Drucksache 17 / 11 860 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Andreas Baum (PIRATEN) vom 18. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. April 2013) und Antwort Zukunft von Mietfahrrädern im öffentlichen Raum Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Ziele wurden mit dem „Call a bike“- Modellprojekt für feste Fahrradstationen der Deutschen Bahn verfolgt? Antwort zu 1: Das Vorhaben „Integration öffentlicher Radverkehr. Ein stationsbasiertes, öffentliches Fahrrad- verleihsystem zur Stärkung des Fahrradanteils durch die vollwertige Integration des Rades in den traditionellen ÖPNV“ wurde durch die DB Rent GmbH beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) beantragt und von Oktober 2008 bis Dezember 2012 mit einer Zuwendung des BMVBS unterstützt. Allgemeines Ziel des Projektes der DB Rent GmbH war die Weiterentwicklung des damals vorhandenen, sta- tionsunabhängigen und nicht integrierten Angebots „Call a Bike“ zu einem System von festen Stationen für öffentliche Fahrräder sowie die Integration der Nutzung dieser Fahrräder in die bekannten Produkte und Tarifangebote des klassischen öffentlichen Verkehrs (ÖV). Diese am Leitbild der integrierten Verkehrspolitik orientierten An- gebotsmerkmale sollten in der Praxis für eine erfolgreiche Übertragung auf andere Städte erprobt werden. Die konkrete und differenzierte Zielsetzung des Pro- jektes der DB Rent GmbH ist im Antrag dargestellt und mit dem BMVBS mittels Zuwendungsbescheid vertrag- lich vereinbart. Entsprechende Anfragen bezüglich diffe- renzierter Ziele sind vor diesem Hintergrund an das BMVBS zu richten. Zielsetzung des Landes Berlin war es, öffentliche Leihfahrräder als Beitrag zu einem integrierten öffentli- chen Verkehrsangebot voranzubringen. Daher wurde eine enge Zusammenarbeit mit dem Pilotprojekt gepflegt, um die ohne Beteiligung des Landes oder der Bezirke nicht realisierbaren Projektbestandteile aktiv zu begleiten bzw. diese wo- möglich zu unterstützen (u. a. Identifikation von Flächen für Fahrradstationen). Formal wurde dies im Kooperationsvertrag zwischen der DB Rent GmbH, dem Land Berlin sowie den beteiligten Bezirken vereinbart. Frage 2: Wo und wie wurden, bzw. wann und wo werden die Ergebnisse des Modellprojekts veröffentlicht? Antwort zu 2: Nach Kenntnisstand des Senats wurde sowohl von der DB Rent GmbH, dem Fördergeber (BMVBS) als auch durch die Senatsverwaltung für Stadt- entwicklung und Umwelt als Kooperationspartner auf diversen Veranstaltungen Informationen zur Entwicklung und Umsetzung des Projektes vorgestellt (u.a. beim Nati- onalen Radverkehrskongress 2009 des Bundesministeri- ums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Berlin). Zu Art, Umfang und Zeitpunkt weiterer möglicher Veröffentlichungen der Projektergebnisse durch den Be- treiber oder das BMVBS liegen dem Senat keine Infor- mationen vor. Grundsätzlich wird die DB Rent GmbH aber im Zuge der Dokumentation des Projektes einen Endbericht erstellen, welcher über die Technische Infor- mationsbibliothek Hannover einsehbar sein wird. Frage 3: Seit wann und mit welchen Beträgen wurde das Modellprojekt durch den Bund und das Land Berlin gefördert? Antwort zu 3: Anfragen zur Höhe der Zuwendung so- wie zum Zahlungsplan für das ausschließlich vom BMVBS geförderte Projekt "IÖR - Integration Öffentli- cher Radverkehr" der DB Rent GmbH in Berlin sind an das BMVBS zu richten. Berliner Mittel zur Entwicklung und Umsetzung des Vorhabens wurden nicht bereitgestellt. Frage 4: Besteht eine vertragliche Vereinbarung, nach der die Fördermittel dem Bund ggf. wieder zurück erstatten werden müssen? Antwort zu 4: Im Rahmen des Zuwendungsbescheides werden dem Zuwendungsnehmer - in diesem Fall der DB Rent GmbH - explizit die rechtsgültigen Richtlinien sowie projektspezifischen Nebenbedingungen auferlegt. Dies umfasst in der Regel auch Ausführungen, dass im Falle Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 860 2 einer nicht ordnungsgemäßen Verwendung der Gelder Rückzahlungen veranlasst werden können. Der Zuwen- dungsgeber behält sich zudem die Prüfung einer zweck- entsprechenden Verwendung der Gelder im Nachgang der Endabrechnung vor. Berlin ist aber weder Zuwendungs- nehmer noch Zuwendungsgeber. Entsprechende Anfragen sind daher an das BMVBS zu richten. Frage 5: Sind weitere Modellprojekte geplant? Antwort zu 5: Bundesweit wurde bis heute eine Reihe von Fahrradverleihprojekten