Drucksache 17 / 11 566 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram (GRÜNE) vom 13. Februar 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Februar 2013) und Antwort Kein racial profiling in Berlin?! Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat das racial profiling, also die Entscheidung von Sicherheitsbehörden über grund- rechtseinschränkende Eingriffe (meist Personenkontrol- len) aufgrund rassistischer Zuschreibungen bzw. einer vermuteten ethnischen Zugehörigkeit und nicht aufgrund eines konkreten Verhaltens der Person? Zu 1.: Artikel 3 des Grundgesetzes und Artikel 10 der Verfassung von Berlin verbieten jede Form von Diskri- minierung und verpflichten sowohl die Berliner Polizei als auch die Justizbehörden zur Neutralität. Die Ermitt- lungsbehörden tragen dabei Sorge für die Gleichheit jeder Person vor dem Gesetz. Diese grund- und verfassungs- rechtlichen Regelungen lassen einer an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung keinen Bewertungsspielraum. 2. Welche Konsequenzen zieht der Senat in diesem Zusammenhang aus dem Beschluss des Oberverwal- tungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Oktober 2012? Zu 2.: Da eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Hautfarbe, Abstammung und nationaler bzw. ethnischer Herkunft von Rechts wegen ausgeschlossen ist (siehe Antwort zu Frage 1), ergeben sich aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz für den Berli- ner Senat derzeit keine Konsequenzen. 3. Ist racial profiling nach Auffassung des Senats mit den Diskriminierungsverboten der Landes- und Bundes- verfassung, des europäischen und internationalen Rechts vereinbar? Zu 3.: Nein. 4. Wird bei der Berliner Polizei racial profiling eingesetzt , z.B. bei Personenkontrollen, (Schleier-)Fahn- dungen und Rasterfahndungen? Zu 4.: Wenn im Rahmen einer Zeugenaussage oder Anzeigenerstattung zur Identifizierung einer mutmaßli- chen Straftäterin/eines mutmaßlichen Straftäters Merk- male wie Hautfarbe, Abstammung oder nationale bzw. ethnische Herkunft angegeben werden, ist die Polizei ver- pflichtet, diese Hinweise im Rahmen der Strafverfolgung zu berücksichtigen. Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht aber auch in diesen Fällen nicht das Aussehen, sondern das mögliche strafrechtlich relevante Verhalten einer Per- son. Nutzen Täterinnen oder Täter die aus gemeinsamer Sozialisation entstandenen Strukturen zur Tatbegehung, entspricht es ebenso dem Ermittlungsauftrag der Polizei, diese aufzudecken. 5. Welche Maßnahmen unternimmt der Senat, um racial profiling durch die Berliner Polizei und anderen Strafverfolgungsbehörden vorzubeugen bzw. entgegen- zuwirken? Zu 5.: Das Themenfeld „Interkulturelle Kompetenz im Polizeidienst“ findet sowohl als eigenständiges Fortbildungsthema als auch als Seminarangebot im Lehrplan der Berliner Polizei seinen Niederschlag. Ebenso werden für das Personal der Berliner Justiz zahlreiche Fortbildungs- veranstaltungen zur interkulturellen Kompetenz angebo- ten. 6. Wie werden Beamtinnen und Beamte für den Polizeidienst ausgebildet, um mit Menschen mit Migrati- onshintergrund kultursensibel umzugehen? Zu 6.: Im Rahmen der Aus- und Fortbildung werden praxisnahe Seminare, Begegnungsveranstaltungen sowie Projekttage in kontinuierlicher Zusammenarbeit mit der Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Mig- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 566 2 ration, der Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung und Migrantenorganisationen durchge- führt. Ein hoher Stellenwert kommt dabei dem Verständ- nis interkultureller Zusammenhänge, der Aneignung und Anwendung praxisnahen Methoden- und Handlungswis- sens in multiethnischen Stadtquartieren zu. Durch die Landesantidiskriminierungsstelle werden Schulungen für die Auszubildenden der Landespolizeischule durchge- führt. In 3-stündigen Modulen werden die Kenntnisse zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vertieft und die Themen Antidiskriminierung und Umgang mit Viel- falt anhand konkreter Problemlagen aus dem Polizeialltag erörtert. 7. Wo können sich Betroffene in Berlin über racial profiling unabhängig beraten lassen beziehungsweise an welche Stellen können Beschwerden gerichtet werden? Zu 7.: Zahlreiche Initiativen befassen sich mit der Be- kämpfung von Rassismus und Diskriminierung. So weist beispielsweise die Internetseite der Antidiskriminierungs- stelle des Bundes 15 Beratungsstellen mit dem Schwer- punkt „Rassismus / ethnische Herkunft“ für Berlin aus. In Fällen von rassistischer Diskriminierung können sich Be- troffene zum Beispiel an das Antidiskriminierungsnetz- werk Berlin des Türkischen Bundes Berlin Brandenburg wenden und in Fällen rassistischer Gewalt an den Verein reach out. Bei der Berliner Polizei werden Konfliktfälle ohne strafrechtliche Relevanz von der Beschwerdestelle der Polizei Berlin bearbeitet. Dabei ist die Erstattung einer Beschwerde schriftlich, per E-Mail oder über die Inter- netwache bei der Zentralen Beschwerdestelle der Polizei Berlin möglich. Dort wird auch eine telefonische Bera- tung angeboten. Besteht der Verdacht einer Straftat, wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. In Ergänzung dazu bietet die bei der Zentralstelle für Prävention im Landes- kriminalamt angesiedelte Ansprechstelle für interkultu- relle Aufgaben ein niedrigschwelliges Beratungsangebot für Verbände und Einzelpersonen bei Diskriminierungs- vorwürfen aus rassistischen Gründen. Soweit der Sach- verhalt nicht bereits im Rahmen des Erstgesprächs geklärt werden kann, berät sie hinsichtlich der Erstattung einer Beschwerde und zum Beschwerdeverfahren. Zur Beratung gehört regelmäßig auch der Hinweis auf weitere staatliche und nichtstaatliche Beratungseinrich- tungen mit dem Schwerpunkt Antidiskriminierungsarbeit. Einschlägige Beratungsstellen sind sowohl im Online- Beratungsführer der Landesantidiskriminierungsstelle als auch in der Broschüre „Adressen gegen Gewalt“ der Landeskommission Berlin gegen Gewalt verzeichnet. 8. Wie viele Beschwerden gab es bei wem bezüglich racial profiling durch Berliner Sicherheitsbehörden in den letzten fünf Jahren? (Bitte nach Behörden und Jahren ge- trennt aufschlüsseln.) Zu 8.: Beschwerden über grundrechtseinschränkende Eingriffe, die rassistisch bzw. mit einer vermuteten ethni- schen Zugehörigkeit begründet sind, werden statistisch nicht erfasst. 9. Was unternimmt der Senat auf der IMK oder anderen Konferenzen, um racial profiling aus der Praxis der Landes- und Polizeibehörden zu verbannen? Zu 9.: Eine Thematisierung von racial profiling ist derzeit weder auf einer Konferenz im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung Inneres und Sport noch der Senats- verwaltung für Justiz und Verbraucherschutz vorgesehen. Im Übrigen weist der Senat die in der Fragestellung im- plizierte Unterstellung, dass in den Berliner Landes- und Polizeibehörde racial profiling angewendet wird, aus- drücklich zurück. Berlin, den 13. März 2013 Frank Henkel Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Apr. 2013)