Drucksache 17 / 11 638 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Jochen Esser (GRÜNE) vom 26. Februar 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Februar 2013) und Antwort Vollzug des Glücksspielverbots im Internet Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Einleitend wird darauf verwiesen, dass im zeitlichen Rahmen der Beantwortung Kleiner Anfragen ein Teil der Fragen nur auf Grundlage von Schätzungen, jedoch nicht unter Vornahme der erbetenen Konkretisierung beantwor- tet werden kann. Hinsichtlich der gerade im Internetbe- reich regelmäßig - zumindest faktisch - auch für das Land Berlin relevanten Aktivitäten der Behörden anderer Bun- desländer können ebenfalls nur stark eingeschränkte Aus- sagen erfolgen. 1. Welche Behörden sind seit dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 01. Januar 2008 für den Vollzug des Glücksspielverbots im Internet zuständig? Zu 1.: Im Land Berlin ist das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten seit dem 01. Januar 2008 zuständig für den ordnungsrechtlichen Vollzug der Ver- bote der Glücksspielstaatsverträge vom 19. März 2007 und vom 15. Dezember 2011 (insbesondere auch hinsicht- lich des Vorgehens gegen unerlaubte Veranstaltungen, unerlaubte Vermittlungsaktivitäten und die Bewerbung derartiger Angebote, jeweils einschließlich des Internetbe- reiches). Seit dem 1. Juli 2012 erstreckt sich diese Zu- ständigkeit auch auf die Ermächtigung anderer Länder im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 4 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV, Art I des Zweiten Landesgesetzes über das öf- fentliche Glücksspiel vom 19. Juni 2012; GVBl. S. 193), die zuvor der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vorbehalten war. 2. Wie sind die zuständigen Behörden personell und sächlich ausgestattet? Zu 2.: Der für die Glücksspielaufsicht zuständige Be- reich des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangele- genheiten ist bislang mit drei Dienstkräften, der entspre- chende Bereich bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport mit zwei Dienstkräften ausgestattet. Die Ausstat- tung der vorgenannten Dienststellen entspricht dem allgemeinen Standard im öffentlichen Dienst des Landes Berlin (einschließlich Internetzugang u.ä.) 3. In wie vielen Fällen haben die zuständigen Behör- den des Landes Berlin seit 2008 Maßnahmen eingeleitet, um das Glücksspielverbot im Internet durchzusetzen? Um welche Maßnahmen handelte es sich dabei konkret? Zu 3.: Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsange- legenheiten hat im betreffenden Zeitraum in 8 Fällen Untersagungsverfügungen gegen unerlaubt im Internet agie- rende und auch aus dem Land Berlin erreichbare Sport- wettangebote erlassen. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport ermächtigte während dieser Zeit in gleicher Größenordnung andere Länder zum Vorgehen auch mit Wirkung für das Land Berlin, wobei sich diese Ermächti- gungen im Schwerpunkt auf die unerlaubte Veranstaltung von sog. „Casino-Spielen“ im Internet (im Schwerpunkt Ermächtigung des Landes Hessen) oder aber auf die zeit- weilig gehäuft auftretenden „Hausverlosungen“ im Internet (Ermächtigung diverser Länder) bezogen. Nach bishe- riger - fachlich nicht unumstrittener - Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg diente auch das bisherige Vorgehen gegen die illegalen Sport- wettbüros in Berlin letztendlich zumindest auch der Durchsetzung des Internetverbotes; in diesem extensiven Sinne hätte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsan- gelegenheiten weitere Maßnahmen in dreistelliger Grö- ßenordnung zu verantworten. 