Drucksache 17 / 11 564 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Joachim Krüger (CDU) vom 12. Februar 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Februar 2013) und Antwort Russland-Deutsche im Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Der Senat geht davon aus, dass mit dem Begriff „Russland-Deutsche“ Personen gemeint sind, die als Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler oder als deren nichtdeutsche Ehegatten und Abkömmlinge in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen wurden und aus den Nachfolgerepubliken der früheren Sowjetunion stammen. 1. Wie viele Russland-Deutsche leben derzeit in Berlin? Zu 1.: Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sind gemäß § 4 Absatz 3 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Ehegatten oder Abkömmlinge von Spät- aussiedlern, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in den Aufnahmebescheid einbezogen worden sind, erwerben, sofern die Einbeziehung nicht unwirksam geworden ist, diese Rechtsstellung mit ihrer Aufnahme im Geltungsbe- reich des Gesetzes. Auf Grund dieser rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es für den Personenkreis der nach dem BVFG aufge- nommenen Personen keine gesonderte statistische Erfas- sung ihrer Wohnsitznahme innerhalb Berlins. Auch die Fluktuation als Folge von Zu- und Wegzügen aus anderen Bundesländern bzw. in andere Bundesländer, Auswande- rung in andere Staaten oder Sterbefällen wird nicht perso- nengruppenspezifisch dokumentiert. Aus diesen Gründen verfügt die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales weder über aktuelle noch retro- spektive valide statistische Daten über die Gesamtanzahl sowie Verteilung der in Berlin lebenden Spätaussiedlerin- nen und Spätaussiedler auf die Bezirke. Aus den beim Bundesverwaltungsamt (BVA) sowie beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) geführten Statistiken kann allerdings ermittelt werden, dass seit 1994 rund 40.000 Personen nach dem BVFG in Berlin aufgenommen wurden, welche überwiegend aus den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion eingereist sind, insbesondere aus der Russischen Föderation und aus Kasachstan; auf die letzten zehn Jahre (2003 bis 2012) entfallen davon rund 7.000 Personen. 2. Welche Aussagen können über deren Altersstruktur und deren Aufteilung auf die Stadtbezirke gemacht werden? 3. Wie groß ist die Zahl der Jugendlichen mit russland -deutschem Migrationshintergrund in Berlin? Zu 2. und 3.: Die Altersstruktur der in Berlin aufge- nommenen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler ist für die Jahre 2003 bis 2008 den Anlagen 1 a-f zu entnehmen. Für die Folgejahre wird hinsichtlich der Altersstruktur auf die Jahresstatistiken des BVA verwiesen, die unter der Internetadresse http://www.bva.bund.de/cln_321/nn_2171676/DE/Aufgaben /Abt__III/Spaetaussiedler/statistik/Jahre/Jahre- node.html?__nnn=true veröffentlicht sind. Weitergehende Erkenntnisse über die Anzahl der in Berlin lebenden Jugendlichen mit russlanddeutschem Hintergrund liegen nicht vor. Eine Aussage über die Auf- teilung der in Berlin lebenden russland-deutschen Spät- aussiedlerinnen und Spätaussiedler auf die Stadtbezirke kann aus den in der Antwort zu 1. ausgeführten Gründen lediglich mittelbar, nämlich durch Auswertung der vom LAGeSo geführten Statistiken über die an diese Personen vermittelten Wohnungen getroffen werden. Hierzu wird auf Anlage 2 verwiesen. Zusammenfassend lässt sich fest- stellen, dass die nach Berlin verteilten Spätaussied- lerinnen und Spätaussiedler zumindest ihren ersten Wohnsitz nach der Aussiedlung vorrangig in den Bezir- ken Spandau, Tempelhof-Schöneberg, Marzahn-Hellers- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 564 2 dorf und Lichtenberg begründet haben. Die geringsten Zuzüge haben dagegen die Bezirke Charlottenburg-Wil- mersdorf, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg zu ver- zeichnen. 