Drucksache 17 / 11 328 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Anja Schillhaneck (GRÜNE) vom 11. Dezember 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Dezember 2012) und Antwort Wer trägt die Folgen des EuGH-Urteils zum Verbot der Altersdiskriminierung im Bereich Wissenschaft? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche allgemeinen Folgen (finanzieller und nicht finanzieller Natur) hat die Rechtsprechung zum Verbot von Altersdiskriminierung in der Gehaltsstufung und Urlaubsgewährung (auch wenn diese auf Basis eines Tarifvertrages geschieht) in den Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen? Zu 1.: Die Rechtssprechung zum Verbot der Alters- diskriminierung in der Gehaltsstufung hatte bei den Hochschulen des Landes Berlin mit Ausnahme der Hoch- schule für Technik und Wirtschaft, die den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) anwendet, zur Folge, dass Ausgleichszahlungen in Höhe der Differenz zur höchsten Lebensaltersstufe an diejenigen Personen, die entweder gegen die Diskriminierung geklagt oder Ein- wendungen bei ihrem Arbeitgeber hiergegen erhoben hatten, zu erfolgen hatten. Weitere Folgen hatte die Ge- richtsentscheidung nicht, da nach der Überleitung des dortigen Personals in den Tarifvertrag für den öffentli- chen Dienst der Länder (TV-L) keine Diskriminierung mehr vorliegt. Außeruniversitäre Einrichtungen sind mit Ausnahme des Konrad-Zuse-Zentrums für Informationstechnik Ber- lin (ZIB) und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) von der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) nicht in dieser Art und Weise betroffen, da sie nach anderen tariflichen Regelungen als das Land Berlin ihre Beschäftigten bezah- len; nämlich zumeist in entsprechender Anwendung des TVöD. Die Rechtsprechung zum Verbot der Altersdiskrimi- nierung in der Urlaubsgewährung hat dagegen keine di- rekte finanzielle Auswirkung, da Urlaub nicht ausbezahlt wird. Folge eines unter Umständen höheren Urlaubsan- spruchs einzelner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist vielmehr eine geringere Arbeitsleistung, die gegenüber dem Arbeitgeber erbracht wird. Da derzeit noch keine Folgeregelung für den von der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) zum Jahresende gekündigten § 26 TV-L vorliegt, lässt sich noch nicht sagen, welche Folge die genannte Rechtsprechung letztendlich in der Zukunft ha- ben wird. 2. Welche finanziellen Mehrbelastungen sind den Hochschulen und anderen Wissenschafts-einrichtungen im Land Berlin durch das EuGH-Urteil vom September 2011 hierzu entstanden oder werden noch entstehen (bitte nach Einrichtungen getrennt auflisten)? Zu 2.: Nach einer Umfrage vom Juni 2012 wurden die finanziellen Mehrbelastungen von den Hochschulen wie folgt beziffert: Hochschule Finanzielle Mehrbelastung Humboldt Universität zu Berlin ca. 1.600.000 € Freie Universität Berlin 3.928.126 € Charité ca. 2.400.000 € Universität der Künste ca. 408.200 € Beuth Hochschule für Technik Berlin 854.000 € Kunsthochschule Berlin Weißensee 571 € Alice-Salomon Hoch- schule Berlin 190.000 € Hochschule für Wirt- schaft und Recht Berlin 438.351 € Die Technische Universität Berlin bezifferte ihre fi- nanzielle Mehrbelastung zuletzt mit Schreiben vom 5. September 2012 mit 9.426.621 €. Nach Mitteilung der BBAW entstehen Kosten auf- grund von Gehaltsnachforderungen in Höhe von insge- samt bis zu 5.000 €. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 328 2 Dienstherr und Arbeitgeber für die Beschäftigten des ZIB ist das Land Berlin (§ 1 Abs. 2 Gesetz über das Zent- rum für Informationstechnik (ZInfG)). Die Ansprüche in Folge der EUGH- Entscheidung wurden von der zustän- digen Personalstelle bei der Senatsverwaltung für Bil- dung, Jugend und Wissenschaft berechnet und ausgezahlt. Insgesamt wurden an gegenwärtige und ehemalige Be- schäftigte des ZIB 1.990.573,21 € gezahlt. 3. Sofern zusätzliche finanzielle Belastungen entstanden sind: Wer trägt bzw. trug diese - die jeweilige Einrichtung aus ihren haushaltsmäßigen Zuwendungen oder ihrem Globalhaushalt, oder das Land Berlin bzw. das Land Berlin und der Bund bei gemeinschaftsfinanzierten Institutionen? Zu 3.: Die zusätzlichen finanziellen Belastungen tru- gen die Hochschulen aus ihren Globalhaushalten. Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hatte Rückstellungen gebildet, die nach Befriedigung der Ansprüche aufge- löst wurden. Die entstehenden Kosten bei der BBAW werden aus den jeweiligen Programmhaushalten der BBAW finan- ziert. Das Land Berlin gewährt dem ZIB zur Erfüllung sei- ner Aufgaben einen Zuschuss, dessen Höhe im Haus- haltsplan des Landes Berlin festgesetzt wird (§ 3 Abs. 3 ZInfG). Die Anstalt hatte die Ausgaben in Folge der EUGH- Entscheidung im Wirtschaftsplan in einer ent- sprechenden Rückstellung abgebildet, die mit den Zah- lungen in 2012 aufgelöst wurde. 4. Sofern finanzielle Auswirkungen zu verzeichnen sind oder waren: Mit welcher Begründung und auf Basis welcher rechtlichen Abwägungen wurde entschieden, die Lasten so zu verteilen, wie sie verteilt sind? Zu 4.: Die Hochschulen des Landes Berlin besitzen die Dienstherreneigenschaft und sind Arbeitgeber des bei Ihnen tätigen Personals. Sie haben deshalb auch aus ihrem Budget die finanziellen Lasten für ihr Personal zu tragen. Dienstherr und Arbeitgeber für die Beschäftigten des ZIB ist das Land Berlin (§ 1 Abs. 2 ZInfG); damit stellt sich die Frage nach der Lastverteilung im Falle des ZIB nicht. Berlin, den 16. Januar 2013 In Vertretung Dr. Knut Nevermann Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Jan. 2013)