Drucksache 17 / 11 371 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Turgut Altug (GRÜNE) vom 18. Dezember 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Dezember 2012) und Antwort Naturnahe Grünflächenpflege ist ein Fremdwort für den Senat? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wird die naturnahe Grünflächenpflege in den Bezirken praktiziert? Wenn ja, in welchen Bezirken, wenn nein, warum nicht? Antwort zu 1: Die Bezirke sind grundsätzlich für die Pflege und Unterhaltung der weit über 12.500 Hektar öf- fentlichen Grünflächen einschließlich über 6.000 Hektar öffentlicher Grün- und Erholungsanlagen in Berlin zu- ständig. In den betreffenden Produktblättern 78445 bis 78448 für die Pflege und Unterhaltung öffentlicher Grün- anlagen ist als 1. Ziel definiert: „Ziel ist die Realisierung einer differenzierten Pflege (Umsetzung von Pflege- und Entwicklungskonzepten) unter Berücksichtigung öko- log./natürl. Grundsätze zur Erhaltung und Entwicklung der Grünflächen.“ Vergleichbare Formulierungen finden sich auch in den Produktblättern für die Pflege und Un- terhaltung von Straßengrün und der Straßenbäume. Der Begriff „naturnahe“ Pflege wird zwar nicht explizit erwähnt, aber neben der Gewährleistung der Nutzbar- keit für die Menschen hat selbstverständlich in allen Bezirken auch die Umsetzung ökologischer Ziele einen ho- hen Stellenwert bei der Grünflächenpflege. Frage 2: Wie sind die finanziellen Pflegeaufwandklas- sen nach den Flächen in den Bezirken? Bitte nach den Bezirken auflisten! Antwort zu 2: Der nachfolgenden Tabelle ist zu ent- nehmen, welche Flächen/Produktmengen die Bezirke im Jahr 2011 an die Senatsverwaltung für Finanzen (SenFin) im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) gemeldet haben. Produkt 78445 78446 78447 78448 öffentliche Grünanlagen Aufwandsklasse (AK) I AK II AK III AK IV Bezirk Produktmenge, ggf. korrigiert in m² Mitte 740.468 2.174.020 2.119.186 532.884 Friedrichshain-Kreuzberg 251.429 1.120.571 171.522 45.687 Pankow 152.137 1.666.686 1.045.787 3.264.445 Charlottenburg-Wilmersdorf 70.739 653.534 1.537.132 1.046.552 Spandau 43.568 385.733 1.010.850 4.899.335 Steglitz-Zehlendorf 16.108 970.031 1.722.754 1.872.742 Tempelhof-Schöneberg 96.514 800.187 957.593 39.544 Neukölln 158.927 485.799 1.009.585 904.740 Treptow-Köpenick 35.050 741.121 1.377.443 2.294.945 Marzahn-Hellersdorf 31.496 790.000 830.000 5.035.210 Lichtenberg 0 846.235 1.754.982 3.264.149 Reinickendorf 65.257 295.038 1.226.363 3.563.449 Summe 1.661.693 10.928.955 14.763.197 26.763.681 Quelle: Senatsverwaltung für Finanzen; Produktbudgets-Vergleichsberichte 2013 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 371 2 Frage 3: Gedenkt der Senat das Straßenreinigungsge- setz zu ändern, da viele Bezirke die finanziellen Mittel für die Grünflächenpflege an die BSR abgeben müssen? Antwort zu 3: Das Straßenreinigungsgesetz regelt die ordnungsmäßige Straßenreinigung für die öffentlichen und in der Baulast Berlins liegenden Straßen. An- und Hinterliegerinnen sowie An- und Hinterlieger (Eigentümerinnen und Eigentümer oder dinglich Nut- zungsberechtigte) von Grundstücken an Straßen, die im Straßenreinigungsverzeichnis dem Verzeichnis A (ausge- baute Straßen innerhalb geschlossener Ortslagen) oder B (Straßen außerhalb geschlossener Ortslagen, die überwie- gend dem inneren Verkehr dienen) zugeordnet sind, entrichten Straßenreinigungsentgelte an die Berliner Stadt- reinigungsbetriebe (BSR), die auf den genannten Straßen hoheitlich für das Land Berlin die Straßenreinigungs- pflicht wahrnimmt und entsprechend die ordnungsmäßige Reinigung durchführt. Die für öffentliche Grünflächen zu entrichtenden Stra- ßenreinigungsentgelte werden von den Bezirken in der Regel aus den für die Pflege und Unterhaltung der öffent- lichen Grünflächen zur Verfügung stehenden Mitteln als Teil der öffentlichen Lasten finanziert. Eine Änderung des Straßenreinigungsgesetzes wird zurzeit geprüft. Frage 4: Wie ist die Zuordnung der Grünflächen zu Pflegeklassen in den Bezirken? Antwort zu 4: Wie bereits in der Kleinen Anfrage 17/11 026 vom 24.09.2012 beantwortet, entscheiden die Bezirke im Rahmen ihrer Globalsummenverantwortung über Veranschlagung und tatsächlichen Mitteleinsatz. Dieser kann somit von