Drucksache 17 / 11 750 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Moritz (GRÜNE) vom 13. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. März 2013) und Antwort Unfälle und Lärmbelastung in der Dietzgenstraße Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie hoch sind die Unfallzahlen der letzten 5 Jahre auf der Dietzgenstrasse in Pankow im gesamten Straßenverlauf? Welche Verkehrsarten waren beteiligt? Sind Unfallschwerpunkte zu erkennen? Antwort zu 1: In den Jahren 2008 bis 2012 wurden insgesamt 608 präventionsrelevante Verkehrsunfälle ge- mäß nachfolgender Auflistung polizeilich registriert: 2008: 115 Verkehrsunfälle 2009: 140 Verkehrsunfälle 2010: 126 Verkehrsunfälle 2011: 110 Verkehrsunfälle 2012: 117 Verkehrsunfälle Bei insgesamt 145 weiteren Verkehrsunfällen handelte es sich um Park- und Rangierunfälle im ruhenden Ver- kehr. Bei den präventionsrelevanten Verkehrsunfällen wurden als Verkehrsbeteiligte registriert: Verkehrsart 2008 2009 2010 2011 2012 Insgesamt Pkw 108 129 113 95 104 549 Lkw 17 13 19 20 24 93 Radfahrerinnen und Radfahrer 15 12 9 14 11 61 Kräder 4 5 7 5 5 26 Fußgängerinnen und Fußgänger 4 3 4 5 4 20 Omnibusse 4 7 2 2 4 19 sonstige/ unbekannte Fahr- zeuge 2 5 4 3 3 17 Kleinkrafträder 1 2 4 1 1 9 Mofa 0 0 1 2 1 4 Sattelzug 0 0 0 1 2 3 Tram 0 1 1 0 1 3 Lkw mit Hänger 1 0 0 0 2 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 750 2 Pkw mit Hänger 0 0 1 0 0 1 Sattelzug – maschine 0 1 0 0 0 1 geparkte Fahr- zeuge 7 10 8 11 6 42 (Hinweis: Die Anzahl der Beteiligten ist höher als die Anzahl der Verkehrsunfälle, weil es in der Regel pro Verkehrsun- fall mehrere Beteiligte gibt.) Als Unfallschwerpunkte sind nachfolgende Verkehrsknoten zu benennen: 1. Blankenburger Str./Dietzgenstr./Ossietzkyplatz 70 Verkehrsunfälle (2008: 20, 2009: 7, 2010: 14, 2011: 9, 2012: 20) 2. Beuthstr./Dietzgenstr./Platanenstr./Brosepark Pankow 44 Verkehrsunfälle (2008: 8, 2009:13, 2010: 8, 2011: 6, 2012: 9) 3. Dietzgenstr./Wackenbergstr. 35 Verkehrsunfälle (2008: 2, 2009: 12, 2010: 11, 2011: 6, 2012: 4) 4. Dietzgenstr./Ossietzkyplatz/Hermann-Hesse-Str. 34 Verkehrsunfälle (2008: 9, 2009: 7, 2010: 6, 2011: 5, 2012: 7) 5. Dammsmühler Str./Dietzgenstr. 33 Verkehrsunfälle (2008: 3, 2009: 14, 2010: 7, 2011: 3, 2012: 6) Frage2: Haben sich die Unfallzahlen erhöht, seitdem die Böll-Siedlung fertiggestellt wurde? Antwort zu 2: Die Fertigstellung der Böllsiedlung er- folgte nach Erkenntnissen der Polizei Berlin im Jahr 2010. Wie in der Antwort zu Frage 1. aufgeführt, sind die Verkehrsunfallzahlen seit 2010 für den Bereich der Diet- zgenstraße tendenziell rückläufig. Frage 3: Werden auf der Dietzgenstrasse regelmäßige Geschwindigkeitskontrollen vorgenommen? Wie häufig und wie hoch sind die dabei gemessenen Geschwindig- keitsübertretungen? Antwort zu 3: Die Ergebnisse der durchgeführten Ge- schwindigkeitsüberwachungsmaßnahmen können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: 2008 2009 2010 2011 2012 Einsätze 19 18 26 14 12 Überschreitensrate in % 6,62 4,42 3,34 4,59 5,38 Stadtweite Überschreitensrate in % (50 km/h) 6,24 6,24 5,03 5,14 4,50 höchster gemessener Wert in km/h* 84 80 85 112 75 *Die gemessenen Höchstgeschwindigkeiten befanden sich alle im Be- reich von 50 km/h-Strecken. In den Jahren 2008 sowie 2012 befanden sich die fest- gestellten Überschreitensraten für 50 km/h-Bereiche in der Dietzgenstraße knapp über den stadtweit ermittelten Werten. Frage 4: Gibt es Planungen die zulässige Geschwin- digkeit in der ganzen Straße oder in Teilbereichen auf Tempo 30 zu reduzieren? Falls nein, warum nicht? Falls ja, in welchem Abschnitt und wann ist die Umsetzung geplant? Frage 5: Ist eine nächtliche Reduzierung auf Tempo 30 geplant? