Drucksache 17 / 11 997 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Delius (PIRATEN) vom 24. April 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. April 2013) und Antwort Schulverweigerung in Berlin III: Schulverweigerungsprojekte und Schulkooperationen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele und welche Schulverweigerungsprojekte (Einrichtungen der Jugendhilfe für schuldistanzierte junge Menschen) gibt es zurzeit in Berlin? (bitte nach Bezirken und Trägern und nach dem Förderungszeitraum auflisten). Zu 1.: Das Spektrum von Maßnahmen zur Vermei- dung von Schuldistanz, die entweder durch die Schule vorgehalten werden oder im Rahmen der Jungendhilfe erbracht werden, ist umfassend. a) Schulische Maßnahmen Im Rahmen ihrer Bemühungen schuldistanziertem Verhalten entgegenzuwirken, entwickeln die Schulen eigenverantwortlich standortspezifische Konzepte. Dabei werden sie von der regionalen Schulaufsicht unterstützt. Das Programm „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen “ trägt wesentlich zur Konzeptentwicklung und dessen Umsetzung bei. Differenzierte Angaben werden in diesem Zusammenhang zentral nicht erfasst. Eine entsprechende Recherche ist im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht zu leisten. b) Maßnahmen der Jugendhilfe Schulverweigerungsprojekte als Einrichtungen der Ju- gendhilfe gibt es im Wesentlichen als individuelle statio- näre und teilstationäre Hilfen zur Erziehung oder der Ju- gendberufshilfe gemäß dem Kinder- und Jugendhilfege- setz SGB VIII sowie als einzelne, von den bezirklichen Jugendämtern, konzipierte und finanzierte bezirkliche Projekte. Aussagen zu deren Anzahl und Vielfalt und zu deren jeweiligem Fortbestehen erfordern eine umfassende Recherche und Abfrage bei den bezirklichen Jugendäm- tern, die im Rahmen der Kleinen Anfrage nicht zu leisten ist. Projekt Träger Bezirk Förderungszeitraum „Lernen lernen - Chance für einen Schulabschluss“ (an zwei Standorten) Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH Mitte und Pan- kow Unbegrenzt, Belegung erfolgt als Einzelfall bei entsprechender Indikati- on. „MOVE - Schulabschlüsse und Berufsvorbereitung für Schuldistanzierte“ (an zwei Standorten) Zukunftsbau gGmbH Mitte und Pan- kow Unbegrenzt, Belegung erfolgt als Einzelfall bei entsprechender Indikati- on. „Arbeiten und Lernen“ Pestalozzi-Fröbel-Haus FriedrichshainKreuzberg Unbegrenzt, Belegung erfolgt als Einzelfall bei entsprechender Indikati- on. Berufsorientierung/ - vorbereitung "Primus" AJB gGmbH für Jugendbera- tung und psychosoziale Rehabi- litation Friedrichshain- Kreuzberg Unbegrenzt, Belegung erfolgt als Einzelfall bei entsprechender Indikati- on. Koordinierungsstellen – Die 2. Chance Pestalozzi-Fröbel-Haus Friedrichshain- Kreuzberg Bis 31.12.2013 Koordinierungsstellen – Die 2. Chance Stützrad e.V. Friedrichshain- Kreuzberg Bis 31.12.2013 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 997 2 Koordinierungsstellen – Die 2. Chance Caritasverband für das Erzbis- tum Berlin e.V. Lichtenberg Bis 31.12.2013 Koordinierungsstellen – Die 2. Chance JakuS gGmbH Tempelhof- Schöneberg Bis 31.12.2013 Koordinierungsstellen – Die 2. Chance FAW gGmbH Neukölln Bis 31.12.2013 Koordinierungsstellen – Die 2. Chance Jugendwohnen im Kiez GmbH Neukölln Bis 31.12.2013 Koordinierungsstellen – Die 2. Chance Lebenswelt gGmbH Neukölln Bis 31.12.2013 Koordinierungsstellen – Die 2. Chance Vielfalt e.V. Neukölln Bis 31.12.2013 Koordinierungsstellen – Die 2. Chance Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH Pankow Bis 31.12.2013 Koordinierungsstellen – Die 2. Chance - KEEPsCHOOL Diakonisches Werk Tempelhof- Schöneberg Bis 31.12.2013 Im Rahmen der Hilfen zur Erziehung in Tagesgruppen wurden insgesamt seitens der für Jugend zuständigen Se- natsverwaltung mit 20 Leistungserbringern Trägerverträ- ge für teilstationäre Angebote nach § 32 SGB VIII abge- schlossen. Diese Angebote mit insgesamt rund 200 Plät- zen verteilen sich auf alle Bezirke. Sie richten sich vor- rangig, aber nicht ausschließlich, an