Drucksache 17 / 11 817 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 19. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. März 2013) und Antwort Nutzen von Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum im Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Im Hinblick auf Fragestellungen, die die S-Bahn und damit die Zuständigkeit der Bundespolizei betreffen, wurde das Bundesministerium des Inneren (BMI) um Unterstützung bei der Beantwortung gebeten. Seitens des BMI wurde mitgeteilt, dass Anfragen von Abgeordneten, die die Zuständigkeit der Bundespolizei betreffen, von diesen direkt an das BMI zu richten sind. Die Beantwortung der nachfolgenden Fragen ist das zusammenfassende Ergebnis einer umfangreichen Abfra- ge innerhalb der Berliner Hauptverwaltung, der Polizei Berlin, der Berliner Verkehrsbetriebe - Anstalt öffentli- chen Rechts (BVG AöR) und des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Soweit die Antwort auf einer Stellungnahme der BVG AöR beruht, wurde diese jeweils gesondert ausgewiesen. 1. Hat der Senat Studien bzw. Evaluierungsaufträge in den letzten fünf Jahren in Auftrag gegeben, die sich mit dem Nutzen (Welchen Beitrag leistet die Videoüberwa- chung zur Kriminalitätsbekämpfung, welchen Sicher- heitsgewinn bieten die Kameras etc.) von Videoüberwa- chung im öffentlich zugänglichen Raum befassen? (Die vorstehende Frage schließt die Kameras auf U- und S- Bahnhöfen mit ein). a) Wenn ja, welche waren dies? b) Welche Kriterien zur Ermittlung einer zuverlässi- gen Aussage zum Nutzen von Videoüberwachung im öf- fentlich zugänglichen Raum wurden den unter 1. genann- ten Studien oder Evaluierungsaufträgen zu Grunde ge- legt? c) Zu welchen Ergebnissen kamen die unter 1. ge- nannten Studien oder Evaluierungsaufträge jeweils? (Bitte Einzelauflistung nach Studie, Zeitraum und genauem In- halt/Kriterien und Ergebnis der Studie/Evaluierungsauf- trag. Wenn möglich im Originalwortlaut beifügen oder unter Angabe der Fundstelle). d) Konnten die unter 1. genannten Studien oder Evalu- ierungsaufträge belegen, dass die Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum einen signifikanten Rück- gang an Straftaten bewirkt hat und wenn ja, bei welchen Straftaten? e) Welche Orte im öffentlich zugänglichen Raum im Land Berlin - also auch die U- und S- Bahnhöfe - sind am stärksten videoüberwacht? f) Wie hat sich die Zahl der Straftaten in den unter 1. e) genannten Orten in den letzten fünf Jahren verändert? (Bitte eine genaue Angabe der Orte, die am stärksten videoüberwacht sind, mit der Anzahl der jeweils dort auf- gestellten Videokameras und den jeweils in den einzelnen Jahren verübten Straftaten). g) Wie hat sich die Anzahl von Straftaten in denselben Jahren jeweils in vergleichbaren Orten entwickelt, die nicht oder nicht so stark videoüberwacht waren? Zu 1a - 1g.: Der Senat hat in den letzten fünf Jahren keine Evaluation zum Nutzen von Videoüberwachung im öffentlichen Raum in Auftrag gegeben. Die sich aus Frage 1 ergebenden Unterpunkte entfal- len somit. Die BVG teilt zu diesem Fragenkomplex Folgendes mit: Zu 1.: „Die BVG AöR führt seit 2006 regelmäßige Kundenbefragungen zur Sicherheit im öffentlichen Nah- verkehr, hier speziell der U-Bahn durch. Dabei handelt es sich stets um das Sicherheitsempfinden, also die subjekti- ve Sicherheit. Eine ganzheitliche Analyse hat sich dabei wegen des fehlenden Zusammenhangs im Gesamtsystem (hoher Marktanteil der S-Bahn bei anhaltend diesbezüg- lich fehlenden Informationen) sowie in der Vergangenheit größeren Störwirkungen (beispielsweise S-Bahnleistungs- ausfälle) nicht vollständig durchführen lassen. Die Erweiterung der Kameraausstattung auf dem U- Bahnhof Kottbusser Tor wurde ebenso mit einer Längs- schnittbefragung zum Sicherheitsempfinden unter den dortigen Fahrgästen begleitet.“ Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 817 2 Zu 1a.: „Die BVG AöR hat jährliche repräsentative Kundenbefragungen von 2006 bis 2013 zum Sicherheits- empfinden allgemein sowie im speziellen zum U-Bahnhof Kottbusser Tor zwischen 2009 und 2012 durchgeführt.“ Zu 1b – 1g.: „Wegen eines fehlenden Gesamtbildes zu offenen Statistiken ist hierzu keine Antwort möglich.“ 2. Was sind nach Ansicht des Senats adäquate Krite- rien, die bei einer Studie oder eines Evaluierungsauftrages zum Nutzen von Videoüberwachung im öffentlich zu- gänglichen Raum zu Grunde gelegt werden sollten? a) Über welchen Zeitraum sollte eine unter 1. genann- te Studie oder ein Evaluierungsauftrag geführt werden, um zuverlässige Aussagen über den Nutzen von Video- überwachung im öffentlich zugänglichen Raum zu erlan- gen? Zu 2 und 2a.: Die Betreiberinnen/Betreiber und Nutze- rinnen/Nutzer von Videoüberwachungstechnik verfolgen mit deren Einsatz individuelle Intentionen. Der Senat kann hierzu also keine generelle Aussage treffen, welche Evaluationskriterien für die jeweiligen Betreiberinnen / den jeweiligen Betreiber sinnvoll sind. Allgemein gültiges Evaluationskriterium ist jedoch der Zielerreichungsmaß- stab. Im Übrigen wird auf die Antwort auf Ihre Kleine An- frage 17/12528 verwiesen. 3. Gab/Gibt es Studien bzw. Evaluierungsaufträge aus den letzten fünf Jahren, die nicht vom Senat selbst in Auf- trag gegeben wurden, die sich mit dem Nutzen von Vi- deoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum befas- sen und die der Senat als Entscheidungsgrundlage für seine Meinungsbildung und Entscheidungsprozesse zur Videoüberwachung hat einfließen lassen? a) Wenn ja, welche waren dies? b) Was war der Inhalt dieser Studien/ Evaluierungs- aufträge bzw. zu welchen Ergebnissen kamen diese? (Bit- te Einzelauflistung nach Studie, Zeitraum und genauem Inhalt/Kriterien und Ergebnissen der Studie/Evaluierungs- auftrag. Wenn möglich im Originalwortlaut beifügen oder unter Angabe der Fundstelle). Zu 3a – b.: Dem Senat wurden Evaluationen durch private Auftraggeber nicht bekannt gegeben. 4. Wie bewertet der Senat die Ergebnisse des Zwi- schenberichts „Evaluation der 24-Stunden Videoüberwachung in den U-Bahnstationen der Berliner Verkehrsbe- triebe (BVG)“? a) Wie bewertet der Senat die Kündigung des Evaluie- rungsauftrages durch die BVG nach 6 Monaten, weil der Zwischenbericht u.a. zu dem Ergebnis kommt, dass es durch die Videoüberwachung zu keiner signifikanten Senkung der Zahl von Straftaten gekommen sei? b) Wie bewertet der Senat den Umstand, dass die BVG trotz der Ergebnisse des Zwischenberichts und der Kündigung des Evaluierungsauftrages nach 6 Monaten die Videoüberwachung für die U-Bahn ausgebaut hat? Zu 4.: Nach Auskunft der Senatsverwaltung für Stadt- entwicklung und Umwelt enthält der seit 2008 geltende Verkehrsvertrag zwischen dem Land Berlin und der BVG AöR keine Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen die BVG AöR den Einsatz von Videotechnik einschränken oder ausbauen kann. Vielmehr erarbeitet sie ihr Sicher- heitskonzept in eigener unternehmerischer Verantwortung in Abstimmung mit der Bundes- und Landespolizei sowie im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben u.a. zum Da- tenschutz. Über die Inhalte des Konzeptes wird jährlich berichtet. Eine Verpflichtung zu Evaluationsmaßnahmen besteht nicht. Der Senat bewertet über den Verkehrsver- trag die Zufriedenheit der Fahrgäste der BVG mit den Sicherheitsmaßnahmen der BVG. Hier hat die BVG die vertraglich vorgegebenen Sollwerte seit Geltung des Ver- kehrsvertrages im Jahr 2008 stets eingehalten. Die BVG AöR bezog zur Frage wie folgt Stellung: „Der Evaluationsauftrag wurde nicht aufgrund der Ergebnisse , sondern aus Kostengründen im Verhältnis zum Geschäftsgebaren des Auftragnehmers gekündigt. Er- satzweise wurden eigene statistische Werte erhoben und Umfragen durchgeführt, die seit 2006 kontinuierlich er- folgen. Die Übergriffe auf Kunden und Mitarbeiter, die Van- dalismuskosten und weiterer Straftaten sind seit 2006 rückläufig.“ Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Infor- mationsfreiheit (BlnBDI) weist darauf hin, dass er sich mit der BVG AöR am 18. Juli 2005 darauf einigte, auf ausgewählten U-Bahnlinien eine 24 Stunden-Videoauf- zeichnung zu erproben. In diesem Kontext schlug der BlnBDI vor, eine Eva- luation des Projektes durchzuführen und damit einen un- abhängigen Gutachter zu beauftragen. Diese Evaluation war insbesondere deswegen von Be- deutung, weil bislang aussagekräftige Untersuchungen über den Einfluss von Videoaufzeichnungen auf die Kri- minalitätsentwicklung fehlten. Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 teilte die BVG AöR dem BlnBDI mit, dass sie dem mit der Evalution beauftragten Gutachter zum 31. Dezember 2006 gekün- digt hat. Im Zwischenbericht des beauftragten Gutachters vom Oktober 2006 wurde unter anderem folgendes dokumen- tiert: 1. Die eingesetzte Technik war nicht ausreichend (schlechte Bildqualität der Aufzeichnung), um als Grundlage für die Strafverfolgung zu dienen. 2. Sowohl eine Veränderung der Kriminalitätsrate als auch ein Verlagerungseffekt waren nicht festgestellt worden. 3. Der Gutachter empfahl, die Videoüberwachung bei Ermittlungsbehörden und der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 817 3 Nach wie vor begrüßt der BlnBDI die Überlegungen hinsichtlich einer unabhängigen Evaluation der Video- überwachung im Zuständigkeitsbereich der BVG. 5. Wie bewertet der Senat den „Verdrängungseffekt" (Werden Kameras zur Überwachung von Kriminalitäts- schwerpunkten oder kriminalitätsbelasteten Orten einge- setzt, weichen die zu Überwachenden einfach auf andere Plätze aus.), welcher im Zusammenhang mit Kamera- überwachung auftritt? a) Wie sollten nach Ansicht des Senats die Folgen der „Verdrängungseffekte“ durch Videoüberwachung in eine seriöse Evaluation eingearbeitet werden? b) Inwieweit ist unter der Zugrundelegung des „Verdrängungseffektes “ nach Ansicht des Senats, ein Sicherheitsgewinn zu verzeichnen, wenn sich die Kriminalität in Folge der Videoüberwachung nur verlagert? (Die Frage bezieht sich nicht auf bes. sensible Orte wie z.B. Drogen- verkauf vor Schulen). Zu 5.: Der Senat kann keine validen Aussagen zu „Verdrängungseffekten“ treffen, da diesbezüglich keine Erhebungen erfolgen. Zu 5a.: Der Senat sieht eine Möglichkeit im Sinne der Fragestellung darin, dass die Folgen möglicher Verdrän- gungseffekte durch die Entwicklung der Kriminalität in den angrenzenden, nicht von der Videoüberwachung tan- gierten Räumen, erhoben werden könnten. Zu 5b.: Es gilt als kriminologisch gesichert, dass Ver- drängungseffekte immer auch Taten verhindern, weil Tä- terinnen und Täter aus verschiedenen Gründen eine neue günstige Tatgelegenheit nicht suchen bzw. finden. 6. Bei wie vielen Kameras, die im Land Berlin den öf- fentlich zugänglichen Raum überwachen, liegt eine Echt- zeitbeobachtung in der Form vor, dass eine Kamera, die einen bestimmten Bereich aufnimmt, durchgehend 24 Stunden lang von einem Menschen überwacht wird, der jederzeit bei Notfällen sofort zur Hilfe kommen kann? (Die vorstehende Frage bitte im datenschutzrechtli- chen Kontext beantworten. Die vorstehende Frage schließt die Kameras auf U- und S-Bahnhöfen mit ein). Zu 6.: Die Videoüberwachung im Bereich der Berliner Landesunternehmen dient hauptsächlich dem