Drucksache 17 / 11 666 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Özcan Mutlu und Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 04. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. März 2013) und Antwort Grundschule I – „soziale Brennpunktgebiete“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie definiert der Senat sogenannte „soziale Brennpunktgebiete “ bzw. „Brennpunktschulen“ und was sind die konkreten Indikatoren und Kriterien dafür? Zu 1.: Die Bezeichnungen „Soziales Brennpunktgebiet “ bzw. „Brennpunktschulen“ sind in der Berliner Verwaltung nicht definiert. Der Senat hat nach §171e Baugesetzbuch (BauGB) 34 Gebiete mit besonderem Entwicklungsbedarf förmlich festgelegt, in denen Quar- tiersmanagementverfahren durchgeführt werden (www.quartiersmanagement-berlin.de). Außerdem wurden durch Senatsbeschluss vom 8. Juni 2010 fünf Schwer- punkträume Integrierter Stadtteilentwicklung (Aktions- räume Plus) mit komplexen Problemlagen festgelegt. Als so genannte „Brennpunktschulen“ gelten Schulen, die in Quartieren mit besonderem Entwicklungsbedarf liegen und/bzw. einen hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern haben, deren Eltern von der Lernmittelzuzah- lung aufgrund des Bezugs staatlicher Transferleistungen befreit sind. 2. Hält der Senat es weiterhin für sinnvoll, die im So- zialatlas als gefährdet ausgewiesenen Verkehrszellen, die der Gruppe 4 zugeordnet werden, als soziale Brenn- punktgebiete zu bezeichnen? (Vgl. KA 16/13475) oder welche Datengrundlage mit welchen statistischen Gebie- ten nutzt der Senat zur Kennzeichnung der sozialen Brennpunktgebiete? Zu 2.: Eine Erfassung von „Verkehrszellen“ erfolgt nicht mehr. Durch Senatsbeschluss vom 1. Juni 2006 sind „Lebensweltlich orientierte Räume“ (LOR) als Grundlage für die kleinräumige Beobachtung, Prognose und Planung demographischer und sozialer Entwicklungen in Berlin festgelegt worden. Die Kennzeichnung dieser städtischen Teilräume dient dem Ziel, die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Be- wohner in Gebieten mit einem niedrigen oder sehr niedri- gen Entwicklungsindex über Intervention und Prävention zu steigern. Die Auswahl der Gebiete erfolgte auf der Grundlage des Monitoring Soziale Stadtentwicklung in Gesprächen zwischen dem Senat und den beteiligten Bezirken. Das Monitoring bietet kleinräumige Aussagen zur Verände- rung der sozialstrukturellen und sozialräumlichen Ent- wicklung in Berlin; es hat eine Frühwarnfunktion, die weitere Analysen erfordert. In das Monitoring Soziale Stadtentwicklung fließen sechs Statusindikatoren und sechs Dynamikindikatoren ein, woraus ein Status-Dynamik-Index ermittelt wird und die LOR in vier Gruppen dargestellt werden (hoher, mitt- lerer, niedriger und sehr niedriger Entwicklungsindex). (http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/basisdaten _stadtentwicklung/monitoring/de/2011/index.shtml). 3. Wie viele sogenannte „soziale Brennpunktgebiete“ gibt es nach der aktuellen Senatsmeinung und welche sind es im Einzelnen? Zu 3.: Es gibt berlinweit 34 Quartiersmanagementge- biete. 31 dieser Gebiete liegen in den Aktionsräumen Plus in den Ortsteilen Spandau-Mitte, Wedding/Moabit, Kreuzberg-Nordost, Neukölln-Nord und Nord-Mar- zahn/Nord-Hellersdorf. Die Festlegung dieser Räume erfolgte ebenfalls auf der Grundlage des Monitoring Sozi- ale Stadtentwicklung. 4. Wie viele öffentliche Grundschulen gibt es in Ber- lin derzeit und wie viele liegen davon in den nach Frage 3 definierten „sozialen Brennpunktgebieten“? