Drucksache 17 / 12 016 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (GRÜNE) vom 02. Mai 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Mai 2013) und Antwort Datenankauf für die Erhebung des Rundfunkbeitrags Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Was ist die Rechtsgrundlage dafür, dass die Beitragszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Erhebung des Rundfunkbeitrags Daten von Firmen und Selbstständigen bei professionellen Adresshändlern kauft oder least? Zu 1.: Der Ankauf oder die Miete von Adressen ge- werblicher Unternehmen oder Selbstständiger bei nichtöf- fentlichen Stellen ist den Landesrundfunkanstalten nach § 11 Absatz 4 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) gestattet. § 10 Absatz 7 Satz 1 RBStV wiederum enthält die Ermächtigung der Landesrundfunkanstalten, die im Rah- men des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zugewiesenen Aufgaben durch eine nichtrechtsfähige öffentlich- rechtliche Verwaltungsgemeinschaft, den Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio, wahrnehmen zu lassen. In der Rundfunkbeitragssatzung des Rundfunk Berlin- Brandenburg (vom 6. Dezember 2012) ist in § 8 Absatz 2 der Datenbezug von nicht-öffentlichen Stellen vorgese- hen. 2. Mit welchen Firmen hat die Beitragszentrale Verträge zum Daten-Leasing bzw. Datenkauf abgeschlossen und wer hat bei diesen Verträgen vermittelt? Zu 2.: Der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio hat, sofern nicht programmliche Aspek- te eine maßgebliche Rolle spielen, die vergaberechtlichen Vorschriften für öffentlich-rechtliche Auftraggeber zu beachten und führt daher europaweite Vergabeverfahren durch, sofern der entsprechende Schwellenwert (hier: 200.000,- € netto für eine Lieferung) erreicht wird. Dies ist nach Mitteilung des RBB bei der Anmietung nicht- privater Adressdaten derzeit (bis einschließlich 2013) der Fall. Sowohl die Ausschreibung des Lieferauftrages als auch die spätere Vergabe sind deshalb als Bekanntma- chung im Amtsblatt der EU veröffentlicht (EU-Amtsblatt Nr. 317663 aus dem Jahr 2010, Seite 208 und EU- Amtsblatt Nr. 034844 aus dem Jahr 2011, Seite 22). Daraus ist ersichtlich, dass der Auftrag in zwei Losen verge- ben wurde, und zwar an die Schober Information Group Deutschland GmbH, 71254 Ditzingen und die Acxiom Deutschland GmbH, 63263 Neu-Isenberg. 3. Auf welche Gruppe von Unternehmen und Selbst- ständigen konzentriert sich der Datenkauf, was sind die Auswahlkriterien und warum gibt es eine Fokussierung auf bestimmte Unternehmensformen und -größen? Zu 3.: Der RBB hat hierzu mitgeteilt, dass es im Sinne der Beitragsgerechtigkeit keine Fokussierung auf be- stimmte Unternehmensformen und/oder -gruppen gebe. 4. Wie viel Geld soll für einen Datenkauf bzw. ein Da- tenleasing insgesamt im Jahr 2013 und in den Folgejahren von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufge- wendet werden? Zu 4.: Aus der Veröffentlichung der Ausschreibung im Amtsblatt der EU (s. o. Antwort zu Frage 2) ergibt sich ein maximaler Auftragswert von 280.000,- € für 2013. Dieser Betrag ist ein Höchstbetrag, oberhalb dessen keinesfalls ein Zuschlag erfolgt wäre. Der tatsächliche Auftragswert ergibt sich aus der Höhe des bzw. der er- folgreichen Gebote der in der Beantwortung von Frage 2 genannten Unternehmen. Dieser Betrag kann laut RBB nicht öffentlich gemacht werden, da ansonsten für ver- gleichbare Vergabeverfahren in der Zukunft den wirt- schaftlichen Interessen des Beitragsservice, der sich im Interesse der Beitragszahler und Beitragszahlerinnen um eine möglichst günstige Auftragsvergabe bemüht, zuwi- derlaufende Hinweise gegeben würden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 016 2 Für 2014 hat der RBB mitgeteilt, dass davon ausge- gangen werde, dass die aufzuwendenden Mittel unterhalb des Schwellenwertes für europaweite Vergaben (s. o. Antwort zu Frage 2) liegen werden. Ferner hat der RBB mitgeteilt, dass ihm für die Folgejahre keine Planung vor- läge. 5. Wie steht ein Datenleasing oder Datenankauf im Verhältnis zu den bisherigen Äußerungen, dass die Bei- tragszentrale mit ihrem Arbeitsvolumen voll ausgelastet ist und nach §11 (5) des 15. Rundfunkänderungsstaatsver- trags nicht geprüfte Daten spätestens nach 12 Monaten gelöscht werden müssen? 