Schulverweigerinnen und Schulverweigerer. Ferner bieten 4 Leistungserbringer rund 170 Plätze in lerntherapeutischen Projekten auch für Schulverweigerinnen und Schulverweigerer an. 2. Welche diese Einrichtungen sind zurzeit gefährdet, weil Fördergelder in diesem oder im kommenden Jahr nicht mehr bewilligt werden? Zu 2.: Grundsätzlich werden die Angebote der Hilfe zur Erziehung und die der Jugendberufshilfe gemäß §§ 77 ff Sozialgesetzbuch – Achtes Buch (SGB VIII) entgeltfinanziert , was eine zeitlich unbefristete und auskömmliche Finanzierung auf der Basis von Trägerverträgen sicherstellt . Dies setzt allerdings voraus, dass sie von den be- zirklichen Jugendämtern ausreichend belegt werden und die für den Abschluss von Trägerverträgen zugrunde lie- genden Voraussetzungen erfüllt sind. Die Kriterien für die finanzielle Förderung von anderen bezirklichen Angebo- ten sind abhängig von den jeweiligen Jugendhilfeplanun- gen und deren Eignung, einen sinnvollen Beitrag für die örtliche, soziale Infrastruktur zu erbringen. 3. Wo sind die Mittel für die Förderung dieser Ein- richtungen und Projekte im Haushalt 2012/2013 etatisiert und wo werden sie im Haushalt 2014/2015 veranschlagt? Zu 3.: Die Mittel für Hilfen nach § 13 Abs. 2 SGB VIII sind in der Regel im Kapitel 4040, Titel 67154 der jeweiligen Bezirkshaushalte etatisiert. Die Mittel für Ta- gesgruppen nach § 32 SGB VIII im Rahmen von Hilfen zur Erziehung sind im Kapitel 4042 eingestellt. 4. In wie vielen und in welchen Berliner Schulen werden zurzeit Projekte für schuldistanzierte junge Menschen angeboten? (bitte nach Bezirken auflisten). Zu 4.: Projekte für schuldistanzierte Jugendliche wer- den in allen Bezirken angeboten. Angaben über an diesen Projekten beteiligten Schulen werden zentral nicht erho- ben. Eine entsprechende Recherche ist im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht zu leisten. 5. Welche weiteren Berliner Institutionen zur Präven- tion oder zur Intervention bei Schulverweigerungen sind dem Senat bekannt, die nicht aus öffentlichen Mittel finanziert werden? Zu 5.: Diesbezügliche Angaben werden zentral nicht erfasst. Eine entsprechende Recherche ist im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht zu leisten. 6. Wie bewertet der Senat die aktuelle Anzahl der je- weiligen Institutionen und Projekte zur Vermeidung von Schulverweigerung im Vergleich mit der Anzahl der Ein- richtungen auf den Seiten 72 bis 74 in der Handreichung “Schuldistanz” der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport aus dem Jahr 2003? Zu 6.: Das Maßnahmenbündel zur verbesserten In- tegration abschlussgefährdeter Schülerinnen und Schüler ist seit 2003 erheblich ausgebaut worden. Im Rahmen der Schulstrukturreform sind Voraussetzungen zur Minderung von Schuldistanz geschaffen worden. Mit der Einführung der Integrierten Sekundarschule wurden Lernbedingungen geschaffen, die die individuelle Förderung jeder Schülerin und jedes Schülers in den Vordergrund stellen. Praxisnahe Unterrichtsangebote im Rahmen des Dualen Lernens tragen in diesem Zusammenhang zur Lernmotivation bei. Für Schülerinnen und Schüler, deren Schulabschluss ge- fährdet erscheint, sind die besonderen Organisationsfor- men des Dualen Lernens ab Jahrgangsstufe 9 vorgesehen. Ein weiterer Kernpunkt der Schulstrukturreform bildet außerdem die strukturell verankerte und inzwischen weit- reichend praktizierte Kooperation der Bereiche Schule und Jugendhilfe, die die Möglichkeit bietet, Schuldistanz in verbindlicher Zusammenarbeit anzugehen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 997 3 In diesem Zusammenhang bewertet die Senatsverwal- tung für Bildung, Jugend und Wissenschaft die im Rah- men der Schulstrukturreform etablierten Bedingungen als wesentliche Grundlage, dem Problem „Schuldistanz“ erfolgreich entgegenzuwirken. In diesem Kontext wirkt weiterhin ein Großteil der in der Handreichung genannten Projekte und Einrichtungen (vergleiche die Tabelle zu Frage 1). Die Einrichtungen des Jugendaufbauwerks wurden im Zuge der Auflösung der Anstalt ebenfalls aufgelöst. Die weiterhin tätigen Einrichtungen und Angebote der Jugendhilfe stützen erheblich das schulische System bei der Vermeidung von Schuldistanz. 