Drucksache 17 / 11 753 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Manuela Schmidt und Katrin Lompscher (LINKE) vom 13. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. März 2013) und Antwort Vergabe von Erbbaurechten auf landeseigene Grundstücke Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie schätzt der Senat aus Sicht der Interessen des Landes die Vor- und Nachteile der Vergabe von Erbbau- rechten auf landeseigene Grundstücke gegenüber dem Verkauf von landeseigenen Liegenschaften ein? Zu 1.: Aus Sicht des Senats gibt es insbesondere je- weils folgende Vor- und Nachteile bei der Vergabe von Erbbaurechten an oder der Veräußerung von Grundstü- cken: Verkauf Vorteile Nachteile Sofortige vollständige Einnahme des Grundstückswer- tes. Land Berlin entgeht künftige Wertentwicklung des Grundstücks. Grundstück bedarf keiner Bewirtschaftung mehr und Berlin entstehen dafür keine Kosten, insbesondere Personalkosten. Land Berlin hat keinen unmittelbaren Einfluss mehr auf die Nutzung des veräußerten Grundstücks, soweit nicht gegen bestehende städtebauliche Planung ver- stoßen wird. Zahlt die Käuferin oder der Käufer den Kaufpreis nicht, kann das Land Berlin vom Kaufvertrag zurück- treten, ein Eigentumswechsel vor Zahlung erfolgt nicht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 753 2 Erbbaurecht Vorteile Nachteile Grundstück fällt nach Ablauf des Erbbaurechts wieder an das Land Berlin. Nach Ablauf ist das Gebäude grundsätzlich zu ent- schädigen. Zusätzlich erhält das Land Berlin (gegen Entschädi- gung) das aufstehende Bauwerk. Das Bauwerk ist nach Ablauf auch dann zu entschädi- gen, wenn keine weitere Verwendungsmöglichkeit durch das Land Berlin besteht. Nutzungsbindungen sind dauerhaft sicherbar. Die städtebauliche Umsetzung bestimmter Nutzungen bleibt gesichert. Bei Wohnerbbaurechten bleibt nach § 9a Erbbau- rechtsgesetz sowie bei den übrigen Nutzungszwecken aufgrund vertraglicher Vereinbarungen der bei Aus- gabe geltende Grundstückswert für die gesamte Lauf- zeit bestehen. Eine Anpassung des Erbbauzinses er- folgt ausschließlich im Maße der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach festgelegten Indi- zes des statistischen Bundeamtes. Steigende Grund- stückswerte bleiben somit für die Laufzeit des Erbbau- rechts unberücksichtigt. Stetige regelmäßige Einnahme über die Laufzeit des Erbbaurechts; nach Ablauf verfügt Berlin immer noch über den Grundstückswert. Wird das Erbbaurecht notleidend, ist nicht ausge- schlossen, dass die Grundstückseigentümerin oder der Grundstückseigentümer, also das Land, für Bewirt- schaftungskosten des Grundstücks haften könnte. Bei Eintritt der jeweils zu vereinbarenden Gründe (z.B. Verstoß gegen die vereinbarte Nutzung, Erbbauzinsrückstand in Höhe von zwei Jahresbeträgen) kann die Grundstückseigentümerin oder der Grundstücksei- gentümer den Heimfall ausüben und das Erbbaurecht auf sich oder einen (geeigneteren) Dritten übertragen lassen. Durch die auf regelmäßige Zahlung des Erbbauzinses angelegte Rechtskonstruktion entfällt – anders als beim Verkauf- die Möglichkeit, das Entstehen des Rechts zu verhindern. Beim Erbbaurecht bleibt dem Grundstückseigentümer nur die Ausübung des Heim- falls. Dies beinhaltet wirtschaftliche Risiken, da beim Heimfall in der Regel noch Grundpfandrechte valutie- ren dürften, die das Land Berlin zusammen mit dem Erbbaurecht übernehmen muss. Für die Verwaltung der Erbbaurechte fallen für die gesamte Laufzeit Personalkosten an. 2.Teilt der Senat die Ansicht, dass die Vergabe von Erbbaurechten gegenüber dem Verkauf im Grundsatz bessere Möglichkeiten bietet, stadtentwicklungspolitische Ziele zu verfolgen und bestimmte Nutzungen zu sichern? Wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht? Zu 2.: Soweit stadtentwicklungspolitische Ziele (ins- besondere Art der Nutzung) durch Planungsrecht gesi- chert werden können, bindet dieses auch eine eventuelle Käuferin/ einen eventuellen Käufer. Über das Planungs- recht hinaus gewollte Nutzungsbindungen können im Allgemeinen eher mit Hilfe von Erbbaurechtsverträgen langfristig gesichert werden, als das im Falle eines Ver- kaufs möglich ist. 3. Welche Kriterien legt der Senat an, um im Einzel- fall zu entscheiden, ob ein Grundstück verkauft oder ein Erbbaurecht vergeben wird? Zu 3.: Nach dem Konzept zur neuen Liegenschaftspo- litik werden die grundlegenden Kriterien für Entscheidungen zwischen Verkauf oder Vergabe im Erbbaurecht in der Regel bereits im Rahmen der Portfolioanalyse und –clusterung benannt. Die Entscheidung darüber wird selbstverständlich erst im Vermarktungskontext getroffen. 