Drucksache 17 / 11 329 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (GRÜNE) vom 07. Dezember 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Dezember 2012) und Antwort Rundfunkabgabe und Barrierefreiheit: Wie steht’s um die Verbesserung des barrierefreien Angebots der öffentlich-rechtlichen Sender? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV) Ende 2008 wurde in den allgemeinen Grund- sätzen zur Programmgestaltung des Rundfunkstaats- vertrags die vermehrte Aufnahme barrierefreier Angebote verankert, mit der Protokollerklärung der Länder zum 15. RÄStV und der Entscheidung für die Rundfunkabgabe Ende 2010 wurde dies bekräftigt und die IntendantInnen der ARD haben im Dezember 2012 nochmalig barrierefreie Angebote als Ausbaufeld für das Angebot der ARD und für „Dritten Programme“ hervorhoben: Welche Angaben und Zahlen liegen dem Senat insbesondere vom Rundfunk Berlin-Brandenburg, sowie von ARD, ZDF und Deutschlandfunk, zu deren barrierefreiem Angebot vor (bitte mit Nennung, von wann diese Zahlen datieren)? Zu 1.:Informationen zu barrierefreien Angeboten vom Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb), ARD, ZDF und Deutschlandfunk liegen dem Senat nicht regelmäßig vor. Auf Nachfrage haben die vorgenannten öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten folgende Auskünfte gege- ben: Am 21.12.2012 hat der rbb darüber Auskunft gegeben, dass seine Maßnahmen eingebettet sind in das gemeinsa- me Engagement der Landesrundfunkanstalten zur Umset- zung der UN-Behindertenrechtskonvention. Dabei gehe es den Häusern vor allem um den Ausbau der Untertitelung, um ein größeres Hörfilm-Angebot im Ersten und in den Fernsehprogrammen der Landesrundfunkanstalten, den Einsatz von Gebärdendolmetscherinnen und Gebärden- sprachdolmetschern in den Mediatheken sowie um die Verbesserung der Barrierefreiheit der Internetangebote. Bei den laufenden Maßnahmen im rbb zur Verbesse- rung der Barrierefreiheit stehe die Untertitelung im Vor- dergrund. So würde 2012 im rbb Fernsehen eine durch- schnittliche Untertitelquote von ca. 30 % erreicht werden. Ab 2013 sei eine signifikante Erhöhung dieser Quote durch die Untertitelung der reichweitenstarken Fernseh- angebote im Ersten und in den Dritten Programmen ge- plant. Im rbb Fernsehen beträfe dies u. a. die täglichen regionalen Hauptnachrichtensendungen Abendschau und Brandenburg AKTUELL. Die wichtigsten Regionalnach- richten im rbb Fernsehen werde der rbb ab Februar 2013 mit Untertiteln versehen. Um den Anteil untertitelter Sendungen weiter zu er- höhen, wolle die ARD alle Erstsendungen im Ersten Pro- gramm mit Untertitelung anbieten, wodurch dort absehbar eine Untertitelquote von annähernd 100 % erreicht wer- den könne. Da diese Sendungen auch ins rbb Fernsehen übernommen würden - z.B. Tatort- und Polizeirufproduk- tionen - werde sich die Untertitelquote des rbb bis zum Jahr 2015 noch einmal erhöhen. Die geplante zusätzliche Untertitelung von Reportagen, Dokumentationen und ausgewählten Reihen werde die Untertitelquote weiter erhöhen. Darüber hinaus engagiere sich der rbb im Rahmen eu- ropäischer Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit großem Erfolg an der technischen Entwicklung neuer barrierefreier Möglichkeiten der digitalen Programmnut- zung. So habe der rbb im Projekt DTV4all mit Unterstüt- zung des Berliner Landesbeirats für Menschen mit Behin- derung und des Landesbehindertenbeirats Brandenburg neue technische Möglichkeiten des digitalen Fernsehens getestet, um gehörlosen, schwerhörigen, blinden und seh- behinderten Menschen den Zugang zum Fernsehen zu erleichtern. Im Zuge des Nachfolgeprojekts HBB-NEXT habe der rbb eine Anwendung entwickelt, mit der