion zu kritischen Infrastrukturen wird immer die Nähe zum Katastrophenschutz vermutet bzw. unterstellt. Das wäre jedoch nur der Fall, wenn ein Großschadensereignis, zum Beispiel auch ein so genann- ter „Blackout“ in einem kritische Infrastruktur-Sektor (KRITIS-Sektor), eintreten könnte, zu dessen Bewälti- gung die eigentlich vorgesehenen Kräfte nicht ausreichen. Es gilt jedoch zwischen der Katastrophenbekämpfung und der Katastrophenvorsorge (Vorbereitung der Katastro- phenbekämpfung durch Einsatzpläne/Notfallpläne und Ausstattung der Hilfskräfte usw.) zu unterscheiden. Die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit von kriti- schen Infrastrukturen obliegt in erster Linie den jeweili- gen Betreibern, die zu ca. 90% im Bereich der Stromer- zeugung- und verteilung privatrechtlich organisiert sind. Da es wenig rechtlich verbindliche Vorgaben bezüg- lich der Vorsorge von Katastrophenrisiken für Unterneh- men gibt, bleibt hier nur der Weg, die Unternehmen zur Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen zu motivieren, um über nachfolgend genannte Schadensvorsorgemaß- nahmen die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Großscha- densfalls zu minimieren. Zu denken ist hier an folgende Maßnahmen:  Erforschung der direkten Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Versorgungsinfrastrukturen und Analyse möglicher Kopplungs- und Kaska- deneffekte  Verwundbarkeitsanalysen  Frühwarnsysteme  Konzepte zur Entkopplung von Infrastrukturen und intelligenten Bereitstellung von Notfallre- serven  Ausfallmanagement Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 326 2  Konzeption und Aufbau von Notversorgungssystemen  Risikobewertungs- und Simulationswerkzeuge zur Früherkennung-, Krisenbewertung und Entkopplung von Infrastrukturen  Bestimmung von Ausfallwahrscheinlichkeiten  Ausfallrisiken und Schadenspotentialen. Schaf- fung technologischer und organisatorischer Lö- sungsansätze zur Erhöhung der Robustheit von Versorgungseinrichtungen  Verfahren und Prozessen: verteilte Sensornetzwerke zur großflächigen Überwachung und sys- tematischen Zustandserkennung von Faktoren, die zum flächendeckenden Ausfall von Versor- gungsinfrastrukturen führen können  technologische Konzepte und Handlungsstrategien zur zeitnahen Wiederherstellung der Versor- gungseinrichtungen. Speziell für den Sektor „Energie“ (Stromversorgung) gilt es im Störfall zwischen Normal- und Katastrophenfall zu unterscheiden und die Zuständigkeitsfrage auf Landes- ebene näher zu betrachten. Im Land Berlin liegt für den Energiesektor im Normalfall die Aufsicht über Energie- versorgungsunternehmen, zu denen nach der Entflechtung im Bereich der Netze auch Netzbetreiber gehören, bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Energieaufsichts- und Landesregulierungsbe- hörde). Nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sind die betreibenden Unternehmen verpflichtet, bestimmte Anforderungen zur Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung einzuhalten (§§ 49 ff. EnWG). Die Aufsicht über die Betreiber von Energie- versorgungsnetzen ist gesetzlich den Regulierungsbehör- den zugewiesen. Im Übrigen bestehen Berichtspflichten der Netzbetrei- ber nach § 12 Abs. 3a EnWG und nach § 52 EnWG ge- genüber den Regulierungsbehörden, das sind die Bundes- netzagentur oder die jeweilige Landesregulierungsbehörde . Die Betreiber haben auch darzulegen, welche Maßnahmen sie zur Vermeidung künftiger Versorgungs- störungen ergriffen haben. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie führt zudem ein Monitoring der Versorgungssicherheit mit Elektrizität und Erdgas nach § 51 EnWG durch. Die Aufsicht über die technische Si- cherheit der Netze obliegt nach § 49 Abs. 5 EnWG der nach Landesrecht zuständigen Behörde, in Berlin also der Senatsverwaltung für Wirtschaft Technologie und For- schung. Die Zuständigkeitsregelung ist in der Geschäftsver- teilung des Senats von Berlin (GV Sen) festgelegt (Abl. Nr. 27 / 29.6.2012). Die Hauptstadtregion Berlin ist mit einem dichten Netz an Stromerzeugungsanlagen (Kraftwerken) und dem Verteilnetz vergleichsweise gut auf einen Netzzusam- menbruch vorbereitet. Generell nicht auszuschließen ist allerdings eine Stö- rung des Übertragungsnetzes/Höchstspannungsnetzes (deutschlandweit) im europäischen Verbund mit Auswirkungen auch auf die Region Berlin. Ein solches Ereignis würde möglicher Weise dazu führen, dass Sicherheitsab- schaltungen im Verteilnetz (automatisch) erfolgen. Nach Aussagen der Stromerzeuger und Verteilnetzbetreiber soll es mit Hilfe von Kraftwerken in Berlin möglich sein, die Wiederinbetriebnahme des Stromnetzes in relativ kurzer Zeit vorzunehmen. 