Drucksache 17 / 11 794 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Christopher Lauer und Martin Delius (PIRATEN) vom 19. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. März 2013) und Antwort Jugendgewalt in Berlin: Wertedialoge des Senators Herr Henkel, präventive Ansätze und Maßnahmen des Senats Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Seit geraumer Zeit besucht Herr Senator kel unter dem Begriff "Wertedialoge" Schulen, Jugend- und Kultureinrichtungen und diskutiert mit Jugendlichen über das Thema Gewalt und Sicherheit im öffentlichen Raum. So hat er z.B. das Projekt "Heroes" besucht und war im Kulturzentrum "Weiße Rose". Wie viele Schulen und wie viele weitere Jugend- und Kultureinrichtungen hat Herr Henkel im Rahmen der "Wertedialoge" bisher besucht, wie viele und welche wird er bis wann noch be- suchen? Zu 1.: Im Rahmen der Dialogreihe „Gewalt hat keinen Wert. Du schon.“ hat Senator Henkel seit dem 7. Februar 2013 das Projekt HEROES, das Kulturcentrum Weiße Rose, die Jugendstrafanstalt Berlin, die Herbert-HooverSchule im Wedding und die Schule an der Haveldüne in Spandau besucht. Eine Vielzahl weiterer Termine befin- det sich in Abstimmung. Da es sich um eine fortlaufende Dialogreihe handelt, kann derzeit keine belastbare Aus- kunft über Anzahl und Zeitpunkt der Veranstaltungen gegeben werden. 2. Welche innenpolitischen Erkenntnisse zur Proble- matik der Jugendgewalt in Berlin hat er bisher aus den Gesprächen mit den Jugendlichen gewonnen? Zu 2.: Häufig wiederkehrende Inhalte der bisherigen Diskussionen sind Bedingungsfaktoren für Gewalt aus Sicht von Jugendlichen, die Förderung von positiven Rol- lenvorbildern, die zentrale Bedeutung von Anerkennung und Respekt sowie die Unterstützung von ehrenamtlichem Engagement. Auch innenpolitische Themen wie eine ver- besserte Präsenz der Polizei spielen eine wichtige Rolle. Abschließende Ergebnisse des Wertedialogs können der- zeit noch nicht vorliegen, da sich die Reihe in der Auf- taktphase befindet und eine große Anzahl weiterer Termi- ne geplant ist. 3. Ist geplant, dass Herr Senator Henkel in Zukunft auch Hochschulen des Landes Berlins besucht, z.B. das Institut für Sozialwissenschaften an der Humboldt- Universität oder das Institut für Soziologie an der Freien Universität, um in Gesprächen mit Professoren und Pro- fessorinnen in den Fachbereichen Jugend- und Gewaltforschung innenpolitische Erkenntnisse für politische Initia- tiven gegen Jugendgewalt in Berlin zu gewinnen? Zu 3.: Im Rahmen des Wertedialogs steht der unmit- telbare Austausch mit jungen Menschen im Vordergrund. Grundsätzlich kann anlassbezogen auch wissenschaftliche Expertise herangezogen werden. Ergänzend sei ange- merkt, dass die Landeskommission Berlin gegen Gewalt, die bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport ange- siedelt ist, bereits einen regen Austausch mit Expertinnen und Experten aus dem Hochschulbereich pflegt und wis- senschaftliche Erkenntnisse in ihre Arbeit einfließen lässt. 4. Was versteht der Senat für Inneres und Sport, der Senat für Justiz und der Senat für Bildung, Jugend und Wissenschaft unter a) dem Begriff Jugend, b) dem Begriff Gewalt und c) unter dem Begriff der Jugendgewalt? Zu 4.: Grundsätzlich sind die Definitionen für Jugend, Gewalt und Jugendgewalt ressortübergreifend identisch. Sie beruhen auf denselben gesetzlichen Grundlagen. Die Begrifflichkeiten werden unterschiedlich aufgrund der verschiedenen Auftragslagen, der jeweiligen Arbeits- inhalte und der daraus resultierenden Herangehensweise fokussiert. So wird in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft der Begriff „Jugend“ stärker unter entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten be- trachtet. Der Begriff „Gewalt“ wird im engeren Sinn auf die zielgerichtete, direkte physische Schädigung be- schränkt. Der weiter gefasste Gewaltbegriff schließt ne- ben der körperlichen auch die psychische, verbale und die durch spezifische Strukturen entstandene Gewalt, wie z.B. den Gruppenzwang, mit ein. Die dem Begriff innewoh- nende Psychodynamik ist Grundlage für die Begriffsin- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 794 2 terpretation. Der Begriff „Jugendgewalt“ ist oftmals ein episodisch auftretendes, meist vorübergehendes Phäno- men im Lebenslauf von jungen Menschen. Sie vollzieht sich eher situativ, häufig in der Gruppe und oft in dersel- ben Alters- und Geschlechtergruppe. Jugendliche können dabei sowohl Täterin / Täter sein als auch Opfer werden. Der Fokus der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft liegt auf der Verhinderung von Jugendge- walt durch präventive Arbeitsansätze. Das Prinzip des adäquaten, individuellen Förderns und Forderns steht im Zentrum der Umsetzung der Arbeit mit den jungen Men- schen in diesem Kontext. Im Bereich der Justiz ist der Begriff „Jugend“ maßgeblich für die Anwendung des Jugendstrafrechts. Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) unterscheidet dabei zwischen Jugendlichen und Heranwachsenden. Jugendliche / Ju- gendlicher ist, wer zur Tatzeit vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsende / Heranwachsender wer zur Tatzeit achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist (§ 1 Abs. 2 JGG). Auf Heranwachsende findet das Jugendstrafrecht entsprechende Anwendung, wenn die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit der Täterin / des Täters ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittli- chen und geistigen Entwicklung noch einer/einem Ju- gendlichen gleichstand, oder es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Ju- gendverfehlung handelt (§ 105 Abs. 1 JGG). 5. Welche Erscheinungsformen der Jugendgewalt sind dem Senat für Inneres und Sport, dem Senat für Justiz und dem Senat für Bildung, Jugend und Wissenschaft be- kannt? Zu 5.: Für die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft sind die Erscheinungsformen von Ju- gendgewalt in der Umsetzung der Jugendhilfe eher zweit- rangig. Der Arbeitsschwerpunkt ist nur bedingt auf das Delikt bezogen. Er richtet sich vielmehr am § 1 (1) und (3) Sozialgesetzbuch (SGB) VIII aus: (1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenver- antwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlich- keit. (3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere 1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Be- nachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, 2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen, 3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen, 4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu er- halten oder zu schaffen. Erscheinungsformen von Jugendgewalt sind vorrangig  Raub (inklusive räuberische Erpressung)  Körperverletzung (einfache, schwere, überwiegend gefährliche Körperverletzung)  Bedrohung  Sachbeschädigung  Begleitdelikte ((unerlaubter Waffenbesitz pp.)  