Drucksache 17 / 11 663 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (GRÜNE) vom 05. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. März 2013) und Antwort Sind Verbesserungen des Berliner Fahrradverleihsystems Call-a-Bike geplant? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Trifft es zu, dass dem Senat die Ergebnisse der Evaluierung des Fahrradverleihsystems Call a Bike vorliegen? Falls ja, ist eine Veröffentlichung der Evalua- tion vorgesehen und wenn ja wann? Antwort zu 1: Im Rahmen des vom Bundesministeri- um für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) geförderten Modellvorhabens „Integration öffentlicher Radverkehr“ (2009-2012) in Berlin modifizierte die DB Rent GmbH das bisher stationslose öffentliche Fahrrad- verleihsystem zu einem stationsbasierten System. Angelehnt an dieses Modellprojekt erhielt die Senats- verwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vom Bun- desinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) eine Zuwendung, um begleitende Untersuchungen – die Evaluation – durchzuführen. Die Berichte der mit der Evaluation beauftragten Part- ner liegen vor. Das Projekt ist formal allerdings noch nicht abgeschlossen, die Abnahme durch das BBSR steht noch aus. Vor dem formalen Projektabschluss ist keine Veröffentlichung der Ergebnisse geplant. Ein zeitnaher Projektabschluss wird angestrebt. Frage 2.1: Wie hoch ist laut Evaluation die durch- schnittliche Anzahl der Benutzungen eines Leihrades pro Tag? Treffen Presseinformationen zu, dass durchschnitt- lich jedes Rad nur jeden zweiten Tag ausgeliehen wird? Wie haben sich die Ausleihzahlen im Vergleich zum Jahr 2010 (d.h. vor der Einführung der festen Stationen) ver- ändert? Frage 2.2: Welche Gründe sieht der Senat für die nied- rigen Ausleihzahlen? Antwort zu 2.1 und 2.2: Die Evaluation war weder darauf ausgerichtet noch ist mittels der Ergebnisse eine Aus- sage dazu möglich, mit welcher Frequenz Räder genutzt werden. Entsprechende Daten stehen über die Evaluation nicht zur Verfügung. Der Sachstand kann aber gemäß den Angaben des Be- treibers dargelegt werden. Dabei ist zu beachten, dass jahreszeitlich bedingt deutliche Unterschiede im Nut- zungsverhalten bzw. der Nutzungsfrequenz erkennbar sind. Bedingt durch technische Schwierigkeiten bei der Umstellung und eine räumliche Eingrenzung des Systems können zwischen 2009 und 2012 Veränderungen bei den Nutzerzahlen und im Nutzungsverhalten beobachtet wer- den, welche sich gerade im Jahr 2011 (Jahr der Sys- temumstellung) in einem Rückgang der Nutzungszahlen widerspiegeln. Seitdem ist allerdings ein positiver Trend feststellbar. Insgesamt bewegt sich die durchschnittliche Anzahl der Fahrten pro Rad und Tag bezogen auf das Kalender- jahr 2012 und unter Beachtung der Einsatzzeit auf einem vergleichbaren Niveau mit den Jahren vor der Systemum- stellung. Während 2010 mit dem stationsungebundenen System pro Rad und Tag durchschnittlich 0,69 Fahrten stattfanden, lag dieser Wert 2012 mit dem stationsgebun- denen System bei 0,60. Unterschiede in den Mittelwerten resultieren hauptsächlich daraus, dass im Jahr 2010 die Flotte der Leihfahrräder nur von März bis November im Einsatz war. Erst seit der Systemumstellung im Jahr 2011 stehen Kundinnen und Kunden ganzjährig Räder zur Ver- fügung, was aber durch traditionell schwächere Nutzung in den Wintermonaten auch den Jahresmittelwert der Fahrten pro Tag reduziert. Grundsätzlich liegt die Nut- zungsfrequenz der Räder in den aufkommensstarken Sommermonaten sowohl vor als auch nach der Sys- temumstellung deutlich über dem Jahresmittelwert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 663 2 In Summe lag die Zahl der Kundinnen und Kunden, die das System aktiv genutzt haben, mit mehr als 21.000 im Jahr 2012 bereits über der vergleichbaren Anzahl im Jahr 2010 (rund 20.000 unter den Rahmenbedingungen des stationsungebundenen Systems), mit einem kontinu- ierlich positiven Trend. Im Vergleich zwischen dem alten und dem aktuellen System kann daher nicht von „niedrigen Ausleihzahlen “ gesprochen werden. In Relation zur absoluten Einwohnerzahl Berlins be- steht aber noch erhebliches Wachstumspotenzial für das System öffentlicher Leihfahrräder. Voraussetzung hierfür sind eine Erhöhung der Systemverfügbarkeit