den zugewiesenen Produktbudgets abweichen. Die Ermittlung und Zuweisung der Produktbudgets er- folgt auf Grundlage der KLR. Gemäß Auftrag der Berli- ner Verfassung (Artikel 85 II) kommt bei der Bemessung der sogenannten Globalsummen hinzu, dass ein gerechter Ausgleich unter den Bezirken vorzunehmen ist. Das heißt, die Mittel werden vor der Zuweisung einem Wertaus- gleich unterzogen. Im Rahmen der Budgetierung werden sog. Planmengen für die vier Aufwandsklassen-Produkte der Grünanlagenpflege ermittelt. Die Fachämter in den Bezirken ordnen den einzelnen öffentlichen Grünanlagen die geeignete Pflegeaufwandsklasse zu. Hierbei spielen fachliche Erfordernisse und die zur Verfügung stehenden Mittel eine Rolle. Die Flächen der einzelnen Grünanlagen werden dann als Produktmengen im Rahmen der KLR geführt (siehe Frage 2). Frage 5: Wird bei der Grünflächenpflege der Schutz der Artenvielfalt berücksichtigt, wenn ja, wie, wenn nein, warum nicht? Antwort zu 5: Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, gehören ökologische Aspekte wie die Erhal- tung der Artenvielfalt zu den Zielen bei der Grünflächenpflege in Berlin. Die Umsetzung obliegt der Zuständigkeit der Bezirke. Frage 6: Wie bewertet der Senat den Einsatz der moto- risierten Laubaufräumung? Antwort zu 6: Der Einsatz von Maschinen ist heutzu- tage oft ein finanzielles Erfordernis, da viele Arbeitsleis- tungen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr nur von Hand erbracht werden können. Beim Einsatz von Maschinen zur Laubentfernung sind die örtlichen Gegebenheiten (Lärmschutz der Anwohnerinnen und Anwoh- ner, Schutz der Flora und Fauna) sowie Aspekte der Ar- beitssicherheit zu berücksichtigen. Erfahrungsberichte über elektrische Geräte im Akku- Betrieb (welche nach ersten Erkenntnissen deutlich nied- rigere Immissionen verursachen sollen) lassen hoffen, dass sich diese Modelle trotz derzeit noch höherer Be- schaffungskosten hinsichtlich Effizienz, Wirtschaftlich- keit und Immissionsvermeidung langfristig durchsetzen und die bisher verwendeten benzinbetriebenen Geräte gleichwertig ersetzen können. Frage 7: Wie viele Personen werden aktuell im Rah- men eines vom Jobcenter geförderten Programms bei der Grünflächenpflege beschäftigt? Bitte nach den Bezirken auflisten! Frage 8: Wie werden diese Personen auf ihren Einsatz bei der Grünflächenpflege vorbereitet? Antwort zu 7 und 8: „Tätigkeiten, die der Neuanlage, Unterhaltung, Reinigung und Pflege von Grünanlagen dienen,“ sind gemäß der aktuellen Positivliste für Arbeitsgelegenheiten (Stand 11.08.2011) grundsätzlich nicht förderfähig. Der Senat geht daher davon aus, dass von den Bezirken keine Personen im Rahmen eines vom Jobcenter geförderten Programms bei der Grünflächenpflege be- schäftigt werden. Ohne im Einzelnen dazu Daten zu erhe- ben, ist dem Senat bekannt, dass einzelne Bezirke Maß- nahmeträgern von Arbeitsgelegenheiten mit Mehrauf- wandsentschädigung auf Anfrage auch öffentliche Flä- chen für Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung stellen . Frage 9: Bei welchen Grünflächen arbeiten die Ver- waltungen mit den BürgerInnen zusammen? Wie sieht diese Zusammenarbeit aus? Antwort zu 9: Für Planung und Bau sowie Pflege und Unterhaltung der öffentlichen Grünflächen sind grund- sätzlich die Bezirksämter zuständig, in Fällen einer über- geordneten, gesamtstädtischen Bedeutung auch die Se- natsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt lie- gen keine Erhebungen auf gesamtstädtischer Ebene über Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 371 3 die Zusammenarbeit der Verwaltungen mit den Bürgerin- nen und Bürgern hinsichtlich von öffentlichen Grünflä- chen vor. Anhand von Einzelfällen sind dem Senat viel- fältige Formen der Zusammenarbeit bekannt – dies reicht von unterschiedlich ausgestalteten Beteiligungsverfahren bei der Planung und Entwicklung von Freiflächen über Spenden für Bäume oder Ausstattungselemente bis hin zu Pflegepatenschaften und tätigem Engagement für das Ber- liner Stadtgrün: einzeln, in spontanen Gruppen, Bürgerini- tiativen oder Vereinen. Im Hinblick auf die bei Kleinen Anfragen zur Beant- wortung zur Verfügung stehende Zeit wurde auf auf- wendige Abfragen bei den einzelnen Bezirksämtern ver- zichtet. Frage 10: Nach welchem