Drucksache 17 / 11 656 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram (GRÜNE) vom 28. Februar 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. März 2013) und Antwort Interkulturelle Öffnung der Ausländerbehörde Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Gibt es ein Konzept, um die interkulturelle Öff- nung der Berliner Ausländerbehörde zu betreiben? 2. Gibt es Modellprojekte zur interkulturellen Öff- nung bzw. welche und mit welchem Ziel? 3. Was wurde seit der letzten Evaluation in der Aus- länderbehörde an strukturellen, organisatorischen oder personellen Veränderungen vorgenommen, um die interkulturelle Öffnung und Effektivität der Ausländerbehörde voran zu treiben? Zu 1 bis 3.: Die Berliner Ausländerbehörde versteht sich konzeptionell als lernende Organisation. Für den fortlaufenden Prozess der interkulturellen Öffnung der Behörde bedeutet dies konkret, dass - etwa im Rahmen eines jährlich stattfindenden mehrtägigen Führungskräf- teworkshops - die wesentlichen Informationsangebote für die Kundinnen und Kunden, das gesamte Serviceangebot, das Leitsystem aber auch die wesentlichen Geschäftspro- zesse etwa zur Kundensteuerung fortlaufend evaluiert und ggf. geändert werden. Hierzu wird auch der kritische Blick anderer Behörden und von Akteurinnen und Akteu- ren der Zivilgesellschaft genutzt. Im Einzelnen: a) Zum Ausbau des Informationsangebots und der Willkommenskultur: Die Berliner Ausländerbehörde hat für fast alle Dienstleistungen die erforderlichen Voraussetzungen, Unterlagen und Gebühren auf der Internetseite benannt. Diese Informationen stehen teilweise auch in Englisch, Französisch und Russisch zur Verfügung. Alle internen Verwaltungsvorschriften können durch die Kundinnen und Kunden, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Ge- richte und andere interessierten Stellen auf der Internet- seite nachgelesen werden, so dass das Verwaltungshan- deln jederzeit nachprüfbar und transparent ist. Die notwendigen Anpassungen, etwa auf Grund von Rechtsände- rungen, erfolgen zeitnah, teilweise tagesaktuell. Die In- ternetseite wird im Übrigen bundesweit genutzt und ge- lobt. Wie stark nachgefragt dieses Angebot ist, mag fol- gende Zahl verdeutlichen. Wurde im Jahr 2011 ca. 1.004.000 mal auf die Internetseite zugegriffen, war dies im Jahr 2012 1.138.673 mal der Fall. Dies entspricht einer Steigerung von 13,4 %. Zu weiteren Einzelheiten sei auf die Internetseite http://www.berlin.de/labo/abh verwiesen. Zur Willkommenskultur sei erwähnt, dass allen Zuwanderinnen und Zuwandernden, denen erstmals eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, ein Begrüßungsschrei- ben und ein von der Integrations- und Migrationsbeauf- tragten des Senats erstelltes Willkommenspaket mit vielen wesentlichen Informationen ausgehändigt bzw. angeboten wird. Alle Zuwandernden bekommen zudem das Ange- bot, eine Migrationserstberatung durch die LIGA der freien Wohlfahrtsverbände in den Räumen der Auslän- derbehörde in Anspruch zu nehmen, mit der die Auslän- derbehörde seit Jahren in diesem Punkt eng zusammenar- beitet. b) Zum Termin- und Wartemanagement, besondere Serviceangebote: Die Berliner Ausländerbehörde ist im Vergleich zu anderen großen Ausländerbehörden, aber auch zu anderen Teilen der Berliner Verwaltung führend im elektronischen Terminmanagement. Anfang 2011 wurde ein System zur Online-Terminvereinbarung (OTV) eingeführt und seit- dem kontinuierlich ausgebaut. Dieses Angebot steht seit Anfang des Jahres 2012 auch in englischer Sprache zur Verfügung. Die Kundin bzw. der Kunde kann den Termin nicht nur eigenständig buchen, ändern und löschen. Sie oder er erhält zudem umfängliche und einheitliche Infor- mationen zu den erforderlichen Unterlagen - wiederum auch in Englisch -, automatisch eine Wartenummer und wird dann zum Termin ohne Wartezeit bedient. Ausländi- sche Delegationen - zuletzt der Stadt