Drucksache 17 / 11 331 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Fabio Reinhardt und Alexander Spies (PIRATEN) vom 10. Dezember 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Dezember 2012) und Antwort Wie weiter mit den Integrationsfachdiensten in Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft in den Fragen 3, 6 und 7 Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständig- keit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Regionaldirektion Berlin- Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit um eine Stel- lungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwor- tung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird bei der Beantwortung der Fragen 3, 6 und 7 wiedergege- ben 1. Wie viele Menschen nahmen in den letzten fünf Jahren die Unterstützung der Integrationsfachdienste (IFD) in Berlin in Anspruch (bitte aufschlüsseln nach Jahren und Integrationsfachdiensten)? Zu 1.: Für 2012 ist eine Auswertung frühestens An- fang Februar 2013 möglich. Erst nach Fertigung von Jah- resabschlussberichten zu jedem einzelnen Fall durch die Beraterinnen und Berater der Integrationsfachdienste ist eine statistische Auswertung möglich. Die nachstehende Fallzahldarstellung zu den einzelnen Diensten umfasst deshalb die zum jetzigen Zeitpunkt statistisch auswertba- ren Jahre 2007 bis 2011. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 27.842 schwerbehinderte Menschen begleitet. 2. Wie lange laufen die derzeitig gültigen Verträge mit den Trägern der Integrationsfachdienste in Berlin (bitte aufschlüsseln nach Kostenträgern und den Bereichen Be- rufsbegleitung bzw. Vermittlung)? Zu 2.: Die derzeit gültigen Verträge nach § 111 Sozi- algesetzbuch IX (SGB IX) zwischen dem Landesamt für Gesundheit und Soziales - Integrationsamt - und den Trä- gern der Integrationsfachdienste liefen zum 31.12.2012 aus. Darüber hinaus beauftragen Rehabilitationsträger Integrationsfachdienste für die Dauer des im Einzelfall notwendigen Einsatzes. Das Integrationsamt ist im Regel- fall im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben Auftraggeber (Kostenträger) der Integrationsfachdienste für die Berufsbegleitung und nimmt darüber hinaus die sogenannte Strukturverantwortung für die Integrations- fachdienste wahr. Rehabilitationsträger sind Auftraggeber (Kostenträger) der Integrationsfachdienste sowohl für die Berufsbegleitung als auch für die Vermittlung. Darüber hinaus erbringen Integrationsfachdienste Vermittlungs- leistungen für arbeitslose schwerbehinderte Menschen gegen Vorlage eines Vermittlungsgutscheines (vgl. Ant- wort auf Frage 6). Diese Leistungen wurden im Rahmen der Wahrnehmung der Strukturverantwortung für die In- tegrationsfachdienste vom Integrationsamt vorfinanziert. Diese Vorfinanzierung entfiel mit Auslaufen der oben genannten Verträge mit Wirkung zum 01.01.2013. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf sei- ne jahrelangen Bemühungen für eine gesetzliche Klarstel- lung der Beauftragung von Integrationsfachdiensten be- IFD 2007 2008 2009 2010 2011 Gesamt Mitte 510 518 522 484 516 West 378 353 347 392 372 Ost 455 481 610 755 622 hörbehinderte Menschen 358 379 517 653 603 Nord 405 388 556 636 713 Süd 423 438 521 606 584 Südwest (Begleitung) 171 184 182 214 212 Südwest (Vermittlung) 345 306 317 366 401 Übergang Werkstatt/Allgemeiner Arbeitsmarkt 0 0 0 3 56 Übergang Schule/Allgemeiner Arbeitsamrkt 0 0 0 20 25 Gesamt 5.052 5.055 5.581 6.139 6.115 27.942 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 331 2 züglich der Vermittlung von arbeitslosen schwerbehinder- ten Menschen – zuletzt im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Verbesserung der Eingliede- rungschancen am Arbeitsmarkt (vgl. u.a. BR-Drs. 313/11 (Beschluss) http://www.bvaa- online.de/obj/DokumenteArbeitsmarkt2011/20-11 sowie BR.