Drucksache 17 / 11 978 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 24. April 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. April 2013) und Antwort „Brennpunktschulen“ - Stigmatisierung oder (selektive) Unterstützung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass 25 Prozent der allgemeinbildenden Schulen in Berlin als „besonders belastet“ gelten? Zu 1.: Zur Identifikation der Schulen, die am geplan- ten Programm „Struktur- und Leistungsbonus“ teilhaben sollen, wurde der prozentuale Anteil von Schülerinnen und Schülern, deren Familien von der Zuzahlung bei Lernmitteln befreit sind, zu Grunde gelegt. Insofern wi- derspiegelt dieser Ansatz die soziale Situation der Fami- lien in der Stadt und trägt dazu bei, dass die zur Verfü- gung stehenden Mittel zielgerichtet zum Ausgleich sozia- ler Nachteile eingesetzt werden können. 2. Welche Art von Leistungen wird durch den „Struktur- und Leistungsbonus“ belohnt? Zu 2.: Die Zuweisung der Mittel aus dem geplanten Programm „Struktur- und Leistungsbonus“ soll in Form einer Basiszuweisung nach dem prozentualen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Lernmittelzuzahlungsbe- freiung, einer Strukturzulage, wenn sich die Schule im Programm Aktionsraum Plus/Soziale Stadt befindet, einer Kooperationszulage für jede Schule, die mit anderen ver- bindlich zusammenarbeitet und einer erfolgsabhängigen Zahlung (Leistungsbonus) erfolgen. Dieser Leistungsbo- nus soll nach bisherigen Planungen in den ersten beiden Jahren fest sein und kann in den folgenden Jahren bei nachgewiesener erfolgreicher Arbeit ansteigen, während in dieser Zeit die Basiszulage sinken soll. In diesen Fällen soll dann die Höhe der Gesamtförderung über Jahre kon- stant bleiben. 3. Wie will der Senat sichergehen, dass durch die Veröffentlichung derjenigen Schulen, die für „das Programm zur Unterstützung von besonders belasteten Schu- len“ ausgewählt wurden, keine Stigmatisierung durch das Labeling als „Brennpunktschule“ entsteht? Zu 3.: Da das einzige Auswahlkriterium der Faktor Lernmittelzuzahlungsbefreiung ist, sollen sowohl Schulen mit ganz ausgezeichneten, als auch mit weniger guten Ergebnissen u.a. in der Schulinspektion, beim Mittleren Schulabschluss (MSA), in der Nachfrage nach Schulplät- zen in dieses Programm aufgenommen werden. Jede Schule wird – ausgehend von ihrer individuellen Ausgangssituation - durch die Schulaufsicht begleitet, um für jede einzelne Schule deren Entwicklungsschritte, und damit auch die Teilhabe am Leistungsbonus, zu belegen. Auch die Zahl von über 200 potenziellen Programmschu- len dürfte eine allgemeine Stigmatisierung entgegenwir- ken. 4. Haben sich Schulen geweigert, die Daten über den Anteil von den von Zuzahlung des Eigenanteils zu Lern- mitteln befreiten (lmb) SchülerInnen zu veröffentlichen bzw. an dem Programm teilzunehmen, um einer solchen Stigmatisierung zu entgehen? a) Wenn ja, wie viele sind dies und wie hat der Senat darauf reagiert? Zu 4.: Für jede Schule liegen die erforderlichen Daten vor. Sie werden im Rahmen der jährlichen statistischen Erhebungen ermittelt. 5. Plant der Senat langfristige Maßnahmen, um die erschreckend hohe Zahl von Schulen in schwieriger Lage, die besondere Unterstützung benötigen, zu senken? a) Wenn ja, werden diese in Zusammenarbeit mit den SenatorInnen für Arbeit, Integration und Frauen und Ge- sundheit und Soziales geschehen? b) Wie werden diese Maßnahmen konkret aussehen? c) Wenn nein, wieso nicht? Zu 5.: Wie in der Antwort zu 1. angeführt, spiegelt die Auswahl der Schulen für das Programm „Struktur- und Leistungsbonus“ die soziale Lage der Familien in unserer Stadt. Demzufolge sind alle Programme und Mittel, die Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 978 2 zur Verbesserung der Lebenssituation der Familien einge- setzt werden, gleichzeitig geeignet, diese Schulen zu un- terstützen. 6. Unter den 207 Schulen, die für das Programm ausgewählt worden sind, sind lediglich vier Gymnasien. Wie begründet der Senat diesen Umstand? Zu 6.: Für die Gymnasien gelten wie für alle Schulen im Land Berlin das gleiche Kriterium – die Zahl der Schülerinnen und Schüler, deren Familien von der Zuzah- lung zu Lernmitteln befreit sind, ist hier geringer. 7. Wieso nehmen keine Oberstufenzentren und berufliche Schulen an dem Programm teil? Wenn nein, warum nicht? 8. Welche OSZ/ beruflichen Schulen fallen auch unter die Kriterien, die für „das Programm zur Unterstützung von besonders belasteten Schulen“ festgelegt wurden und müssten demnach auch an dem Programm parti- zipieren können? Zu 7. und 8.: Das Programm soll sich auf die allge- meinbildenden Schulen konzentrieren. 