Gebäude- schutz und/oder der Zugangskontrolle im Eingangsbe- reich und wird durch Dienstkräfte des Pförtnerpersonals in die tägliche Arbeit integriert. Eine durchgehende Be- obachtung erfolgt demzufolge grundsätzlich nicht. Im Bereich der 173 U-Bahnhöfe sind aktuell (Stand 30.09.2013) 1.788 Kameras installiert. In der Sicherheits- leitstelle der BVG AöR werden diese Kameras in einem permanenten Durchlauf auf Monitore abwechselnd aufge- schaltet und durchgehend von drei Mitarbeiterinnen und /oder Mitarbeitern der BVG AöR im Rahmen der Aufga- benwahrnehmung bzw. des Hausrechts beobachtet. Bei Auslösung eines Notrufs über eine Notrufsäule werden die zugehörigen Kamerabilder direkt in die Si- cherheitsleitstelle durchgestellt. Durch die Polizei Berlin werden die Videoanlagen der BVG AöR genutzt, um eine anlassunabhängige Echtzeit- videoüberwachung an den U-Bahnhöfen Alexanderplatz, Zoologischer Garten und Kottbusser Tor durchzuführen. Eine Dienstkraft der Polizei Berlin sichtet dazu am Poli- zeiarbeitsplatz in der Sicherheitsleitstelle der BVG AöR im rollierenden Verfahren verschiedene Kameraein- stellungen der betreffenden U-Bahnhöfe. Bei erkannten oder gemeldeten Straftaten oder Notfällen wird umgehend die Einsatzleitzentrale der Polizei Berlin verständigt und um Entsendung von Einsatzkräften gebeten. Bis zur Be- endigung der polizeilichen Maßnahmen beobachtet die Dienstkraft den Ereignisort. Deshalb und wegen der jederzeitigen Meldung der BVG AöR von polizeirelevanten Ereignissen auf den ver- bleibenden U-Bahnhöfen kann eine durchgehende Echt- zeitvideobeobachtung an allen drei ausgewählten U- Bahnhöfen nicht gewährleistet werden. Darüber hinaus haben die am Polizeiarbeitsplatz eingesetzten Dienstkräfte unter anderem eine gesetzlich vorgeschriebene bild- schirmfreie Arbeitszeit einzuhalten, die eine dauerhafte Beobachtung ebenfalls ausschließt. Die beschriebene Echtzeitvideoüberwachung fußt auf den §§ 24 b Absatz (Abs.) 2 und 24 a Abs. 2 des Allge- meinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) in Verbindung mit § 31 b des Berliner Datenschutzgesetz (BlnDSG). Unter Beachtung der tatbestandlichen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen wurden an den drei ausgewählten U-Bahnhöfen für jeden Fahrgast sicht- bar Hinweisschilder angebracht, die auf eine Videoüber- wachung durch die BVG AöR und die Polizei Berlin hin- weisen. 7. Gab es in den letzten fünf Jahren Studien oder Eva- luierungsaufträge, die sich mit dem Verhältnis von zu- nehmender Videoüberwachung im öffentlich zugängli- chen Raum im Land Berlin und einem besseren Sicher- heitsgefühl der Berliner Bürger*innen beschäftigen? a) Wenn ja, welche waren dies? b) Welche Kriterien zur Ermittlung einer zuverlässi- gen Aussage zu dem Verhältnis von zunehmender Video- überwachung im öffentlich zugänglichen Raum im Land Berlin und einem besseren Sicherheitsgefühl der Berliner Bürger*innen wurden zu Grunde gelegt? c) Zu welchen Ergebnissen kamen die unter 7. ge- nannten Studien oder Evaluierungsaufträge jeweils? d) Wurden die jeweils befragten Bürger*innen vor der Befragung darüber aufgeklärt, dass bei einem Großteil der Videokameras - besonders im öffentlichen Personennah- verkehr -, die im Land Berlin den öffentlich zugänglichen Raum überwachen keine Echtzeitbeobachtung vorliegt und dass ihnen im Notfall niemand zur Hilfe kommen wird? (Bitte Einzelauflistung nach Studie, Jahr, Zeitraum und genauem Inhalt/Kriterien der Studie. Wenn möglich im Originalwortlaut beifügen oder unter Angabe der Fundstelle). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 817 4 Hierzu teilt die BVG AöR folgendes mit: Zu 7. und 7a.: In Fahrgastbefragungen der BVG AöR wurde diese Frage regelmäßig mit aufgenommen. Die Langzeitergebnisse zeigen eine konstant hohe Befürwor- tung von Videokameras durch die Berliner Bürgerinnen und Bürger. Zu 7b.: Die Befragten bewerteten in jedem Jahr das persönliche Sicherheitsempfinden auf allen Stufen der gesamten Reisekette mit dem öffentlichen Personennah- verkehr (ÖPNV). Sie werden u. a. auch zur Einschätzung der Wirksamkeit von Videoanlagen oder der Notruf- und Informationssäulen befragt. Ebenso wurde die „Videoüberwachung “ bewertet. Zu 7c.: Ca. 50% der Befragten bewerten eine „Videoüberwachung “ auf einer 5stufigen Skala mit der Schulnote „sehr gut (=1)“. Zu 7d.: Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Kontext, da der komplexe Sachverhalt im Rahmen einer Befragung nicht adäquat beschrieben werden kann. Die Fragestel- lungen lauteten konkret: „Was halten Sie grundsätzlich von einer flächendeckenden Überwachung der Bahnhöfe durch Videokame- ras? Finden Sie das sehr gut, eher gut, eher schlecht oder sehr schlecht?“ „Die Videoaufzeichnungen stehen 48 Stunden zur Verfügung, um beispielsweise nach Anzeige bei der Poli- zei die Straftäter zu identifizieren. Halten Sie angesichts des Datenschutzes diese Aufbewahrungsdauer für zu lang, für angemessen oder für zu kurz?“ 8. Ist der Senat der Ansicht, dass die Berliner Bür- ger*innen Kenntnis davon haben, dass die meisten Vide- okameras - insbesondere im öffentlichen Personennah- verkehr -, die in Berlin den öffentlich zugänglichen Raum überwachen durch fehlende Echtzeitbeobachtung ledig- lich eine gefährliche Situation (Straftat/Notfall) dokumen- tieren als diese zu verhindern bzw. zu mildern? a) Ist es nach Ansicht des Senats für die Gewinnung zuverlässiger Aussagen der Berliner Büger*innnen über ihr Sicherheitsgefühl notwendig, dass diese wissen, ob die Videokameras, die den öffentlich zugänglichen Raum überwachen eine Echtzeitbeobachtung aufweisen oder nicht? b) Wie können nach Ansicht des Senats Straftaten durch Videokameras verhindert werden, wenn keine oder dauerhafte Echtzeitbeobachtung vorliegt? c) Welchen Beitrag für die öffentliche Sicherheit leis- ten nach Ansicht des Senats Videokameras ohne oder ohne dauerhafte Echtzeitbeobachtung über das „bloße“ Aufzeichnen von Straftaten hinaus? Zu 8.: Ja . Zu 8a.: Nein. Zu 8b.: Auf Grund der Präventionswirkung. Siehe hierzu Antwort zu Frage 5. Zu 8c.: Ein positiver Effekt der Videoaufzeichnung ist in einer effizienteren Strafverfolgung durch die Verbesse- rung der Beweislage zu sehen. 9. Wie viele Straftaten wurden in letzten fünf Jahren durch Videoüberwachung aufgeklärt? (Bitte Einzelauf- schlüsselung nach Jahr und Straftat). Zu 9.: Die Auswertung von Videomaterial findet in einer Vielzahl von Verfahren unterschiedlicher Deliktsbe- reiche statt, da diverse Orte wie z.B. Tankstellen, Bankfi- lialen, Räume mit Geldautomaten, Warenhäuser, öffentli- cher Personennahverkehr und Parkhäuser mit Videokame- ras ausgestattet sind. Darüber hinaus werden in weiteren Verfahren Videoaufnahmen zur Dokumentation und Ver- folgung von Straftaten eingesetzt. Dies betrifft insbeson- dere die Verfolgung des Drogenhandels. Ferner darf die Polizei Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffent- lichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzü- gen anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die An- nahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen (§ 1 Absatz 1, Satz 1 des Gesetzes über Aufnahmen und Auf- zeichnungen von Bild und Ton bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen)). Die so erlangten Video- aufnahmen führen in einer Vielzahl von Fällen zur Identi- fizierung der Tatverdächtigen oder liefern Ermittlungsan- halte dafür. Da Verfahren, in denen Videoaufnahmen für die Aufklärung eingesetzt werden, bei der Justiz und im Verfahrensregister der Strafverfolgungsbehörden nicht gesondert markiert werden, können keine Angaben zu den erfragten Fallzahlen für die letzten fünf Jahre gemacht werden. Zudem sind Videoaufnahmen stets nur eines von mehreren Beweismitteln, mit deren Hilfe Straftaten auf- geklärt werden. 