Drucksache 17 / 11 768 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 18. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. März 2013) und Antwort Einhaltung von Vertragspflichten bei Wohnungsverkäufen durch die WBM und ihre Rechts- vorgänger Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Se- nat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beant- worten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Ant- wort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die städtische Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird nachfolgend wiedergegeben: Frage 1: Wie viele und welche Wohnungen hat die WBM (bzw. haben ihre Töchter oder Rechtsvorgänger) seit 1990 verkauft und auf welcher politischen und recht- lichen Grundlage fanden diese en-bloc-Wohnungsver- käufe statt? Antwort zu 1: Die WBM und ihre heutigen Tochterun- ternehmen haben seit 1990 rund 34.000 Wohnungen über Grundstücksverkäufe veräußert. Darin enthalten sind nicht die besonderen Regelungen unterliegenden Veräu- ßerungen mit Rückkaufoption/Andienungsrechten an Fondsgesellschaften, die Gewährung von Nießbrauch- rechten sowie Veräußerungen im Rahmen des Investiti- onsvorranggesetzes. Grundlage für die Verkäufe waren insbesondere das Altschuldenhilfegesetz, die 15%ige Pri- vatisierungsverpflichtung West, Portfolioentscheidungen der Unternehmen sowie die Unternehmenssanierung des WBM-Konzerns. Die letzten Grundstücksverkäufe wur- den 2008 getätigt. Frage 2: Wurden die Angebote ausgeschrieben und welches Prinzip galt für den Erwerb (z.B. höchstes Ge- bot)? Frage 3: In wie vielen Grundstückskaufverträgen, die die WBM oder ihre Tochtergesellschaften mit Käufern abgeschlossen haben, bestehen Klauseln zum erweiterten Mieterschutz und auf welche Objekte (bitte mit Adresse) trifft dies zu? Frage 4: Sind Wohnungen der WBM auch an Erwer- ber veräußert worden, die sich erweiterten Mieterschutz- bestimmungen nicht unterworfen haben? Antwort zu 2, 3 und 4: In dem nachgefragten Zeitraum von 22 Jahren wurden von der WBM oder ihren Tochter- gesellschaften auf unterschiedlicher Grundlage ca. 600 Grundstückskaufverträge abgeschlossen. In solch einem Umfang und solch Dauer sind Verkaufsprozess und Ver- tragsgestaltung nicht einheitlich. Eine Aufarbeitung sämt- licher Verkaufsprozesse und Vertragsgestaltungen über diesen langen Zeitraum ist nicht darstellbar. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in der Regel in den Kaufverträgen erweiterte Mieterschutz- klauseln in unterschiedlicher Form verankert wurden. Entsprechend den Grundsätzen der Wohnraumprivatisie- rung in Berlin (8-Punkte-Programm) wurden seit dem Jahr 2000 die Mieterschutzregelungen neben der Verein- barung im jeweiligen Kaufvertrag gleichzeitig auch als Mietvertragsergänzung aufgenommen. Frage 5: Wie kontrollieren der Senat bzw. die WBM die Einhaltung der Vertragspflichten? Antwort zu 5: Die Kontrolle der Einhaltung von Ver- tragspflichten obliegt den Vertragsparteien. Der WBM sind keine Verstöße gegen Mieterschutzbestimmungen bekannt. Durch die einzelvertraglich Regelung in Form der Mietvertragsergänzung ist ein unmittelbarer Rechts- schutz („einklagbare“ Klauseln) für die Mieterinnen und Mieter gegeben (siehe Antwort zu 2 – 4). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 768 2 Frage 6: Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen für die WBM, im Falle der Zuwiderhandlung des Käufers gegen die eingegangene Verpflichtung deren Unterlas- sung oder Rückgängigmachung durchzusetzen, auch wenn die Frist für das Rücktrittsrecht vom Grundstücks- kaufvertrag bereits verstrichen ist? Antwort zu 6: Die rechtlichen Möglichkeiten ergeben sich aus den jeweiligen konkreten vertraglichen Vereinba- rungen. Frage 7: Wie werden Mieterinnen und Mieter über den Umstand, dass Mieterschutz-Zusatzvereinbarungen ge- troffen worden sind, informiert, sofern diese nicht Be- standteil ihres Mietvertrages sind? Antwort zu 7: Sofern die Mieterschutzbestimmungen nicht Mietvertragsergänzung wurden, erfolgte die Infor- mation der Mieterinnen und Mieter in der Regel bei der Information über den Grundstücksverkauf mit dem die Mieterschutzbestimmungen enthaltenden Auszug aus dem Grundstückskaufvertrag. Frage 8: Welche Mieterschutzvereinbarungen wurden für die Objekte Frankfurter Allee 5 ff. zwischen Frankfur- ter Tor und Proskauer Straße/Niederbarnimstraße vertrag- lich festgehalten und wie schätzt der Senat deren Einhal- tung angesichts der derzeit stattfindenden Umwandlung in Eigentumswohnungen ein? Antwort zu 8: In einem Schreiben vom 13. Februar 2013 an die Abgeordnete Frau Lompscher hat die Senats- verwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Ver- tragspassagen zum Mieterschutz