bzw. entsprechenden Mo- dellversuchen unterschiedlicher Systeme und Anbieter durch das BMVBS gefördert. Inwieweit das BMBVS weiterhin Modellprojekte fördern wird, entzieht sich der Kenntnis des Berliner Senats. Der Senat selbst plant keine entsprechenden Modell- projekte. Frage 6: Welche Erkenntnisse ergaben sich aus dem Wechsel von freier Standortwahl zu festen Standorten und welche Veränderungen sind speziell bezüglich Vandalis- mus, Diebstahl und Erhaltungsaufwand der Räder zu erkennen? Frage 7: Gibt es Erkenntnisse darüber, ob und inwiefern das Angebot seit der Umstellung auf feste Stationen attraktiver geworden ist und bestehen Pläne, wieder zum Konzept der freien Standortwahl zurück- zukehren? Frage 8: Wie bewertet der Senat die stark einge- schränkte Flexibilität der Nutzer durch die Umstellung des Systems auf feste Standorte? Antwort zu 6, 7 und 8: Auf Grund des Sachzusam- menhangs werden die Fragen 6, 7 und 8 gemeinsam be- antwortet. Unter den Rahmenbedingungen des alten Systems (Anmietung und Rückgabe von Leihfahrrädern innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings) war im Sinne von Tür-zu- Tür-Verkehren ein hohes Maß an Flexibilität für Nutze- rinnen und Nutzer gegeben. Gleichzeitig würde eine flä- chige Erschließung dieses fast 90 km² umfassenden Be- reichs mit einer sichergestellten Verfügbarkeit von Rä- dern eine massive Flotte erfordern, welche unter wirt- schaftlichen Rahmenbedingungen nicht realisierbar ist. Ziel des Vorhabens in Berlin war es daher auch, Al- ternativen zum bisherigen „Call a Bike“-Modell in Form fester Ausleih- und Abgabestationen zu testen. Aus Sicht des Senats boten und bieten diese Stationen den Vorteil einer verbindlichen Verfügbarkeit, wodurch Leihfahrräder verlässlich in Wegeroutinen einbezogen werden können. Gleichzeitig erzeugt die räumliche Bündelung der Räder eine hohe Sichtbarkeit des Systems und - insbesondere durch die Möglichkeit zur Registrierung vor Ort - Poten- ziale in neuen Nutzergruppen, beispielsweise im Bereich des Tourismus. Die generelle Systemumstellung im Frühjahr 2011 war eine Entscheidung der DB Rent GmbH. Die aus Sicht des Senats damals mangelhafte Vorabinformation für die Öffentlichkeit und Nutzerinnen und Nutzer wurde gegen- über der DB Rent GmbH deutlich kritisiert. Einschränkungen aus Sicht der Befürworter des ur- sprünglichen „Call a Bike“-Konzepts ergeben sich ferner aus der geringeren Flächenerschließung und Abdeckung durch das jetzt etablierte Modell. Auch aus Sicht des Se- nats ist es notwendig, das Stationsnetz der öffentlichen Fahrräder weiter zu verdichten und es auf neue Teilräume Berlins auszudehnen. Daher wird derzeit eine Verdich- tung und Erweiterung des Systems um weitere ca. 50 Sta- tionen in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Neukölln, Pankow und Tempelhof-Schöneberg im Bereich der inneren Stadt (in- nerhalb des S-Bahn-Rings) noch im Jahr 2013 angestrebt (vgl. dazu Antwort auf die Kleine Anfrage 17/11 663 vom 05. März 2013). Im Gegensatz zu stationsbasierten Lösungen in ande- ren europäischen Großstädten bietet das System in Berlin den Vorteil, dass Räder auch zurückgegeben werden kön- nen, wenn alle Stellplätze der Abstellvorrichtungen belegt sind. Damit sind auch in dieser Hinsicht Flexibilitätsein- schränkungen der Nutzerinnen und Nutzer minimiert worden. Der Erhaltungsaufwand des Leihfahrradsystems steht direkt im Zusammenhang mit Auslastung, Witterung und Nutzung. Die konkrete Ausprägung des Ansatzes spielt eine untergeordnete Rolle. Allerdings bietet die jetzt im stationsbasierten System zur Anwendung kommende technische Lösung mehr Möglichkeiten eines Informati- onsaustauschs der Räder mit dem Hintergrundsystem zum Zustand und zur Fehler(fern-) diagnose. So wird eine Vielzahl der früher notwendigen Serviceeinsätze vermie- den und eine bessere Verfügbarkeit der Räder gewährt. Auch auf Vandalismus hat die Systemumstellung kei- nen direkt erkennbaren Einfluss. Die Positionierung der Abstellanlagen an frequentierten, öffentlich gut einsehba- ren Standorten ist positiv zu bewerten. Auch die instal- lierten Betonquader haben sich unter Vandalismusge- sichtspunkten bewährt. Allerdings sind Fehlnutzungen, wie sie beim flexiblen System in Berlin regelmäßig vorkamen (insbesondere Abstellen vor der eigenen Haustür, „Privatisierung“ der Räder), beim jetzigen, stationsbasierten System weitest- gehend ausgeschlossen. Eine Rückkehr