4. Welche Aussagen lassen sich über die in den letzten Jahren erzielten Schulabschlüsse treffen und weisen diese Jugendlichen gegebenenfalls einen überdurch- schnittlichen Anteil bei Schulabbrechern bzw. bei der Jugendarbeitslosigkeit auf? Zu 4.: Durch die Senatsverwaltung für Bildung, Ju- gend und Wissenschaft werden nur die Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Herkunftssprache (ndH) in Sum- me erfasst. Somit sind Rückschlüsse auf die ethnische Herkunft nicht möglich und lassen sich im Sinne der Fra- gestellung keine Aussagen machen. 5. Welche besonderen Integrationsmaßnahmen für Russland-Deutsche wurden in den letzten Jahren bzw. werden aktuell durch den Senat bzw. die Bezirke durch- geführt? 6. Gibt es besondere Beratungsangebote für Russland -Deutsche in Berlin, wer sind gegebenenfalls die Trä- ger, wo existieren diese Einrichtungen und wie werden sie angenommen? Zu 5. und 6.: In diesem Zusammenhang wird auf die Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen über „Situation der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler“ vom 07. November 2012 – Drs. 17/0651 – (siehe hier Fragen zu Nr. 1, 6 und 12) hingewiesen . Seit Jahren besteht in Berlin ein breitgefächertes An- gebot an Integrationsmaßnahmen für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in Bundes- und Landesförderung. Die Angebote zu ihrer Beratung und Unterstützung umfassen Hilfestellungen in allen wesentlichen Lebensbereichen. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler waren und sind grundsätzlich in alle Programme und Maßnahmen einbe- zogen, die für Menschen mit Schwierigkeiten bei der so- zialen, beruflichen und gesellschaftlichen Integration an- geboten werden. Sie partizipieren sowohl als Deutsche, als auch als Gruppe der Aussiedler sowie der russisch- sprachigen Migranten, können also auf ein breites Spekt- rum an Hilfen zurückgreifen. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie deren Ehegatten und Abkömmlinge haben nach § 9 Abs. 1 BVFG einen Anspruch auf kostenlose Teilnahme am In- tegrationssprachkurs und dem Orientierungskurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Das schließt die Zielgruppenkurse beispielsweise für Frauen oder Ju- gendliche ein. Für diesen Personenkreis erteilt das Bun- desverwaltungsamt die Teilnahmeberechtigung für einen Integrationskurs. Daneben besteht für diese Gruppe Anspruch auf wei- tere Integrationshilfen, wie die weiterführende Integrati- onsmaßnahme „Identität und Integration Plus“ in Ergänzung zum Integrationskurs (§ 9 Abs. 4 BVFG). Im Rahmen des Integrationsprogramms nach § 45 des Aufenthaltsgesetzes stehen die bundesgeförderten Migra- tionsberatungsstellen für erwachsene Zuwanderer (MBE) und die Jugendmigrationsdienste (JMD) auch Spätaus- siedlerinnen und Spätaussiedlern zur Verfügung. Gleiches gilt für die über das Integrierte Sozialprogramm (ISP) aus Landesmitteln geförderten Migrantensozialdienste in Trä- gerschaft von Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege an neun Standorten in der Stadt. Über die Projektförderung zur gesellschaftlichen und sozialen Integration in Zustän- digkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge werden jährlich in den Bundesländern kommunale Pro- jekte auch für die Gruppe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler gefördert. An dieser Förderung partizipiert auch Berlin. http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen /Broschueren/projektjahrbuch-2011.pdf?