-Drs. 288/12). 3. Sind die Leistungen der Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit bereits ausgeschrieben worden? Zu 3.: Bis Ende 2008 konnten Agenturen für Arbeit (AA) und Jobcenter (JC) auf Basis des damaligen § 37 SGB III (alte Fassung 2008) und im Wege Freihändiger Vergabe Integrationsfachdienste (IFD) mit der Vermitt- lung schwerbehinderter Menschen beauftragen. Nach Wegfall des § 37 (alte Fassung 2008) SGB III zum 01.01.2009 bildete § 46 SGB III (alte Fassung 2009) die Rechtsgrundlage für entsprechende Maßnahmen. Um eine Kontinuität beim Einkauf von Vermittlungsdienstleistun- gen bei IFD zu ermöglichen, wurden die Inhalte der § 37 (alte Fassung 2008)-IFD-Beauftragungen (Einkauf einer Vermittlungsleistung) zunächst unverändert in die Verga- beunterlagen (VU) auf Basis § 46 SGB III (alte Fassung 2009) eingearbeitet. Die Anwendung des Vergaberechtes war gem. § 46 Abs. 4 SGB III (alte Fassung 2009) nunmehr explizit vor- gegeben. Die Möglichkeit, IFD im Wege Freihändiger Vergaben mit der Vermittlung schwerbehinderter Men- schen beauftragen zu können, entfiel mit der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A (VOL/A) 2009. (siehe auch: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Gesetz/verdi ngungsordnung-fuer-leistungen-vol-a- 2009,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=tr ue.pdf ) Grundlage für Maßnahmen zur beruflichen Eingliede- rung von schwerbehinderten Menschen stellt seit 2012 § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 und 5 SGB III und § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 und 5 SGB III dar. Die Beauftragung von Trägern mit der Durchführung derartiger Maßnahmen erfolgt unter Anwendung des Vergaberechts gem. § 45 Abs. 3 SGB III. Das Vergabe- recht sieht hierfür grundsätzlich die Öffentliche Aus- schreibung vor. a. Wenn ja, wann und wo wurde/ist die Ausschreibung veröffentlicht und über welchen Zeitraum lief/läuft die Ausschreibung (bitte Ausschreibungsunterlagen beile- gen/verlinken)? Zu 3. a.: Arbeitsmarktdienstleistungen werden grund- sätzlich öffentlich ausgeschrieben. Reha-spezifische Ar- beitsmarktdienstleistungen sind nur eine Sequenz einer Vielzahl von Arbeitsmarktdienstleistungen. Rehabilitan- den können je nach Förderbedarf auch reha- unspezifischen Arbeitsmarktdienstleistungen zugewiesen werden, wenn dies auf den Förderbedarf passt (Inklusion). Seit 2011 erfolgen die Ausschreibungen überwiegend nur noch elektronisch über die eVergabe-Plattform des Bundes, die unter folgendem Link zur erreichen ist: www.evergabe-online.de. Die betreffende Arbeitsmarkt- dienstleistung mit der aktuellen Bezeichnung „Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung schwerbehinderter Menschen nach § 45 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch Sozialge- setzbuch (SGB III) sowie § 16 Abs. 1 Zweites Buch Sozi- algesetzbuch (SGB II) i. V. m. § 45 Abs. 1 S. 1 SGB III“ wird seit 2010 kontinuierlich im Rahmen Öffentlicher Ausschreibungen vergeben. Die Integrationsfachdienste haben die Möglichkeit, sich mit einem Angebot an diesen Ausschreibungsverfahren zu