in der Flä- che, eine Verbesserung der Akzeptanz des Systems und der Zugangsmöglichkeiten sowie eine intensive und akti- ve Kommunikation mit Bestands- und Neukunden. Frage 3.1: Ist der Senat der Ansicht, dass die aktuelle Stationsdichte sowie die Ausdehnung des Verleihbereichs ausreichen? Antwort zu 3.1: Nein. Aus Sicht des Senats ist es not- wendig, das System der öffentlichen Fahrräder weiter zu verdichten und es auf neue Teilräume Berlins auszudeh- nen. Diese Schlussfolgerung ergibt sich auch aus den in der Antwort zu den Fragen 2.1 und 2.2 dargestellten Ent- wicklungen. Frage 3.2: Warum befinden sich bisherige Stationen nur im Zentrum von Berlin und nicht auch an größeren Knotenpunkten (z. B. den S-Bahnhöfen Gesundbrunnen, Ostkreuz, Südkreuz und Westkreuz)? Inwiefern sieht der Senat auch darin einen Grund für die niedrigen Nutzungs- zahlen? Antwort zu 3.2: Die Errichtung des bisher bestehen- den Stationsnetzes erfolgte im Rahmen des vom BMVBS geförderten und zeitlich begrenzten Projekts „Integration Öffentlicher Radverleih“. Für die Realisierung innerhalb der Projektlaufzeit und des Kostenrahmens wurden Teilräume selektiert, in denen ein schrittweiser und räumlich konzentrierter Systemauf- bau erfolgte, um die grundlegend notwendige Stations- dichte zu erreichen. Dieser erfolgte anfänglich in Teil- räumen der Bezirke Mitte und Pankow, später auch in Teilräumen der Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg. Die Einbeziehung von Umsteige- sowie Quelle-/Ziel- Punkten des öffentlichen Verkehrs in das Stationsnetz, wie heute bereits u. a. am Alexanderplatz, dem Haupt- bahnhof oder am Bahnhof Zoologischer Garten realisiert, wird im Prozess der Systemausdehnung und -verdichtung angestrebt. Frage 3.3: Gibt es Pläne die Stationsdichte von Call-a- Bike zu erhöhen und weitere Gebiete Berlins einzubezie- hen? Wenn ja, bitte um Angabe des genauen Zeitplanes und der geplanten Stationsanzahl und Gebietserweiterun- gen. Antwort zu 3.3: Eine Verdichtung und Erweiterung des Systems um weitere ca. 50 Stationen wird in den Be- zirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain- Kreuzberg, Mitte, Neukölln, Pankow und Tempelhof- Schöneberg im Bereich der inneren Stadt (innerhalb des S-Bahn-Rings) noch im Jahr 2013 angestrebt. Die Durchführung der Ausbaumaßnahmen obliegt dem Betreiber und steht unter dem Vorbehalt der öffent- lich-rechtlichen Genehmigungen der jeweils zuständigen Bezirksämter. Frage 4.1: Wie viele NutzerInnen haben sich für den Abschluss des Pauschaltarifs entschieden, mit dem die erste halbe Stunde kostenlos ist? Wie viele davon sind Nutzer eines VBB-Umweltabos? Antwort zu 4.1: Nach Angaben des Betreibers verfügte das System im Jahr 2012 über ca. 20.000 Kundinnen und Kunden im Pauschaltarif, was einer Quote von rund einem Drittel entspricht. Insgesamt machten aus dieser Gruppe 520 Kundinnen und Kunden von den Sonderkon- ditionen für VBB-Abonnenten Gebrauch. Frage 4.2: Ist der Senat der Meinung, dass der Pau- schaltarif ausreichend in der Bevölkerung bekannt ist? Sieht der Senat die Höhe des Pauschalpreises als ange- messen an, um für einen breiten Nutzerkreis interessant zu sein? Antwort zu 4.2: Insgesamt bestehen nach Meinung des Berliner Senats Informationsdefizite hinsichtlich des Sys- tems öffentlicher Fahrräder, was auch die bestehenden Tarifmodelle einschließt. Die Gestaltung der Tarifstruktur obliegt im jetzigen Modell ausschließlich dem Betreiber. Zukünftig strebt der Senat eine stärkere Beteiligung bei der Tarifgestaltung an. Frage 5: Gibt es Pläne des Senats die erste halbe Stun- de wie in Hamburg und Stuttgart kostenlos anzubieten, um die Nutzerzahl zu erhöhen? Wenn ja, wie soll diese finanziert werden? Wenn nein, sieht es der Senat als rea- listisch an ohne kostenlose halbe Stunde mittelfristig ähn- liche Nutzerzahlen wie Hamburg zu erreichen? Antwort zu 5: In Form des Pauschaltarifs liegt bereits heute ein Modell vor, mittels dessen die Kundinnen und Kunden bis zu zwei Räder mit einer Kundennummer für die ersten 30 Minuten kostenfrei nutzen können. Ob und in welchem Rahmen zukünftig möglicher- weise vergleichbare Nutzungsmodelle für öffentliche Leihfahrräder in Berlin etabliert werden, wie sie in Ham- burg oder Stuttgart zur Anwendung kommen, ist derzeit nicht absehbar. Frage 6.1: Wurde nach Ende des Modellvorhabens Ende 2012 wie vorgesehen vom Senat eine Grundsatzent- scheidung auf der Basis der Evaluation über einen Wei- terbetrieb und Ausbau mit Beteiligung des Landes getrof- fen? Wenn ja, wie sieht diese Grundsatzentscheidung aus und welche Schlüsse zieht sie aus der Evaluation? