Drucksache 17 / 11 395 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (GRÜNE) vom 17. Dezember 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Januar 2013) und Antwort S-Bahn-Krise 2012: Was unternimmt der Senat und das S-Bahn-Management in Sachen Zug- ausfälle und Fahrgastentschädigung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft teilweise Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage zukommen zu lassen und hat da- her die S-Bahn Berlin GmbH um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird nachfolgend gekennzeichnet wiedergegeben. Frage 1: Wie viele Zugausfälle und wie viele Zugver- spätungen gab es im Dezember 2012, wie viele davon sind witterungsbedingt und welche anderen Gründe sind gegeben? Antwort zu 1.: Im Dezember 2012 gab es nach Anga- ben der S-Bahn Berlin GmbH 4.411 Zugausfälle und 6.698 Zugverspätungen. Davon sind vorläufig 60 Zugaus- fälle und 188 Zugverspätungen der Witterung zugeordnet. Die weiteren Ursachen lassen sich folgenden Hauptgrup- pen zuordnen:  S-Bahn Berlin GmbH: 3.703 Zugausfälle und 4.929 Zugverspätungen  DB Netz AG: 403 Zugausfälle und 795 Zugverspätungen  Dritte: 245 Zugausfälle und 786 Zugverspätungen Die Zuordnung zu diesen Kategorien wird durch die Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH (VBB) im Rahmen der Kontrollberichte zu den Liefernachweisen der S-Bahn Berlin GmbH überprüft. Frage 2: Was sind die genauen technischen Gründe für die Zugausfälle? Antwort zu 2.: Nach Angaben der S-Bahn Berlin GmbH ergab sich der Großteil der Zugausfälle aufgrund von Problemen bei den Fahrzeugen der Baureihe (BR) 485. Zu den technischen Gründen der Zugausfälle teilt die S-Bahn Berlin GmbH mit: „Im Einzelnen fielen hier zum fraglichen Zeitraum vor allem Türstörungen auf, die au- ßerplanmäßige Werkstattzuführungen bzw. Arbeiten wäh- rend der Wendezeiten erforderlich machten, weil Störun- gen der außenliegenden Türlaufschiene durch Splitt in Verbindung mit verstärkter Eisbildung behoben werden mussten. Einen zweiten Schwerpunkt bildeten nässebe- dingte Funktionsstörungen in den Unterflur-Anlagen. Grundsätzlich zeigt sich aber, dass die Störungsbilder an den Komponenten höchst unterschiedlich sind und kei- nem markanten Muster folgen, so dass die Gegensteue- rungsmaßnahmen auch wegen der eingeschränkten Ver- fügbarkeit der Ersatzteile der Altbaureihe und sehr auf- wendigen Tauscharbeiten von Komponenten individuell und langwierig sind.“ Frage 3: Welche Konsequenzen zieht der Senat aus den neuerlichen Minderleistungen seitens der S-Bahn? Frage 6: Wann, wie und mit welchem Ergebnis hat der Senat die S-Bahn Berlin GmbH wegen der neuerlichen S- Bahn-Ausfälle konfrontiert? Frage 9: Wie bewertet es der Senat, dass die S-Bahn noch im Jahr 2011 zugesagt hatte, bis Ende 2012 die Probleme mit den Zügen unter Kontrolle zu haben? Frage 10: Welche Schritte und welche Kontrollen hat der Senat seither unternommen, um die Herstellung eines zuverlässigen S-Bahn-Verkehrs zu sichern? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 395 2 Antwort zu 3., 6., 9. und 10.: Die während der 50. Ka- lenderwoche 2012 aufgetretenen deutlichen fahrzeugseiti- gen Verfügbarkeitsprobleme der S-Bahn Berlin GmbH in Folge der winterlichen Witterungsverhältnisse beurteilt der Senat als inakzeptabel. Sie stehen zudem in eindeuti- gem Widerspruch zu den vorangegangenen Ankündigun- gen der Deutschen Bahn AG und der S-Bahn Berlin GmbH, man sei ausreichend auf den Winter vorbereitet und verfüge über ausreichende personelle und technische Ressourcen, um das S-Bahn-Betriebsprogramm ab dem Fahrplanwechsel stabil erbringen zu können. Seitens der S-Bahn Berlin GmbH bestand sogar die Absicht, mit dem Wiedereinsatz der Linie S 85 zum 10. Dezember 2012 ein zusätzliches