__blob=publicationFile In Berlin besteht insgesamt eine hohe Dichte und gute Erreichbarkeit von Integrationskursträgern und Bera- tungsstellen im Stadtgebiet. Die Angebote werden von der Zielgruppe angenommen. Mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 wurde die Trennung der Angebote der Integrations- förderung nach Statusgruppen in Bund und Ländern weit- gehend aufgehoben. Auch aus diesem Grunde ließe sich eine Gesamtübersicht über alle in den Bezirken bestehen- den Integrationsprojekte, die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler nutzen können, nur mit einem unverhält- nismäßig hohen Arbeitsaufwand und letztlich vagen Er- gebnis ermitteln, da diese auf die bestehende Vielfalt der Angebote zurückgreifen können und sie in der Regel nicht getrennt erfasst werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 564 3 Der / die Berliner Integrationsbeauftragte hat auch im Haushaltsjahr 2012 besondere Integrationsprojekte für die Gruppen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und rus- sischsprachige Migrantinnen und Migranten gefördert: Träger Projekt Standort / Ein- zugsbereich Fördersumme 2012(€) Berliner Landesverband der Vertriebenen e.V. Forckenbeckstr. 1 14199 Berlin Integrationsprojekt „Miteinander“ (Integration und Beratung nach §7 BVFG) Charlottenburg- Wilmersdorf 63.600 Club Dialog e.V. Friedrichstr. 176- 179 10117 Berlin Beratungs- und Begegnungszentrum für Russisch- sprachige Mitte 63.868 Russischer Elternverein Mitra e.V. Friedrichstr. 176- 179 10117 Berlin Beratung und Betreuung für Jugendliche aus Aus- siedlerfamilien Mitte 32.000 Völkerball e.V. Josef-Orlopp-Str. 52 10365 Berlin Beratungs- und Begegnungszentrum für Migran- tinnen und Migranten (Vietnamesen, Aussiedler) Lichtenberg 46.267 Die Projekte können überregional genutzt werden. Er- gänzend kann hingewiesen werden auf die Angebote des Integrationszentrums Harmonie e.V. in Tempelhof-Schö- neberg und des Vision e.V. in Marzahn-Hellersdorf (keine Landesförderung). Berlin, den 5. März 2013 In Vertretung Farhad D i l m a g h a n i _____________________________ Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Mrz. 2013) Bezirke 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Mitte-Tiergarten-Wedding 55 12 33 11 27 16 10 15 6 1 Friedrichshain-Kreuzberg 22 17 12 15 4 4 8 3 3 0 Prenzlauer Berg-WeißenseePankow 24 12 12 17 10 4 2 0 0 0 Charlottenburg-Wilmersdorf 9 13 13 7 14 1 3 6 1 1 Spandau 166 139 157 143 207 56 40 7 11 9 Zehlendorf-Steglitz 32 17 24 19 11 8 2 6 8 3 Tempelhof-Schöneberg 128 153 93 121 82 63 44 13 27 3 Neukölln 102 69 55 46 37 8 13 13 2 1 Treptow-Köpenick 48 14 9 10 31 1 1 0 0 4 Marzahn-Hellersdorf 160 172 158 177 205 55 38 38 10 14 Lichtenberg-Hohenschönhausen 126 96 54 94 94 25 22 12 9 10 Reinickendorf 60 59 64 48 28 14 8 4 3 4 Insgesamt 932 773 684 708 750 255 191 117 80 50 Anzahl der Wohnungen Bezirke 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Mitte-Tiergarten-Wedding 95 34 65 23 54 34 19 30 12 1 Friedrichshain-Kreuzberg 31 30 23 25 10 10 24 7 12 0 Prenzlauer Berg-WeißenseePankow 82 26 29 38 22 12 2 0 0 0 Charlottenburg-Wilmersdorf 12 26 18 12 23 1 5 6 1 1 Spandau 325 314 374 322 450 109 70 34 20 14 Zehlendorf-Steglitz 72 36 38 37 21 15 4 19 15 6 Tempelhof-Schöneberg 219 311 180 232 210 127 75 27 55 5 Neukölln 187 147 114 79 72 17 24 20 3 1 Treptow-Köpenick 120 36 28 23 74 1 1 0 0 9 Marzahn-Hellersdorf 295 412 335 402 466 108 79 84 24 28 Lichtenberg-Hohenschönhausen 228 238 124 233 241 64 55 27 23 20 Reinickendorf 112 134 135 107 63 22 13 13 7 12 Insgesamt 1778 1744 1463 1533 1706 520 371 267 172 97 Anzahl der Personen ka17-11564 Anlg_1 Anlg_2 Tabelle1