Drucksache 17 / 11 646 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Behrendt (GRÜNE) vom 27. Februar 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Februar 2013) und Antwort Will der Senat die obligatorische Streitschlichtung nach § 15 a EGZPO nutzen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt der Senat die Möglichkeit nach § 15 a EGZPO für bestimmte Streitigkeiten eine obligatorische Streitschlichtung vor der Anrufung der Gerichte vorzu- schreiben? Zu 1.: Der Senat befürwortet ausdrücklich die Förde- rung der außergerichtlichen Streitbeilegung, die oft zu nachhaltigen Lösungen und zu einer Entlastung der Justiz führt. Berlin hat sich deshalb etwa am Gesetzgebungsverfahren für das Mediationsgesetz intensiv beteiligt und mit der IHK Berlin und anderen Partnern ein „Bündnis für die außergerichtliche Konfliktbeilegung“ gegründet. Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass eine realistische Aussicht auf eine einvernehmliche Beilegung einer Strei- tigkeit nur dann besteht, wenn die Beteiligten vom Nutzen eines Einigungsversuchs überzeugt werden konnten und freiwillig daran teilnehmen. Diese Ansicht wurde im Ge- setzgebungsverfahren für das Mediationsgesetz von allen Beteiligten geteilt. Obligatorische Einigungsversuche werden nach den Erkenntnissen aus den Evaluierungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe und einzelner Länder von der Praxis als bürokratisch und formalistisch emp- funden und führen zu starken Umgehungstendenzen, wie etwa der Flucht in das Mahnverfahren. Exemplarisch für diese Erkenntnis ist, dass aktuell eines der Vorreiterländer der obligatorischen Streitschlichtung, das Land Baden- Württemberg, das dortige Schlichtungsgesetz im Konsens aller Parteien und der Praxis ersatzlos aufhebt. 2. Hält der Senat diese Möglichkeit für nachbarrecht- liche Streitigkeiten für geeignet? Weshalb nicht? Zu 2.: Zwar erscheint dieser Konflikttyp aufgrund der starken „Beziehungskomponente“ ähnlich wie etwa das Familienrecht grundsätzlich für den Versuch einer einver- nehmlichen Lösung besonders lohnend und geeignet. Al- lerdings gilt auch hier, dass ein solches Verfahren nur auf freiwilliger Basis erfolgversprechend ist. Hinzu kommt, dass nachbarrechtliche Streitigkeiten im Land Berlin als Stadtstaat keinen erheblichen Anteil an den zivilrechtlichen Streitigkeiten ausmachen (166 erstinstanzliche Ver- fahren im Jahr 2011). 3. Hält der Senat diese Möglichkeit für vermögens- rechtliche Streitigkeiten bis zu einem bestimmten Streit- wert für geeignet? Weshalb nicht? Zu 3.: Neben dem allgemeinen Einwand gegen eine Obligatorik ist zu dieser Fallgruppe festzustellen, dass alle dem Senat bekannten Evaluierungen (Bund-Länder- Arbeits-gruppe 2007; Evaluierungen einzelner Länder) zu dem Ergebnis gekommen sind, dass sich der rein streit- wertbezogene Ansatz als zu undifferenziert erwiesen hat. Unter den vermögensrechtlichen Streitigkeiten finden sich zahlreiche Fälle, in denen - anders als in „beziehungsbezogenen “ Konflikten - der Versuch einer gütlichen Einigung nicht erfolgversprechend ist. Hinzu kommt, dass die Bearbeitung dieser fachlich wenig spezifizierten Fall- gruppe einen hohen und kostenintensiven Fortbildungs- bedarf bei den Schiedsleuten zur Folge hat. Alle Länder, die für diese Fallgruppe einen obligatorischen Gütever- such eingeführt hatten, haben diesen wieder abgeschafft. 4. Welche Erkenntnisse zieht der Senat aus der jahre- langen Erfahrung anderer Bundesländer bei der Einfüh- rung der obligatorischen Streitschlichtung und den dorti- gen Evaluationen – beispielsweise in BadenWürttemberg , NRW, Rheinland-Pfalz, Bayern, Niedersa- chen, Brandenburg? Zu 4.: Insofern wird auf die obigen Ausführungen Be- zug genommen. Die weitere Entwicklung in anderen Län- dern wird beobachtet. Berlin, den 14. März 2013 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Mrz. 2013)