Drucksache 17 / 11 762 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (GRÜNE) vom 18. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. März 2013) und Antwort Barrierefreiheit: Für wen ist die Internetpräsenz des Landes Berlin zugänglich? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Schritte haben das Land Berlin, seine nachgeordneten Behörden, die Anstalten des öffentlichen Rechts und die landeseigenen Betriebe unternommen, um den Nationalen Aktionsplan vom 15.6.2011 zur Umset- zung der UN-Behindertenkonvention zu vollziehen? Zu 1.: Der Nationale Aktionsplan vom 15.6.2011 zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention ist ein Plan der Bundesregierung, der allein auf die Tätigkeiten der Bundesbehörden zielt. Der Nationale Aktionsplan umfasst sämtliche Maßnahmen zur Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft. Schon 1992 wurden für das Land Berlin die Leitlinien zum Ausbau Berlins als behindertengerechter Stadt verab- schiedet. 1995 wurde in die Verfassung von Berlin (VvB) die Verpflichtung des Landes zur Herstellung gleichwer- tiger Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung aufgenommen mit einem Benachteiligungs- verbot wie in Artikel 3 Grundgesetz. Auf dieser Grundla- ge wurde 1999 ein Artikelgesetz zur Umsetzung der Her- stellung gleichwertiger Lebensbedingungen mit zahlreichen Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht. Das Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) wurde neu geschaffen. Dieses Gesetz definiert auch die Grundlagen der Tätigkeit der Landesbeauftragten/des Landesbeauf- tragten für Menschen mit Behinderung. Mit Artikel 11 VvB und dem LGBG wird in der Behindertenpolitik des Landes also schon lange ein menschenrechtlicher Ansatz verfolgt. Dieser ist mit der Gültigkeit der UN- Menschenrechtskonvention 26. März 2009 ergänzt und fortgeführt worden. Zu den einzelnen Vorhaben der zuständigen Ressorts gemäß Aufgabenverteilung des Senats und Stand der Um- setzung liegt kein Bericht vor. Der letzte „Bericht zur Lage der Menschen mit Behinderung und ihrer Teilhabe in Berlin – Behindertenbericht 2011 – gemäß § 11 Gesetz über die Gleichberechtigung von Menschen mit und ohne Behinderungen (Landes- gleichberechtigungsgesetz – LGBG)“ wurde dem Abgeordnetenhaus mit Drucksache 17/0418 vom 13.06.2012 zur Kenntnis gegeben. 2. Welche der im Maßnahmenkatalog des Nationalen Aktionsplans aufgeführten Maßnahmen und Einzelprojek- te zur Verbesserung der Teilhabechancen behinderter Menschen durch das Internet und durch die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (www.bmas.de/DE/Themen/Schwerpunkte/NAP/inhalt.h mtl) werden im Land Berlin in diesem Jahr zur Umset- zung gebracht und welche in den folgenden Jahren? Zu 2.: Den Maßnahmen im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung entsprechende Vorhaben zur Ver- besserung der Teilhabechancen behinderter Menschen auf dem Gebiet der Information und Kommunikation sind:  Erlass einer Rechtsverordnung zur Barrierefreiheit der IT auf Grundlage des § 17 LGBG (siehe Ant- wort zu 3. und 4.) und  Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen im E-Government-Gesetz des Landes Berlin (siehe Antwort zu 3. und 4.). Entsprechende Maßnahmen sind auch gebärden- sprachliche Kommunikation über das Bürgertelefon 115 (Gebärdensprachtelefon), Information unter: http://www.115.de/nn_739628/DE/Gebaerdentelefon/ gebaerdentelefon__node.html?__nnn=true. Dieser Service wird zentral über einen Partner in Rostock wahrgenom- men. Auch die Servicenummer des Landesamtes für Ge- sundheit und Soziales (LaGeSo) verfügt über einen Ser- vice (besondere Sprechstunde, Gebärdensprechstunde über "Skype" und eigene E-Mailadresse für Hörgeschä- digte). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 762 2 Die Berliner Behörden werden derzeit schrittweise an die 115 angeschlossen. Daher wird sich die Bandbreite der angebotenen Leistungen via 115 in Zukunft noch deutlich erhöhen. Die Bürgerämter sind hier ganz vorne mit dabei. Menschen, die auf die Gebärdensprachtelefonie oder ähnlichem angewiesen sind, werden daher einen guten Informationszugang zur Berliner Verwaltung bekommen . Unter den Rufnummern 110 und 112 besteht für hör- und sprachgeschädigte Menschen eine einfache und kos- tenfreie Möglichkeit, Notrufe per FAX an die Berliner Polizei und die Berliner Feuerwehr zu senden. Weiterhin bietet die Berliner Polizei unter einer Son- derrufnummer die Möglichkeit, einen Hilferuf per SMS entgegenzunehmen. Beide Verfahren wurden mit den Interessenverbänden abgestimmt, entsprechende Merk- blätter zur Information der Betroffenen erarbeitet und verteilt. 3. Welche konkreten Auswirkungen hatte insbesondere die Novellierung der Barrierefreie-Informations- technik-Verordnung, und welche konkreten Folgen hat die am 22.9.2011 in Kraft getretene BITV 2.0? 4. Welche Vorgaben und Richtlinien sind daraus folgend für das Land Berlin, seine nachgeordneten Behör- den, die Anstalten des öffentlichen Rechts und die landes- eigenen Betriebe erstellt worden, welche sonstigen Rege- lungen werden zudem herangezogen? Zu 3 und 4.: Die Barrierefreie Informationstechnik Verordnung 2.0 (BITV 2.0) ist eine Bundesverordnung auf Grundlage der Ermächtigung des § 11 Abs. 1 Satz 2 Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG). Sie bindet ausschließlich Behörden des Bundes (§ 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 BGG). Für die Berliner Landesbehörden ist eine entsprechen- de Landesverordnung auf Grundlage der Ermächtigung im § 17 Satz 2 LGBG in der Verwaltungsabstimmung. Wie der Bund strebt auch Berlin an, die Regelungen des Word Wide Web Consortiums (W3C) zu barrierefrei- en Internetsites und entsprechenden Programmoberflä- chen der Behörden per Rechtsverordnung als Standard festzulegen. Zurzeit gelten für die barrierefreie Gestaltung der In- ternetauftritte und entsprechender Programmoberflächen der Berliner Landesbehörden Verwaltungsvorschriften, die sich an der Vorgängernorm zur BITV 2.0 orientieren: Verwaltungsvorschriften zur Schaffung Barrierefreier Informationstechnik (VVBIT vom 23.8.2005). 5. Gibt es eine regelmäßige Zusammenarbeit mit Organisationen (bspw. BIK "barrierefrei informieren und kommunizieren"), die sich mit Barrierefreiheit im Internet beschäftigen? Zu 5.: BIK und anderen Organisationen, die sich mit Barrierefreiheit im Internet beschäftigen, werden regel- mäßig zu konkreten IT-Vorhaben beratend und gutachter- lich tätig. Darüber hinaus werden zusammen mit der BIK Schu- lungen an der Verwaltungsakademie Berlin durchgeführt. 6. Wie gewährleistet der Senat barrierefreies Arbeiten an IT-Arbeitsplätzen für Beschäftigte des Landes Ber- lin, seiner nachgeordneten Behörden, der Anstalten des öffentlichen Rechts und der landeseigenen Betriebe? Zu 6.: Für die Berliner Landesbehörden gilt die Ar- beitsstättenverordnung (ArbStättV). Insbesondere gemäß § 3a Abs. 2 ArbStättV sind Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung barrierefrei zu gestalten. Dazu gehört auch die informationstechnische Gestaltung des Arbeits- platzes. Die barrierefreie Gestaltung ist Teil des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Sinne der ArbStättV und muss dem Stand der Technik entsprechen (§ 3a Abs. 1 Sätze 1 und 2 ArbStättV). Für die informationstechnische Gestaltung definieren den Stand der Technik unter ande- rem die in der Antwort zu den Fragen 3 und 4 aufgeführ- ten Normen. In den Berliner Landesbehörden und –betrieben sind Gefährdungsbeurteilungen gemäß § 3 ArbStättV durchzu- führen und zu dokumentieren. Darüber hinaus unterliegen alle Landesbehörden dem Präventionsgebot zur Vermeidung beziehungsweise Min- derung