über die Fernbe- dienung eines HbbTV-tauglichen Empfängers HbbTV- Untertitel ausgewählt und in Größe, Position und Hinter- grund an die persönlichen Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer angepasst werden können. Seit der Internatio- nalen Funkausstellung (IFA) 2012 strahle der rbb im Rahmen dieses Projektes – zusätzlich testweise - HbbTV- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 329 2 Untertitel für die rbb AKTUELL-Ausgabe um 21:45 Uhr über DVB-T in Berlin und Brandenburg aus. Hierbei wol- le der rbb bis 2014 u.a. prüfen, ob die Ausstrahlung über das rbb DVB-T Sendegebiet hinaus auf andere DVB-T Regionen sowie über DVB-C und DVB-S möglich sei. Daneben beabsichtige der rbb, die HbbTV-Untertitelung ab 2013 auf weitere Sendungen, wie z. B. Abendschau und Brandenburg AKTUELL, auszudehnen. Im Bereich Audiodeskription werde ARD-weit auf ei- ne Ausweitung bei den fiktionalen Angeboten gesetzt. Bis Ende 2013 sollen im Hauptabendprogramm des Ersten alle Spielfilme, Serien und Krimis sowie alle Tier- und Naturfilme in einer Hörfilmfassung ausgestrahlt werden. Auch dies werde sich, wie bei der Untertitelung, in den nächsten Jahren positiv auf den Audiodeskriptionsanteil im rbb Fernsehen auswirken, da der rbb auf eine wach- sende Zahl audiodeskribierter Spielfilme, Reportagen und Dokumentationen aus dem Ersten und den Dritten Pro- grammen anderer Sender zurückgreifen könne. Darüber hinaus werde der rbb schrittweise Sendungen des rbb Fernsehens mit Audiodeskription versehen. Auch auf dem Audiosektor verfolge der rbb bei seinen Forschungsprojekten neue Wege zur Verbesserung der barrierefreien Programmnutzung. Dies gelte z.B. für das „Clean Audio-Verfahren“, das helfen soll, den Ton von Fernsehfilmen für schwerhörige Menschen besser ver- ständlich zu machen. Gemeinsam mit einem Berliner Start-Up Unternehmen habe der rbb dabei u.a. eine gänz- lich neue Methode (EASY LISTEN) zur Verbesserung der Sprachverständlichkeit getestet. Hierbei könne die Nutzerin bzw. der Nutzer das bearbeitete Audiomaterial als alternative Tonspur, z.B. im Fernsehen oder im Inter- net auswählen. Im Auftrag des rbb sei eine EASY LIS- TEN Tonfassung für den rbb-Fernsehfilm „Friedrich - ein deutscher König“ entstanden und eine weitere für den vom rbb koproduzierten Kinofilm „Herr Wichmann aus der dritten Reihe“, der auf der diesjährigen Berlinale präsentiert worden sei. Mit dem oben beschriebenen Ausbau des Untertitel- und Hörfilmangebots im Fernsehen werde sich auch das barrierefreie Angebot in den rbb-Mediatheken ab 2013 erhöhen, denn dort könnten immer mehr untertitelte und künftig auch audiodeskribierte Sendungen abgerufen werden. Außerdem solle es von 2013 an in den Mediathe- ken verstärkt Angebote mit Gebärdensprachdolmetscher- einblendung geben. So wie z.B. bei der Tagesschau um 20:00 Uhr, die das Erste von Phoenix mit Gebärden- sprachdolmetschereinblendungen in die eigene Mediathek übernehme. Auch im Hinblick auf die eigene journalistische Pra- xis, z.B. zur Frage „Wie gehen wir in den Programmen des rbb mit Menschen mit Behinderungen um?“, sei der rbb initiativ geworden. Am 20. September 2012 sei im rbb ein „Workshop Inklusion“ durchgeführt worden. Gemeinsam mit dem Berliner sowie dem Brandenburger Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, Herrn Dr. Jürgen Schneider und Herrn Jürgen Dusel, so- wie anderen Fachleuten habe man sich darüber ausge- tauscht, wie der rbb in seinen Programmen mit Menschen mit Behinderungen über das Thema Inklusion besser ins Gespräch kommen könne. Ein entsprechender Workshop sei auch für das Jahr 2013 geplant. Am 17.12.2012 hat das ZDF angegeben, dass die Quote der untertitelten Sendeminuten von 