zum alten „Call-a-Bike“-Modell ist seitens des Senats nicht geplant (vgl. dazu Antwort auf die Kleine Anfrage 17/11 663 vom 05. März 2013). Frage 9: Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand nach Ablauf des Modellprojekts für Mietfahrräder und die Weiterführung von „Call a bike“ zwischen der Deutschen Bahn, den Bezirken und dem Senat und wann soll die weitere Verfahrensweise abschließend geklärt sein? Antwort zu 9: Die Antwort auf die Kleine Anfrage 17/11 663 vom 05. März 2013 legt den aktuellen Sachstand sowie die Planungen für die Nachnutzungs- phase des Modellprojekts der DB Rent GmbH in den Jah- ren 2013/2014 dar. Der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erarbeitete Kooperationsvertrag, welcher den Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Land, den Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 860 3 ausgewählten Bezirken sowie der DB Rent GmbH in der Nachnutzungsphase 2013/2014 beschreibt, befindet sich derzeit in der finalen Abstimmung. Frage 10: Welche konkreten Ziele verfolgt der Senat bei den Verhandlungen zur Aufstellung von Mietfahr- rädern im öffentlichen Raum? Antwort zu 10: Innerhalb der Nachnutzungsphase in den Jahren 2013/2014 wird die qualifizierte Erweiterung des Systems angestrebt, um die Verfügbarkeit in der Flä- che sowie die Akzeptanz der Dienstleistung „öffentliches Leihfahrrad“ zu verbessern. Auch effizientere Zugangsmöglichkeiten für Bestands- und Neukundinnen und Neu- kunden sollen die Flexibilität des Systems aus Kunden- sicht weiter erhöhen. Die konkreten Verhandlungen zur Errichtung neuer Standorte obliegen der/dem Betreiberin oder Betreiber und stehen unter dem Vorbehalt der öf- fentlich-rechtlichen Genehmigungen der jeweils zuständi- gen Bezirksämter (vgl. dazu Antwort auf die Kleine An- frage 17/11 663 vom 05. März 2013). Frage 11: Ist eine Öffnung der Standorte auf öffentlichem Gelände auch für weitere Anbieter geplant und gibt es dazu eine Ausschreibung oder Verhandlungen bzw. eine Zusammenarbeit mit alternativen Anbietern wie Nextbike? Wenn ja, welcher Zeitplan besteht dazu? Antwort zu 11: Eine Öffnung der bestehenden oder im Projektkontext avisierten Standorte von Leihfahrradab- stellanlagen für weitere Anbieterinnen und Anbieter wird im Rahmen der Nachnutzungspflicht 2013/2014 durch den Senat nicht angestrebt. Es ist aber beabsichtigt, den Betrieb des Systems öf- fentlicher Leihfahrräder nach Ende der Nachnutzungs- phase in einem wettbewerblichen Verfahren zu vergeben. Die Vergabe wird derzeit für das Jahr 2014 avisiert, wo- bei der Betrieb eines entsprechenden Systems ab 2015 vorgesehen ist (vgl. dazu Antwort auf die Kleine Anfrage 17/11 663 vom 05. März 2013). Allerdings steht dieses Vorgehen unter dem Vorbehalt der Mittelverfügbarkeit. Frage 12: In welcher Höhe würde die Stadt Ein- nahmen bei einer Nutzung der Flächen als gebühren- pflichtige Parkbuchten verzeichnen können? Antwort zu 12: Die Erhebung von Gebühren für Park- raum im öffentlichen Raum obliegt den Bezirken, wobei Differenzen in der Gebührenhöhe zwischen und innerhalb der bezirklichen parkraumbewirtschafteten Zonen beste- hen. Die Möglichkeit zur Erhebung von Gebühren durch die Stadt besteht nicht. Frage 13: Welche Position vertritt der Senat zum Beschluss der BVV Pankow zur Erhebung von Sonder- nutzungsgebühren für die Stellplätze? Antwort zu 13: Am 16.05.2012 ist die Erste Verord- nung zur Änderung der Sondernutzungsgebührenverord- nung (SNGebV) in Kraft getreten. Dort ist in § 8 a gere- gelt, dass die Sondernutzungsgebühr ermäßigt oder erlas- sen werden kann, wenn die Sondernutzung im besonderen öffentlichen Interesse Berlins liegt. In der Begründung zur Verordnung wird ausgeführt, dass dafür insbesondere Umweltschutzbelange und übergeordnete verkehrliche Interessen in Betracht kommen. Beides trifft für das System öffentlicher Leihfahrräder und damit auch die zu ihrem sicheren Abstellen erforder- lichen Fahrradabstellanlagen zu. Die Empfehlung des Senats an die Bezirke zum Erlass der Sondernutzungsgebühren besteht weiterhin, bezieht sich dabei auch ausdrücklich auf die im Rahmen des Pi- lotprojekts festgeschriebene zweijährige Nachnutzungs- phase bis Ende 2014. Zumindest für diesen befristeten Zeitraum besteht über § 8 a SNGebV die Möglichkeit, zeitlich begrenzt die Sondernutzungsgebühren zu erlas- sen. Berlin, den 17. Mai 2013 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Mai 2013)