Drucksache 17 / 11 968 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Alex Lubawinski (SPD) vom 21. April 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. April 2013) und Antwort AV Honorare Musikschulen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Am 01. August 2012 wurden die „Ausführungsvorschriften über die Honorare der Musikschulen (AV Hono- rare Mus)“ durch die zuständige Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft erlassen. Dies geschah u.a. mit der Zielsetzung, den Verdacht auf Scheinselb- ständigkeit der freien Mitarbeiter der Musikschulen auf vertraglicher Ebene auszuräumen. Hier hat der Senat zu- gesagt, dass es keine Verschlechterungen geben soll. Die Proteste der Lehrerschaft und anderer relevanter Gremien halten jedoch an. Dies wird begründet damit, dass die neu abzuschließenden Honorarverträge auf Basis der genann- ten „AV Honorare Mus“ doch zu teils erheblichen Verschlechterungen der Lage der Lehrkräfte führen. 1. In wie weit ist es zutreffend, dass die Einführung der neuen „Ausführungsvorschriften über die Honorare der Musikschulen (AV Honorare Mus)“ entgegen der erklärten Absicht des Senats zu einer Verschlechterung der ohnehin prekären Arbeitssituation der freien Mitarbei- ter an den Berliner Musikschulen führt? Insbesondere in welcher Höhe ergeben sich Einkommensverluste durch das geplante neue Berechnungssystem der Honorare der freien Mitarbeiter? Welchen Stand haben die direkten Gespräche mit den betroffenen Lehrkräften der Berliner Musikschulen? 2. Warum werden auf Empfehlung von SenBJW den freien Mitarbeitern der Berliner Musikschulen unter An- drohung der Kündigung neue Honorarverträge angeboten, die zur Beendigung der bisherigen Dienstverhältnisse führen, statt die bisherigen Verträge den geänderten Rah- menbedingungen anzupassen? Zu 1. und 2.: Die Umstellung der Verträge für freibe- rufliche Lehrkräfte an Musikschulen wird aktuell von einer Kampagne begleitet, die eine Vielzahl von Sachver- halten z.T. falsch, z.T. verzerrt darstellt. Daher hat die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Ende Mai ein „Informationsblatt zu den Ausführungsvor- schriften über Honorare und den Neuverträgen der Berli- ner Musikschulen“ herausgegeben. Das Informationsblatt (siehe Anlage) beantwortet die aufgeworfenen Fragen. Direkte Gespräche mit Lehrkräften der Berliner Mu- sikschulen werden von meiner Verwaltung nicht geführt, da die Honorarverträge der Lehrkräfte von den Bezirken geschlossen werden. 3. Wie bewertet der Senat das Entstehen einer Kündi- gungswelle an den Berliner Musikschulen hinsichtlich der Qualität und der Erfüllung deren Bildungsauftrages? Wel- che Maßnahmen wurden dagegen ergriffen. Zu 3.: Der Senat geht davon aus, dass die Lehrkräfte an den Berliner Musikschulen in weit überwiegender Zahl die von den Bezirken angebotenen Verträge annehmen. Berlin, den 13. Juni 2013 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Jul. 2013) – Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Der Staatssekretär Information zu den Ausführungsvorschriften über Honorare und den Neuverträgen der Berliner Musikschulen 1.) Behauptet wird: Der Senat zwingt die Bezirke bzw. bezirklichen Musikschulen zur Kündigung laufender Verträge. Richtig ist: Senat und Bezirke sind gleichermaßen daran interessiert, die Dienstverträge mit allen freiberuflichen Lehrkräften fortzusetzen. Allerdings ist es zwingend notwendig, die Vertragsverhältnisse so zu gestalten, dass über den versicherungsrechtlichen Status der freien Mitarbeiter keine Zweifel bestehen. Die neue Honorarordnung (sog. "AV Honorare") und das Bestehen auf eine