Drucksache 17 / 11 386 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Andreas Otto und Thomas Birk (GRÜNE) vom 20. Dezember 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Dezember 2012) und Antwort Wer ist für das Chaos bei der Hard- und Software bei der Brandschutztechnik des BER ver- antwortlich? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Beantwortung beruht teilweise auf Angaben der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB). Frage 1: Für welchen Teil bzw. welcher Hard- und Software der Brandschutztechnik beim BER ist die Firma Bosch genau zuständig? Antwort zu Frage 1: Gegenstand des Vertrages mit der Firma Bosch ist die Herstellung der Sicherheitstechnik für das Fluggastterminal. Der Gesamtauftrag umfasst im We- sentlichen die Lieferung und Installation von Komponen- ten für die Brandmeldeanlagen, sowie das elektroakusti- sche Notfallwarnsystem, die Fluchttürsteuerung, die Ein- bruchmeldeanlage, die Videoüberwachungsanlage, das Zugangskontrollsystem. In Bezug auf die Thematik Steu- erung Nachströmöffnung ist die Firma Bosch mit der Her- stellung der Brandmeldeanlage (BMA) betraut. Frage 2: Für welchen Teil bzw. welcher Hard- und Software der Brandschutztechnik beim BER ist die Firma Siemens genau zuständig? Antwort zu Frage 2: Gegenstand des Vertrages mit der Firma Siemens ist die Herstellung der Gebäudeautomati- on für das Fluggastterminal. Die Firma Siemens ist mit der Herstellung der Messsteuerungs- und Regelungstech- nik (MSR) betraut, d.h. der elektronischen und elektro- technischen Steuerung eingebauter Anlagen von anderen Firmen, wie beispielsweise Heizungs-, Klima-, Lüftungs- und Kälteanlagen. In Bezug auf die Thematik Steuerung der Nachströmöffnungen stellt die Firma Siemens die Entrauchungssteuerung her. Frage 3: Waren die technischen Bereiche so abgrenz- bar, dass die Vergabe an zwei verschiedene Firmen sinn- voll war? Frage 4: Wäre eine Vergabe der Leistungen an eine Firma im Sinne eines sicheren Betriebs und zur Vermei- dung von Softwareinkompatibilitäten möglich und besser gewesen? Antwort zu Fragen 3 und 4: Grundsätzlich sind die vorgenannten technischen Bereiche – Sicherheitstechnik und Gebäudeautomation – klar voneinander abgrenzbar, so dass die Vergabe in verschiedenen Losen und somit an zwei verschiedene Firmen möglich war. Zum Vergabe- zeitpunkt bestand nach damaligem Kenntnisstand kein Anlass, die technische Realisierbarkeit gemäß Anforderungen des Brandschutzkonzepts anzuzweifeln. Frage 5: Gibt es noch weitere Firmen, die für die Software der Brandschutztechnik des BER zuständig sind, und wenn ja, welche? Antwort zu Frage 5: Die Brandschutzanlage besteht aus diversen Gewerken, u.a. der Entrauchungsanlage, der Sprinkleranlage sowie dem elektroakustischen Notfall- warnsystem. Frage 6: Welche Regelungen zur Zusammenarbeit, insbesondere zur Kompatibilität der jeweiligen Software der Firmen, waren im Pflichtenheft für die Ausschreibung festgeschrieben und welche Personen waren wie für die Einhaltung dieser Regelungen verantwortlich? Antwort zu Frage 6: Das vertraglich vereinbarte Pflichtenheft zur Brandmeldeanlage definiert Vorgaben und Verfahren, die – basierend auf den relevanten Normen und technischen Regeln – umzusetzen sind. Das jeweilige ausführende Unternehmen ist für die vertragskon- forme und fachgerechte Ausführung der Vertragsleistung verantwortlich. Die Bauüberwachung wie auch die aus- führenden Firmen unterliegen einer vertraglich vereinbar- ten Koordinationspflicht - insbesondere in Bezug auf die Schnittstellen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 386 2 Die Verantwortung für die Erstellung der Brandfall- steuerungsmatrix, welche auf die Gebäudekonzeption angepasst und mit der Genehmigungsbehörde abgestimmt sein muss, liegt beim vom Auftraggeber beauftragten Planer . Die