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 666 2 5. An welchen Grundschulen in sozialen Brennpunkt- gebieten bieten die öffentlichen Musikschulen Individual- und/oder Gruppenkurse an, so dass die Schülerinnen und Schüler in ihrer Schule ein Instrument u. a. erlernen kön- nen? Zu 4. und 5.: Über die Kooperationen von Musik- schulen mit Grundschulen in sozialen Brennpunktgebie- ten wird keine Statistik geführt. Eine detaillierte Auflis- tung von öffentlichen Grundschulen nach Quartiersma- nagementgebieten bedürfte einer weiteren Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Um- welt. Dies ist im zeitlichen Rahmen, die für die Bearbei- tung einer Kleinen Anfrage vorgesehen ist, nicht zu leis- ten. 6. Mit welchen Kosten ist die Beteiligung an solchen Kursen für die Eltern der Schülerinnen und Schüler ver- bunden? Gibt es eine soziale Staffelung? Zu 6.: Grundsätzlich ist die Teilnahme am Unterricht der Berliner Musikschulen bis auf wenige Ausnahmen entgeltpflichtig. Die Höhe der Unterrichtsgebühren richtet sich nach der Art des Angebots. Nach den „Ausführungsvorschriften über die Entgelte an den Musikschulen Ber- lins (AV-MSE)“ werden folgende Entgeltgruppen unterschieden :  In Kooperationen mit Schulen, die aufgrund der im Abschnitt V der AV-MSE formulierten Regelun- gen geschlossen werden, wird eine schriftliche Kooperationsvereinbarung mit der allgemeinbil- denden Schule geschlossen. Das Unterrichtsentgelt beträgt pro Monat mindestens 6 € und höchstens 18 €. Eine soziale Staffelung ist nicht vorgesehen. Gleichwohl können Berechtigte, die einen An- spruch auf Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepakt (BuT) haben, für die Teilhabe am so- zialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft einen Bedarf von insgesamt 10 Euro monatlich für Unterricht in künstlerischen Fächern bei den zu- ständigen Stellen geltend machen. Hierzu zählt auch Musikunterricht.  Kursangebote, die in den Stundenplan der Grundschulen integriert sind, können kostenfrei für die Eltern angeboten werden. Dasselbe gilt für den Unterricht im Rahmen eines Modellprojektes.  Die reguläre Teilnahmegebühr für Instrumentalund Vokalunterricht beträgt bei Kursen zwischen 2,41 € und 4,82 € pro Kurseinheit (45 Minuten). Eine Ermäßigung kann bei wöchentlichen Unter- richtseinheiten von mehr als 60 Minuten gewährt werden.  Das Basisentgelt für den Kleingruppenunterricht liegt bei 17,24 € monatlich bei Gruppen ab 4 Kindern und bei 34,49 € für Gruppen bis zu 3 Kindern pro 45 Minuten. Die Bezirke können diese Basis- beträge um 100 % überschreiten; Ermäßigungen von bis zu 50 % können gewährt werden. Die Musikschulen machen von den Gestaltungsmög- lichkeiten in unterschiedlicher Weise Gebrauch. In der Regel betragen die Entgelte zwischen 8 € und 18 € monatlich . Es werden aber auch Angebote zu höheren Ent- gelten außerhalb der Kooperationen durchgeführt. In ge- ringem Umfang werden die Unterrichtsentgelte durch Dritte (Förderverein, Sponsoring) ganz oder teilweise mitfinanziert, so dass sich die Entgelte für die Eltern ent- sprechend verringern. 7. Haben die Musikschulen die Kapazität und vor al- lem das Budget, ihr Kursangebot in Grundschulen in so- zialen Brennpunktgebieten deutlich zu erweitern bzw. welcher zusätzlicher Mittel bedarf es, um das Angebot zu verdoppeln? Zu 7.: Grundsätzlich erfolgt die Zuweisung der Fi- nanzmittel an die Musikschulen im Rahmen der bezirkli- chen Globalsumme. Ein fester Etat für die Zusammenar- beit mit Grundschulen in sozialen Brennpunkten ist für die Regelangebote nicht vorgesehen. Die Bezirke ent- scheiden selbständig, in welchem Umfang sie eigene Mit- tel in Kooperationen mit Grundschulen in Brennpunkten einsetzen. Ob und inwieweit hier finanzielle Spielräume vorhanden sind und welche Mittel für eine Ausweitung des Angebotes erforderlich sind, setzt eine Erhebung vo- raus, die im zeitlichen Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht möglich ist. Kooperationen gemäß Abschnitt V AV-MSE dürfen angeboten werden, wenn die Honorarausgaben durch Entgelteinnahmen bzw. durch Dritte oder im Bezirk ver- fügbare Mittel gedeckt werden (Zweckbindung der Ein- nahmen). Allerdings