Drucksache 17 / 11 920 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 17. April 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. April 2013) und Antwort Sexuelle Gewalt wirksam bekämpfen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Aktivitäten hat der Senat bisher unternom- men, um die Ergebnisse und Festlegungen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“, der Ende 2011 seinen Schlussbericht der Bundesregierung vorlegte, um- zusetzen? 2. In welcher Höhe beteiligt sich das Land Berlin am Hilfsfonds für Betroffene, der mit einem Betrag von ins- gesamt 100 Mio. Euro am 1. Mai 2013 starten sollte bzw. warum beteiligt sich das Land Berlin nicht an diesem Fonds? 3. Welche Strukturen (Anlauf- und Beratungsstellen) stehen im Land für Betroffene zur Verfügung, um Mittel aus dem Hilfsfonds zu beantragen und Unterstützung zu erhalten? Zu 1. – 3.: Der Senat bekennt sich grundsätzlich zu den Empfehlungen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch “ und ist bemüht, die Voraussetzungen für notwendige Hilfeleistungen an Betroffene zu schaffen. Wie alle Länder setzt sich das Land Berlin daher im Rahmen der unter Federführung der Jugend- und Famili- enministerkonferenz (JFMK) geführten Verhandlungen mit dem Bund dafür ein, dass das ergänzende Hilfesystem (EHS) als Ergänzung zum Regelsystem des Fünften Bu- ches Sozialgesetzbuch (SGB V) und des Opferentschädi- gungsgesetzes (OEG) zeitnah startet. Nach dem Vorschlag des Bundes soll das EHS aus ei- nem steuernden Lenkungsausschuss, einer Clearingstelle beim Bund, die über Anträge entscheidet, einer Ge- schäftsstelle sowie aus Anlauf- und Beratungsstellen in den Ländern, die zur Antragstellung beraten, bestehen. Die Verhandlungen zwischen allen Beteiligten zur Einrichtung eines ergänzenden Hilfesystems (EHS) für Opfer sexuellen Missbrauchs sind noch nicht abgeschlos- sen und erfordern noch einen umfangreichen Gesprächs- und Abstimmungsbedarf. Im Einvernehmen mit der Mehrheit der Länder über- nimmt Berlin seine Verantwortung als Arbeitgeber für Einrichtungen, in denen es zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Beschäftigte des Landes gekommen ist. Unabhängig davon wird allerdings die Notwendigkeit gesehen, allen Opfern sexuellen Miss- brauchs einen unbürokratischen Zugang zu bestehenden Hilfesystemen zu eröffnen. Die Bundesregierung ist auf- gefordert, zu prüfen, ob bestehende Hilfesysteme entspre- chend weiterentwickelt werden müssen. Entsprechend der Empfehlungen des Runden Tisches hat daher die Erweite- rung bestehender Regelsysteme (u. a. Gesetzliche Kran- kenversicherung, SGB V und OEG) Vorrang vor der Schaffung eines ergänzenden Hilfesystems. Zurzeit stehen noch keine Anlauf- und Beratungsstel- len zur Verfügung. Da es sich bei den Betroffenen um lebensältere Menschen handelt, die im Wesentlichen Be- darf an Therapie, Psychotherapie und entsprechender Be- ratung haben, muss das Land Berlin prüfen, an welche Beratungsstellen die erforderlichen Strukturen angeknüpft werden können. Dabei geht es im Wesentlichen um die Beratung und Unterstützung von hilfebedürftigen Perso- nen in seelischen, psychosozialen und psychosomatisch bedingten Krisen sowie Förderung von Selbsthilfe, Kri- senprävention und berufliche Rehabilitation benachtei- ligter und psychisch kranker Menschen. 