Konzept pflegt die BSR das Straßenbegleitgrün? Antwort zu 10: Insoweit Straßenbegleitgrün zum öf- fentlichen Straßenland gehört und dieses den Straßenrei- nigungsverzeichnissen A und B zugeordnet ist, sind die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) für die Absamm- lung des Straßenkehrichts zuständig. Die Häufigkeit der Reinigungsmaßnahmen ist in der Verordnung über die Straßenreinigungsverzeichnisse und die Einteilung in Reinigungsklassen geregelt. In Straßen des Straßenreinigungsverzeichnisses C sind die Anliegerinnen und Anlie- ger für die Reinigung des zur öffentlichen Straße gehö- renden Straßenbegleitgrüns zuständig. Für gärtnerische Pflegemaßnahmen auf dem Straßenbegleitgrün sind die Bezirksämter zuständig. Frage 11: Was sind die bisherigen Erfahrungen der Verwaltung nach der Ämterstrukturreform? Antwort zu 11: Hinsichtlich der Fachaufgaben im Zu- sammenhang mit dem Berliner Stadtgrün (insbesondere Grünflächenmanagement, Planung, Neubau, Pflege und Unterhaltung von öffentlichen Grün- und Freiflächen, Kinderspielplätze, Friedhöfe, Kleingärten, Landschafts- planung, Naturschutz, Artenschutz, Baumschutz) ist eine Vereinheitlichung der Ämterstrukturen in den zwölf Be- zirken aus Sicht des Senats grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings erfolgte mit der Verteilung dieser diversen Fachaufgaben auf zwei verschiedene Ämter je Bezirk (Tiefbau- und Landschaftsplanungsamt sowie Umwelt- und Naturschutzamt), die in den Bezirksämtern zum Teil in verschiedenen Abteilungen geführt werden, eine Zersplitterung der sinnvollerweise in einem Amt zusammen- geführten umfassenden bezirklichen Fachkompetenz für das Stadtgrün Berlins. Eine derart aufgeteilte Organisationsform führt in der Regel unnötigerweise zu Kompetenz- und Reibungsver- lusten sowie zu Mehraufwand für die fachlich notwendige Abstimmung und Zusammenarbeit. Allerdings wurden die Ämterneubildungen nach Kenntnis des Senats noch nicht in allen Bezirken in Gänze umgesetzt, so dass die vorlie- genden ersten Erfahrungen noch kein vollständiges Bild ergeben. Auf Fachebene lassen sich jedoch im Rahmen des regelmäßigen fachlichen Austauschs mit den Bezirken erste Anzeichen der vorgenannten ungünstigen Entwick- lung erkennen. Der Senat begrüßt daher die beabsichtigte Evaluation der bei der Ämterstrukturreform getroffenen Organisationsentscheidungen. Frage 12: Inwieweit werden Maschinen und Fahrzeu- ge ökonomisch eingesetzt und bei der Beschaffung ener- gieeffiziente Maschinen und Fahrzeuge gewählt? Einige Bezirke bewirtschaften bereits ausgewählte Wiesen mit einer 1 bis 2 schürigen Mahd und betreuen entsprechend extensiv die Flächen von Landschaftsschutzgebieten. Welche Bezirke sind das mit welchen Flächen? Welche Maschinen, insbesondere Mähgeräte, bei denen sich die Schnitthöhe anpassen lässt, stehen ihnen dabei zur Verfü- gung? Frage 13: Extensive Pflege spart Energie. Gerade bei kleineren Flächen ist abzuwägen, ob die Arbeit nicht mit einem Handgerät, wie einer Sense, verrichtet werden könnte. Welche Erfahrungen haben die Bezirke damit gemacht? Mit einem speziell auf den Standort und die Nutzung abgestimmten Pflegeplan für alle Flächen kön- nen Arbeitsschritte gezielt über das gesamte Jahr erfolgen. Das hat beispielsweise den Vorteil, dass Arbeiten, wie Mähen, sich keinesfalls auf wenige Monate im Jahr be- schränken müssen. Welche Bezirke arbeiten mit einem konzeptionellen Pflegeplan? Gibt es konkrete Ansätze solch einen Plan mit der berlinweiten „Biotoptypenkartierung “ zu koppeln? Antwort zu 12 und 13: Die Fragen betreffen die Art und Weise der Grünflächenbewirtschaftung in den Bezir- ken durch die dafür zuständigen Fachämter sowie die Erfahrungen, welche die Bezirke hierbei gemacht haben. Diese Fragen kann der Senat nicht aus eigener Zuständig- keit und Kenntnis beantworten; ihm liegen zu den nachge- fragten Sachverhalten auch keine Daten bzw. Übersichten vor. Eine gesamtstädtische Statistik über die extensive Betreuung bestimmter Flächen wird nicht geführt. Im Hinblick auf die bei Kleinen Anfragen zur Beant- wortung zur Verfügung stehende Zeit wurde auf auf- wendige Abfragen bei den Bezirksämtern verzichtet. Berlin, den 28. Januar 2013 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Feb. 2013)