Verkehrsangebot mit entsprechender Res- sourcenbindung von Fahrzeugen und Personal einzufüh- ren. Aufgrund der Erfahrungen mit vorangegangenen, diesbezüglich nicht eingehaltenen Zusagen der S-Bahn Berlin GmbH sah sich der Senat jedoch nicht ausreichend überzeugt und versagte seine Zustimmung für den aus seiner Sicht unzureichend abgesicherten Wiedereinsatz der Linie S 85. Der Aufbau einer operativen Betriebsre- serve zur Erhöhung der Betriebsstabilität des vorhande- nen, eingeschränkten Angebots ist aus Sicht des Senats derzeit einer Ausweitung des Angebots vorzuziehen. In den ersten sechs Wochen wurde die vereinbarte Betriebs- stufe ohne die S 85 an lediglich fünf Tagen zum jeweili- gen Meldezeitpunkt eingehalten. Der Senat zieht hieraus die Konsequenz, dass auch künftig die Aussagen der S- Bahn Berlin GmbH zur Verfügbarkeit stets kritisch ge- prüft werden müssen. Am 13. Dezember 2012 fand ein Qualitätsgespräch der Länder Berlin und Brandenburg und des VBB mit der S-Bahn Berlin GmbH statt, in welchem die aufgetretenen Einschränkungen auf Fachebene ausgewertet wurden. Die S-Bahn Berlin GmbH teilte mit, dass der Schwerpunkt der technischen Störungen bei der BR 485 liege, während die BR 480 und 481 nur geringe winterbedingte Ausfälle zu verzeichnen hätten und die Maßnahmen zur Winterfestmachung hier grundsätzlich greifen. Bei den vermehrten witterungsbedingten Ausfällen der BR 485 sei jedoch kein strukturelles Problem erkennbar, vielmehr handle es sich um eine Häufung unterschiedlicher kleinerer Störun- gen, was deren Behebung erschwert. Die S-Bahn Berlin GmbH stellte dar, dass Sie alle Ressourcen nutze, um die aufgetretenen Fahrzeugprobleme zu lösen. Das Land Berlin wies darauf hin, dass – falls die Mängelbeseitigung nicht gelingt und ein zuverlässiger Einsatz der Fahrzeuge unter winterlichen Witterungsbedingungen nicht gesichert werden kann – von der S-Bahn Berlin GmbH ein Notfahrplan erarbeitet werden muss, der auch bei größeren Verfügbarkeitsproblemen auf allen Linienästen ein ausreichendes sowie verlässliches und somit für die Fahrgäste planbares Angebot gewährleistet. Da die witterungsbedingten Einschränkungen des An- gebotes teilweise auch auf infrastrukturelle Störungen zurückzuführen waren, hat das Land Berlin die S-Bahn Berlin GmbH zudem aufgefordert, gegenüber dem Infra- strukturbetreiber alle vertraglich vorhandenen Möglichkeiten zur Störungsbeseitigung zu nutzen und darzulegen, welche rechtlichen Möglichkeiten sie im Rahmen des Infrastrukturnutzungsvertrages hat, um gegen die Schlechtleistung vorzugehen, und ob diese ergriffen wur- den. Am 17. Dezember 2012 erfolgte ein Gespräch zwi- schen dem Senator für Stadtentwicklung und Umwelt und dem Geschäftsführer der S-Bahn Berlin GmbH sowie dem Produktionsleiter des Regionalbereichs Ost der DB Netz AG. Der Senator verdeutlichte hierin noch einmal seinen Unmut über die nicht akzeptablen Einschränkun- gen im S-Bahn-Verkehr der vergangenen Tage. Von der S-Bahn Berlin GmbH und der DB Netz AG wurden wei- tere Anstrengungen zur Erreichung eines winterfesten Betriebs eingefordert. Bei weiteren witterungsbedingten Einschränkungen bekräftigte der Senat die Forderung an die S-Bahn Berlin GmbH nach einem Notfahrplan. Wie in den vorangegangenen Jahren werden die Län- der und der VBB auch künftig die weitere Umsetzung des im Rahmen der Nachverhandlung des Verkehrsvertrages vereinbarten Qualitätssicherungsplanes durch die S-Bahn Berlin GmbH prüfen und Abweichungen hinterfragen. Nicht zuletzt durch die von Fachexperten unterstütze Ur- sachenanalyse im gemeinsamen Arbeitskreis Fahrzeuge der Länder und der S-Bahn Berlin GmbH konnte eine deutliche Verbesserung der Winterfestigkeit der BR 481 erreicht werden, die mehr als drei Viertel des Fahrzeugparks