ist die Realisierung von Einnahmen in Schulen in sozial belasteten Gebieten schwierig. Zu- dem stehen für die Zusammenarbeit von Grundschule und Musikschule im Doppelhaushalt 2012/13 bei Kapitel 1010, Titel 42701 jeweils 54 T Euro für ein Modellprojekt zur Erprobung von Kooperationen zwischen Musikschu- len und Schule im Bildungsverbund in sozialen Brenn- punkten zur Verfügung. Allgemein ist festzustellen, dass die Durchführung von Kooperationen mit Grundschulen in sozialen Brenn- punkten erheblich höhere Anforderungen an die Organi- sation und Kommunikation der Kooperationspartner so- wie an die Qualifikation der Lehrkräfte stellt, als sonstige Unterrichtsangebote der Musikschulen. Ein Ausbau der Angebote erfordert einen entsprechenden Ausbau der Kapazitäten in den Bereichen Organisation, Koordinie- rung, Öffentlichkeitsarbeit sowie Lehrkräftequalifizierung und –akquise, die die Schaffung dieser Rahmenbedingungen im Rahmen der vorhandenen finanziellen Möglich- keiten sicherstellt. 8. Wie viele Grundschulen in sozialen Brennpunktge- bieten haben eine Einrichtung, die die Funktion einer Schulbibliothek wahrnimmt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 666 3 Zu 8.: Nach § 109 Abs. 1 des Schulgesetzes von Ber- lin obliegt es auf Basis des Musterraum-programms den Schulträgern, die äußeren Voraussetzungen für das Leh- ren und Lernen in der Schule zu schaffen. Dies beinhaltet insbesondere den Bau, die Ausstattung und die Unterhal- tung der Schulen, somit auch der Schulbibliotheken. Dementsprechend sind nur die Bezirke und die Schulen in der Lage, die Fragen standortbezogen zu beantworten. In Anbetracht des Verwaltungs- und des damit einhergehen- den Zeitaufwandes muss von einer Abfrage bei den Be- zirken und den Schulen abgesehen werden, da sie nicht inner-halb des zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitrahmens abgeschlossen werden könnte. 9. Was sind die typischen Nutzungsmöglichkeiten bzw. Angebote dieser „Schulbibliotheken“? Zu 9.: Im Rahmen des Modellvorhabens „LeseProfis – Peerprojekt zur Leseförderung“ werden Schülerinnen und Schüler zu Leseexpertinnen und Leseexperten ausgebildet und motivieren Jüngere und Gleichaltrige zum Lesen und unterstützen diese beim Lesen, indem sie Aktionen und Unterstützungsangebote rund um das Lesen an ihrer Schule planen und durchführen. Im Rahmen dieses Pro- jekts haben sich die „Schulbibliotheken“ als ein wichtiges Element für den Einsatz der LeseProfis herausgestellt. Die LeseProfis haben „Schulbibliotheken“ aufgebaut und eingerichtet . Sie betreuen die Räume in den Pausen und am Nachmittag und bieten hier Vorlese- und Unterstützungs- angebote an. 10. Wie finanzieren die Schulen die Betreuung dieser Einrichtungen? Zu 10.: Wie zu 8. ausgeführt, obliegt die Einrichtung einer Schulbibliothek ausschließlich den da-für zuständi- gen Schulträgern. Sofern in einer Schule keine Schulbib- liothek vorhanden sein sollte, müsste deren Errichtung durch den jeweils zuständigen Bezirk erfolgen. Zum Teil entstehen schuleigene Bibliotheken auf der Grundlage von privaten Spenden und Sammlungen. Die personelle Ausstattung der Schulbibliotheken wird von den Schulen im Rahmen ihrer Gesamt-Stunden- zumessung realisiert. Gewidmete zusätzliche Profilstun- den oder besondere Anrechnungs- und Ermäßigungsstun- den stehen den allgemein bildenden Schulen dafür nicht zur Verfügung 11. Mit welchen Kosten pro Schule wäre es verbun- den, wenn jeweils eine bibliothekarische Fachkraft durch den Senat zur Verfügung gestellt würde? Zu 11.: Bei einer anzunehmenden Eingruppierung in Gruppe 2 des TVL (Tarifvertrag der Länder) wäre im Tarifgebiet West mit Kosten in Höhe von 39.000 €, im Tarifgebiet Ost mit Kosten i. H. v. 37.230 € jährlich pro Schule zu rechnen. Berlin, den 05. April 2013 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Apr. 2013)