Drucksache 17 / 11 756 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 14. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. März 2013) und Antwort Erste Bilanz der „Vorschaltmaßnahme“ in der Berufsvorbereitung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welchem Zweck diente die im Herbst 2012 kurz- fristig von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen eingerichtete „Vorschaltmaßnahme zum Berliner Ausbildungsplatzprogramm 2012“ und welche Erwartungen verbanden sich insbesondere im Hinblick auf die Ausbildungsfähigkeit junger Menschen mit dieser auf drei Monate konzipierten Maßnahme? a) Durch welche Mittel und Instrumente waren diese Erwartungen abgesichert? Zu 1.: Allen Ausbildungsplatzsuchenden den Weg in eine Ausbildung zu ebnen, ist Ziel des Senats. Ziel der Vorschaltmaßnahme war es, einem Teil der unversorgten Jugendlichen den Weg in die Ausbildung zu ermöglichen. Mittels der Vorschaltmaßnahmen sollten die Vorausset- zungen verbessert werden, um insbesondere in eine an- schließende betriebliche Ausbildung, eine Einstiegsquali- fizierung (EQ) oder in eine außerbetriebliche Ausbildung (z.B. die betriebsnahe Verbundausbildung im Rahmen des Berliner Ausbildungsplatzprogramms 2012 – BAPP 2012) einmünden zu können. a) Die Finanzierung konnte durch Minderausgaben aus den Ausbildungsplatzprogrammen, die aufgrund von vorzeitigen Vertragslösungen entstanden sind, gesichert werden. Erwartungen im Hinblick auf die Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit bestanden dahingehend, dass aufgrund der heterogenen Qualifikationsstruktur von Ju- gendlichen teilweise nur geringe Unterstützung notwen- dig ist, um die Chancen auf einen Ausbildungsplatz deut- lich zu erhöhen. Dies war das Ergebnis verschiedener anderer Projekte. 2. Wie unterscheidet sich diese „Vorschaltmaßnahme “ im Zugang, im Konzept und in der Verwertbarkeit von dem Instrument der „Einstiegsqualifizierung“? a) Inwiefern hält der Senat es für sinnvoll, dass Ju- gendliche diese beiden Maßnahmen nacheinander durch- laufen? Zu 2.: Die Vorschaltmaßnahmen sollten der Ausbildungserprobung dienen. Aufgrund der Erfahrungen, die aus der Besetzung der Ausbildungsplätze des Berliner Ausbildungsplatzprogramms 2012 (BAPP 2012) gewon- nen wurden, konnte hierbei nicht davon ausgegangen werden, dass bei den Betreffenden die Berufsorientierung und die Berufswahl bereits letztgültig abgeschlossen sein würde. Grundsätzlich waren Vorschaltmaßnahmen daher so anzulegen, dass sie beiden Aspekten Rechnung tragen würden (Festigung der Berufswahl und Ausbildungser- probung). Die Vorschaltmaßnahmen entsprachen daher bereits von ihrem Grundgedanken nicht den Einstiegsqualifizie- rungen (EQ). Bei letzteren handelt es sich um betriebliche Praktika, bei denen der Besuch der Berufsschule obligato- risch ist, und bei denen darauf gesetzt wird, dass ein Kle- beeffekt dergestalt erzielt wird, dass die Teilnehmenden im Praktikumsbetrieb im Anschluss auch eine betriebliche Ausbildung absolvieren, auch wenn sich das in der Ver- gangenheit nicht in jedem Fall so bewahrheitete. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber den Zeitraum für die Ein- stiegsqualifizierung mit sechs bis zwölf Monaten definiert hat. Die Vorschaltmaßnahmen waren hingegen lediglich für drei Monate konzipiert. Die EQ setzt damit im Prinzip voraus, dass die Teil- nehmenden bereits vorher in ihrer Berufswahlentschei- dung so gefestigt sind, dass dieses Ziel auch erreicht wer- den kann. Die Vorschaltmaßnahmen sollten hier etwas früher ansetzen und beinhalteten daher i.d.R. eine Ein- gangs- bzw. Analysephase, eine Phase der Ausbildungs- erprobung, in welcher – soweit erforderlich – weitere flankierende Maßnahmen/Aktivitäten, z.B. zur Auffri- schung schulischer Basiskompetenzen und zum Abbau fachlicher Defizite, hinzukommen konnten, sowie eine Phase des Übergangsmanagements. Praktika in Betrieben waren immanenter Bestandteil. Anders als bei den EQ war die Betreuung der Teil- nehmenden in allen ihren Belangen in den Vorschaltmaß- nahmen vorgesehen. Zwar können auch bei den EQ aus- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 756 2 bildungsbegleitende Hilfen (abH) beantragt werden. Die- ses ist jedoch eher die Regel als die Ausnahme. a) Dort, wo (z.B. im Ergebnis einer Vorschaltmaß- nahme) eine betriebliche oder eine außerbetriebliche Aus- bildung der sinnvolle nächste Schritte ist und ein entspre- chender Ausbildungsplatz zur Verfügung steht, sollte auch direkt eine Ausbildung aufgenommen werden. Die EQ war aber von Anbeginn als weitere Option am Ende einer Vorschaltmaßnahme vorgesehen. Welche Option die zweckmäßige sein würde, war am Ende der Vorschalt- maßnahmen zu entscheiden. Die EQ kann insbesondere dort als zweckmäßig und sinnvoll erachtet werden, wo z.B. Teilnehmende der Vorschaltmaßnahme und Prakti- kumsbetrieb weitere Bedenkzeit benötigten, um sich aus- bildungsvertraglich zu binden, oder ein Betrieb erst ab dem Sommer Ausbildungsplätze bereitstellen kann. 3. Wer war Zielgruppe für diese Maßnahme und wa- rum war es nicht möglich, diese Zielgruppe stattdessen direkt mit einem geförderten – und ggf. entsprechend begleiteten – Ausbildungsplatz, etwa im Rahmen des Berliner Ausbildungsplatzprogramms (BAPP), zu versorgen? Zu 3.: Zielgruppe für die Vorschaltmaßnahmen waren bis dahin unversorgte Bewerberinnen und Bewerber, die noch nicht über eine abgeschlossene Ausbildung verfüg- ten und das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Da bei diese Zielgruppe der Berufswahlprozess noch nicht abgeschlossen war, war zwangsläufig auch eine Einmündung in das BAPP ohne ergänzende Qualifizie- rung nicht möglich (siehe auch Antwort zu Frage 2) 4. Wann und bei welchen Trägern lief die dreimonati- ge Maßnahme mit (jeweils) wie vielen Plätzen an, wie war die Auslastung der Plätze zu Beginn der Maßnahme und bieten diese Träger auch geförderte Ausbildungen im Rahmen des BAPP bzw. im Rahmen von Verbundmodel- len an? Zu 4.: Insgesamt wurden die Vorschaltmaßnahmen bei 10 Bildungsdienstleistern durchgeführt. Diese sind: Ausbildungsdienstleister Eintritte Vorzeitige Abgänge ABU gGmbH 20 5 bbw – Berufsvorbereitungs- und Ausbildungsgesellschaft mbH 34 8 BBZ – Berlin gGmbH 25 4 BWK 28 11 ComFort Schulungszentrum GmbH 12 0 Itw gGmbH 14 7 Pfefferwerk 9 0 Primus Bildungscentren GmbH 4 3 Schildkröte GmbH 32 11 TÜV Rheinland Akademie 84 14 Zwei dieser Ausbildungsdienstleister (Schildkröte GmbH und ComFort Schulungszentrum GmbH) führen im Rahmen des BAPP 2012 keine Ausbildungsmaßnah- men durch. Es konnten 262 Teilnehmende in die Vorschaltmaß- nahmen einmünden. Davon haben 63 ihre Maßnahme vorzeitig beendet. 