pg bbi war bis zur Kündigung mit der General- planung sowie der Bauüberwachung der Bauleistungen betraut und somit für die Koordination der Ausführungs- leistungen verantwortlich. Frage 7: Welche Vertragsstrafen für den Fall der Nichterfüllung der Schnittstellenfähigkeit der Software der beteiligten Firmen waren vereinbart? Antwort zu Frage 7: Die planerischen Schnittstellen waren durch den Generalplaner/die Bauüberwachung pg bbi zu betreuen. Die FBB befindet sich zurzeit mit den die pg bbi bildenden Firmen in einem Rechtsstreit wegen mangelhafter Leistungen. Es sind keine Vertragsstrafen für die Nichterfüllung der Schnittstellenfähigkeit der Software formuliert. Frage 8: Wurden Testumgebungen geschaffen, um die Kompatibilität der Software der Firmen zu simulieren? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu Frage 8: Ja, es wurden Testumgebungen (z.B. Simulationen und Heißgasrauchversuche) geschaf- fen. Frage 9: Gibt es andere Flughäfen oder vergleichbare Gebäude in denen das Zusammenspiel der unterschiedli- chen Software der Firmen funktioniert? Antwort zu Frage 9: Bei dem Terminalgebäude BER handelt es sich um einen Sonderbau, der aufgrund seiner besonderen Nutzung und Komplexität nicht ohne Weite- res mit anderen Gebäuden vergleichbar ist. Die Anforde- rungen an den übergeordneten technischen und baulichen Brandschutz ergeben sich aus der Architektur des Gebäu- des und den gesetzlichen Vorschriften. Hinsichtlich der Brandschutztechnik bestehen daher u.a. aufgrund der Großflächigkeit des Gebäudes, der Sicherheitsanforde- rungen für den Luftverkehr sowie behördlicher Anforde- rungen besondere Ansprüche. Auf Vorerfahrungen bei anderen Gebäuden konnte daher nur eingeschränkt zu- rückgegriffen werden. Zum Zusammenspiel unterschiedlicher Software der Firmen bei anderen Flughäfen oder vergleichbaren Groß- bauten liegen keine Informationen vor. Frage 10: Seit wann ist wem bekannt, dass es Schnitt- stellenprobleme zwischen der Software von Bosch und Siemens und gegebenenfalls weiterer Firmen geben könn- te? Antwort zu Frage 10: Wie bereits durch den Ge- schäftsführer Technik/BBI der FBB und die Firmen Bosch und Siemens im Rahmen der Anhörung im Bau- ausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses am 23.1.2013 ausgeführt, ist klarzustellen, dass die Schnittstellen zwi- schen den von Bosch gelieferten Komponenten und der Entrauchungssteuerung von Siemens vollkommen kompa- tibel (und funktionsfähig) sind. Das Erfordernis, die Steuerung der Nachströmung an- zupassen, ist aus den bis Anfang Januar 2013 gewonne- nen Ergebnissen der Heißgasrauchversuche entstanden, über die danach die Gesellschafter und der Aufsichtsrat informiert wurden. Frage 11: Wer war bis Mai 2012 für die Koordinie- rung des Zusammenwirkens der unterschiedlichen Softwarekomponenten von Bosch und Siemens sowie ggf. weiterer Systeme verantwortlich, welche Rolle spielte dabei insbesondere der Generalplaner pg bbi? Antwort zu Frage 11: Siehe Antwort zu Frage 6. Frage 12: Wer ist seit der Kündigung von pg bbi für die Koordinierung des Zusammenwirkens der unter- schiedlichen Softwarekomponenten von Bosch und Sie- mens verantwortlich? Antwort zu Frage 12: Seit der Kündigung der pg bbi werden die Aufgaben der Bauüberwachung durch die FBB bzw. Dienstleister im Auftrag der FBB wahrge- nommen. Frage 13: Wurden seit der Verschiebung der Eröff- nung des BER im Mai 2012 mit Bosch und Siemens und gegebenenfalls weiteren Firmen neue vertragliche Ver- einbarungen getroffen, um die Schnittstellenfähigkeit der unterschiedlichen Brandschutzsoftwarekomponenten der Firmen sicherzustellen, und wenn ja, wann und welche? Antwort zu Frage 13: Nein, es wurden bislang keine neuen vertraglichen Vereinbarungen getroffen. Frage 14: Welche Mehrkosten entstanden bislang durch die Probleme mit der Software der