Einzelabrechnung der geleisteten Stunden tragen dem versicherungsrechtlichen Status der Selbständigkeit der freiberuflichen Lehrkräfte Rechnung und dienen der Absicherung gegen Scheinselbständigkeit. Die Notwendigkeit einer Vertragsanpassung leitet sich ab aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. BSG B 12 KR 26/02), der Rechtsauffassung der Deutschen Rentenversicherung und aus der auch jetzt schon gültigen Landeshaushaltsordnung. Die Gestaltung der Vertragsverhältnisse mit freiberuflichen Lehrkräften an Musikschulen war in der jüngsten Vergangenheit Gegenstand mehrerer Prüfungen der Deutschen Rentenversicherung; um festgestellte Mängel in der Vertragsgestaltung einzelner Musikschulen zu beseitigen und – drohende Nachforderungen der Rentenversicherung gegenüber den Musikschulen und Musiklehrkräften abzuwenden, hat die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft mit der Rentenversicherung einen rechtssicheren Mustervertrag ausgearbeitet. Der Mustervertrag ist für die Bezirke bzw. bezirklichen Musikschulen als die eigentlichen vertragsschließenden Parteien lediglich eine Empfehlung. Werden allerdings die Verträge nicht umgestellt bzw. wird in wesentlichen Punkten vom Mustervertrag abgewichen, so erfolgt dies auf Risiko der einzelnen Musikschule bzw. des Bezirks. 2.) Behauptet wird: Die neuen Verträge bedeuten eine deutliche Einkommens- verschlechterung für die Musikschullehrer/ innen Richtig ist: Da die bisher geltenden Monatssätze der freiberuflich Tätigen auf Basis von 39 Unterrichtswochen pro Jahr errechnet wurden, die tatsächlich geleisteten Unterrichtsstunden diese Zeit aber oft nicht erreichten (z.B. Feiertage, Ausfall), wurden in der Vergangenheit Leistungen vergütet, die nicht erbracht wurden. Dies ist mit geltender Rechtslage nicht vereinbar: Da die Führung eines Leistungsnachweises bei Selbständigen Voraussetzung für die Zahlung der Vergütung durch den Auftraggeber ist, können nicht geleistete Unterrichtsstunden nicht mehr vergütet werden. – Je nach Verteilung der Unterrichtsstunden auf bestimmte Wochentage kann es durch die Umstellung auf die notwendige Einzelstundenabrechnung durchaus individuell zu (überschaubaren) Einkommensnachteilen kommen. Umgekehrt sind mit den Neuregelungen aber auch Einkommensvorteile verbunden: o Pflicht zur Honorierung von Schülervorspielen und sonstigen Tätigkeiten (wie Elterngespräche, Teilnahme an Fachkonferenzen, AGs, Begutachtung und Pflege von Instrumenten). Zur Vergütung in vollem Umfang sind alle Musikschulen künftig verpflichtet; Vereinbarungen — 2 — hierzu sind gesondert zu treffen. Die Honorarsätze für diese Tätigkeiten orientieren sich an den für alle Honorarkräfte des Landes geltenden Bandbreiten. o Bestimmte Unterrichtsformen wie z.B. Musikalische Früherziehung und Unterricht in Kooperationsangeboten werden seit Inkrafttreten der neuen AV Honorare mit 2,- € zusätzlich vergütet. 3.) Behauptet wird: Verzögerte Anpassungen an tarifliche Entgelterhöhungen führen zu Einkommenseinbußen! Richtig ist: Musiklehrkräfte sind gegenüber anderen Gruppen von Honorarkräften deutlich bessergestellt, da ihnen eine automatische Tarifanpassung an die Entwicklung der Tarife bei den Angestellten des Landes Berlin gewährt wird. Es handelt sich hierbei um eine freiwillige Leistung des Landes! Die Anpassung erfolgt aus Gründen der Haushaltsvorsorge (ggf. Entgelterhöhungen zur Kompensation) und der betrieblichen Organisation jeweils zum 1. August des Folgejahres. Die neue AV Honorare bestimmt erstmalig den konkreten Zeitpunkt der Anpassung; vorher war die Regelung unbestimmt. Allein in den Jahren 2012 und 2013 erfolgt durch diese automatische Dynamisierung der Entgelte eine Verbesserung der Einkommenssituation der Musiklehrkräfte um 7,3%. 