5. Welche Berufsfelder waren von der Vorschaltmaß- nahme adressiert und wie wurden diese ausgewählt? Zu 5.: Folgende Berufsbereiche/-hauptgruppen/-grup- pen bzw. Berufe fanden sich in den Vorschaltmaßnah- men: Berufsbereich / -hauptgruppen / -gruppen bzw. Berufe Kennziffer* Anlagenmechaniker/Anlagenmechanikerin für Sanitär- und Heizungs- technik 342 Bau, Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik 300 Berufe im Verkauf 621 Berufskraftfahrer/Berufskraftfahrerin 521 Büro und Sekretariat 714 Bürokaufmann/Bürokauffrau 714 Elektroniker/Elektronikerin - Energie- u. Gebäudetechnik 262 Fachkraft für Schutz und Sicherheit 531 Gärtner/Gärtnerin - Garten- und Landschaftsbau 121 Gebäudereiniger/Gebäudereinigerin 541 Gestalter/Gestalterin für visuelles Marketing 932 Hauswirtschafter/Hauswirtschafterin 832 Holzbe- und -verarbeitung 223 Informatik-, Informations- u. Kommunikationstechnologieberufe 430 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 756 3 Berufsbereich / -hauptgruppen / -gruppen bzw. Berufe Kennziffer* Kaufmann/Kauffrau - Bürokommunikation 714 Kaufmann/Kauffrau - Einzelhandel 621 Koch/Köchin 293 Kraftfahrzeugmechatroniker/Kraftfahrzeugmechatronikerin 252 Maler/Malerin und Lackierer/Lackiererin 332 Mediengestalter/Mediengestalterin - Digital- und Printmedien 232 Metallbearbeitung 242 Metallerzeugung, -bearbeitung, Metallberufe 240 Schutz-, Sicherheits- und Überwachungsberufe 530 Teilezurichter/Teilezurichterin 242 Tischler/Tischlerin 223 Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufe 630 Verkäufer/Verkäuferin 621 übergreifend (mehrere Berufsfelder / Berufsgruppen pro Platz) II * gem. Klassifizierung der Berufe 2010 (KldB 2010) der Bundesagentur (hier erste 3 Ziffern der Klassifizie- rung) Die Berufsbereiche wurden von den am Programm be- teiligten Bildungsdienstleistern angeboten. Den Erfahrun- gen aus dem APP und BAPP folgend, haben diese Berufe die Berufsmöglichkeiten der Zielgruppe weitestgehend abgedeckt. 6. Wie viele Jugendliche haben die Maßnahme abge- brochen, aus welchen Gründen und ist der Verbleib dieser Jugendlichen dem Senat bekannt? Zu 6.: Insgesamt waren 63 vorzeitige Abgänge zu ver- zeichnen. Grundsätzlich waren bei den Vorschaltmaß- nahmen von den Ausbildungsdienstleistern Verbleibun- tersuchungen durchzuführen. Eine Auswertung konnte noch nicht erfolgen (siehe hierzu auch Ausführungen zu Frage 7). 7. Wie viele Jugendliche haben die Maßnahme erfolg- reich durchlaufen bzw. abgeschlossen und wie vielen von Diesen gelang danach die Einmündung in reguläre be- triebliche bzw. geförderte Ausbildung? a) Wie bewertet der Senat diese Zahlen? b) Ist für alle Teilnehmenden der Maßnahme ein Ver- bleib im Anschluss an die Maßnahme bekannt? c) Wenn nein, wie bewertet der Senat dies? Zu 7.: Von 262 Teilnehmenden haben insgesamt 199 Teilnehmende die Vorschaltmaßnahme beendet. Nach den gegenwärtig vorliegenden Erkenntnissen aufgrund einer ersten Auswertung, haben 69 Jugendliche einen Ausbil- dungsvertrag im Rahmen des BAPP erhalten, 9 Jugendli- che sind in eine betriebliche Ausbildung eingemündet und 8 Jugendliche in eine Einstiegsqualifizierung. Weitere 16 Jugendliche hatten die Aufnahme eines Arbeitsvertrages, einer schulische Ausbildung bzw. weiterführenden Schule oder einer andere Fördermaßnahme beabsichtigt. Genaue Informationen liegen hierzu gegenwärtig aber noch nicht vor. Bei insgesamt 97 Teilnehmenden muss davon aus- gegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Beendigung der Maßnahme noch kein Anschluss bekannt war. a) Der Senat bewertet eine Beteiligung von 262 Ju- gendlichen, von denen 199 die Maßnahme beendet haben, durchaus positiv. Ebenfalls positiv ist zu bewerten, dass für mehr als 50 % der Teilnehmenden bei Beendigung der Maßnahme ein