4. Mit welchen Projekten beteiligt(e) sich das Land Berlin am „Forschungsnetz: Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt – Ursachen, Folgen, Prävention und Therapie“, welches der Bund mit insgesamt 30 Mio. Euro für drei Jahre ausstattet, um Forschungen auf diesem Ge- biet zu initiieren, und wenn nein, warum beteiligt sich Berlin nicht? Zu 4.: Für das Land Berlin beteiligt sich die Charité – Universitätsmedizin Berlin mit unterschiedlichen For- schungsprojekten im Rahmen des Forschungsnetzes Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 920 2 „Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt – Ursachen, Folgen, Prävention und Therapie“. Zu den bereits laufenden Projekten zählen das Forschungsprojekt „UBICA - Neurobiologische Mechanismen und psychotherapeuti- sche Interventionen bei Kindern und ihren Müttern mit depressiven Erkrankungen“ sowie das Forschungsprojekt „NeMup-Nord - Neurobiologische Grundlagen von Pädophilie und sexuellem Missbrauchsverhalten gegen Kinder: Empathiefähigkeit und ihre Rolle in der Regulation sexu- eller Erregung“ (siehe Kurzbeschreibungen online unter http://www.gesundheitsforschung- bmbf.de/de/4543.php#AMIS) Ein weiteres Forschungsvorhaben der Charité Berlin ist das Projekt „Berliner Longitudinal Berlin Longitudinal Children Study (B-LCS): Immediate biological embed- ding of maltreatment in children“, das voraussichtlich im Juni 2013 starten wird. 5. In welcher Art und Weise beteiligt sich das Land Berlin an der Kampagne „Kein Raum für Missbrauch “ und an der bundesweiten Initiative „Trau Dich“ zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs? Zu 5.: Das Land Berlin unterstützt die Kampagne „Kein Raum für Missbrauch“ sowie die bundesweite Initiative „Trau Dich“ im Rahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie durch Einbindung in bereits laufende Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe sowie in Akti- vitäten der Schulen in Berlin. Die Informationen, Materi- alien und Plakate liegen allen Jugendämtern und Schulen vor. Die Geschäftsstelle des „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt“ hat überdies allen Mitgliedern des Netzwerks eine Auswahl an Produkten der Kampagne zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung gestellt, um eine breite Beteiligung zu erreichen. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Kleinen Anfrage 17/10976 verwiesen. Darüber hinaus hat der Regierende Bürgermeister von Berlin, wie viele Ministerpräsidentinnen und Ministerprä- sidenten, die Kampagne zum Auftakt durch ein Statement unterstützt. 6. Welche Ergebnisse liegen bisher im Hinblick auf die Zielstellung des „Berliner Netzwerks gegen sexuelle Gewalt“ vor, einen Vorschlag zu erarbeiten, wie die Arbeit an dem Thema sexuelle Gewalt im Land Berlin wei- ter- und ressortübergreifend ausgestaltet werden soll und wie ist der Stand der „integrierten Maßnahmeplanung “ des Netzwerks (s. Kleine Antrage 17/10976)? Zu 6.: Seit die ressort- und institutionenübergreifende Struktur des „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt “ im November 2012 vom Lenkungsgremium beschlossen wurde, konnte die inhaltliche Arbeit, einen Vorschlag zu entwickeln, wie die Arbeit an dem Thema sexuelle Gewalt im Land Berlin weiter- und ressortüber- greifend ausgestaltet werden soll, gestartet werden. Be- reits seit Ende 2012 finden regelmäßige Arbeitssitzungen der zu diesem Zweck eingesetzten Ad-Hoc-Arbeitsgrup- pen statt, in denen der diesbezügliche Handlungsbedarf fachlich in den Blick genommen und Vorschläge für des- sen Realisierung ausgearbeitet werden. Diese fließen in die weitere fachliche Auseinandersetzung ein mit dem Ziel, eine integrierte Maßnahmenplanung bis Ende 2013 fertigzustellen und dem Lenkungsgremium zur