4. In wie vielen Fällen hat die Glücksspielaufsichts- behörde des Landes Niedersachsen seit 2008 Maßnahmen eingeleitet, um - soweit das Land Berlin betroffen war - das Glücksspielverbot im Internet durchzusetzen? Um welche Maßnahmen handelte es sich dabei konkret? Zu 4.: Die Gesamtzahl der von den Niedersächsischen Behörden lediglich „landesintern“ geführten Untersagungsverfahren , die unter Umständen zumindest faktische Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 638 2 Auswirkung auch auf das Land Berlin entfalteten, ist hier nicht bekannt. Gegenständlich dürften sich diese Verfah- ren jedoch ebenfalls auf die Untersagung unerlaubter Veranstaltungs- und Vermittlungsaktivitäten sowie auf die Untersagung der Werbung hierfür konzentriert haben. Seitens des Landes Berlin erfolgte in länderübergreifen- den Verfahren die Ermächtigung des Landes Niedersachsen lediglich in einer sehr geringen Anzahl von Untersa- gungsverfahren mit Schwerpunkt im Bereich der „Hausverlosungen “ (Gegenstand: Untersagung der unerlaubten Veranstaltung). Sofern durch die Frage die seit dem 1. Juli 2012 be- stehende neue Zentralzuständigkeit des Landes Nieder- sachsen zum Vorgehen gegen die am Zahlungsverkehr für unerlaubte Glücksspielangebote Beteiligten (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 i.V.m. § 9a Abs. 2 Satz 2 GlüStV) ange- sprochen sein sollte, ist mitzuteilen, dass auf Grundlage dieser Zuständigkeit bislang keine Maßnahmen ergriffen worden sind. 5. Welche unerlaubten Glücksspielangebote im Inter- net (bitte konkret bezeichnen nach Art des Glücksspiels und mit Angabe der Domain) wurden seit 2008 dauerhaft unterbunden? Zu 5.: Eine konkrete Bezeichnung ist aus den einlei- tend genannten Gründen nicht möglich. Grundsätzlich kann jedoch davon ausgegangen werden, dass zumindest in einem erheblichen Teil der von Deutschland aus veran- stalteten Angebote (z.B. „Hausverlosungen“) durchaus Erfolge der von den Bundesländern insgesamt erlassenen behördlichen Maßnahmen zu verzeichnen waren, während in den Fällen mit Bezug zum Ausland (Casino-Spiele, Sportwetten …) eine dauerhafte Unterbindung - vor allem auch im Hinblick auf Vollstreckungsprobleme u.ä. - bis- lang in aller Regel nicht gelang. 6. Welche Glücksspielangebote im Internet wurden nach § 4 Abs. 5 des Glücksspielstaatsvertrags erlaubt? Wie werden die daran geknüpften Voraussetzungen kon- trolliert? 7. Welchen Beitrag leisten die Anbieter erlaubter Glücksspiele im Internet zu einem dem Internet angepass- ten Sozialkonzept nach § 6 Glücksspielstaatsvertrag? Zu 6. und 7.: Durch das Land Berlin und die jeweils nach § 9a Abs. 1 GlüStV zentral zuständigen Länder wur- de bislang mit Wirkung für das Land Berlin gemäß § 4 Abs. 5 GlüStV die Internetveranstaltung (Eigenvertrieb) der Lotterieangebote der Deutschen Klassenlotterie Berlin („Lotto 6 aus 49“…), der Lotterieangebote der Gemeinsamen Klassenlotterie der Länder (Nachfolge von Nord- westdeutsche Klassenlotterie - NKL - und Süddeutsche Klassenlotterie - SKL -) sowie der Lotterieangebote eini- ger „Soziallotterien“ nach § 12 GlüStV (z.B. „Aktion Mensch“…) erlaubt. Durch das Land Niedersachsen als gemäß § 19 Abs. 2 GlüStV zentral zuständiger Behörde erfolgte gegenüber einer Reihe von gewerblichen Spiel- vermittlern nachfolgend die Erlaubnis zur Vermittlung der vorgenannten Lotterieangebote über das Internet. Das Vorliegen der speziellen, jeweils zu den allgemeinen An- forderungen an die Veranstaltungs- oder Vermittlungsak- tivitäten hinzutretenden Voraussetzungen für die Ertei- lung der entsprechenden „Interneterlaubnisse“ (vgl. insbesondere § 4 Abs. 5 Nrn. 1 bis 5 GlüStV) war hierbei in jedem einzelnen Erlaubnisverfahren als Grundlage für die Erlaubniserteilung nachzuweisen. Durch die Prüfungen der Erlaubnisbehörden sowie eine entsprechende Ausge- staltung der Erlaubnisbescheide (inkl. umfangreicher Auf- lagen zur Berichterstattung sowie zur Evaluierung einzel- ner Festlegungen u.ä.) ist eine Kontrolle des Vorliegens der betreffenden Voraussetzungen sowohl im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung als auch nachfolgend sichergestellt. Die Vorlage eines an die besonderen Bedingungen des Internet angepassten Sozialkonzeptes gehört gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 4 GlüStV zu den im vorgenannten Sinne zwingenden Voraussetzungen einer Erlaubniserteilung nach § 4 Abs. 5 GlüStV, so dass alle legalen Anbieter von er- laubten Glücksspielen im Internet über ein solches Kon- zept verfügen und insofern ihren diesbezüglichen „Beitrag “ geleistet haben bzw. leisten. 