Anschluss erkennbar war. b) Nein. Gerade bei den Jugendlichen, bei denen zum Ende der Maßnahme kein Anschluss eingeleitet werden konnte, ist gegenwärtig noch nicht bekannt, wo diese ver- blieben sind. Die die Maßnahmen durchführenden Bil- dungsdienstleiter sind zwar angehalten worden, vier Wo- chen nach Beendigung der Maßnahme den Verbleib zu ermitteln (soweit möglich), es liegen aber noch keine ab- schließenden Ergebnisse vor. c) Es ist nicht ungewöhnliches, wenn im Rahmen von Verbleibuntersuchungen der Verbleib von Teilnehmenden nicht im gewünschten Umfang ermittelt werden kann. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass seitens der Teilnehmenden eine gesetzliche Auskunftsverpflichtung nicht besteht und erfahrungsgemäß hier der Grundsatz der Freiwilligkeit die Erreichbarkeit und Auskunftsfreude der Betroffenen nicht immer positiv beeinflusst. 8. Wie ist die Vorschaltmaßnahme für die Jugendli- chen in die zeitliche Struktur des Ausbildungsjahrs bzw. des Schuljahres an den Oberstufenzentren eingetaktet, inwiefern ist ein Überwechseln jederzeit möglich und war dies mit den Oberstufenzentren abgestimmt? Zu 8.: Die Vorschaltmaßnahmen endeten hier am 31.01.2013. Ein Einstieg in Ausbildung war damit grund- sätzlich ohne Probleme zum 01.02. möglich. Die Ausbil- dungsplatzprogramme, die seit den 90er Jahren im Land Berlin durchgeführt werden, weisen alle den 01.02. als Nachbesetzungstermin auf, d.h. hier wurden schon seit Jahren Ausbildungen begonnen, was auch den Berufs- schulen geläufig war und ist. Werden Ausbildungsverträge abgeschlossen, so er- folgt die Anmeldung der/des betreffenden Auszubilden- den bei der Berufsschule (Oberstufenzentrum) durch den Ausbildenden. Dies gilt sinngemäß natürlich auch für betriebliche Ausbildungsplätze. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 756 4 9. Mit welchen Kosten war die Vorschaltmaßnahme in diesem Durchgang für das Land Berlin verbunden und in welchem Haushaltstitel veranschlagt? a) Waren zur Realisierung dieser Maßnahme ebenfalls Mittel der Europäischen Union oder Bundesmittel heran- gezogen und wenn ja, welche? Zu 9.: Für die Vorschaltmaßnahmen wurden insge- samt 347.994,96 € Fördermittel an die Maßnahmeträger ausgezahlt. Die Förderung erfolgte ausschließlich aus Landesmit- teln. 10. Handelte es sich bei der Vorschaltmaßnahme um eine einmalige Aktion für unversorgte Jugendliche Ende 2012 oder soll die Maßnahme erneut angeboten werden – und wenn ja, wann? Zu 10.: Es ist die Zielsetzung des Senats, möglichst al- len an einer Berufsausbildung interessierten Jugendlichen den Weg in eine Ausbildung zu ermöglichen. Die Vor- schaltmaßnahme 2012 wurde durchgeführt, um den An- stieg der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz im Jahr 2012 zumindest teilweise zu kompensieren. Sofern zukünftig die Berliner Unter- nehmen ausreichend Ausbildungsplätze anbieten, um alle interessierten Jugendlichen zu versorgen, wären entspre- chende Angebote des Landes Berlin überflüssig. Da da- von aus unterschiedlichen Gründen aber nicht auszugehen ist, werden auch weiterhin ergänzende Qualifizierungen notwendig sein, die den Bedürfnissen der Jugendlichen anzupassen sind. Zielsetzung entsprechender Angebote muss es sein, Jugendlichen den Weg in betriebliche Aus- bildung, Einstiegsqualifizierung oder außerbetriebliche Ausbildung (genau in dieser Reihenfolge) zu ermögli- chen. Berlin, den 08. Mai 2013 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Mai 2013)