3. Gibt es im Land Berlin einen Notfallplan für den Fall, dass es zu einem großräumigen bzw. Komplettaus- fall der Stromversorgung kommt? a) Wenn ja, wie sieht dieser im Einzelnen aus? b) Wie sehen in einem solchen Fall die einzelnen Maßnahmen des Berliner Senats aus, um die Bür- ger*innen Berlins zu informieren und zu unterstüt- zen? Zu 3.: Generell gilt, die Wahrnehmung der Fachaufgaben folgt auch im Katastrophenfall dem Ressortprinzip nach Art. 58 Abs. 5 der Verfassung von Berlin. Die Kata- strophenschutzbehörden sind demnach verpflichtet, für das jeweils eigene Ressort Notfallpläne zu entwickeln. a) Im Katastrophenfall übernimmt die Zentrale Ein- satzleitung bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport die Koordination der Maßnahmen der anderen Ka- tastrophenschutzbehörden. Die Senatorin für Inneres und Sport/der Senator für Inneres und Sport oder ein von ihr/ihm bestimmte(r) Vertreterin/Vertreter übernimmt den Vorsitz und sorgt dafür, dass die erforderlichen Entschei- dungen getroffen werden. Im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ wird mit Fördermitteln des Bundes das Projekt „Katastrophenschutz-Leuchttürme als Anlaufstelle für die Bevölkerung in Krisensituationen (Kat-Leucht- türme)“ unter Beteiligung von Vertreterinnen/Vertretern aus der Wirtschaft gemeinsam mit Berliner Bezirken, Berliner Polizei und Feuerwehr bis Juli 2015 durchge- führt. Ziel des Vorhabens ist die Erforschung und Konzep- tion einer neuen Sicherheitsarchitektur (Katastrophenschutz -Leuchttürme) zur Aufrechterhaltung der Versor- gung der Bevölkerung mit dem Notwendigsten sowie zur Gewährleistung einer funktionierenden Krisenkommuni- kation im Fall länger andauernder Stromausfälle unter Berücksichtigung rechtlicher, ökonomischer, kommuni- kationswissenschaftlicher und technischer Rahmenbedin- gungen. b) Die Warnung der Berliner Bevölkerung im Katastrophenfall erfolgt derzeit über entsprechende Rundfunkmeldungen und/oder über lokal eingesetzte Lautsprecherkraftwagen der Polizei. Berlin ist mit zwei Standorten an das „Satellitengestützte Warnsystem“ des Bundes angeschlossen, über das parallel sowohl Medien als auch andere Länder und der Bund mit aktuellen Warnmel- dungen informiert werden können. Eine länderübergreifende Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Bundes, in der auch Berlin vertreten ist, beschäftigt sich derzeit mit dem Umbau dieses Systems zu einem „Modularen Warnsystem“. Mit der entsprechenden BasisInfrastruktur wurde auch Berlin bereits ausgestattet. Durch Nutzung eines offenen Übertragungsprotokolls können damit künftig unterschiedliche Endgeräte Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 326 3 unmittelbar mit Warnmeldungen versorgt werden. Im Bundesgebiet ist überwiegend die Anbindung von noch vorhandenen Sirenen geplant. Für Berlin wird derzeit zusätzlich der Versand von Textnachrichten mit Verhaltensempfehlungen an Betroffene Postleitzahlen genau per E-Mail und Short Message Service (SMS) mit dem System “KATWARN“ durch die Berliner Feuerwehr vorgenommen. Dieses wurde vom Fraunhofer Institut in Zusammenarbeit mit der Versicherungswirtschaft ent- wickelt und bereits in verschiedenen Städten und Landkreisen als zusätzliches Warnmittel erprobt. Alle Warnoptionen sind letztlich davon abhängig, wie der Stromversorger und Verteilnetzbetreiber einen „Blackout“ hinsichtlich seiner Wirkdauer einschätzt. Weil auch die Notstromreserven der Fernseh- und Rundfunkbranche sowie die Netze der Kommunikationsund Informationstechnologie begrenzt sind, ist auf eine möglichst präzise Einschätzung der Lage zu bestehen, um rechtzeitig Warn- und Verhaltenshinweise an die Bevölkerung übermitteln zu können. 4. Was sollte sich nach Ansicht des Senats in jedem Berliner Haushalt befinden, um für einen Ausfall der Stromversorgung gerüstet zu sein? Zu 4.: Angebote zur Unterrichtung der gesamten Be- völkerung mit Vorsorgeempfehlungen für private Haushalte sind der u.a. der in den Bürgerämtern ausgelegten Broschüre „Für den Notfall vorgesorgt“ und der im Internet von den Behörden, insbesondere der vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zur Verfü- gung gestellten Informationen (Faltblatt: Stromausfall - Vorsorge und Selbsthilfe) zu entnehmen. 5. Welche Kosten entstehen durch die Beantwortung dieser Kleinen Anfrage? Zu 5.: An der Beantwortung haben mehrere Behördenmitarbeiterinnen und Behördenmitarbeiter mehrere Stunden gearbeitet. Eine einzelfallbezogene Erhebung der Arbeitszeit sowie die Errechnung der daraus entstandenen Kosten erfolgt nicht. Die nachträgliche Erhebung und Berechnung wäre mit einem unverhältnismäßigen Auf- wand verbunden. 6. Aufgrund welcher Datensätze bzw. Unterlagen wurden vorstehende Fragen beantwortet und inwieweit wäre es möglich, diese (ggf. in aufbereiteter Form) auf dem Berliner Open-Data-Portal einzustellen und fortlaufend zu aktualisieren? Zu 6.: Zur Beantwortung der Fragen sind die in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vorhandenen Ak- ten verwendet worden. Die mit dieser Anfrage erbetenen Angaben sind aus- schließlich für die Beantwortung dieser Anfrage erhoben worden. Eine Einstellung dieser Daten in das Open-Data- Portal des Landes Berlin wird derzeit nicht erwogen. Berlin, den 21. Januar 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Feb. 2013)