gesundheitlicher Beeinträchtigungen und Behinde- rungen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des § 84 9. Sozialgesetzbuch (SGB IX, Schwerbehindertenrecht). Mit den Verwaltungsvorschriften über die gleichberechtigte Teilhabe der behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen in der Berliner Verwaltung (VV Integration beh. Menschen) vom 31. August 2006 wurden die Anforderungen des SGB IX für die Berliner Verwal- tung umgesetzt. Gegenüber den Behörden der unmittelbaren Berliner Verwaltung hat die Senatsverwaltung für Inneres und Sport mit Schreiben vom 6.12.2011 klargestellt, dass für die Gestaltung der Arbeitsplätze die Anforderungen der BITV 2.0 maßgeblich sind und für nicht browser-basierte IT-Anwendungen die „IBM-Checkliste für SoftwareZugänglichkeit “ herangezogen werden soll. Mit selbem Schreiben wurden die Behörden der Berliner Verwaltung auf bekannte Gutachter und Testverfahren hingewiesen. Mit dem geplanten E-Government-Gesetz Berlin be- absichtigt der Berliner Senat auch, die barrierefreie Ge- staltung der IT in der Berliner Verwaltung gesetzlich fest- zulegen. Die Umsetzung erfolgt in der Zuständigkeit der jewei- ligen Landesbehörde. 7. Gibt es konkrete Vereinbarungen mit dem Dienst- leister des Landes Berlin für die Präsenz berlin.de zur Umsetzung der Vorgaben zur Umsetzung der Barriere- freiheit? Welche Probleme sind bei der Umsetzung aufge- treten und welche Erfolge sind zu vermelden? Zu 7.: Im Betreibervertrag zum Betrieb des Stadtin- formationssystems berlin.de zwischen dem Land Berlin und dem Dienstleister, der BerlinOnline Stadtportal GmbH, sind sämtliche Qualitätsanforderungen - auch hinsichtlich einer barrierefreien Umsetzung der unter ber- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 762 3 lin.de veröffentlichten Angebote - vereinbart. Die aus- drücklichen Anforderungen zum Thema Barrierefreiheit wurden bereits in der Konzeptionsphase des Stadtinfor- mationssystems berlin.de berücksichtigt. Innerhalb des laufenden – für die Jahre 2013 und 2014 projektierten – Relaunchs der Landesauftritte nimmt die barrierefreie Bereitstellung eine zentrale Rolle ein. Zur Sicherstellung bedient sich der Dienstleister unter anderem auch externer versierter Beratungsunternehmen. Das Web-Angebot berlin.de basiert auf dem Content- Management-System (CMS) Imperia. Das CMS Imperia ist ein Arbeitsmittel zur Erstellung gut zugänglicher We- bangebote und hält die Anforderungen zur Barrierefreiheit ein. Das Thema Barrierefreiheit ist Bestandteil der seitens des Dienstleisters geschuldeten Schulungsmaßnahmen zum CMS Imperia. 8. Was sind die nächsten Schritte, insbesondere noch in diesem Jahr? Zu 8.: Siehe Darstellung zu Frage 7. 9. Nach welchen technischen Möglichkeiten zur Umsetzung der Barrierefreiheit gibt es die größte „Nachfrage “? Wo werden die größten, oder immer wiederkehrende , Probleme gemeldet? Zu 9.: Zur „Nachfrage“ technischer Möglichkeiten zur Umsetzung der Barrierefreiheit liegen keine Statistiken oder Berichte vor. Bekannt ist jedoch, dass insbesondere Schreiben und Bescheide in den geforderten barrierefreien Formen nicht immer problemlos erstellt werden konnten. Davor und für die in großen Umfang notwendige elektronische Bereit- stellung von Antragsformularen und Informationsmateria- lien in barrierefreier Form wird spezielle Hard- und Soft- ware an dezentralen Stellen benötigt. Die Dienststellen des Landes Berlin verfügen über eine Vielzahl von Online -Fachanwendungen verschiedener Hersteller, die nicht immer und durchgängig unter barrierefreien Gesichts- punkten entwickelt worden sind. Zukünftig wird die Bereitstellung von Angeboten in Gebärdensprache sowie in Leichter Sprache in dezentraler Verantwortung an Bedeutung gewinnen. Berlin, den 15. April 2013 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Mai 2013)