4. Teilt der Senat die Einschätzung, dass im Grundsatz die Vergabe von Erbbaurechten gegenüber dem Verkauf langfristig für das Land finanziell nicht nachteilig ist? Wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht? Zu 4.: Diese Frage kann nicht für alle Fälle gleichermaßen belastbar beantwortet werden. Die Antwort hängt maßgeblich von der Preisentwicklung auf dem Immobili- enmarkt ab. Wie in der Tabelle zu Frage 1. bereits darge- stellt, bleibt bei Erbbaurechten für Wohnnutzung aus ge- setzlichen Gründen und bei sonstigen Nutzungszwecken aus vertraglichen Vereinbarungen der dem Erbbauzins zugrundeliegende Grundstückswert bei Ausgabe des Erb- baurechts für die gesamte Laufzeit unverändert. Die Erb- bauzinsen verändern sich lediglich im Maßstab der Ver- änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 753 3 5. Inwieweit kann der Liegenschaftsfonds in einem bedingungsfreien Bieterverfahren ein Erbbaurecht verge- ben, wenn gleichzeitig Kaufangebote vorliegen? Zu 5.: Im Portfolioausschuss erfolgt jeweils die Clus- terung der Grundstücke. Daraus bestimmt sich in der Fol- ge auch das jeweilige Vergabeverfahren für das jeweilige Grundstück. Ggf. erfolgt damit zugleich die Entscheidung über eine Direktvergabe. Vergaben im Wege des Erbbau- rechts werden sich meist auf Fälle der Direktvergaben konzentrieren. Damit ergeben sich Gebote für ein Erbbau- recht und Gebote für einen Kauf nicht kumulativ, sondern alternativ. 6. Inwieweit wirken sich die Zielvorgaben für den Liegenschaftsfonds, für seine Geschäftsführung, für seine Mitarbeiter (Abführung an den Landeshaushalt, Zielvereinbarungen für Geschäftsführung und Mitarbeiter, Boni bzw. variable Gehalts- bzw. Vergütungsbestandteile) för- derlich oder hinderlich auf die Häufigkeit der Vergabe von Erbbaurechten aus? Zu 6.: Die Zielvereinbarungen für die Geschäftsfüh- rung sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lie- genschaftsfonds orientieren sich an den Zielbildern des Senats von Berlin für seine Beteiligungsunternehmen. Die Umsetzung der transparenten Liegenschaftspolitik wird ggf. auch Änderungen der Zielbilder des Senats für den Liegenschaftsfonds und damit auch der Zielvereinbarungen nach sich ziehen. Unabhängig davon, dass Details und konkrete Inhalte der Zielvereinbarungen als Personal- angelegenheiten vertraulich zu behandeln sind, bleiben diese immer kohärent zu den genannten Regelwerken. 7.Wie schätzt der Senat die Risiken und Schwierigkei- ten bei der Verwaltung von Erbbaurechten auf landesei- gene Grundstücke durch die Hauptverwaltungen, den Liegenschaftsfonds bzw. die Bezirke ein? Zu 7.: Wie vorstehend bereits erwähnt, ist die Verwal- tung von Erbbaurechten bedingt durch deren Rechtskon- struktion allgemein schwierig und aufwändig. Sie wird derzeit von den drei genannten Stellen geleistet. Risiken bei der Verwaltung von Erbbaurechten sieht der Senat insbesondere bei älteren Erbbaurechten im Zusammen- hang mit dem möglichen Ausfall des Erbbauzinses im Falle der Zwangsversteigerung des Erbbaurechts. Dieses Risiko besteht bei neueren Erbbaurechten aufgrund der neuen Gesetzeslage nicht mehr, weil eine Erbbauzinsreal- last inzwischen zwangsversteigerungsfest vereinbart werden kann. Berlin vereinbart in seinen Erbbaurechtsverträ- gen stets entsprechende Regelungen. Schwierigkeiten bei der Verwaltung von Erbbaurechten traten in der Vergan- genheit am häufigsten bei der regelmäßigen Anpassung des Erbbauzinses auf. Auch hier wirkt die geänderte Ge- setzeslage erleichternd, denn es können sogenannte Gleit- klauseln vereinbart werden, nach der sich im Maßstab der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Erbbau- zins regelmäßig ohne Weiteres anpasst. Das Land Berlin verwendet in seinen Erbbaurechtsverträgen auch hier ent- sprechende Regelungen. Mittelfristig könnte darüber nachgedacht werden, die Verwaltung von Erbbaurechts- verträgen zu zentralisieren, um im Sinne der Verwal- tungseffizienz und -effektivität das Controlling der Ver- träge zu erleichtern. 8. Welche Möglichkeiten sieht der Senat ggf., diese Schwierigkeiten und Risiken zu minimieren? Zu 8.: Siehe Antwort zu 7. 9. Welche Möglichkeiten sieht der Senat sicherzustel- len, dass zukünftig von der Möglichkeit der Vergabe von Erbbaurechten verstärkt Gebrauch gemacht wird? Zu 9.: Siehe Antwort zu 3. 10. Welche Regeländerungen wären hierzu notwen- dig? Zu10.: Nach derzeitiger Einschätzung keine. 11. Hat der Senat die Absicht, dafür zu sorgen, dass in Zukunft die Vergabe von Erbbaurechten auf landeseigene Grundstücke gegenüber dem Verkauf verstärkt stattfin- det? Zu 11.: Das Konzept zur transparenten Liegenschafts- politik sieht hier eine Kriterien geleitete Entscheidung vor. Berlin, den 26. April 2013 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Mai 2013)