Entschei- dung vorzulegen. Anschließend soll eine Senatsvorlage erstellt und eingebracht werden. Ergänzende Informatio- nen über erzielte Ergebnisse finden sich auf der Internet- seite zu den Ad-Hoc-Arbeitsgruppen des Netzwerks www.berlin.de/sen/gesundheit/gesundheitspolitik/berli- nernetzwerk/ad-hoc-arbeitsgruppen/ 7. In welcher Höhe und für welche konkreten Aufga- ben stehen dem „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt “ Landeshaushaltsmittel für 2013 zur Verfügung und welche weiteren Ressourcen, einschließlich Personalres- sourcen, sind vorhanden? Welche Ressourcen sind zur Ausstattung 2014 und 2015 geplant? Zu 7.: Für das Jahr 2013 stehen Landeshaushaltsmittel in Höhe von insgesamt 50.000 € für die Erstellung der integrierten Maßnahmenplanung einschließlich Unterstüt- zung des „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt“ zur Verfügung. Weitere Ressourcen stellen die Mitglieder des Netzwerkes etwa durch ihre Mitwirkung im Rahmen der regelmäßigen Arbeitssitzungen zur Verfügung. Darüber hinaus werden seit 2013 jährliche Landes- haushaltsmittel für die Koordinierung des speziellen Themenbereichs "Erwachsene Frauen" bereitgestellt. Aufgrund der noch laufenden Abstimmungen im Rahmen der Aufstellung des Doppelhaushalts 2014/2015 kann über eine Ausstattung in 2014/2015 noch keine Aussage getroffen werden. 8. Welchen speziellen Beitrag erbringt die für Jugend und Familie zuständige Senatsverwaltung im „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt“ und wo sieht sie als Fachverwaltung ihre Arbeitsschwerpunkte? 9. Wie ordnet sich das „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt“ in das Netzwerk Kinderschutz im Land Berlin ein? Wer koordiniert und betreut die Schnittstellen und welche gemeinsamen Aktivitäten/Strukturen gibt es bzw. sind geplant? Wie sind Zuständigkeiten und Kom- petenzen geregelt? Zu 8. - 9.: Das Land Berlin hat bereits mit der Umset- zung des im Februar 2007 vom Senat beschlossenen „Konzept für ein Netzwerk Kinderschutz“ und des „Berliner Gesetz zum Schutz und Wohl des Kindes“ vielfältige Maßnahmen zur Verbesserung des Kinderschutzes ergrif- fen sowie verbindliche Strukturen in der Zusammenarbeit im „Netzwerk Kinderschutz“ aufgebaut. Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs als Tatbestandsmerkmal der Kindeswohlgefährdung sind unmittelbarer Bestandteil von Kinderschutz und entsprechend in der Senatskonzep- tion „Netzwerk Kinderschutz“ verankert. Die Umsetzung der vielfältigen Arbeitsaufträge aus dem Senatsbeschluss erfolgt im Rahmen der Projektorga- nisation und wird in festgelegten Strukturen (Lenkungs- gruppe und Projektgruppe) bearbeitet und beschlossen. Die vorhandenen Kompetenzen und Erfahrungen werden Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 920 3 in das „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt“ eingebracht und nutzbar gemacht, insbesondere bei der Ent- wicklung einer integrierten Maßnahmenplanung. Somit ist eine Verzahnung zwischen den beiden Netzwerken gesi- chert, die es ermöglicht, das komplexe Themenfeld der sexuellen Gewalt an den Schnittstellen bedarfs-, zielgrup- pen- und kontextgerecht zu bearbeiten. Im Übrigen unter- stützt die für Jugend und Familie zuständige Senatsver- waltung das Ziel der für das Gesundheitswesen zuständi- gen Senatsverwaltung, eine integrierte Maßnah- menplanung zu entwickeln, die nach Befassung im Senat dem Abgeordnetenhaus zur Entscheidung vorgelegt wer- den soll. Berlin, den 27. Mai 2013 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Jun. 2013)