14 Prozent (2004) auf 37,6 % (2011) des Gesamtprogramms gestei- gert worden sei, was einem Gesamtumfang von 197.700 Minuten entspräche. Dabei entfielen 71,8 % auf sogenannte "Timecode- Untertitel" von bereits vor der Fernsehausstrahlung vorbereiteten Sendungen der Genre Spielfilm, Serien und Dokumentation. Mit 28,2 % entfiele ein kleinerer, dennoch aufwändig produzierter Anteil aller Untertitel auf Live-Sendungen wie Polit-Talk, Nachrichten und Maga- zine (17 Uhr, 19 Uhr, heute journal, Leute heute, Spezial- /Wahl-Sendungen) Sport-Übertragungen, Kindersendun- gen, Gottesdienste und seit Oktober 2012 auch "wetten, dass..?". Diese Untertitel seien sowohl in der eigentlichen Ausstrahlung im Fernsehprogramm, als auch zunehmend in den zeitsouverän nutzbaren Abrufangeboten der ZDFmediathek verfügbar. Als Indiz für das weiter steigende Engagement erwähnte das ZDF, dass der Anteil der Untertitel im ersten Halbjahr 2012 bereits auf 40,0 % entsprechend 104.895 Minuten gesteigert werden konnte. Vornehmlich für Menschen mit Sehbehinderungen biete das ZDF ausgewählte Programme zusätzlich mit Audiodeskriptionen an. Im Jahr 2010 seien 5336 Minuten, 2011 insgesamt bereits 7.740 Sendeminuten als Hör- Fassung angeboten worden. Verschiedene Folgen der Krimi-Reihe SOKO, Spielfilme sowie Reportagen der Sendereihe "37 Grad" seien in dieser besonderen Bear- beitung ausgestrahlt worden. Die Produktion der Ange- bote übernähme die Deutsche Hörfilm GmbH. Wie bereits in der Selbstverpflichtungserklärung 2013 – 2014 angekündigt, werde das ZDF die Untertitelung von Sendungen und die Audiodeskription für hör- und sehbehinderte Mitbürger/-innen fortführen und ausweiten. Das Deutschlandradio gab am 18.12.2012 an, dass die Zentralen Nachrichten des Deutschlandradios derzeit ein Projekt inhaltlicher Barrierefreiheit vorbereiten. Ziel sei es, einmal in der Woche einen "Nachrichtenüberblick in Leichter Sprache" anzubieten. Das Projekt solle sich nicht zuletzt an Menschen richten, die aufgrund von Behin- derungen Schwierigkeiten unterschiedlichen Ausmaßes mit dem Verständnis herkömmlicher medialer Informa- tion haben. Die Zentralen Nachrichten arbeiteten hier gemeinsam mit dem Onlinestudiengang der Fach- hochschule Köln. Ergebnisse seien zum Beginn des Jahres 2013 zu erwarten. Gespräche über das Projekt gäbe es auch mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Die besondere Heraus- forderung für Anbieter von Webinhalten bestehe darin, die vielfältigen Interessen aller bezeichneten Gruppen zu berücksichtigen, die sich wiederum einer Vielfalt an Soft- und Hardware bedienen. Deutschlandradio gestalte seine Webauftritte und Begleitmedien entsprechend den Maßgaben der Barrierefreie Informationstechnik-Verord- nung (BITV) und im Sinne des § 4 des Behinderten- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 329 3 gleichstellungsgesetzes (BGG). Die Webseiten von dradio.de, DRadio Wissen und das Begleitangebot dradio- Recorder seien im Rahmen des technisch Möglichen so ausgelegt worden, dass sie von behinderten Menschen ohne zusätzliche Bedingungen und uneingeschränkt genutzt werden können. Folgende Grundlagen würden dabei – vor allem im Rahmen aller neuen und neu zu schaffenden Auftritte – berücksichtigt: - Struktur der Seiten, - Seitendesign, - eine durchgehend einheitliche Navigation, - kontrastreiche Farbenwahl soweit es das Corporate Design erlaubt, - vollständige Bedienbarkeit der Seiten per Tastatur (alternativ per Maus), - Funktionen zur Textvergrößerung , - zusätzliche Bildbeschreibungen und - umfassende Geräteunabhängigkeit (Hardware und Software), insbesondere zur Unterstützung von Le- sehilfen und Braillezeilen. Durch konsequente Zusammenführung von Text und Audio sowie Funktionen, die sehbehinderten und blinden Menschen das in Bildern Dargestellte erklären, gehe das Angebot zum Teil auch über die Grundanforderungen der BITV hinaus. Dies sei auch außerhalb des Hauses Deutschlandradio anerkannt. Die Seiten von DRadio Wis- sen (www.wissen.dradio.de) seien im Dezember 2010 von der Aktion Mensch mit der Biene in Gold ausge- zeichnet und als herausragendes Angebot eingestuft wor- den (siehe hierzu: www.biene-award.de/presse/#meldung08). 