8. Welche Beiträge leisten die de facto verfügbaren Anbieter von verbotenen Online-Casino-Spielen und Online-Poker zur Erforschung des Glücksspiels, zur Prä- vention von Spielsucht und zur Vermeidung von Geldwä- sche? Zu 8.: Ungeachtet diverser entsprechender Verlautba- rungen der betroffenen Anbieter liegen hier keine konkre- ten/belastbaren Erkenntnisse über derartige Beiträge und deren Wertigkeit vor. 9. Hält der Senat das gegenwärtige Verfahren von Online-Casino-Spielen einschließlich Online-Poker im Internet für ein erfolgreiches Regulierungsmodell, und wenn ja, warum? Zu 9.: Der Senat teilt aus den folgenden Gründen die Einschätzung bzw. Entscheidung der Landesgesetzgeber, das ausnahmslose Internetverbot für „Casino-Spiele“ auch im Rahmen der aktuellen Glücksspielregulierung fortzu- führen und hält dieses in diesem Sinne durchaus für er- folgreich. Die sog. „Casino-Spiele“ (z.B. Poker, Roulette, Geldgewinn -Automatenspiele …) gehören - auch nach zunehmend unumstrittener Meinung in Fachwelt und Rechtsprechung - zu den in verschiedenster Hinsicht gefähr- lichsten Glücksspielangeboten überhaupt und unterliegen daher bereits im stationären Betrieb (z.B. Angebot in Spielbanken, Spielhallen …) strengen und gerade auch an Fragen wie örtliche/zeitliche Verfügbarkeit und Zugangs- voraussetzungen anknüpfenden Auflagen. Aufgrund ihrer spezifischen strukturellen Merkmale (z.B. ständige Ver- fügbarkeit, breite Angebotspalette, Ereignisdichte, exten- sive Vermarktung, bargeldloser Zahlungsverkehr, Ano- nymität bzw. fehlende soziale Kontrolle etc.) weisen On- line-Glücksspiele bereits allgemein ein hohes zusätzliches Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 638 3 Sucht- und sonstiges Gefährdungspotenzial auf; im Fall des online-Angebots von „Casino-Spielen“ kommt es durch eine Kumulation der besonderen Gefährdungspo- tentiale aus Inhalt und Internetvertrieb insofern noch zu einer wesentlichen Gefährdungssteigerung. Gerade für Jugendliche, die eine besondere Risikogruppe darstellen und die eine verstärkte Internetaffinität aufweisen, sind Glücksspiele im Internet mit einem hohen Spielanreiz verbunden, wobei bestimmten „Casino-Spielen“ (z.B. Poker, Automaten…) wiederum ein herausgehobenes Interesse entgegengebracht werden dürfte. Bisherige For- schungsergebnisse ließen jedenfalls erkennen, dass das Internet zu den am meisten bevorzugten glücksspielbezo- genen „Spielorten“ von Jugendlichen gehört und dass Kinder und Jugendliche mit problematischem Glücks- spielverhalten am häufigsten unter den Nutzerinnen und Nutzern von Internetglücksspielen zu finden sind (vgl. Studie „Problematisches Glücksspielverhalten bei Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz“, Duven et al., 2011). Aus Sicht des Senats stellt daher das Internetverbot von sog. „Casino-Spielen“ einen wesentlichen Baustein der gesamten aktuellen Glücksspielregulierung durch die Länder dar bzw. wäre im Fall des Verzichts auf ein derar- tiges Verbot unter Kohärenzaspekten auch in nahezu allen anderen Glücksspielbereichen die aktuelle strenge Regu- lierung in Frage gestellt. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass derartige Verbote auch durch ein Unterbinden von illegalen Aktivitäten im betreffenden Bereich begleitet werden müssen und dass diesbezüglich im Internetbereich nach wie vor Defizite existieren. Der Senat unterstützt daher auch gegenwärtig alle Bestrebun- gen der Bundesländer im Sinne der Verständigung auf ein abgestimmtes und gemeinsames Vorgehen gegen solche Aktivitäten. Vom Senat unterstützt werden ebenfalls die umfangreichen aktuellen Bestrebungen der EU- Kommission zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Bereich des online-Glücksspiels (inkl. der Anerkennung und Durchsetzbarkeit nationaler Entscheidungen, des gemeinsamen Auftretens gegenüber Drittstaaten und der Schaffung gemeinsamer Regulie- rungsverfahren u.ä.; vgl. z.B. die Unterrichtungsverfahren von 2011 - „Grünbuch“; BR.Drucks. 176/11 - und von 2012 – „Europäischer Rahmen für online-Glücksspiel“; BR.Drucks. 651/12). 10. In welchem (geschätzten) Umfang entgehen dem Land Berlin durch das Glücksspielverbot im Internet Steuern? Zu 10.: Sowohl im Hinblick auf die vorbehandelten „Casino-Spiele“ im Internet als auch in Bezug auf sonstige , nach den aktuellen Regularien entweder grundsätzlich oder zumindest im Internet verbotene, Glücksspielange- bote existiert selbst für die erbetene Schätzung keine aus- reichende Grundlage. Berlin, den 25. März 2013 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Apr. 2013)