9. Gibt es Schulen in Berlin (inklusive OSZ und berufsbildende Schulen), die keinerlei zusätzliche Förderung durch vom Senat erlassene Programme erhalten? a) Wenn ja, welche? (sortiert nach Schule und Bezirk) b) Aus welchen Gründen erhalten diese Schulen kei- nerlei Förderung? c) Sieht der Senat eine Benachteiligung von Schulen, die keinerlei Förderung erhalten, gegenüber geförderten Schulen? Zu 9. a bis c: Durch die Zumessungsrichtlinien zur Einrichtung des Schuljahres ist eine bedarfsgerechte Aus- stattung aller Schulen auf der Grundlage sozialer Daten wie Lernmittelbefreiung und Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund gegeben. Dadurch erfolgt – über die Stundentafel hinaus – eine strukturelle Stützung der Schulen entsprechend dem vorliegenden Bedarf. Zusätzliche Programme werden bedarfsgerecht in gro- ßer Vielfalt an den Schulen umgesetzt (wie z.B. im Rah- men des Programms „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“). Schulen sollen die Förderung im Programm „Strukturund Leistungsbonus“ erhalten, um die Benachteiligung besonders belasteter Schulen gegenüber weniger belaste- ten abzubauen. 10. Hat der Senat eine Evaluation der bisherigen Förderung von besonders belasteten Schulen durch zu- sätzliche Ressourcen durchgeführt? a) Wenn ja, wie lauten die Ergebnisse? b) Wieso hat die bisherige Förderung nicht ausge- reicht? Zu 10. a und b: Im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft haben Berliner Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftler, Herr Prof. Ehlich (Humboldt-Universität zu Berlin – HU Berlin), Frau Prof. Valtin (Freie Universität Berlin – FU Berlin) und Frau Dr. Lütke (HU Berlin), unter Beratung von Frau Prof. Stanat (Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen - IQB) die Expertise „Erfolgreiche Sprachförderung unter Berücksichtigung der besonderen Situation Berlins“ vorgelegt . Die Expertise enthält Empfehlungen evidenzba- sierter Methoden und Strategien für erfolgreiche Sprach- bildung auf der Grundlage von Forschungsergebnissen und einer Analyse der Sprachförderung an Berliner Schu- len. Diese Empfehlungen für erfolgreiche Sprachbildung haben unterschiedliche Reichweiten und unterschiedli- chen Konkretionsgrad. In weiten Teilen bestätigen sie das Berliner Konzept, z.B. in Bezug auf die Verbindung von additiver und integrativer Förderung sowie in der Benen- nung von Sprachbildungskoordinatorinnen und Sprach- bildungskoordinatoren an Schulen, die gemäß Zumes- sungsrichtlinien zusätzliche Personalressourcen für Sprachförderung erhalten. Empfehlungen, die wegweisend für die Weiterent- wicklung des Berliner Konzepts für durchgängige Sprachbildung sind, werden umgesetzt, z.B. Integration des Rahmenlehrplans Deutsch als Zweitsprache in die Rahmenlehrpläne aller Fächer, Überarbeitung der Instru- mente zur Erhebung der Lernausgangslage samt Entwick- lung von Mindestanforderungen, Integration von Maß- nahmen zum Erwerb von Lesekompetenz in den Unter- richt, Transfer der Ergebnisse der Modellvorhaben „ProLesen “ und „LeseProfis-Peerprojekt zur Leseförderung “ in die Unterstützungssysteme, Vermittlung von Wissen in der Aus- und Fortbildung zu linguistischen und psycholinguistischen Themen, zum Schriftspracherwerb, zu förderdiagnostischen Verfahren, über Methoden zum Abbau der Lehrerlenkung, Entwicklung neuer Formen der fächer- bzw. fachgruppenübergreifenden Fortbildung, Qualifizierung von Sprachbildungskoordinatorinnen und Sprachbildungskoordinatoren an allen öffentlichen Berli- ner Schulen zur Koordinierung der Diagnose und Förde- rung, systematische Evaluation des Mitteleinsatzes für Sprachbildung und externe Evaluierung der Sprachbil- dungskonzepte der Schulen, Fortführung der Reform der 2. Phase hinsichtlich der Sprachbildung. Zur Evaluation der Wirksamkeit von Sprachförderung an der Berliner Schule existiert kein Verfahren. Die Komplexität des Spracherwerbsprozesses ist dergestalt, dass ausschließlich die Wirksamkeit einzelner Elemente erfasst werden kann. Dabei handelt es sich überwiegend um Input-Analysen: das Monitoring Sprachförderung und die Rückmeldung zu schuleigenen Sprachbildungskon- zepten. Aus deren Ergebnissen werden Rückschlüsse für die Beratung von Schulen und die Qualifizierung von Lehrkräften gezogen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 978 3 11. Welche Schulen werden die Kooperationszulage in Höhe von 10.000 Euro erhalten? (sortiert nach Schule und Bezirk) a) Ist diese Kooperationszulage eine einmalige Zahlung ? Zu 11.: Alle im Rahmen von Schul- oder Bildungs- verbünden am Programm beteiligten Schulen, die eine Kooperation mit weiteren Programmschulen eingehen, sollen eine Kooperationszulage erhalten. Berlin, den 31. Mai 2013 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Juni 2013)