Drucksache 17 / 11 842 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Schäfer (GRÜNE) vom 28. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. April 2013) und Antwort Atomkraft in Polen – was macht der Senat? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Senats: Ein Teil der Fragen geht von der Voraussetzung aus, dass der Senat eine ausrei- chende Zuständigkeit hat, um in außenpolitischen Ange- legenheiten der Bundesrepublik tätig zu werden. Das ist nicht der Fall; dem föderativen Aufbau der Bundesrepub- lik entsprechend wird die Außenpolitik vom Bund ver- treten. Im Folgenden werden daher die Fragen aus- schließlich mit der Kompetenz der exekutiven Fachbe- hörde beantwortet. Frage 1: Wie beurteilt der Senat den aktuellen Stand des polnischen Atomprogramms? Welche Informationen hat der Senat über mögliche Standorte? Wie bewertet der Senat die Absichtserklärung mehre- rer Unternehmen zur Gründung einer gemeinsamen Fi- nanzierungsgesellschaft für den Bau eines Atomkraft- werks in Polen? Antwort zu 1: Die polnische Seite hat bei dem deutsch-polnischen Konsultationsgespräch am 27.11.2012 deutlich gemacht, dass die in den Prozess eingeführte Liste des Regierungsbevollmächtigten von 28 möglichen Standorten auf Zuarbeiten der betroffenen Wojewod- schaften beruhe und damit diese Standorte lokal konsens- fähig seien. Es sei aber der Investor, Polska Grupa Ener- getyczna S.A. (PGE), der die Entscheidung zu treffen habe, wo er investieren wolle. PGE hat aus der Liste sechs Standorte ausgewählt, diese Gruppe um einen eigenen Vorschlag erweitert – nämlich Gąski östlich von Kołobrzeg – und will zunächst an drei Standorten intensivere Untersuchungen anstellen. Diese drei Standorte sind Choczewo und Żarnowiec in Pommern und eben Gąski in Westpommern. Keiner liegt nahe der deutschen Grenze. Die Chancen von Gąski werden von polnischer Seite geringer eingeschätzt als die der anderen beiden Standorte, weil nach Meinung des Regierungsbevollmächtigten keine Anlage ohne lokalen Konsens errichtet werden könne – und der sei eben im Falle von Gąski noch nicht festgestellt. Der Senat bewertet konzernpolitischer Schritte privater Firmen im Ausland nicht. Dazu liegen ihm auch keine Erkenntnisse vor. Frage 2: Wie bewertet der Senat, dass der Vattenfall- Konzern sich über seine Beteiligung am Unternehmen Energetyka Poznańska (Enea) SA an der Finanzierung der Finanzierung eines Atomkraftwerks im Nachbarland Po- len beteiligen will? Antwort zu 2: Es ist nicht Aufgabe des Senats, allge- mein Beteiligungen einzelner Firmen an anderen Firmen zu bewerten. Frage 3: Hat der Senat dem Vattenfall-Konzern, der auch Grundversorger für Strom in Berlin und der Stromlieferant des Landes Berlin ist, über den einstimmi- gen Beschluss des Abgeordnetenhauses bezüglich des polnischen Atomprogramms (Drucksache 17/0166) in- formiert? Wenn ja: wie? Wenn nein: warum nicht? Antwort zu 3: Der zitierte Beschluss enthielt die Bitte, die Republik Polen möge die Risiken der Kernenergienut- zung im Lichte gewisser Argumente neu bewerten. Der Senat wurde aufgefordert, rechtliche Bedenken zu prüfen und diese gegebenenfalls gegenüber der Bundesregierung, der polnischen Regierung und der EU deutlich zu ma- chen. Der Senat hatte keine Veranlassung, hiervon ein Ener- gieversorgungsunternehmen zu unterrichten. Er geht im Übrigen davon aus, dass über die öffentliche Berichter- stattung ggf. auch solche Unternehmen Kenntnis von dem Beschluss erlangt haben. Frage 4: Wie hat die polnische Regierung auf das Schreiben des Umweltsenators zum politischen Atompro- gramm 2011 reagiert? Wie bewertet der Senat die Ant- wort? Welche weiteren Schritte hat der Senat eingeleitet? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 842 2 Antwort zu 4: Die polnische Regierung ist auf den In- halt des genannten Schreibens im Rahmen des Konsulta- tionsgespräches eingegangen. Man befinde sich noch in der Phase der Auswertung der im Rahmen der Öffentlich- keitsbeteiligung der Strategischen Umweltprüfung (SUP) eingegangenen Stellungnahmen und Anregungen. Das wird vom Senat so verstanden, dass zu gegebener Zeit ein Bericht über das Ergebnis dieser Beteiligungen und Kon- sultationen vorgelegt werden wird Frage 5: Wie und mit welchem Ergebnis hat der Senat den Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 23.2.2012 umgesetzt, mit dem das Abgeordnetenhaus den Senat einstimmig aufgefordert hat, “vorgebrachte rechtliche Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit des Atompro- gramms mit den EU-Regelungen zum Elektrizitätsbin- nenmarkt und zur Strategischen Umweltprüfung zu über- prüfen“? Antwort zu 5: Eine Überprüfung, ob ein Mitgliedstaat der EU europäisches Recht verletzt hat, liegt in der Zu- ständigkeit der Europäischen Kommission. Diese ist in der angesprochenen Frage tätig geworden. Der Senat ver- folgt entsprechend die Stellungnahmen der Kommission zu den angesprochenen Fragen: Die Europäische Kommission hat trotz Prüfung der Situation gegen die Republik Polen bislang kein Verfah- ren wegen Verletzung der Regelungen zum Elektrizitäts- binnenmarkt eingeleitet. Zu der Frage, ob Polen die Regelungen der EU zur Strategischen Umweltprüfung verletzt habe, liegt der Kommission die Aussage der polnischen Seite vor, dass die SUP noch nicht abgeschlossen sei. Entsprechend hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungs- verfahren eingeleitet, gibt aber an, die Situation zu be- obachten. Frage 6: Angesichts dessen, dass Staatssekretär Gaebler im April 2012 im Umweltausschuss des Abge- ordnetenhauses gesagt hatte, diese Überprüfung werde angesichts der Komplexizität der Materie einige Zeit in Anspruch nehmen: Wann hat der Senat mit dieser Über- prüfung begonnen, wer wurde wann damit beauftragt, seit wann liegen Ergebnisse vor und warum wurden diese noch nicht veröffentlicht? Antwort zu 6: Dem Senat ist der Zusammenhang die- ser Äußerung nicht präsent, es ist aber nicht Gegenstand der Aussage, dass der Senat selbst die komplexe Materie überprüfen werde Die Überprüfung findet wie unter 5. beschrieben statt. Frage 7: Teilt der Senat die Einschätzung, dass die wettbewerbsfeindliche Ausrichtung des polnischen Atomprogramms mit dem Elektrizitätsbinnenmarkt nicht vereinbar ist (siehe u.a.: www.gruene-fraktion-ber- lin.de/sites/default/files/Stellungnahme_PolnischesKern- energieprogramm.pdf)? Wenn ja: Welche rechtlichen Möglichkeiten ergeben sich daraus aus Sicht des Senats und wie will er sie nutzen? Wenn nein: Warum nicht? Antwort zu 7: Siehe Antwort zu 5. Der Senat nimmt die Haltung der Europäischen Kommission zur Kenntnis. Weitere rechtliche Möglichkeiten sieht er nicht. Internet- Links von Parlamentsfraktionen bewertet der Senat nicht. Frage 8: Was hat der Senat seit dem Beschluss des Abgeordnetenhauses vom Februar 2012 bezüglich des polnischen Atomprogramms konkret unternommen (mit Bitte um detaillierte Auflistung der Schritte)? Antwort zu 8: Die Haltung des Senats war der polni- schen Seite durch das in Frage 4 erwähnte Schreiben be- kannt. Der Senat bekräftigt noch einmal die Aussage, dass die Regierung eines Bundeslandes in der vorliegenden Frage aus rechtlichen Gründen kaum mehr tun kann, als eine Meinung zu äußern. Der Senat hat sich auf Fachebene mit Brandenburg be- raten, hat eine Stellungnahme formuliert und war in der deutschen Delegation bei den Konsultationsgesprächen am 27.11.2012 in Warschau vertreten. Berlin, den 30.04.2013 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Mai 2013)