Drucksache 17 / 11 908 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Fréderic Verrycken (SPD) vom 09. April 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. April 2013) und Antwort Verwendung des „Elektronischen Briefs“ im Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wo kommt die Verwendung des „elektronischen Briefs“ im Land Berlin und seinen Bezirken bereits zum Einsatz? Zu 1.: E-Mails ersetzen heute mehr und mehr den tra- ditionellen Brief. Einfache E-Mails werden im gesamten Land Berlin genutzt. Aufgrund der derzeitigen Rechtslage stellt dies jedoch keine vertrauliche und sichere Kommu- nikation dar und ist im Sinne von Schriftformersatz i.d.R. nicht rechtsverbindlich. Aufgrund der öffentlichen Diskussion zur DE-Mail wird angenommen, dass in der Anfrage mit „Verwendung des Elektronischen Briefs“ sichere Übermittlungs- und Transportwege sowie eindeutige Identifikationen der jeweiligen Kommunikationspartner gemeint sind, so dass Privatpersonen oder Unternehmen und Behörden rechts- verbindlich elektronische Nachrichten und Dokumente sicher, vertraulich und nachweisbar versenden und emp- fangen können. Daher wird im Folgenden insbesondere auf DE-Mail eingegangen. Für den Einsatz von DE-Mail hat der Bundestag das DE-Mail-Gesetz vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 666) beschlossen, das durch Artikel 2 Absatz 3 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist. Um einen spürbaren Nutzen durch den Einsatz von DE-Mail zu erlangen, soll zukünftig der Einsatz der DE-Mail und anderer sicherer Übertragungswege als Schriftformersatz mit dem E-Government-Gesetz zuge- lassen werden. Der Bundestag hat am 18.04.2013 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (E-Government-Gesetz - BT-Drs. 17/11473) in der vom Innenausschuss geänderten Fassung (BT-Drs. 17/13139) angenommen. Das Gesetz bedarf noch der Zu- stimmung des Bundesrates (im Plenum am 7. Juni 2013). DE-Mail und andere bundeseinheitliche Übermitt- lungswege im Sinne des E-Government-Gesetzes werden im Land Berlin noch nicht eingesetzt. Im Land Berlin wird das elektronische Behördenpostfach (eBPF) mit der virtuellen Poststelle (VPS) vielfach genutzt, womit eine sichere und zuverlässige Übertragung durch Nutzung des Online Services Computer Interface Standards (OSCI) gewährleistet wird. Die Berliner Justiz hat unter Verwendung dieser Dienste den elektronischen Zugang zu allen Gerichten und Staatsanwaltschaften eröffnet. Seit dem 1. Januar 2010 können elektronische Dokumente rechtswirksam mit dem Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht werden. Das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) wird für den Rechtsverkehr außerdem auch in einzelnen Verwaltungen eingesetzt, z.B. in der Senats- verwaltung für Finanzen oder im Bezirksamt Marzahn- Hellersdorf im Rechtsamt sowie im Amt für Bürgerdiens- te, Bereich Einbürgerungsstelle im Standesamt. Es gibt hierfür gegenwärtig 83 Postfächer. Im März 2013 wurden darüber im Justizumfeld etwa 27.000 Nach- richten versandt. Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) nutzt für verschiedene Fachverfahren vier elektronische Behördenpostfächer (eBPF). Darüber wur- den etwa 82.000 Nachrichten im März 2013 versandt. Hinzu kommt ein Fachverfahren der Bundesnotarkammer mit etwa 34.000 Nachrichten im März 2013. Im Bezirksamt Lichtenberg von Berlin haben die Or- ganisationseinheiten die Möglichkeit, E-Mails verschlüs- selt und einfach signiert zu empfangen und zu versenden. Praktisch wird dies jedoch nicht genutzt, weil es in der Anwendung zu kompliziert erscheint. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 908 2 2. Wo ist der Einsatz dieses Verfahrens zukünftig ge- plant und wenn ja, bis wann? Zu 2.: Sollte das vom Bundestag am 18.04.2013 be- schlossene E-Government-Gesetz in Kraft treten, wird das Land Berlin in Umsetzung des Bundesrechts schnellst- möglich sichere Übermittlungs- und Transportwege im Sinne des Gesetzes für die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung zur Verfügung stellen. Das IT Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ) klärt derzeit im Auftrag der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, welche Voraussetzungen geschaffen und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit Berliner Behörden DE-Mail nutzen können. Es ist geplant, in meh- reren Schritten die notwendigen Informationen für eine landesweite Entscheidung zum Aufbau einer Infrastruktur für diesen sicheren Übermittlungsweg zusammen zu führen . Konkretere Planungen zum Einsatz von DE-Mail für einzelne Fachverfahren in Verantwortung der jeweiligen Behörden sind derzeit nicht bekannt. 