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 4 und 5: In der Dietzgenstraße ist auf zwei Teilabschnitten die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h gesenkt worden. Das auf Montag bis Freitag von 7 bis 17 Uhr befristete Tempolimit in Höhe der Kuckhoffstraße (in Kombination mit Zeichen 136 Straßenverkehrs-Ordnung – StVO – „Kinder“ als Verkehrsschild und als Fahrbahnmarkierung) dient vorrangig der Schulwegsicherung. Eine uhrzeitlich unbefristete Ge- schwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h bei Nässe muss- te aus Verkehrssicherheitsgründen im Bereich der kurvi- gen Straßenführung zwischen Uhlandstraße und Eichen- straße angeordnet werden. Der für verkehrliche Maßnahmen in der Dietzgenstra- ße zuständigen Zentralen Straßenverkehrsbehörde bei der Verkehrslenkung Berlin (VLB) sind keine Gründe bzw. besonderen Gefahrenlagen bekannt, die aktuell weitere Anordnungen von Geschwindigkeitsbeschränkungen er- fordern würden. Derartige Beschränkungen dürfen gemäß § 45 Absatz 9 StVO nur dann angeordnet werden, wenn dies auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse zwingend geboten ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 750 3 Der VLB liegt zurzeit auch kein Anwohnerantrag auf Lärmschutzmaßnahmen aus der Dietzgenstraße nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 StVO vor, der eine Einzelfallprüfung erfor- dern würde. Diese Prüfung würde auf der Grundlage eines aktuellen Lärmgutachtens unter Abwägung aller Umstän- de des Einzelfalls, wie z.B. mögliche negative Auswir- kungen der straßenverkehrsbehördlichen Maßnahmen auf den ÖPNV oder zu erwartende Ausweichverkehre usw. erfolgen. Hierbei wäre auch besonders die hohe Ver- kehrsbedeutung der Straße als übergeordnete Straßenver- bindung (B 96a) zu berücksichtigen. Die Anordnung ver- kehrlicher Maßnahmen läge dann im pflichtgemäßen Er- messen der Straßenverkehrsbehörde. Allerdings hat die VLB im Oktober 2012 in der Diet- zgenstraße zwischen Schillerstraße und Blankenburger Straße die Markierung von Radverkehrsanlagen auf der Fahrbahn angeordnet. Dadurch wird dem Kraftfahrzeug- verkehr dann nur noch jeweils ein Fahrstreifen je Rich- tung zur Verfügung stehen. Dadurch wird zum einen die Strecke zum Überqueren der vom Kraftfahrzeugverkehr genutzten Fahrbahnbreite reduziert. Zum anderen wird die einstreifige Befahrung eine Geschwindigkeitsdämpfung bewirken. Nicht zuletzt tragen die Radverkehrsanlagen zur Lärmminderung bei, da der fließende Kfz-Verkehr weiter von den Fassaden entfernt ist. Die Umsetzung die- ser Anordnung obliegt dem Straßenbaulastträger, das ist das Tiefbauamt Pankow. Frage 6: Gibt es aktuelle Lärmmessungen oder Schall- technische Untersuchungen für die Dietzgenstrasse? Wenn ja, welche Ergebnisse wurden ermittelt? Werden Werte erreicht, die als gesundheitsgefährdend gelten? Antwort zu 6: Für die Dietzgenstraße wurden im Rahmen der Lärmkartierung 2012 für den Ballungsraum Berlin Verkehrslärmberechnungen vorgenommen. Diese Berechnungen wurden nach den durch die 34. Verord- nung zur Durchführung des Bundes-Immissionschutz- gesetzes vorgegebenen Berechnungsmethoden auf der Basis von Verkehrszähldaten 2009/10 und Fahrplandaten 2012 (Straßenbahn) durchgeführt. Die fassadengenauen Ergebnisse sind im Umweltatlas der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt veröffentlicht. Nach Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung (sie- he Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Drucksache 14/2300 vom 15.12.1999) beginnt bei einer dauerhaften Belastung, die über einem Lärmindex LDEN von 65 dB(A) bzw. LN von 55 dB(A) liegt, das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen zu steigen (LDEN - gewichteter Mittelwert über 24 h, LN - Mittelwert für den Nachtzeitraum von 22.00 bis 06.00 Uhr). In der Dietzgenstraße werden diese Schwellenwerte mit Ausnahme des Abschnittes zwischen Hermann- Hesse-Str. und Schloß Niederschönhausen überschritten; die höchste Verkehrslärmbelastung wird in der Dietzgen- straße zwischen den Einmündungen Schillerstraße und Beuthstraße sowie an der Einmündung Blankenburger Straße erreicht (Gesamtlärmpegel Lärmindex LDEN bis zu 74 dB(A), Lärmindex LN bis zu 66 dB(A)). Pegelbe- stimmend ist hierbei der Kfz-Verkehr. Frage 7: Ist ein Fußgängerüberweg oder eine