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 663 3 Antwort zu 6.1: Eine entsprechende Entscheidung wurde getroffen. Hierfür wurden nicht nur die Erfahrun- gen und Ergebnisse aus der Evaluation und dem gesamten Evaluationsprozess herangezogen. Auch die Auflagen, welche sich für die DB Rent GmbH aus der Förderung des Projektes durch das BMVBS ergeben (Nachnutzung und Betrieb des errichteten Systems aus Stationen und Leihfahrrädern in Berlin für zwei Jahre, also in den Jahren 2013/2014), spielten dabei eine Rolle. Innerhalb der definierten Nachnutzungsphase in den Jahren 2013/2014 wird die qualifizierte Erweiterung des Systems angestrebt, um die Netzabdeckung und die Nutz- barkeit des Systems zu erhöhen. Bezüglich der weiteren Planungen nach 2014 siehe Antwort zu Frage 7. Frage 6.2: Inwieweit hat der Senat die Einbeziehung anderer Finanzierungsquellen neben Landesmitteln erörtert und zu welchem Ergebnis ist er gekommen? Antwort zu 6.2: Eine Einbeziehung weiterer Finanzie- rungsquellen wurde geprüft, erscheint aber vor dem Hin- tergrund der begrenzten Vorhabenszeit (2013/2014) und den ggf. notwendig werdenden Modifikationen an Statio- nen oder Rädern und der notwendigen Abstimmung mit den Bezirken derzeit nicht zweckmäßig. Gleichwohl wird für eine mittel- und langfristige Fi- nanzierung eines Systems öffentlicher Leihfahrräder über 2014 hinaus geprüft, inwieweit externe Finanzierungs- quellen erschlossen werden können. Frage 6.3: Liegen inzwischen konkrete Prognosen zum Zuschussbedarf vor? Wenn nein, wann sind diese zu erwarten? Antwort zu 6.3: Entsprechende konkrete Prognosen liegen derzeit nicht vor. Die Höhe des Zuschusses für die Jahre 2013 und 2014 wird sich in Abhängigkeit von der Systemnutzung gestalten. Ziel des Senats ist die Beschränkung eines Zuschusses auf ein Minimum, mittels dessen ein Nutzen für das System realisierbar ist. Die maximale Höhe des Zuschusses bemisst sich nach dem im Haushalt vorgesehenen Ansatz. Frage 7: Wann soll die bei den letzten Haushaltsbera- tungen angekündigte angestrebte Neuvergabe des Fahr- radverleihsystems durchgeführt werden? Inwieweit ist für den Fall der Neuvergabe gesichert, dass die durch die DB Rent GmbH aufgestellten Fahrräder und Stationen auch durch einen neuen Betreiber genutzt werden könnten? Antwort zu 7: Der Senat beabsichtigt, den Betrieb des Systems öffentlicher Leihfahrräder nach Ende der Nach- nutzungspflicht 2013/2014 (vgl. Antwort zu Frage 6.1) in einem wettbewerblichen Verfahren zu vergeben. Die Vergabe wird derzeit für das Jahr 2014 avisiert, wobei der Betrieb eines entsprechenden Systems ab 2015 vorgese- hen ist. Die Nutzung des bestehenden Systems kann dabei keine Bedingung sein, da ein offenes Verfahren sicherzu- stellen ist. Frage 8: Gibt es aufgrund der großen Kritik Pläne die Stationen optisch zu verändern, damit sie sich unauffälli- ger ins Stadtbild einfügen? Antwort zu 8: Die Gestaltung der Stationen mittels der derzeit im Einsatz befindlichen Quader hat sich funktional bewährt. Die Quader stellen eine robuste, langlebige und wartungsarme Lösung zum sicheren Abstellen der öffent- lichen Leihfahrräder dar. Insbesondere im Vergleich zu den beispielsweise in Hamburg zum Einsatz kommenden Pollern ist bei den Quadern eine Errichtung oder Kapazi- tätsanpassung schnell und kostengünstig möglich. Es gibt auch kaum Vandalismusschäden an den Quadern zu ver- zeichnen. Bauartbedingt entfällt der Tiefbau, wodurch auch ein zügiger Rückbau möglich ist. Der Quader ist und bleibt damit die derzeit priorisierte Lösung. Gleichwohl werden mögliche Alternativen für Einzel- fälle geprüft. Frage 9: Gibt es Überlegungen wieder zum alten Sys- tem zurückzukehren, d. h. Fahrräder nicht an Stationen abstellen zu müssen, sondern überall? Antwort zu 9: Nein. Aktuell gibt es dazu keine Über- legungen. Berlin, den 28. März 2013 In Vertretung Christian Gaebler ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Apr. 2013)