Helsinki und der Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 656 2 chinesischen Provinz Fujian - loben diese Kundensteue- rung zu recht als vorbildlich und innovativ. Zwar steht ein solches Angebot nicht allen Kundinnen und Kunden offen, wird aber stetig ausgeweitet. Zurzeit ist OTV offen für alle Studierenden, Gastwissenschaftle- rinnen und Gastwissenschaftler und sonstige Kundinnen und Kunden, die sich zum Zweck der Ausbildung (d.h. auch Schulbesuch und Sprachkurs - Fälle des § 16 Auf- enthaltsgesetz) hier aufhalten und ihre Familienangehöri- gen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Des Weite- ren ist das Angebot offen für alle Angehörigen von Staa- ten Nord- und Südamerikas, der überwiegenden Anzahl der afrikanischen Staaten, Israels, Australiens, Neusee- lands, Ozeaniens, der Schweiz, der Türkei und den Nach- folgestaaten der Sowjetunion. Im Übrigen erhalten fast alle sonstigen Kundinnen /Kunden, die nicht die Möglichkeit der OTV haben, und deren Titel bereits einmal in Berlin ausgestellt wur- den, eine individuelle schriftliche Termineinladung recht- zeitig - im Regelfall drei Monate vor Ablauf des Titels. Dieses System wird von der Ausländerbehörde seit Jahren auch schon weit vor OTV praktiziert. Lediglich Gedulde- te, Gestattete und Personen mit humanitären Titeln fallen hier heraus. Damit gelang es im Jahr 2012 eine Terminie- rungsquote in den Regionalsachgebieten (IV Z 3 - 7) und dem Bevorrechtigtensachgebiet von 58,69 % zu erreichen. Bei den Bevorrechtigten (Studierenden etc.) liegt die Quote sogar bei 61,59 %. Dies dürfte bundesweit für eine Behörde dieser Art und Größe ein guter Wert sein. Daneben bestehen eine Reihe besonderer Services für ausgewählte Kundenkreise, auf deren Bedürfnisse sich die Ausländerbehörde besonders einstellt. Hier ist etwa der besondere Service - für Unternehmerinnen und Unternehmer, sog. High Potentials und Hochschulabsolventinnen und Hochschul- absolventen (in enger Abstimmung mit der Industrie- und Handelskammer und der für Wirtschaft zuständigen Senatsverwaltung ), - für Studierende und Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler (in Abstimmung mit allen großen Hochschulen Berlins) zu nennen. Des Weiteren wird derzeit im sogenannten Ser- vicepoint (Sachgebiet ZBS), in dem überwiegend schnell zu erbringende Dienstleistungen angeboten werden, eine neue Form von Wartemanagement erprobt. Damit können Kundinnen/Kunden, die ohne Termin vorsprechen, punktgenau ablesen, wie lange sie noch warten müssen und die Behörde solange verlassen. Auch das Modell ei- nes Bürgerterminals (Kundin/Kunde informiert sich im Internet und bucht einen Termin vor Ort) wird derzeit erprobt. c) Zur Organisationsstruktur: Die Berliner Ausländerbehörde organisiert sich nach Staatsangehörigkeiten und Aufenthaltszwecken. Dies bringt nicht nur Synergieeffekte und ermöglicht eine passgenaue Dienstleistung, sondern schafft auch ganz andere Möglichkeiten, die einzelnen Bereiche interkulturell zu öffnen. Erwähnt sei hier etwa die Kooperation, die die Ausländerbehörde mit dem Türkischen Generalkonsu- lat, dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg und der Türkischen Gemeinde pflegt, um ein Feedback zu der Arbeit im Sachgebiet Türkei (IV Z 7) zu erhalten. Auch insoweit ist die Berliner Ausländerbehörde Vorbild und wird zu Recht gelobt (vgl. etwa das Praxishandbuch zur Interkulturellen Öffnung der Berliner Verwaltung aus der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, in dem der Interkulturelle Öffnungsprozess der Berliner Ausländerbehörde als vorbildhaft zur Nachahmung empfohlen wird). 