Drucksache 17 / 11 464 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 21. Januar 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Januar 2013) und Antwort Autobrandstiftungen im Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie haben sich die Zahlen von Autobrandstiftun- gen im Land Berlin in den letzten fünf Jahren entwickelt? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach Monaten für die letzten fünf Jahre.) Zu 1.: Die statistischen Erhebungen zu Brandanschlä- gen auf Kraftfahrzeuge (Kfz) beinhalten u. a. die Anzahl der Fälle sowie die Anzahl der direkt angegriffenen Kfz. Werden in einem örtlichen, zeitlichen und sachlichen Zu- sammenhang mehrere Kfz in Brand gesetzt (vermutlich dieselbe Taturheberschaft), erfolgt die statistische Erfas- sung dieser Kfz als ein Fall mit der entsprechenden An- zahl der angegriffenen Kfz. Umfassende statistische Erhebungen zu Brandstif- tungen an Kfz werden erst seit 2009 durchgeführt. Vor diesem Hintergrund liegen entsprechende monatsweise Daten erst ab 2009 vor. Im Jahr 2008 wurden insgesamt 296 Brandstiftungen an Kfz polizeilich registriert. Von der Polizei Berlin erfasste Brandstiftungen an Kfz im Zeitraum Januar 2009 bis 1. Februar 2013 Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Gesamt 2009 Fälle 44 15 22 31 37 30 22 20 24 25 28 22 320 Kfz 53 18 26 37 39 50 29 22 31 32 38 26 401 2010 Fälle 22 8 11 17 36 24 28 18 16 18 12 11 221 Kfz 26 13 13 20 38 24 32 25 17 19 12 11 250 2011 Fälle 17 20 14 18 49 58 34 65 36 44 28 20 403 Kfz 18 20 14 19 53 76 63 119 45 55 31 24 537 2012 Fälle 21 11 24 16 26 15 26 29 20 24 10 13 235 Kfz 23 11 25 29 32 17 27 42 20 36 10 16 288 2013 Fälle 26 26 Kfz 33 33 2. Bei wie vielen Autobrandstiftungen konnte in den letzten fünf Jahren ein politisches Motiv nachgewiesen werden und welches war dies jeweils? (Bitte eine detail- lierte Einzelaufschlüsselung nach Jahr, Monat, Tat und Motiv.) a) Wie definiert der Senat in diesem Zusammenhang ein politisches Motiv? b) Bei wie vielen Autobrandstiftungen konnte in den letzten fünf Jahren ein anderes Motiv nachgewie- sen werden und welches war dies jeweils? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach Jahr, Monat, Tat und dem jeweiligen Motiv.) Zu 2.: Im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft werden Tatmotive nicht erfasst. Die statistischen Erhe- bungen der Polizei Berlin lassen keine verbindlichen Rückschlüsse auf die nachgewiesene, also später gegebe- nenfalls gerichtlich festgestellte Tatmotivation zu. Grundsätzlich ist die Bewertung der Motivationslagen bei Inbrandsetzungen von Kfz schwierig, weil Motive möglicherweise miteinander vermischt werden und häufig keine Hinweise zur Tatmotivation vorliegen. Politisch motivierte Brandanschläge auf Kfz werden zumeist in den Begründungszusammenhang „Anti-Kapitalismus“, „AntiAtom “, „Repression“, „Gentrifizierung“, „Antifaschismus “ oder „Anti-Antifaschismus“ gestellt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 464 2 In Fällen unpolitischer Motivlagen ist ganz generell eine Vielzahl möglicher Tatmotivationen zu konstatieren. Dazu gehören z. B. Vandalismus, Beziehungstaten oder pyromanische Hintergründe, bei denen die Auswahl des Tatobjektes zumeist von der spontanen Tatgelegenheit und somit häufig vom Zufall abhängig ist. Es sind aber auch gezielte Racheaktionen im privaten Umfeld ebenso in Betracht zu ziehen wie Betrugsdelikte oder die Verschleierung von Eigentumsdelikten. Andere Täter- innen und Täter handeln aus Frust, Neid, Hass oder Geltungssucht. Zudem werden Brandanschläge auch von Nachahmerinnen und Nachahmern verübt. Als Beispiel für unpolitische Brandstiftungen an Kfz kann an dieser Stelle der Fall des Brandstifters Andre H. genannt werden. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte der Angeklagte von Juni bis August 2011 in Berlin insgesamt 80 hochwertige Fahrzeuge mittels Grillan- zünder in Brand gesetzt und dies bei weiteren sechs Fahrzeugen versucht. Bezüglich 16 weiterer Taten ist das Verfahren eingestellt worden. Andre H., der die Taten aus Frust über seine unbefriedigende Lebenssituation und aus Geltungsdrang heraus begangen habe, wurde wegen mehrfacher schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Brandstiftung sowie mehrfacher versuchter Brandstiftung am 3. April 2012 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. 