andere Querungshilfe zwischen Beuth- und Schillerstr. - in Höhe der Heinrich-Böll-Siedlung - und somit auch ein Über- gang zur Straßenbahn- und Bußhaltestelle geplant? Falls nicht, ist zumindest eine Geschwindigkeitsbegrenzung für diesen Straßenabschnitt schnell realisierbar? Antwort zu 7: Die Anlage von Fußgängerüberwegen ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden, u. a. dürfen diese wegen des damit verbundenen Vorrangs der Fuß- gängerinnen und Fußgänger gegenüber dem Fahrzeugver- kehr nicht über Gleise von Schienenfahrzeugen ohne ei- genen Gleiskörper angelegt werden. Da im Abschnitt der Dietzgenstraße zwischen Beuth- und Schillerstraße in der Fahrbahn Straßenbahngleise vorhanden sind, ist die Anla- ge eines Fußgängerüberweges dort ausgeschlossen. Auch die Anlage anderweitiger baulicher Querungshilfen, wie Mittelinseln, über die der Straßenbaulastträger entschei- den müsste, können deshalb nicht umgesetzt werden. Un- abhängig davon sind der Verkehrslenkung Berlin aber auch keine Probleme bekannt, die Maßnahmen zur Siche- rung der Fahrbahnüberquerung für Fußgängerinnen und Fußgänger rechtfertigen würden. Durch die an den Kno- ten Dietzgenstraße/Schönhauser Straße - Schillerstraße und Dietzgenstraße / Platanenstraße - Beuthstraße vor- handenen Lichtsignalanlagen entstehen immer wieder ausreichend große Lücken in den Fahrzeugfolgen, die allen Fußgängerinnen und Fußgängern bei der Beachtung der bei der Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen Aufmerksamkeit eine sichere Querung der Dietzgenstraße ermöglichen. Die Verkehrslenkung Berlin ist - wie in der Antwort zu 4. und 5 ausgeführt - insbesondere bei der Anordnung von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen wie Tempo 30 an die Vorgaben der StVO gebunden. Dies gilt auch für den Straßenabschnitt, in dem sich die Haltestellen befin- den. Für das Verhalten an Straßenbahn- und Bushaltestel- len hat die StVO den Fahrzeugführerinnen und Fahrzeug- führern aber durch § 20 StVO konkrete Regeln vorgege- ben. Danach darf an allen Haltestellen generell nur vor- sichtig vorbeigefahren werden. Rechts von Haltestellen darf, wenn Fahrgäste ein- oder aussteigen, nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahr- gästen ausgeschlossen ist. Wenn nötig, muss die/der Fahrzeugführerin oder Fahrzeugführer sogar warten. Ein mögliches Fehlverhalten von Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern kann mit den der Straßenverkehrsbehör- de zur Verfügung stehenden Mitteln leider nicht verhin- dert werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 750 4 Frage 8: Plant der Senat ein Konzept, das die städte- bauliche Situation und Lärm- und Schadstoffproblematik an Ausfallstraßen behandelt, um ihren Charakter als Wohn- und Einkaufsstraßen wieder zu verbessern? Antwort zu 8: Fragen der Lärm- und Luftschadstoff- betroffenheiten werden durch den Senat gemäß der EU- und Bundes-Gesetzgebung in den jeweiligen strategischen Planwerken – Luftreinhalte- und -aktionsplan sowie Lärmaktionsplan – behandelt. Die Erarbeitung des Luftreinhalte- und -aktionsplans erfolgt aufgrund der Umsetzung der Europäischen Richt- linie 2008/50/EG (Luftqualität und saubere Luft für Euro- pa) vom 21.05.2008 bzw. deren Umsetzung in Deutsches Recht (durch die 8. Novelle zum Bundes-Immissions- schutzgesetz (BImSchG) und Erlass der 39. Verordnung zum BImSchG (39. BImSchV) im August 2010). Die Erarbeitung des Lärmaktionsplans erfolgt auf Ba- sis der nachfolgenden Richtlinien und Gesetze:  Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm  Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umge- bungslärm vom 24. Juni 2005  Verordnung über die Lärmkartierung (34. BImSchV) vom 6. März 2006  Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 In diesen Planwerken werden die wesentlichen kon- zeptionellen Ansätze für die Fragen der Lärm- und Luft- schadstoffbetroffenheiten gebündelt. Berlin, den 12. April 2013 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. April 2013)