4. Seit wann arbeitet der Ausbildungs- und Fortbil- dungskoordinator mit welchem Stundenumfang und wel- cher Qualifikation in der Berliner Ausländerbehörde? Wo sind die Evaluierungsergebnisse der Arbeit einzusehen? Zu 4.: Die Aufgabe des Ausbildungs- und Fortbil- dungskoordinator wird seit 2008 durch einen Sachgebiets- leiter des Referats Zuwanderung als Zusatzaufgabe wahr- genommen. Dieser evaluiert regelmäßig den internen Schulungsbedarf, organisiert Schulungen für die Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter und andere Dienststellen sowie Hospitationen. Auch hier sei bezüglich der Einzelheiten auf das auf der Internetseite unter http://www.berlin.de/labo/auslaender/dienstleistungen/pra ktika.html veröffentlichte Aus- und Fortbildungskonzept der Ausländerbehörde verwiesen. So hat die immer wie- der vorgetragene nachvollziehbare Kritik an der schlech- ten telefonischen Erreichbarkeit und den langen Wartezei- ten, jeweils bedingt durch fehlende Ressourcen, ganz we- sentlich dazu beigetragen, dass das Informations- und Serviceangebot auf der Homepage und zur Online- Terminvereinbarung beständig ausgebaut wurde. 5. Welches Beschwerdemanagement wird in der Aus- länderbehörde betrieben? 6. Wie viele Beschwerden über das Verhalten der Bediensteten der Berliner Ausländerbehörde wurden seit 2004 bekannt? (Bitte tabellarisch nach Jahren und Grün- den auflisten.) Wie wurde mit diesen Beschwerden umgegangen ? Welche organisatorischen, strukturellen und per- sonellen Konsequenzen wurden gezogen? 7. Wie viele Dienstaufsichtsbeschwerden wurden ge- gen Bedienstete der Berliner Ausländerbehörde eingelei- tet? Wann und von wem wurden diese als „berechtigt “ eingestuft? In wie vielen Fällen wurden trotz Anträgen und bekannt gewordenen Vorfällen keine Dienstauf- sichtsverfahren durchgeführt? (Bitte für die letzten zehn Jahre tabellarisch auflisten.) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 656 3 Zu 5. bis 7.: Alle Beschwerden über das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden als Dienstauf- sichtsbeschwerden gewertet. Diese werden sämtlich von der Abteilungsleitung oder den Referatsleitungen persön- lich geprüft und auch durch diese selbst beantwortet. Alle Namen und Telefonnummern der Führungskräfte - auch der Sachgebietsleitungen - sind auf der Internetseite ver- öffentlicht, so dass die Abteilungs- und Referatsleitungen auch auf diesem Wege für die Kundinnen/Kunden an- sprechbar sind. Seit 2007 werden die Dienstaufsichtsbeschwerden und das Ergebnis der Prüfung detailliert erfasst. Im Einzelnen ergeben sich folgende Zahlen: Jahr Anzahl der Beschwerden als berechtigt eingestuft 2007 95 13 (13,7 %) 2008 88 30 (34,1 %) 2009 117 42 (35,9 %) 2010 123 51 (41,5 %) 2011 119 41 (34,5 %) 2012 96 27 (28,1 %) 2013 19 1 (5,2 %) (Stand: 11.3.13) 8. Wie lange ist die durchschnittliche Verweildauer von Bediensteten in der Berliner Ausländerbehörde seit 2004? Ist ein Rotationsverfahren vorgesehen oder beabsichtigt ? Zu 8.: Bezüglich der durchschnittlichen Verweildauer der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegen keine Zahlen vor. Die Ermittlung könnte nur mit einem nicht zu vertre- tenden Aufwand erfolgen. Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegen- heiten, deren Abteilung IV die Berliner Ausländerbehörde ist, fördert die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter systematisch. Dabei dient die Ro- tation als wertvolles Instrument im Personalentwick- lungsprozess. Mobilitätsbereitschaft wird bei den Be- schäftigten vorausgesetzt und gefördert. Individuelle Ver- änderungswünsche, Entwicklungsziele sowie die familiä- re Situation vor dem Hintergrund fachlicher Erfordernisse werden dabei berücksichtigt. Auch erarbeiteten die Perso- nalentwicklungsberaterinnen und Personalentwicklungs- berater des Landesamtes im Jahr 2012 anhand der Lan- desweiten Leitlinien der Personalentwicklung ein entspre- chendes Konzept und ist die Veränderungsfähigkeit /Veränderungsbereitschaft seit Anfang 2013 als außer- fachliche Kompetenz ein Bestandteil des Anforderungs- profiles. Berlin, den 22. März 2013 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Apr. 2013)