bildet. Das Ausmaß der Störungen aufgrund winter- licher Witterung im Dezember 2012 blieb deshalb auch deutlich hinter der Größenordnung der Winter 2009/10 und 2010/11 zurück. Konsequenterweise hat die S-Bahn Berlin GmbH nunmehr gegenüber den Ländern und dem VBB mitgeteilt, dass sie diese Experten erneut für eine weitergehende Expertise zur BR 485 zu Rate ziehen wird. Um jedoch auch langfristig die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems S-Bahn zu sichern sieht der Senat darüber hinaus die Notwendigkeit, auch den Arbeitskreis Infra- struktur erneut zu etablieren, ihn mit externen Experten zu ergänzen und seine Aufgabe um die ganzjährige Infra- strukturverfügbarkeit des S-Bahnnetzes zu erweitern. Der Arbeitskreis (AK) Infrastruktur wurde wie der AK Fahr- zeuge in Folge der Winterprobleme 2010/2011 gegründet und hat seinen Abschlussbericht im Sommer 2011 vorge- legt. Darüber hinaus werden weiterhin in den regelmäßig durch die Länder und den VBB durchgeführten Qualitäts- gesprächen mit der S-Bahn Berlin GmbH Leistungs- und Qualitätsmängel im Verkehrsangebot der S-Bahn Berlin GmbH thematisiert. Neben der Ursachenanalyse fordern Länder und VBB die S-Bahn Berlin GmbH konsequent auf, die Mängel abzustellen und dafür entsprechende Ge- gensteuerungsmaßnahmen zu entwickeln, vorzustellen und umzusetzen. Frage 4: In welcher Höhe werden Vertragszahlungen einbehalten bzw. Vertragsstrafen geltend gemacht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 395 3 Antwort zu 4: Für den Zeitraum Januar bis einschließ- lich Dezember 2012 wurden die monatlichen Abschlags- zahlungen bisher um rund 11,85 Mio. EUR gekürzt. Die endgültige Ermittlung des tatsächlichen finanziellen Beitrages und damit die Höhe der Kürzungen und Vertrags- strafen erfolgt im Rahmen der Schlussabrechnung nach Vorliegen aller dafür erforderlichen Liefernachweise und Klärung noch abstimmungsbedürftiger Sachverhalte mit der S-Bahn Berlin GmbH. Frage 5: Wofür sollen die einbehaltenen Geldmittel eingesetzt werden? Antwort zu 5: Hierzu hat der Senat bereits im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 17/11372 informiert . Die S-Bahn-Einbehalte ab dem Jahr 2011 werden im Wesentlichen für die Beschaffung von Kleinprofilfahr- zeugen für die U-Bahn eingesetzt. In den Bereichen barri- erefreier Ausbau und Erhöhung der Sicherheit des ÖPNV sollen auch künftig bei kurzfristigem Investitionsbedarf in begrenztem Maß S-Bahn-Einbehalte eingesetzt werden. Von der S-Bahn Berlin GmbH wurden ferner Energiekos- tensteigerungen in Höhe von ca. 8,1 Mio. € geltend gemacht , die nach Prüfung aufgrund der rechtlich bestehen- den Verpflichtungen aus dem Verkehrsvertrag auszugleichen sind. Frage 7: Welche Entschädigung hält der Senat für die Zugausfälle und -verspätungen bei der S-Bahn wegen des „Winterbeginns“ für begründet und angemessen? Frage 8: Hat der Senat gegenüber der S-Bahn Ent- schädigungsleistungen für die Fahrgäste angemahnt, in welchem Rahmen und mit welchem Ergebnis? Antwort zu 7. und 8: Ob die Gewährung von kulanz- basierten Entschädigungsleistungen gegenüber den Kun- den, wie in den Jahren 2010 und 2011 erfolgt, liegt im Verantwortungsbereich der S-Bahn Berlin GmbH. Aus Sicht des Senats können solche Entschädigungsleistungen eine positive Wirkung auf die Zufriedenheit der Fahrgäste haben. Der Senator für Stadtentwicklung und Umwelt hat gegenüber dem Geschäftsführer der S-Bahn Berlin GmbH im Rahmen des Gesprächstermins am 17. Dezember 2012 die Gewährung derartiger Entschädigungsleistungen durch die S-Bahn Berlin GmbH angeregt. Der Senat hat an dieser Stelle jedoch keine direkte Einflussmöglichkeit auf die Entscheidung des Unternehmens. Berlin, den 31. Januar 2013 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Feb. 2013)