6. Wie steht ein Datenleasing oder Datenkauf im Verhältnis zu den bisherigen Äußerungen, dass bei Da- tenbeschaffung „bei der Auswahl der zur Verfügung stehenden Mittel das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu wahren“ ist (Begründung zum 15. RÄST, Seite 35) und insbesondere für den privaten Bereich ein Ankauf von Daten bis Ende 2014 nicht erfolgt? Zu 5. und 6.: Beim Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio ergibt sich in der Umstellungsphase von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag ein erhöh- ter Arbeitsanfall, dem durch eine vorübergehende Aufsto- ckung des Personals begegnet wird. Ein wesentlicher Grund der vorübergehenden Mehrarbeit ist der in § 14 Abs. 9 RBStV geregelte einmalige Meldedatenabgleich. Dieser bezieht sich auf alle volljährigen Personen und folglich nicht auf die Firmen und juristischen Personen. Die zeitweise Aussetzung des Ankaufs von Adressen pri- vater Personen nach § 14 Abs. 10 RBStV erstreckt sich daher gerade nicht auf den nicht-privaten Bereich. Für den nicht-privaten Bereich besteht die Bedeutung des Adresskaufs auch im neuen Rundfunkfinanzierungssys- tem unverändert fort. Aus dem allgemeinen Prinzip der Verhältnismäßigkeit folgt der datenschutzrechtliche Grundsatz, dass Daten zunächst bei den Betroffenen zu erheben sind. Gleichwohl sind die Länder als zuständiger Gesetzgeber von Rechts wegen gehalten, ein funktionierendes System der Finan- zierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bereitzustel- len. Dies gilt sowohl für die Aufbringung des insgesamt nötigen Finanzierungsbetrages als auch für die gleichmä- ßige Heranziehung der Zahlungspflichtigen. Da - wie auch sonst bei öffentlichen Abgaben - nicht davon ausge- gangen werden kann, dass der Rundfunkbeitrag in allen Fällen freiwillig entrichtet wird, stellt der Gesetzgeber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein entsprechend geeignetes Instrumentarium zur Verfügung. Dazu gehören Auskunftsrechte, aber auch der Erhalt von Meldedaten und der Bezug von Adressen. Die Löschfristen folgen datenschutzrechtlichen Be- langen. Der RBB hat mitgeteilt, dass der Beitragsservice seine Kapazitäten so geplant habe, dass vorhandene Mel- de- und Adressdaten innerhalb der vorgegebenen Lö- schungsfristen verarbeitet werden könnten. 7. Wie bewertet der Senat a) den Datenankauf grundsätzlich, b) die Tatsache, dass mit Mitteln der öffentlich recht- lichen Sendeanstalten – sprich aus den Mitteln der BeitragszahlerInnen – der Datenankauf finanziert wird, c) dass Großkonzerne durch den Datenverkauf von diesen Mitteln der BeitragszahlerInnen profitieren? Zu 7 a) – c): Der An- und Verkauf von Daten ist nach der deutschen Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und stellt daher eine erlaubte Betätigung dar, und zwar auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Vorschriften des Daten- schutzes sind selbstverständlich zu beachten. Der Datenankauf durch öffentlich-rechtliche Rund- funkanstalten ist durch die in der Beantwortung von Frage 1 genannten Vorschriften geregelt und in diesen Grenzen legitimiert. Er ist auch innerhalb des neuen Rundfunkfinanzierungsmodells ein geeignetes, erforderliches und verhältnismäßiges Mittel, um bestehende Beitragspflich- ten durchsetzen zu können und damit der Beitragsgerech- tigkeit zu dienen. Die Beitragseinnahmen, die durch Datenankauf erzielt werden, haben für die Beitragszahlerinnen und Beitrags- zahler im Ergebnis eine entlastende Wirkung. Denn je mehr Beitragspflichtige tatsächlich in Anspruch genom- men werden können, desto niedriger kann der Beitrag künftig sein und umso geringer fällt für die einzelne Per- son die individuelle finanzielle Belastung aus. Berlin, den 31. Mai 2013 K l a u s W o w e r e i t Regierender Bürgermeister (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Jun. 2013)