3. Welches finanzielle Einsparvolumen ist durch die Verwendung von „elektronischen Briefen“ zu verzeichnen bzw. geplant? Zu 3.: Fundierte Prognosen für das Land Berlin zum Einsparvolumen durch den Einsatz von DE-Mail liegen nicht vor und sind nur schwer kalkulierbar. Es werden Einsparpotentiale gesehen durch  geringere Druck-, Papier- und Materialkosten,  Einsparungen bei Prozesskosten und  geringere Portokosten. Bei den Prozesskosten könnte dies z.B. erreicht wer- den, indem automatisierte Versandmöglichkeiten genutzt werden. Außerdem werden sich die Antwortzeiten ver- kürzen und die interne Weiterleitung auf elektronischem Wege spart Zeit und Mühe. Zusätzlich könnte die automatische Ablage und Archivierung eingehender Dokumente i.V.m. elektronischen Akten weitere Effizienzgewinne mit sich bringen. Die Einsparmöglichkeiten werden im Wesentlichen bei Unternehmen zu erreichen sein, da durch die Wirt- schaft 80% des Briefverkehrs in Deutschland generiert werden. Allein hier schätzt das Bundesministerium des Innern das Einsparpotenzial auf ca. 720 Mio. – 1,2 Mrd. €. Da für die Berliner Verwaltung einmalige Planungs- und Entwicklungskosten in Höhe von mindestens ca. 400.000 EUR sowie ca. 700.000 EUR jährliche Betriebs- kosten anzusetzen sind, würden sich diese Kosten erst amortisieren, wenn innerhalb von fünf Jahren 18 Millio- nen Briefe z.B. per DE-Mail versendet würden. Dies er- scheint relativ unrealistisch. Nicht berücksichtigt wurden zusätzliche Kosten zur Anbindung der verschiedenen Fachverfahren. Eine seriösere Aussage wird wahrschein- lich erst möglich sein, wenn das ITDZ das betreffende Konzept vorgelegt hat. 4. Werden bei diesem Verfahren rechtliche und/oder datenschutzrechtliche Konflikte berührt, wenn ja wo? Zu 4.: Nicht unproblematisch erscheinen die hohen Sicherheitserwartungen an die elektronische Kommunika- tion, die sich nicht mit den bisher gewohnten und als hin- reichend sicher eingestuften papiergebundenen Kommunikationsprozessen decken. Zur Beseitigung bisher verbliebener rechtlicher Kon- flikte wird wie zu 1. dargestellt, der Einsatz der DE-Mail und andere sicherer Übertragungswege als Schriftformer- satz mit dem E-Government-Gesetz zugelassen. Datenschutzrechtliche Konflikte bei der Nutzung des DE-Mail-Dienstes werden dennoch viel diskutiert, weil die auf den Servern der Diensteanbieter eingehenden Mails dort entschlüsselt werden, um sie vor der Weiterleitung an den Adressaten wieder neu zu verschlüsseln. Der Senat hatte in seiner Stellungnahme zum Entwurf des E- Government-Gesetzes dies zu einem der Kernpunkte der Kritik gemacht. Der Gesetzgeber hat dies allerdings in Kauf genommen. Im parlamentarischen Verfahren wur- den neben DE-Mail nun auch andere sichere Verfahren zugelassen. Optional ist auch bei DE-Mail eine Ende-zu-Ende- Verschlüsselung möglich. Konfliktträchtig bleibt auch zukünftig die Nutzung ei- nes sicheren Übermittlungsweges für die Bürgerinnen und den Bürger, wenn es um die elektronische Zugangseröff- nung geht. Gegenüber der Verwaltung muss der Empfän- ger gemäß § 3a Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz den Zugang zur Übermittlung elektronischer Dokumente er- öffnet haben. Weit verbreitet ist die Verkehrsauffassung, wonach die Bürgerin und der Bürger nicht zwingend bei Nutzung eines DE-Mail-Dienstes seinen elektronischen Zugang allgemein eröffnet hat, wie dies mit einem Brief- kasten geschieht. Auch dies zeigt die Diskrepanz zu den bisher gewohnten papiergebundenen Kommunikations- prozessen. Allerdings könnten sichere Übermittlungs- und Trans- portwege in Kombination mit dem neuen Personalausweis und nach kritischer Überprüfung oftmals überkommener tradierter gesetzlicher Schriftformerfordernisse mittelfris- tig ein Erfolgsmodell auch für die öffentliche Verwaltung werden. Berlin, den 08. Mai 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Juni 2013)