für die hier genannten Objekte mitgeteilt. Die WBM ergänzt hierzu: Im Jahr 1993 wurde zunächst ein Erbbaurecht für den Investor bestellt und gleichzeitig eine Ankaufsoption auf das Grundstück eingeräumt. Die Option wurde 1995 gezogen und somit das Grundstück auf den Investor übertragen. Im Jahr 1999 erfolgte dann ein Weiterverkauf der Liegen- schaft. Inwiefern die Mieterinnen und Mieter jeweils ein- zeln über den Umfang des Mieterschutzes in den Verträ- gen von 1993,1995 und 1999 informiert wurden, lässt sich heute leider nicht mehr nachvollziehen. Frage 9: Mit wem und wann wurden Grundstücks- kaufverträge für die Blockverkäufe Wilhelmstraße 56-59 (Block I), Wilhelmstraße 75-78 /Hannah-Arendt-Straße 2, 4, 6/Behrenstraße 1 B, 1 C (Block II), Wilhelmstraße 84- 92/Hannah-Arendt-Str. 1, 3 /An der Kolonnade 2, 4 , 6/Gertrud-Kolmar-Straße 4 (Block III), Wilhelmstraße 93, 94/An der Kolonnade 1, 7, 9, 11/Gertrud-Kolmar-Straße 2/Voßstraße 1, 9 (Block IV) und Gertrud-Kolmar-Straße 1, 3, 5, 7, 9/Voßstraße 10-12 (Block V) abgeschlossen? Antwort zu 9: Die 5 Wohnblöcke des Quartiers Wil- helmstraße wurden im Zeitraum 2002 bis 2004 an Unter- nehmen der B.Ä.R.-Gruppe veräußert. Grundstücksanschrift KV-Datum Erwerber Wilhelmstr. 56-59 Block I 28.11.2002 B.Ä.R. Grund- stücks-gesellschaft Berlin GmbH Wilhelmstr. 75-78 / Hannah-Arendt-Str. 2, 4, 6 / Behrenstr. 1 B, 1 C Block II 21.11.2003 B.Ä.R. Grund- stücks-gesellschaft Berlin GmbH Wilhelmstr. 84-92 / Hannah-Arendt-Str. 1, 3 / An der Kolon- nade 2, 4, 6 / Ger- trud-Kolmar-Str. 4 Block III 05.05.2004 B.Ä.R.A.N.O. Gesellschaft für Grundbesitz Berlin GmbH & Co. KG Wilhelmstr. 93, 94 / An der Kolonnade 1, 7, 9, 11 / Gertrud- Kolmar-Str. 2 / Voß- str. 1, 9 Block IV 27.10.2004 B.Ä.R. Grund- stücks GmbH & Co. Voß- /Wilhelmstr. KG Gertrud-Kolmar-Str. 1, 3, 5, 7, 9 / Voßstr. 10-12 Block V Frage 10: Sind für alle diese Verkäufe die gleichen Mieterschutzrechte vertraglich garantiert worden? Antwort zu 10: Ja. Frage 11: Warum hat der Senat die Durchführung ei- nes Sozialplanverfahrens gefordert und vertraglich ver- einbart, obwohl der Käufer sich zu weitgehendem Mieter- schutz verpflichtet hat? Antwort zu 11: Das Grundstück Wilhelmstraße 56 bis 59 liegt im Geltungsbereich der Entwicklungsmaßnahme „Hauptstadt Berlin – Parlaments- und Regierungsviertel “ und die vom Eigentümer beantragte und nach § 144 Baugesetzbuch (BauGB) genehmigte Maßnahme kann sich voraussichtlich nachteilig auf die persönlichen Le- bensumstände der hiervon Betroffenen auswirken. Nach § 180 BauGB Abs. 1 war daher die Einleitung eines Sozial- planverfahrens zwingend geboten. Inwieweit der Veran- lasser einer Maßnahme durch privatrechtliche Vereinba- rungen mit den Betroffenen an der Durchführung des Pla- nungsvorhabens gehindert ist, ist für die Verpflichtung zur Sozialplaneinleitung durch die zuständige Verwaltung unerheblich. Unabhängig von der Durchführung des Sozialplanver- fahrens befürwortet der Senat nachdrücklich den Erhalt des Bestandes. Die vor Ort tätige Mieterinitiative wird in ihrem Bemühen, mit dem Eigentümer über die Zukunft der Bestände zu verhandeln, unterstützt. Der Senat ver- sucht weiterhin von sich aus, den Eigentümer von einem anderen Umgang mit seinen Häusern zu überzeugen. Frage 12: Auf welche Weise wird der Senat die Durchführung und das Ergebnis dieses Sozialplanverfah- rens überwachen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 768 3 Antwort zu 12: Zur landeseinheitlichen Umsetzung der Rechtsvorschrift § 180 Abs. 1 BauGB hat das Land Berlin am 7. 2.1985 „Richtlinien über das Verfahren der Sozialplanung und der Einleitung, Aufstellung, Feststel- lung und Durchführung des Sozialplanes für die Wohnbe- völkerung (SozPlRL)“ erlassen, die weiterhin analog angewendet werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Um- welt hat auf der Grundlage von § 180 Abs. 3 BauGB mit einem Städtebaulichen Vertrag den Veranlasser der Maß- nahme zur Durchführung eines Sozialplanverfahrens verpflichtet. Dem Veranlasser wurde vertraglich aufgege- ben, die Auswahl eines unabhängigen Sozialplanbeauf- tragten und die Durchführung des Sozialplanverfahrens mit der zuständigen Verwaltung abzustimmen. Auf der Grundlage der Ermittlungen und Empfehlungen des Sozi- alplanbeauftragten setzt die Verwaltung zur Vermeidung bzw. Minderung von Nachteilen aus der Maßnahme für den einzelnen Betroffenen die Sozialpläne entsprechend dem Rundschreiben IV C / 2 / 1997 zum Sozialplan gem. § 180 BauGB i.V.m. Nr. 10 ff. SozPlRL fest. Diese sind verbindliche Vorgabe für den Veranlasser zur Sozialplan- durchführung Berlin, den 22. April 2013 In Vertretung E p h r a i m G o t h e ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Mai. 2013)