Mobbing, Cybermobbing 6. Welche Ursachen für das Phänomen der Jugendgewalt sind dem Senat für Inneres und Sport, dem Senat für Justiz und dem Senat für Bildung, Jugend und Wissen- schaft bekannt? Zu 6.: Die der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zugeordnete Landeskommission Berlin gegen Gewalt hat als das zentrale Präventionsgremium des Landes Berlin das Ziel, gemeinsam mit anderen Akteurinnen und Akteu- ren die Gewalt und Kriminalität in Berlin zu verringern. Sie Beschäftigt sich somit auch mit den Themen: Kinder- und Jugenddelinquenz, Schule und Gewaltprävention, Gewalt in der Familie und Erziehung, Gewalt im Internet. Sie publiziert die Ergebnisse ihrer Arbeit in der Schriften- reihe „Berliner Forum Gewaltprävention“. Insbesondere die Veröffentlichungen zu Intensivtätern I bis III (Studien von Prof. Dr. Ohder) und zu „Jugendliche als Täter und Opfer von Gewalt in Berlin“ – Ergebnisse einer Schülerbefragung durch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen in Berlin (KFN) – zeigen Ursachen von Jugendgewalt auf. Risikofaktoren können sein: Belastun- gen in der Familie, erlebte Gewalt und Missbrauch, Ar- beitslosigkeit, Armut, Bildungsferne, Fehlen männlicher Bezugsperson, Alkohol- und Drogenprobleme, Schulprobleme / Schuldistanz, mangelnde Empathiefähigkeit, delinquente Freunde. Aus Sicht der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft liegen die Ursachen für das Phänomen Jugendgewalt häufig in der Kindheit und den Bedingun- gen des Aufwachsens der Kinder und Jugendlichen. Des- halb gilt es insbesondere, frühkindliche Risikofaktoren zu minimieren. Das ist auch das Ziel der primären Präventi- on. Elterntrainings dienen dazu, auf den Erziehungsstil positiven Einfluss zu nehmen, wobei die aktive Mitarbeit der Eltern von entscheidender Bedeutung ist. In der sekundären Präventionsstufe wird insbesondere bei den jungen Menschen angesetzt, die durch ein prob- lematisches Sozialverhalten auffallen. Das Risiko des Schulversagens und die erhöhte Delinquenzgefahr gilt es hier zu reduzieren. Die tertiäre Präventionsstufe versucht, bereits delin- quente Jugendliche und junge Heranwachsende vor wie- derholter Straffälligkeit zu schützen. In diesem Kontext wird u.a. der Zugang zu sozialtherapeutischen Maßnah- men ermöglicht. 7. Unterscheidet der Senat für Inneres und Sport, der Senat für Justiz und der Senat für Bildung, Jugend und Wissenschaft in der Debatte um das Problem der Jugend- gewalt in Berlin zwischen Ursachen und Anlässen? Wenn ja, welche Anlässe für Jugendgewalt sind den jeweiligen Senatsverwaltungen bekannt? Zu 7.: Aus Sicht der einzelnen Verwaltungen spielt die Unterscheidung von Ursachen und Anlässen für die einzelnen Aufgabenstellungen keine Rolle. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 794 3 8. Welche innen-, bildungs- und jugendpolitischen Konsequenzen zieht der Senat aus den Ursachen und An- lässen für das Phänomen der Jugendgewalt in Berlin? Welche Maßnahmen im Bereich der Delinquenzpräventi- on, die sowohl an den Ursachen, als auch an den Anlässen ansetzen, um Jugendgewaltdelikte zu reduzieren, fördert der Senat, welche sind in Planung? Zu 8.: Die Landeskommission Berlin gegen Gewalt arbeitet problemorientiert und ressortübergreifend. Im Hinblick auf eine wirksame Prävention werden durch sie Abstimmungsprozesse mit allen Beteiligten gewährleistet, so dass Ressourcen der Verwaltungen und anderer Institu- tionen für die Prävention genutzt und entsprechende Maßnahmen durch die Landeskommission Berlin gegen Gewalt initiiert werden können. Sie setzt den Senatsbeschluss Nr. S-3716/2011 vom 07.06.2011 über die „Entwicklung eines Gesamtkonzeptes zur Reduzierung der Jugendgewaltdelinquenz in Ber- lin“, mit der Einrichtung einer Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention im Sommer dieses Jahres um. Die Ar- beitsstelle Jugendgewaltprävention wird über einen Zeit- raum von fünf Jahren tätig sein und die folgenden Aufga- ben haben:  Recherche und Bewertung von in Berlin bereits vorliegenden Evaluationen von Maßnahmen und Projekten zur Reduzierung von Jugendgewaltde- linquenz.  