4.) Behauptet wird: Die neuen Verträge erzeugen einen neuen bürokratischen Aufwand durch Einführung der Einzelstundenabrechnung. Richtig ist: Die Umstellung der Abrechnungsform auf eine Einzelabrechnung ist aus rechtlichen Erwägungen heraus erforderlich. Zum Nachweis der erbrachten Leistungen ist von der Lehrkraft künftig eine (Sammel-) Liste über die erbrachten Unterrichtsstunden zu führen und der Musikschule unterschrieben einzureichen. Der Zeitaufwand für das Führen einer solchen Liste ist überschaubar und wird nicht gesondert vergütet, da dies zu den vertraglichen Nebenpflichten gehört. Die Abrechnung der Leistungen soll in der Regel monatlich erfolgen. Abschlagszahlungen können gemäß den Ausführungsvorschriften der AV Honorare im gegenseitigen Einvernehmen vereinbart werden, bedürfen aber einer einmaligen Zusatzvereinbarung. Mittelfristig werden die von den Musikschulen bereitgestellten Abrechnungsbögen mit dem neuen IT-Fachverfahren für die jeweilige Lehrkraft den Auftragsumfang pro Woche und Monat eingedruckt enthalten. Bei Durchführung der Leistung ist nur die Bestätigung notwendig. 5.) Behauptet wird: Für die Honorarkräfte an den bezirklichen Musikschulen gibt es keine soziale Absicherung und keinen Mutterschutz! Richtig ist: Freiberufliche Musikschullehrkräfte sind nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz über die Künstlersozialkasse gesetzlich kranken-, renten- und pflegeversichert (sofern sie nicht anderweitig versichert sind). Das Land Berlin leistet dafür Zahlungen an die Künstlersozialkasse. Das durchaus ernst zu nehmende Problem der Altersvorsorge vieler freiberuflich Tätiger liegt in der ggf. schwachen Auftragslage (somit nur eingeschränkte Fähigkeit, selbst ausreichend weitere Beiträge abzuführen) und nicht in der fehlenden sozialen Absicherung. Für arbeitnehmerähnliche Lehrkräfte sieht die AV Honorare eine Absicherung im Krankheitsfall vor. Das Ausfallhonorar bei Krankheit beträgt 80% des Honorars bis zu 6 Wochen pro Jahr ab dem 4. Tag der Krankschreibung. Diese Regelung ist eine freiwillige Leistung des Landes für die Lehrkräfte an den bezirklichen Musikschulen. — 3 — Die Behauptung, dass freiberufliche Musikschullehrerinnen keinen Mutterschutz genießen, ist schlicht falsch. Richtig ist: Als Mitglieder der Künstlersozialkasse haben freiberufliche Musikschullehrkräfte Anspruch auf Mutterschaftsgeld im Regelfall 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung, und zwar in Höhe von 70% des voraussichtlich erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens. Beiträge zur Künstlersozialkasse entfallen in dieser Zeit. 6.) Behauptet wird: Die für die Vertragsumstellung nötige Software ("MS-IT") wird nicht fertig und verzögert sich bis Ende des Jahres! Richtig ist: Die Einführung einer Verwaltungssoftware ist für die Vertragsumstellung zwar hilfreich, aber keine zwingende Voraussetzung. Das Land unterstützt die bezirklichen Musikschulen bei dem IT-Projekt "MS-IT", die Einführung und Schaffung der personalrechtlichen Voraussetzungen (Qualifizierung und Gremienbeteiligung) liegen in der Verantwortung der Bezirke. Der Testbetrieb des Softwaresystems läuft aktuell in vier Bezirken. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich die für den 1. August 2013 geplante Auslieferung an alle Bezirke verzögert. Nach aktueller Auskunft der Projektleitung wird die Auslieferung der funktionsfähigen Software wie vertraglich vereinbart zum 1. August 2013 erfolgen. 