beteiligen und sich mit ihren Leistungen dem Wettbewerb zu stellen. Dies war auch 2011 Thema einer Sachverständigenanhörung beim Bun- destag, da die Ausschreibungen dem Bundesvergaberecht unterliegen. Die letzte Öffentliche Ausschreibung zu dieser Ar- beitsmarktdienstleistung wurde aktuell am 13.12.2012 veröffentlicht. Das Ende der Angebotsfrist ist am 15.01.2013. b. Nach welchem Vergaberecht wurde die Leistung ausgeschrieben bzw. soll die Leistung ausgeschrieben werden? Zu 3. b.: Für die Bundesagentur für Arbeit gilt – als bundesweit agierender Öffentlicher Auftraggeber – bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Bundesrecht:  Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB),  Vergabeverordnung (VgV) sowie  Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A). c. Wie viele Träger haben sich beworben? Zu 3. c.: Für Berlin liegen durchschnittlich vier Ange- bote je ausgeschriebenes Los vor. d. Welche Träger übernehmen ab wann die Vermitt- lung schwerbehinderter arbeitsuchender Menschen nach § 110 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)? Zu 3. d.: Grundsätzlich unterliegen die Informationen über vertragliche Beziehungen zwischen Bildungsträgern und Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit dem Da- tenschutz. Zum laufenden Vergabeverfahren (vgl. Buchst. a) erfolgt die Zuschlagserteilung erst am 05.03.2013. e. Nach welchen Kriterien und von wem wurden die Träger ausgewählt? Zu 3. e.: Die fachliche Wertung der Angebotskonzep- tionen erfolgt auf der Grundlage der in den Vergabeunter- lagen vorgegebenen Wertungsmatrix (siehe Buchst. a). Die Wertungsergebnisse werden in der 4. Wertungsstufe des Vergabeverfahrens mit den Preisdaten der Bieter zu- sammengeführt. Unter Verwendung der UfAB V-Formel (UfAB = Unterlage für Ausschreibung und Bewertung) in der erweiterten Richtwertmethode erfolgt die Ermittlung des wirtschaftlichsten Bieters. Mit der Anwendung der Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 331 3 erweiterten Richtwertmethode wird insbesondere sicher- gestellt, dass nicht automatisch der preisgünstigste Bieter den Zuschlag erhält, sondern leistungsstarke und qualita- tiv hochwertige Anbieter in besonderer Weise berücksich- tigt werden. f. Falls das Vergabeverfahren noch nicht stattgefunden hat: Wann soll die Ausschreibung laufen? Zu 3. f.: Vgl. die Ausführungen unter Buchstabe a. 4. Welche der in § 110 Abs. 2 SGB IX genannten Aufgaben der IFD sollen konkret an andere Träger über- gehen? Zu 4.: Die in § 110 Abs. 2 SGB IX genannten Aufga- ben wurden und werden auch weiterhin in Abhängigkeit von der jeweiligen Beauftragung durch das Integrations- amt oder durch einen Rehabilitationsträger von den Integ- rationsfachdiensten wahrgenommen. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 5. Wie werden die Leistungsberechtigten über etwaige Trägerwechsel informiert? Zu 5.: Der Senat geht davon aus, dass die Leistungs- berechtigten rechtzeitig vom Leistungsträger oder vom Integrationsfachdienst über einen etwaigen Trägerwechsel informiert werden. 6. Welche neuen, zusätzlichen Arbeitsbereiche kom- men im Zuge des Wegfalls der Dienstleistung der Ver- mittlung durch die IFD auf die Agenturen für Arbeit und Jobcenter zu? Zu 6.: Neue Arbeitsbereiche ergeben sich hier weder für die Agenturen für Arbeit noch für die Jobcenter. Men- schen mit einer Schwerbehinderung konnten Vermitt- lungsgutscheine (VGS - § 421g SGB III alte Fassung) bzw. Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine (AVGS - § 45 SGB III aktuelle Fassung) bei einem Dritten Ihrer Wahl einlösen. Diese Möglichkeit besteht weiterhin. 7. Wie wurden und werden Mitarbeiter_innen der Agenturen für Arbeit und Jobcenter auf die Besonderhei- ten in der Vermittlung schwerbehinderter Arbeitsuchen- der vorbereitet und geschult? Zu 7.: Die Agenturen für Arbeit sind gem. § 104 Abs. 4 SGB IX zur Einrichtung besonderer Stellen für schwer- behinderte Menschen und Rehabilitanden verpflichtet. Dem spezifischen Beratungsbedarf der Personengruppe wird mit einer entsprechenden personellen Ausstattung begegnet. Diese sogenannten Reha/SB-Stellen sind in allen Agenturen für Arbeit eingerichtet und mit speziell geschultem Personal ausgestattet. Auch in den gemeinsa- men Arbeitgeber-Services (AG-S) der Berliner Agenturen und Jobcenter sind u. a. Rehe/SB-Spezialistinnen und Reha/SB-Spezialisten tätig, die sowohl arbeitgeberseitig als auch arbeitnehmerseitig agieren. Damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem speziellen Aufgabeschwerpunkt die notwendige Qualifi- kation besitzen, sollen sie eine mehrteilige Seminar- bzw. Workshop-Reihe zum Themenfeld „Rehabilitation und Schwerbehinderung“ besucht haben. Ferner gibt es für die Reha/SB-Spezialistinnen und Reha/SB-Spezialisten in den Arbeitgeber-Services zusätz- liche arbeitgeberseitige Angebote, die Qualifikation anzu- passen. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung besonderer Stellen gibt es für die Jobcenter nicht. Mit der Handlungsempfehlung/Geschäftsanweisung 05/2012 – 10 (zu finden unter: http://www.arbeitsagentur.de/nn_26260/SiteGlobals/Form s/Suche/serviceSuche__Form,templateId=processForm.ht ml?zielgruppe=buerger&allOfTheseWords=HEGA+05% 2F2012+-+10+&lang=de ) wurde den SGB II – Trägern empfohlen, Fachkräfte mit besonderen Kenntnissen im Bereich Rehabilitation und Schwerbehinderung (SGB IX) einzusetzen. Gemäß § 44c SGB II liegt es im Benehmen der jewei- ligen Trägerversammlungen der Berliner Jobcenter, ent- sprechend spezialisierte Fachkräfte mit der Betreuung von Menschen mit Behinderung (Rehabilitandinnen und Re- habilitanden) und schwerbehinderte Menschen (sbM) zu beauftragen bzw. spezielle Organisationseinheiten einzu- richten. Zentrale Bildungsangebote für den Bereich der beruf- lichen Rehabilitation (beispielsweise Präsenzseminare und Selbstlernangebote) können dann auch von den Job- centern genutzt werden, wenn Qualifizierungsbedarf bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern festgestellt wird. 8. Welche Kosten sind durch die Beantwortung dieser Kleinen Anfrage entstanden? Zu 8.: Die Frage kann ohne unverhältnismäßigen zu- sätzlichen Recherche- und Rechenaufwand nicht beant- wortet werden. 9. Aufgrund welcher Datensätze bzw. Unterlagen wurden oben stehende Fragen beantwortet und inwieweit wäre es möglich, diese (ggf. in Zu 9.: Die Frage kann nicht abschließend beantwortet werden, da sie nicht vollständig abgedruckt ist. Vermut- lich geht es um die Aufnahme der Daten in das Berliner- Open-Data-Portal (vergleiche Kleine Anfrage 17/11330). Einer Einstellung der Finanzierungsdaten steht vorbehalt- lich einer datenschutzrechtlichen Prüfung nichts entgegen. Die Daten wurden überwiegend der Software zur Verwaltung der Klienten in den Integrationsdiensten (KLIFD) entnommen. Berlin, den 14. Januar 2013 Mario C z a j a _____________________________ Senator für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Jan. 2013)