10. In wie vielen Fällen war in den letzten fünf Jahren eine Identifizierung der Täter*innen anhand von Video- material im Verhältnis zu den jeweils angeforderten Vi- deodaten möglich? (Bitte in Prozent für jedes Jahr ange- ben). Zu 10.: Da im März / April 2012 eine Änderung im polizeilichen Erfassungssystem vorgenommen wurde, ist es für die Polizei Berlin erst ab diesem Zeitpunkt möglich, explizite Daten zu Videoaufzeichnungen zu generieren: Die Anzahl der Tatverdächtigen aus dem Jahr 2012 setzt sich aus Personen zusammen, die durch Feststellun- gen am Tatort im Rahmen der Anzeigenerstattung nam- haft gemacht oder im Zuge von Nachermittlungen identi- fiziert werden konnten. In beiden Fällen, auch bei festste- henden Personalien der Tatverdächtigen, wurden stets Anforderung von Videomaterial Eintrag von ermittel- ten Tatverdächtigen in eine Strafanzeige Jahr 2012 2.517 702 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 817 5 Videoaufzeichnungen zur Beweisführung angefordert. Ein Rückschluss darauf, dass Tatverdächtige ausschließ- lich aufgrund des Videobeweises ermittelt werden konn- ten, ist nicht möglich. 11. Wie hoch waren die Kosten für das Land Berlin in den letzten fünf Jahren für die Videoüberwachung des öffentlich zugänglichen Raums? (Bitte Einzelaufschlüsse- lung nach Jahr und jeweiligen Kosten). Zu 11.: Für die von der Berliner Immobilienmanage- ment GmbH betreuten Anlagen für Videoüberwachung entstehen pro Jahr Kosten in Höhe von rund 30.000 Euro. Im Zuständigkeitsbereich der BVG ist der jährliche Aufwand für die stationären Videokameras in den U- Bahnhöfen von 0,6 Mio. EUR (2009) auf bisher 1,3 Mio. EUR (2012) gestiegen. Die Polizei Berlin kann hierzu keine gesonderten Aus- sagen treffen. 12. Wie würde der Senat den Kostennutzenfaktor der Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum im Land Berlin in den letzten fünf Jahren bewerten? (Hierbei sind die jeweiligen Jahreskosten mit den auf- geklärten Straftaten durch Videoüberwachung und dem Sicherheitsgefühl der Berliner Bürger*innen ins Verhält- nis zu setzen). Zu 12.: Der Effekt der Videoüberwachung auf die Si- cherheit im präventiven Sinne bzw. auf ein möglicher- weise vermitteltes Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung ist genauso wenig quantifizierbar wie sich der Wert eines Menschenlebens in Geld bemessen lässt. Die BVG AöR teilt hierzu mit, dass sie die Kosten im Verhältnis zu den sinkenden Vorfällen (Übergriffe auf Kundinnen/Kunden und Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, Kosten für Vandalismusschäden und Rückgang weiterer Straftaten) für angemessen hält. 13. Sollten die Fragen 1., 3. und 7., mit nein beantwor- tet werden, wird der Senat gebeten, anzugeben woher er seine Tatsachengrundlagen für Meinungsbildung und Ent- scheidungsprozesse zur Videoüberwachung bisher ge- wonnen hat? Zu 13.: Entfällt. 14. Aufgrund welcher Datensätze bzw. Unterlagen wurden vorstehende Fragen beantwortet und inwieweit wäre es möglich, diese (ggf. in aufbereiteter Form) auf dem Berliner Open-Data-Portal einzustellen und fortlau- fend zu aktualisieren? Zu 14.: Die mit dieser Anfrage erbetenen Angaben sind ausschließlich für die Beantwortung dieser Anfrage erhoben worden. Eine Einstellung dieser Daten in das Open-Data-Portal des Landes Berlin wird nicht erwogen. Berlin, den 18. Dezember 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Jan. 2014)