Drucksache 17 / 11 844 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Christopher Lauer und Oliver Höfinghoff (PIRATEN) vom 27. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. April 2013) und Antwort Versprochener und doch gebrochener Zeugenschutz im Land Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Gibt es bei der Berliner Polizei interne Geschäfts- anweisungen oder andere Vorgaben wie Polizisten etwai- ge Zeugen belehren und befragen dürfen? Zu 1.: Ja, entsprechende Regelungen sind in der Ge- schäftsanweisung (GA) Nr. 10/2010 des Landeskriminal- amtes (LKA) über die polizeiliche Vorladung und Ver- nehmung getroffen. a) Gibt es interne Geschäftsanweisungen oder andere Vorgaben, die festlegen wie sich Polizisten zu verhalten haben, wenn etwaige Zeugen keine Auskunft geben wol- len, weil sie Angst vor dem oder den Tätern haben und der oder diese in ihrem engsten Umfeld leben? (Wenn ja, bitte im Originalwortlaut beifügen bzw. eine Möglichkeit zur Einsichtnahme gewähren.) Zu a): Die oben genannte GA LKA Nr. 110/2010 re- gelt dies unter der Nr. 5.1.6 und der Nr. 5.2.5. Diese Ge- schäftsanweisung ist auf Grund der darin enthaltenen po- lizeitaktischen Maßnahmen nur für den polizeiinternen Gebrauch bestimmt und kann nicht veröffentlicht werden. Eine Einsichtnahme kann durch einen an den Polizeiprä- sidenten in Berlin gerichteten Antrag erfolgen. b) Welche Zusagen können/dürfen Polizisten etwaigen Zeugen in Hinblick auf die Geheimhaltung ihrer Identität geben? Zu b): Polizeiliche Vernehmungen werden gemäß den Regeln der Strafprozessordnung (StPO) und polizeirecht- liche Befragungen nach den Regeln des Allgemeinen Sicherheits - und Ordnungsgesetzes (ASOG Berlin) durch- geführt. Des Weiteren obliegt der Polizei der Schutz einer Person nach Maßgabe des Zeugenschutz-Harmonisie- rungsgesetzes (ZSHG). Darüber hinaus gilt für die Polizei Berlin die auf den gesetzlichen Regelungen basierende o. g. GA LKA Nr. 10/2010. Danach sind bei Fragen zur Per- son die Ausnahme von der Wohnortangabe und die Ge- heimhaltung der Personalien zu beachten (siehe § 68 StPO; die o. g. Geschäftsanweisung enthält dazu entspre- chende Erläuterungen). Die Geheimhaltung der Persona- lien bzw. die Zusicherung der Vertraulichkeit erfolgt im- mer in Absprache mit der Staatsanwaltschaft, denn diese ist Herrin des Strafermittlungsverfahrens. 2. Sind Polizisten verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass es z. B. durch ein mögliches Akteneinsichtsrecht eines Verteidigers zu einer Preisgabe der Identität an die Täter und andere kommen kann? Zu 2.: Gemäß § 163 Abs. 3 in Verbindung mit § 68 Abs. 4 Satz 1 und 2 Strafprozessordnung (StPO) ist die Polizei verpflichtet, auf die Möglichkeit hinzuweisen, eine andere ladungsfähige Anschrift anzugeben oder An- gaben zur Person zu verweigern. In der o. g. Geschäfts- anweisung wird darauf hingewiesen. 3. Wie und wo werden im Land Berlin Befragungen von Zeugen durch die Polizei dokumentiert? a) Gibt es bei der Berliner Polizei interne Geschäftsanweisungen oder andere Vorgaben die festlegen, wie und wo Befragungen von Zeugen durch die Polizei dokumen- tiert werden sollen? (Wenn ja, bitte im Originalwortlaut beifügen bzw. eine Möglichkeit zur Einsichtnahme ge- währen.) Zu 3 a): Vernehmungen von Zeugen werden auf der Grundlage des § 168b Abs. 2 StPO protokolliert. Dies kann in Form von Tonaufzeichnungen oder in schriftli- cher Form mittels verschiedener polizeilicher Formulare erfolgen. Unter bestimmten Voraussetzungen erfolgt eine Aufzeichnung der Vernehmung auf Bild-Ton-Träger (§ 58a StPO). Einzelheiten zu Form und gesetzlichen Vo- raussetzungen sind in der o. g. Geschäftsanweisung gere- gelt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 844 2 4. Gibt es bei der Berliner Polizei interne Geschäfts- anweisungen oder andere Vorgaben die festlegen, dass Polizisten etwaige Zeugen auch über die Risiken und Ge- fahren einer Aussage - insbesondere dann, wenn der/die Täter aus dem nächsten Umfeld der Zeugen kommen - aufklären sollten? a) Wenn ja, wie lauten diese? (Wenn ja, bitte im Ori- ginalwortlaut beifügen bzw. eine Möglichkeit zur Ein- sichtnahme gewähren.) b) Wenn nein, ist der Senat nicht der Ansicht, dass et- waige Zeugen vor einer Aussage auch umfassend über mögliche Gefahren aufgeklärt werden sollten, die mit ihrer Aussage einhergehen können? Zu 4.: Siehe Antwort zu Frage 2. 5. Kann der Senat es ausschließen, dass es ein übli- ches Vorgehen der Berliner Polizei ist, etwaigen Zeugen zur Erhöhung ihrer Aussagebereitschaft zu versprechen, ihre Identität geheim zu halten, obwohl es im Regelfall nicht einzuhalten ist? Zu 5.: Ja, das kann ausgeschlossen werden. 6. Wie viele Fälle aus den letzten fünf Jahren sind dem Berliner Senat bekannt, in denen Berliner Polizisten etwaigen Zeugen zur Erhöhung ihrer Aussagebereitschaft ver- sprochen haben, ihre Identität geheim zu halten? Zu 6.: Die Entscheidung über eine Zusicherung der Vertraulichkeit obliegt nicht der Polizei, sondern allein der Staatsanwaltschaft. Zahlen dazu werden bei der Poli- zei Berlin statistisch nicht erhoben. 7. Wie viele Fälle aus den letzten fünf Jahren sind dem Berliner Senat bekannt, in denen Berliner Polizisten versucht haben, die Aussagebereitschaft von etwaigen Zeu- gen durch bestimmte Versprechungen oder Täuschungen zu erhöhen? Zu 7.: Es sind keine Fälle bekannt. 8. Wie viele Fälle aus den letzten fünf Jahren sind dem Berliner Senat bekannt, in denen Zeugen aufgrund ihrer Aussagen zu Opfern von Straftaten wurden? Zu 8.: Da derartige Fälle (Verknüpfung von Zeugen- aussage und Opfer einer Straftat) statistisch nicht erfasst werden, können dazu keine Angaben gemacht werden. Berlin, den 08. Mai 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Mai 2013)