Erarbeitung eines Evaluationskonzeptes für Berliner Maßnahmen und Projekte zur Reduzierung von Jugendgewalt.  Beauftragung externer Evaluationen.  Auswertung und Bewertung künftig vorliegender Evaluationsergebnisse von Maßnahmen zur Re- duzierung von Jugendgewaltdelinquenz in Ber- lin.  Entwicklung eines Selbstevaluationskonzeptes für Projekte und Maßnahmen zur Reduzierung der Jugendgewaltdelinquenz in Berlin.  Auswertung und Bewertung der Ergebnisse der Selbstevaluierung.  Entwicklung von Qualitätsstandards für Präventions - und Interventionsmaßnahmen zur Redu- zierung von Jugendgewaltdelinquenz.  Implementation der Selbstevaluierung und von Qualitätsstandards.  Entwicklung eines Konzepts für ein Berliner Monitoring „Jugendgewaltdelinquenz“.  Beauftragung der Erstellung und der jährlichen Fortschreibung eines Berliner Monitorings „Jugendgewaltdelinquenz “.  Bewertung der jeweiligen Ergebnisse des Monitorings „Jugendgewaltdelinquenz“.  Entwicklung und Umsetzung eines Konzepts für die Kontrolle der Umsetzung des Gesamtkon- zepts zur Reduzierung der Jugendgewaltdelin- quenz in Berlin.  Entwicklung und Umsetzung eines Konzepts für Koordinationsaufgaben der Arbeitsstelle Ju- gendgewaltprävention im Zusammenhang mit der Umsetzung des Gesamtkonzepts zur Redu- zierung der Jugendgewaltdelinquenz in Berlin.  Zusammenfassende Bewertung der Berliner Maßnahmen zur Intervention bei und zur Präven- tion von Jugendgewaltdelinquenz vor dem Hin- tergrund der Ergebnisse des Monitorings „Jugendgewaltdelinquenz “, der Auswertung bereits vorliegender Evaluationen Berliner Präventions- und Interventionsmaßnahmen und der Auswer- tung der Selbstevaluationen sowie der Bewer- tung von Evaluationen von Maßnahmen zur In- tervention bei und zur Prävention von Jugend- gewaltdelinquenz, die bisher in Berlin nicht um- gesetzt wurden.  Jährliche Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Berliner Gesamtkonzepts zur Reduzie- rung von Jugendgewaltdelinquenz.  Erstellung von mindestens drei Berichten zur Entwicklung und zur Einschätzung der Jugend- gewaltdelinquenz und der entsprechenden Prä- ventions- und Interventionsmaßnahmen in Ber- lin.  Einberufung einer temporären Expert/innengruppe von Praktiker/innen aus dem Bereich der Prävention von und der Intervention bei Jugend- gewalt und Vertreter/innen verschiedener Wis- senschaftsdisziplinen zur Diskussion der jeweili- gen Berichtsentwürfe.  Regelmäßige Unterrichtung der Landeskommission Berlin gegen Gewalt und entscheidungsbe- fugter Vertreter/innen der zuständigen Senats- verwaltungen, der Berliner Polizei, der Staats- anwaltschaft, der Gerichte (und der Bezirke) über den Stand der Umsetzung des Gesamtkon- zepts zur Reduzierung der Jugendgewaltdelin- quenz in Berlin. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis- senschaft fördert vielfältige präventive Projekte gegen Jugendgewalt, die auf die unterschiedlichen und gruppenspezifischen Notwendigkeiten zielorientiert und passge- nau eingehen. Sie werden sowohl qualitativ als auch quantitativ einer kontinuierlichen Auswertung unterzogen und ggf. modifiziert oder beendet. Wenn die Bedarfslage es erfordert, werden neue Modellprojekte im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen entwickelt. Generell lässt sich festhalten, dass zusätzlich eine Vielzahl von Projekten und Angeboten existiert, die vordergründig nicht auf Gewaltprävention abzielen, deren Inhalt aber trotzdem