unterschiedli- chen Auftragnehmer? Frage 15: Welche Verzögerungen im Bauablauf bzw. auf dem Weg der Fertigstellung der technischen Einrich- tungen am BER sind durch die Softwareprobleme bisher verursacht worden? Antwort zu Fragen 14 und 15: Mit den bis Anfang Ja- nuar 2013 gewonnenen Erkenntnissen aus den gutachter- lichen Stellungnahmen und den Heißgasrauchversuchen ist festzustellen, dass neben umfangreichen Umplanungen auch Umprogrammierungen der Steuerung bzw. Umbau- maßnahmen an den Entrauchungsanlagen unumgänglich sind. Die hierdurch entstehenden Mehrkosten sind bislang nicht abschließend quantifizierbar. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 386 3 Diese benannten Maßnahmen sind nicht mehr in dem darstellbaren zeitlichen Rahmen bis Mai 2013 leistbar und führen zu einem Bauverzug, infolgedessen der Inbetrieb- nahmetermin 27.10.2013 nicht mehr zu realisieren ist. Frage 16: Wann und wie wurde der Aufsichtsrat über Schnittstellenprobleme zwischen der Software von Bosch und Siemens und gegebenenfalls weiteren Firmen infor- miert? Wie hat er auf diese Nachricht reagiert? Antwort zu Frage 16: Siehe Antwort zu Frage 10. Die Erkenntnisse haben im Januar 2013 dazu geführt, dass der geplante Inbetriebnahmetermin Oktober 2013 aufgegeben werden musste. Frage 17: Warum wurde erst am 18. Dezember 2012 ein Chefgespräch zur Kompatibilität der Software von Bosch und Siemens mit den beiden Firmen geführt? Antwort zu Frage 17: Im Rahmen der Aufsichtsrats- sitzung vom 7. Dezember 2012 wurde der Aufsichtsrat darüber informiert, dass Schwierigkeiten mit der bisher geplanten Steuerung der Nachströmöffnungen aufgetreten sind. Um eine möglichst schnelle Sachaufklärung zu er- reichen, wurde das genannte Gespräch anberaumt. Frage 18: Welches Ergebnis hatte dieses Gespräch? Welche Vereinbarungen wurden getroffen? Was folgt, wenn diese Vereinbarungen nicht eingehalten werden? Antwort zu Frage 18: In dem Gespräch wurden der ak- tuellen Stand sowie die nächsten Schritte bei den Bauar- beiten für den BER erörtert. Dabei wurde klar, dass die bisherigen Erkenntnisse eher größere Risiken für die ge- plante Inbetriebnahme am 27. Oktober 2013 gezeigt ha- ben. Frage 19: Welche Stellungnahmen haben die Firmen Bosch und Siemens zu den Problemen der Brandschutz- technik bisher abgegeben? Antwort zu Frage 19: Die Stellungnahmen der Firmen beziehen sich ausschließlich auf ihre jeweilige Teilleis- tung. Der funktionierende Brandschutz umfasst das Zu- sammenwirken mehrerer Gewerke. Frage 20: Gibt es noch weitere Technikbereiche, für deren Softwarekomponenten unterschiedliche Firmen zuständig sind? Wenn ja, welche sind das, und welche vertraglichen Vereinbarungen wurden zur Schnittstellenfähigkeit , bzw. für den Fall deren Nichterfüllung getrof- fen? Gab oder gibt es diesbezüglich Probleme und wenn ja welche? Antwort zu Frage 20: Technische Schnittstellen zwi- schen Firmen und Gewerken sind nicht unüblich – insbesondere bei Großprojekten. Bei ca. 60 übergeordneten Systemen spielen Software und Steuerung eine Rolle. Beispielhaft sei hier die Herstellung der Telekommunika- tionsanlagen benannt. Vor diesem Hintergrund werden sowohl für Planungs- , Bauüberwachungs- und Ausführungsleistungen im Rahmen der Vertragsgestaltung grundsätzlich umfassende Koordinationsleistungen vereinbart. Prinzipiell ist davon auszugehen, dass sämtliche Ver- tragsleistungen, also auch Koordinationsleistungen, im Vorfeld einer erfolgreichen Abnahme erbracht werden. Sollten Konflikte oder Schwierigkeiten im Zuge der Pla- nung oder während der Bauausführung festgestellt wer- den, obliegt den verantwortlichen Beteiligten die fachli- che und systematische Bearbeitung und Lösung. Berlin, den 15. Februar 2013 Klaus Wowereit Regierender Bürgermeister (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Feb. 2013)