2. Wie bewertet der Senat diese Zahlen? Zu 2.: Die Maßnahmen von rbb, ARD, ZDF und Deutschlandradio zum Ausbau der barrierefreien Angebo- te müssen sich an den staatsvertraglichen Vorgaben sowie an den Beschlüssen der Intendantinnen und Intendanten der Landesrundfunkanstalten messen lassen und haben die Umsetzung der übergeordneten UN-Behindertenrechts- konvention zu verfolgen. Soweit sie der Kontrolle der nachgelagerten Rechtsaufsicht unterliegen, die bezüglich der vorgenannten Rundfunkanstalten nur für den rbb zeitweise bei Berlin, derzeit aber bei der Staatskanzlei Brandenburg liegt, sieht der Senat diese Vorgaben als erfüllt an, erwartet aber vom rbb, dass dieser die Umset- zung der UN-Behindertenrechtskonvention weiter voran- treibt. 3. In welcher Form hat sich der Senat bisher für die Verbesserung des barrierefreien Angebots des öffentlich- rechtlichen Rundfunks sowie besonders gegenüber dem Rundfunk Berlin-Brandenburg eingesetzt? Zu 3.: Der Senat hat in der Ländergemeinschaft die Vorgaben zur Verbesserung des barrierefreien Angebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit auch des rbb mit eingefordert und staatsvertraglich umgesetzt. Der rbb als Adressat der Regelungen setzt diese Vor- gaben in Wahrnehmung eigener Verantwortung um. Im Rundfunk richtet der rbb seine besonderen Bemühungen auf Hör- und Sehgeschädigte mit dem Ziel des Ausbaus der barrierefreien Angebote durch Untertitel, Audio- deskription und Gebärdendolmetschung, um auf Behinde- rungen beruhende Nachteile bei der Rezeption möglichst auszugleichen. Hierbei kommen auch neue Technologien zum Einsatz. Eine Einflussnahme auf die konkrete programmliche Umsetzung durch den rbb ist auf Grund des verfassungs- rechtlichen Gebots der Staatsferne nicht möglich. Proak- tiv auf den rbb einwirken können indes die Mitglieder des rbb-Rundfunkrates und hier speziell die Mitglieder des Programmausschusses. Die Senatskanzlei wacht – im Wechsel mit dem Land Brandenburg – als nachgelagerte Rechtsaufsicht über die Einhaltung der staatsvertraglichen Vorgaben und hält darüber hinaus den rbb allgemein zu Maßnahmen an, die die Barrierefreiheit verbessern. Ungeachtet dessen wird sich der Senat, wie im Koali- tionsvertrag vereinbart, gegenüber dem rbb für die An- wendung von Gebärdensprache für gehörlose Menschen in den Angeboten des rbb einsetzen. 4. Beabsichtigt der Senat oder hat er bereits die Initiative dazu ergriffen, das Thema Verbesserung des barrierefreien Angebots der öffentlich-rechtlichen Sender im Rahmen des kommenden Rundfunkänderungsstaats- vertrags erneut einzubringen? Wenn ja mit welchem Inhalt oder wenn nein, warum nicht? Zu 4.: Die unter der Fragestellung zu Ziffer 1. aufge- führten staatsvertraglichen Regelungen müssen zunächst umgesetzt und in ihrer Effektivität überprüft werden. Gleiches gilt für die von den Intendantinnen und Inten- danten der Landesrundfunkanstalten beschlossenen Aus- bau von barrierefreien Angeboten. Erst nach Abschluss der Evaluation können weitere Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Berlin, den 15. Januar 2013 K l a u s W o w e r e i t Regierender Bürgermeister (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Jan. 2013)