3. Wie oft kam es in den letzten fünf Jahren zum Ein- satz von Funkzellenabfragen, um Autobrandstifter*innen zu fassen und wie viele Verkehrs- und Bestandsdaten wurden dafür jeweils abgefragt? (Bitte Einzelaufschlüs- selung nach Jahr, Datum, Tat, Angabe der näheren Tat- umstände und jeweils abgefragten Verkehrs- und Be- standsdaten. Hierbei ist explizit darauf einzugehen, wie oft es seit Januar 2012 zum Einsatz von Funkzellenabfra- gen kam und wie viele Verkehrs- und Bestandsdaten da- bei jeweils abgefragt wurden.) Zu 3.: Entsprechend der Vorgaben in § 100 g der Strafprozessordnung existieren bei der Polizei Berlin sta- tistische Erhebungen ausschließlich für die Gesamtzahl aller Verkehrsdatenabfragen, nicht jedoch für den Teilbe- reich der Funkzellenabfrage. Eine belastbare Aussage zur Anzahl der Funkzellenabfragen sowie der in dem Zu- sammenhang angefragten Verkehrs- und Bestandsdaten ist daher nicht möglich. 4. In wie vielen der unter 3. genannten Fälle führte das Instrument der Funkzellenabfrage zur einer Überfüh- rung der Täter*innen? 5. Welche konkreten Ermittlungsmethoden kamen in den letzten fünf Jahren zur Ermittlung der Täter*innen von Autobrandstiftungen zum Einsatz? (Bei der Beant- wortung der Frage bitte die Ermittlungsmethoden genau benennen, die jeweils zum Einsatz kamen.) 6. Welche konkreten Ermittlungsmethoden der Berli- ner Sicherheitsbehörden haben sich in letzten fünf Jahren im Rahmen von Autobrandstiftungen zur Ermittlung der Täter*innen als besonders effektiv erwiesen und warum? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach Jahr, Ermittlungsme- thode, der jeweiligen Erfolgsquote und Erfolgsgrund.) Zu 4., 5. und 6.: Die Wahl der konkreten Ermitt- lungsmethoden hängt vom jeweiligen Einzelfall und der vorhandenen Spuren- und Beweislage ab. Das Ergebnis einer Funkzellenabfrage ist in der Regel nur eines von mehreren Beweismitteln, die in der Gesamtschau einen hinreichenden Tatverdacht zu begründen geeignet sein können. Grundsätzlich wird die Durchführung der gesetz- lich zulässigen Ermittlungsmaßnahmen in Abhängigkeit von den Gegebenheiten des Einzelfalls geprüft. Aus er- mittlungs- und einsatztaktischen Erwägungen kann eine detaillierte Beantwortung der Fragen nicht erfolgen. 7. Wird die Funkzellenabfrage künftig trotz aller Kri- tik im Land Berlin weiterhin als Standardermittlungs- instrument zur Aufklärung von Autobrandstiftungen ein- gesetzt werden? Zu 7.: Die Wahl der konkreten Ermittlungsmethoden wird auch zukünftig von der vorhandenen Spuren- und Beweislage im Einzelfall abhängen. Die Herausgabe von Verbindungsdaten unterliegt strengen gesetzlichen Vor- schriften, u. a. dem Richtervorbehalt. 8. Welche Maßnahmen hat der Senat seit Amtsantritt ergriffen, um die Zahl der Autobrandstiftungen einzu- dämmen? a) Anhand welcher Erkenntnisgrundlagen wurden ge- rade die oben genannten Maßnahmen vom Senat als zielführend erachtet? b) Ist es durch die vom Senat ergriffenen Maßnahmen zu einem signifikanten Rückgang von Autobrand- stiftungen gekommen? Zu 8.: Den immer wieder auftretenden Tathäufungen im Zusammenhang mit Brandstiftungen an Kfz – insbesondere seit 2007 – ist die Polizei Berlin mit verschiedenen operativen Maßnahmenkonzepten begegnet, die je- weils dem tatsächlichen Tataufkommen und den damit verbundenen Besonderheiten angepasst wurden. Dezi- dierte Angaben zu deren Inhalten sind aus ermittlungs- und einsatztaktischen Gründen nicht möglich. Das Einbinden von zahlreichen Gliederungseinheiten der Polizei Berlin und insbesondere die Unterstützung durch die Bundespolizei haben im Jahr 2011 die Umsetzung dieser teils sehr personalintensiven Konzepte auch im Rahmen einer besonderen Aufbauorganisation (BAO) ermöglicht. Zusätzlich erfolgten auch nach Auflösung der BAO stadtweit spezifische polizeiliche Operativmaßnahmen. Die Ermittlungsmaßnahmen führten zu mehreren Festnahmen und in der Folge zu einer deutlichen Abnahme der Fallzahlen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 464 3 9. Aufgrund welcher Datensätze bzw. Unterlagen wurden vorstehende Fragen beantwortet und inwieweit wäre es möglich, diese (ggf. in aufbereiteter Form) auf dem Berliner Open-Data-Portal einzustellen und fortlau- fend zu aktualisieren? Zu 9.: Die mit dieser Anfrage erbetenen Angaben sind ausschließlich für die Beantwortung dieser Anfrage erho- ben worden. Eine Einstellung dieser Daten in das Open- Data-Portal des Landes Berlin wird derzeit nicht erwogen. Berlin, den 13. März 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Apr. 2013)