aufgrund des mit vermittelten sozialen Lernens eine positive Wirkung auch auf diese Thematik erzielt. Schwerpunkte sind entsprechend der Beantwortung der Frage 6 bzgl. der drei Präventionsstufen:  Elternseminare bereits im Kita- und Schulbereich zu Fragen des Heranwachsens und der Erziehung sowie für Eltern bei Jugenddelinquenz zu Fragen des adä- quaten Umgangs damit  Einsatz von Angeboten und Projekten der Schulpsychologie sowie von modularen Unterrichtsformen und dualem Lernen sowie Angebote und Projekte der Erziehungs- und Familienberatungsstellen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 794 4  Antigewalt- und Sozialtrainingsprogramme, Projekte des Übergangs aus der Jugendarrest- und Jugend- strafanstalt sowie ein umfassender Katalog von am- bulanten Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsge- setz. Die präventive Verhinderung jugendlicher Delinquenz erfordert dabei ein präzise abgestimmtes konzeptionelles Vorgehen. Deshalb kooperiert die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft u.a. engmaschig mit der Jugendbewährungshilfe, den bezirklichen Jugendge- richtshilfen, der Jugendarrest- und der Jugendstrafanstalt, der Landeskommission gegen Gewalt sowie mit den Trä- gern der freien Jugendhilfe. Darüber hinaus existieren in den Bezirken und in anderen Senatsverwaltungen sowie bei der Polizei verschiedenartige weitere Projekte und Angebote zur präventiven Bearbeitung dieser Thematik. Die Auswertung der verschiedenen in der Beantwor- tung der Frage 6 erwähnten Studien hat u.a. einen Hand- lungsbedarf für delinquente Jugendliche und junge Heranwachsende mit psychischen Auffälligkeiten verdeut- licht. Deshalb steht diese Zielgruppe zurzeit im Zentrum gemeinsamer weiterer Planungsüberlegungen. 9. Welche baulich-architektonischen Maßnahmen bzw. welche Maßnahmen in Bereich Stadtentwicklung plant der Senat, um in Zukunft so genannte "Angst- bzw. Unsicherheitsräume" zu minimieren? Zu 9.: Grundsätzlich wird bei anstehenden Bauaufgaben der öffentlichen Hand darauf geachtet, „Angst- und Unsicherheitsräume“ von vornherein auszuschließen. Bestehende problematische Situationen im öffentlichen Raum werden in der Regel im Rahmen der laufenden Un- terhaltung überprüft und nach Möglichkeit und Erforder- lichkeit auch aufgewertet. So hat z. B. die Senatsverwaltung für Stadtentwick- lung und Umwelt zur Minimierung von Angst- bzw. Un- sicherheitsräumen im Rahmen der Initiative „Aktionsräume plus“ die Aufwertung von fünf Pilotflächen im öffentlichen Raum der Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln, Marzahn-Hellersdorf, Mitte und Spandau ange- regt. 10. Welche baulich-architektonischen Maßnahmen bzw. welche Maßnahmen in Bereich Stadtentwicklung plant der Senat, um mehr öffentliche Sozialräume für Jugendliche in Berlin zu schaffen? Zu 10.: Zwischen 2011 und 2015 sollen die Pilotflä- chen, darunter Teile des Görlitzer Parks, zu attraktiveren und sicheren öffentlichen Räumen entwickelt werden. In die Planung baulicher Maßnahmen wurde daher die Ex- pertise der Städtebaulichen Kriminalprävention der Berli- ner Polizei einbezogen. Derzeit werden Nutzungs- und Pflegekonzepte erarbeitet (z.B. Parkmanagement Görlit- zer Park) und mit lokalen Akteuren sowie der Bürger- schaft abgestimmt. Entsprechend dem Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz (AZG) obliegt es den Bezirken, öffentliche Räume (Sozi- alräume) für Jugendliche zu planen. Bei Vorhaben von gesamtstädtischer Bedeutung übernimmt der Senat Pla- nungsaufgaben. Der Senat unterstützt die Bezirke im Rahmen der Förderprogramme der Städtebauförderung sowie des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) bei der Realisierung solcher Projekte. 