7. Auf der S. 44 der genannten Handreichung wird das Projekt “Stadt-als-Schule” als geeignet beschrieben, “Jugendliche zu motivieren, einen neuen Zugang zum Lernen zu finden.” Wie begründet der Senat das Ende des Angebots “Stadt-als-Schule” und wie stellt der Senat sicher , dass zurzeit und in Zukunft Schülerinnen und Schü- ler mit dem Risikofaktor “geringe Aussichten auf einen Arbeitsplatz” (Handreichung Schuldistanz, S. 14) alternative Lernorte besuchen können, in denen das duale Lernen bzw. das Praxislernen angeboten wird? Zu 7.: Die ehemalige Hauptschule „Stadt-alsSchule “ nahm nur Schülerrinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 und 10 auf. Der Unterricht fand sowohl in der Schule als auch an außerschulischen Praxislernorten statt. Für Schülerinnen und Schüler, deren Schulabschluss gefährdet war und die im Regelunterricht kaum erreicht wurden, bot sich hier die Möglichkeit, durch das beson- ders praxisnahe Lernangebot alle im Sekundarstufe I– Bereich möglichen Schulabschlüsse zu erreichen. Die „Stadt-als-Schule“ war Vorbild für die Einführung des „Produktiven Lernens“ an Berliner Hauptschulen. Mit Einführung der Integrierten Sekundarschule (ISS), wurde das „Produktive Lernen“ als besondere Organisationsformen des Dualen Lernens an allen ISS möglich. Darüber hinaus können im Rahmen der besonderen Organisations- formen des Dualen Lernens „Praxislerngruppen“ für Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf ein- gerichtet werden, die im Rahmen von Kooperationen zwi- schen Schule (ISS) und freien Trägern realisiert werden, um die Jugendlichen zu motivieren, wieder Zugang zum Lernen zu finden und damit die Möglichkeit zum Erwerb schulabschlussbezogener Kompetenzen zu erreichen. 8. Wie viele Kooperationsvereinbarungen zur Vermeidung von Schulverweigerungen gibt es in den Bezir- ken zwischen Schulen und Polizeidienststellen, zwischen Schulen und Jugendämtern und wie viele zwischen Schu- len und Trägern der freien Jugendhilfe? Zu 8.: Im Rahmen ihrer Eigenverantwortlichkeit schließen Schulen Kooperationsvereinbarungen mit Poli- zeidienststellen, Jugendämtern und freien Trägern der Jugendhilfe ab. Diesbezügliche Angaben werden zentral nicht erhoben. Eine entsprechende Recherche ist im Rah- men einer Kleinen Anfrage nicht zu leisten. 9. Ist dem Senat bekannt, dass der Fortbestand der Einrichtungen des Netzwerks von Koordinierungsstellen verschiedener Träger, die im ESF-Projekt „Schulverweigerung – Die Zweite Chance“ seit Jahren tätigt sind, gefährdet ist, weil die Förderung aus Mitteln des Programms „JUGEND STÄRKEN“ des BMFSFJ am 31.12.2013 endet ? Wie sichert der Senat und wie sichern die Bezirke, insb. der Bezirk Neukölln, zukünftig die Standorte in Ber- lin? Zu 9.: Es trifft zu, dass die Bundesfinanzierung im Rahmen des Modellprogramms „Jugend Stärken“ mit dem Auslaufen der aktuellen Förderperiode des Europäi- schen Sozialfonds (ESF) endet. Eine gleichartige Fortset- zung des Modellprogramms ist aus förderrechtlichen Gründen nicht möglich. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend plant in der zukünftigen Förderperiode ab 2014 eine Weiterentwicklung des bisherigen Programms, bei dem in einem ganzheitlichen Konzeptansatz die bisher getrennt geförderten Bausteine „Schulverweigerung – Die 2. Chance, Kompetenzagenturen, Aktiv in der Region und Stärken vor Ort“ zusammen gefasst werden. Damit können auch künftig schulverweigernde junge Menschen betreut werden. 10. Welche Senatsverwaltungen, welche Abteilungen und welche weiteren Stellen waren an der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage beteiligt? Zu 10.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Abteilung II und III waren an der Beant- wortung beteiligt. 11. Haben Sie noch etwas hinzuzufügen? Zu 11.: Nein. Berlin, den 07. Juni 2013 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juni 2013)