Drucksache 17 / 11 873 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 10. April 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. April 2013) und Antwort Türkei-EU-Assoziationsrecht Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Sind dem Senat das EU-Türkei-Assoziationsrecht, die Assoziationsratsbeschlüsse 1/80 und 3/80 sowie die einschlägige Rechtsprechung des EuGH bekannt? Falls ja, wie wird das in der Praxis umgesetzt? Zu 1.: Dem Senat sind das EU-Türkei-Assoziations- recht, die Assoziationsratsbeschlüsse 1/80 und 3/80 sowie die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Ge- richtshofes bekannt. Die veröffentlichte Rechtsprechung einschließlich die des Europäischen Gerichtshofes zum Ausländerrecht und damit auch zum Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft- Türkei-Assoziationsrecht wird von der Ausländerbehörde zusammen mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, die die Fachaufsicht über die Ausländerbehörde führt, in einem fortlaufenden Prozess darauf hin geprüft, ob die ausländerrechtliche Praxis entsprechend angepasst werden muss oder angepasst werden sollte. Ggf. werden die Verfahrenshinweise der Ausländerbehörde (VAB) - abhängig von der Bedeutung der Änderung in Abstim- mung mit der Fachaufsicht - entsprechend ergänzt oder geändert. 2. Ist dem Senat bekannt, dass türkische Staatsbürger/- innen, die unter das Assoziationsrecht fallen, keiner Auf- enthaltsgenehmigung bedürfen (sog. Deklaratorische Wirkung, EuGH-Urteile Ergat/ C-329/97 und Eyüp/ C- 65/98)? Was bedeutet dies für die Praxis in Berlin? Zu 2.: Dem Senat ist bekannt, dass türkische Arbeit- nehmerinnen/Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen nach Art. 6 und Art. 7 Assoziationsratsratbeschluss (ARB) 1/80 unter bestimmten Voraussetzungen ein unab- hängig vom Aufenthaltsgesetz fortbestehendes Aufent- haltsrecht haben. Die begünstigten Personen sind gemäß § 4 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) verpflichtet, die- ses Aufenthaltsrecht durch den Besitz einer Aufenthalts- erlaubnis nachzuweisen – der Nachweis ist nur deklaratorisch , d.h. das Aufenthaltsrecht besteht unabhängig von diesem Nachweis. Erst wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck ent- fällt, der Aufenthalt durch eine Ausweisung beendet oder der ursprüngliche Aufenthaltstitel aus anderen Gründen nicht mehr verlängert werden soll, spielt das Aufenthalts- recht aus Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 eine praktische Rolle. Um eindeutig erkennen zu lassen, dass der Aufent- haltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG immer ein asso- ziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht zugrunde liegt, wird jede Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG unabhängig von ihrer Geltungsdauer und unabhängig da- von, ob der Anspruch auf Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 fußt mit der Anmerkung: "Daueraufenthalt nach ARB 1/80" versehen. 3. a) Trifft es zu, dass türkischen Staatsbürger/-innen, die unter das Assoziationsrecht fallen, in bestimmten Fällen die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung verweigert wird bzw. nur kurzfristige Genehmigungen erteilt werden, weil kein Abschluss, keine Berufsausbil- dung bzw. Arbeitsstelle nachgewiesen werden kann? b) Falls ja, widerspricht eine solche Praxis nicht der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH (siehe bei- spielsweise das ER-Urteil C-453/07), das solche Bedin- gungen für unzulässig erklärt hat? Zu 3. a) und b): Nein, das trifft nicht zu. 4. Ist dem Senat die Entscheidung des Bundesverwal- tungsgerichts „Keine diskriminierenden Gebühren für Aufenthaltspapiere türkischer Arbeitnehmer“ (BVerwG 1 C 12.12) bekannt? a) Falls ja, wann und in welcher Weise wird diese höchstrichterliche Entscheidung umgesetzt? b) Werden in diesem Zusammenhang die zu Unrecht erhobenen Gebühren rückerstattet? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 873 2 Zu 4. a) u. b): Eine Entscheidung des Bundesverwal- tungsgerichts wirkt grundsätzlich nur zwischen demjeni- gen, der in dem konkreten Fall als Klägerin/Kläger auf- getreten ist, und der betroffenen Ausländerbehörde. Erst nach Vorliegen der schriftlichen Gründe des Urteils kann geprüft werden, ob überhaupt und welche Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen sind. 5. Ist der Senat bereit, nunmehr das EU-Türkei-Asso- ziationsrecht, die Assoziationsratsbeschlüsse 1/80 und 3/80 sowie die einschlägige Rechtsprechung des EuGH sachgerecht umzusetzen und die VAB (Verfahrenshin- weise der Ausländerbehörde Berlin) entsprechend zu än- dern? Falls nein, warum nicht? Zu 5.: Mit dem in der Antwort zu Frage 1 beschriebe- nen Verfahren ist sichergestellt, dass die ausländerrechtli- chen Sonderregelungen für türkische Staatsangehörige aufgrund des Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft-Tür- kei-Assoziationsrechts sachgerechte Anwendung finden. Berlin, den 25. April 2013 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Mai 2013)