11. Wie bewerten der Senat für Inneres und Sport und der Senat für Bildung, Jugend und Familie den Abbau von Sozialräumen, die Schließung von Jugendzentren, den Rückgang der Mittel für die Jugendarbeit und die Jugendverbandsarbeit nach den §§ 11 bis 13 SGB VIII (z.Zt. 4,6 % der Jugendhilfemittel) und den Personalabbau in den bezirklichen Jugendämtern und in der Justiz hin- sichtlich des Phänomens der Jugendgewalt in Berlin? Sieht der Senat hier Zusammenhänge? Wenn ja, welche? Zu 11.: Jugendarbeit gem. § 11 und Jugendverbands- arbeit gem. § 12 SGB VIII entwickeln präventive Wir- kungen, indem sie für alle Kindern und Jugendlichen die Wahrnehmung nonformeller Bildungsangebote ermögli- chen. Diese fördern Persönlichkeitsbildung und tragen zur Herausbildung von gesellschaftlicher Mitverantwortung und sozialem Engagement bei. Angebote der Jugendsozi- alarbeit gem. § 13,1 SGB VIII zielen u.a. auf die soziale Integration von Jugendlichen mit Benachteiligungen. Die für Jugend zuständigen Bezirksstadträtinnen und Bezirksstadträte haben unter Beteiligung der Senatsver- waltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft in den letzten Wochen ein neues Modell zur Finanzierung der bezirklichen Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII entwickelt. Es beinhaltet ein Verfahren zur Sicherung von fachlichen, strukturellen sowie personellen und sächlichen Ausstat- tungsstandards. Dieses Modell liegt dem Rat der Bürger- meister vor. Auf Landesebene konnten im Haushaltsjahr 2012 einmalig Verstärkungsmittel für die anteilige Anpassung der Vergütung der Beschäftigten bei Trägern der freien Jugendhilfe an den Angleichungstarifvertrag des Landes Berlin zur Verfügung gestellt werden. Die Hinweise aus Jugendämtern über eine unzu- reichende Personalsituation hat die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft bereits vor einiger Zeit aufgenommen und die Bezirke bei der Lösung ihrer Prob- lematik unterstützt. Das durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vorgelegte Konzept für ein Modelljugendamt bietet hierfür eine Orientierung und kann eine aktive Personal- und Strukturentwicklung vor Ort in den Bezirken unterstützen. Ein Einfluss des Personalabbaus in der Justiz auf das Phänomen der Jugendgewalt ist nicht erkennbar. Von den Personaleinsparungen sind Richterinnen und Richter so- wie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ausgenommen. Zur Abfederung der Personaleinsparvorgaben in den an- deren Diensten werden organisatorische und technische Ausgleichsmöglichkeiten angestrebt. Zudem sind die Ein- gänge in Jugendstrafverfahren in den letzten Jahren deut- lich rückläufig. Während beim Amtsgericht Tiergarten im Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 794 5 Jahr 2008 noch 13.703 Jugendstrafverfahren eingingen, waren es im Jahr 2012 „nur“ noch 7.067.“ 12. In Berliner Schulen werden vermehrt Wachschüt- zer aus privaten Sicherheitsfirmen eingesetzt, um Gewalt- delikte präventiv zu verhindern. Kann der Senat mit Sicherheit sagen, dass durch den Einsatz von Wachschüt- zern die Gewaltvorfälle in den Schulen zurückgegangen sind? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Zu 12.: Das Auftreten und die Meldung von Gewalt- vorfällen an Schulen hängen von vielen Faktoren ab. Deshalb ist keine Aussage darüber möglich, inwieweit durch den Einsatz von Wachschützern die Gewaltvorfälle in den Schulen zurückgegangen sind. Berlin, den 30. Mai 2013 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Juni 2013)