7.) Behauptet wird: Der hohe Anteil an Honorarkräften an den bezirklichen Musikschulen ist nicht vertretbar! Richtig ist: Die weit überwiegende Unterrichtserbringung durch freiberufliche Lehrkräfte in Berlin ist das Ergebnis verschiedener Entwicklungsprozesse der letzten Jahrzehnte. Dazu beigetragen haben die historisch bedingten Ausstattungsunterschiede bei den Musikschulen (im Westteil der Stadt überwiegend Unterricht durch freiberufliche Lehrkräfte) vor der Wiedervereinigung und die danach notwendigen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung (Abbau der Festangestellten im Ostteil der Stadt). Die Leistungserbringung durch freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglicht bei den gegebenen finanziellen Ressourcen eine bundesweit vergleichsweise sehr gute Versorgung der Bevölkerung mit Musikschulunterricht. Bei gegebenen Ressourcen ist die Schaffung fester Stellen im größeren Umfang nicht möglich, ohne den Versorgungsgrad zu gefährden. Aus fachlicher Sicht wäre mittelfristig ein erhöhter Anteil von Festangestellten (z.B. Zielzahl 20% statt 10%) durchaus wünschenswert. Der Senat ist mit den Bezirken im Gespräch über Mindeststandards, zu denen auch die Basisausstattung einer Musikschule gehört. 8.) Behauptet wird: Die Anpassung der Ausführungsvorschriften für die bezirklichen Musikschulen (AV Honorare) und die Umstellung der Verträge führen zu Einsparungen von Landesmitteln! Richtig ist: Mit der Umsetzung der AV Honorare und den neuen Verträgen werden berlinweit keine Honorarmittel eingespart. Die Landesmittel für die bezirklichen Musikschulen stehen den Musikschulen nicht nur in der bisherigen Höhe zur Verfügung, sondern wurden 2012 sogar aufgestockt. Um die Eltern von einer - eigentlich vorgesehenen - Entgelterhöhung zu entlasten, wurden durch das Land zur Finanzierung der Honorarerhöhungen zusätzliche Mittel von 480.000,- € in 2012 und 1,3 Mio. € in 2013 zur Verfügung gestellt. Prozentual erhöhten sich die Honorarausgaben der Musikschulen um ca. 8% von ca. 21,7 Mio. € in 2008 auf ca. 23,6 Mio. € in 2012. Rechnet man die für 2013 zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 1,3 Mio. € hinzu, so können sich die Honorarausgaben auf bis zu 24,9 Mio. € erhöhen (ein Anstieg gegenüber 2008 um ca. 14%). — 4 — 9.) Behauptet wird: Die neuen Verträge der bezirklichen Musikschulen können von den Honorarkräften nicht unterschrieben werden. Der Druck ist auch deshalb nötig, um Aufnahme von Tarifverhandlungen mit dem Senat zu erzwingen! Richtig ist: Die grundsätzlich legitime Forderung nach Aufnahme von Tarifgesprächen für die Musikschullehrkräfte hat mit der Frage der Vertragsanpassungen nichts zu tun. Die Verbindung ist eine politische Instrumentalisierung, die lediglich zur Verunsicherung an den Musikschulen führt. Die Aufnahme von Tarifverhandlungen für die freiberuflichen Lehrkräfte wird von der zuständigen Senatsverwaltung für Finanzen unter anderem aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Berlins abgelehnt. Seit Wiedereintritt Berlins in die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) setzt der Abschluss von Tarifverträgen zudem die Zustimmung aller Mitgliedsländer voraus, die nicht absehbar ist. Einen entsprechenden Tarifvertrag gibt es in keinem Bundesland. Zudem gelten für freiberufliche Musikschullehrkräfte in Berlin sehr weitgehende Honorarregelungen (Dynamisierung der Entgelte, Urlaubsgeld, Zuschlag zum Honorar, gesetzliche Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung bei Mitgliedschaft in Künstlersozialkasse, Ausfallhonorare bei Krankheit); weitergehende Regelungen könnte ein Tarifvertrag kaum fassen. Mark Rackles ka17-11968 K1711968-Anlage