Drucksache 17 / 12 017 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Danny Freymark (CDU) vom 30. April 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Mai 2013) und Antwort Maßnahmen zur Reduzierung von Feinstaub Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Maßnahmen zur Reduzierung von Feinstaub – abgesehen von der Festlegung der Umweltzone – ergreift der Senat darüber hinaus? Antwort zu 1: Neben der Umweltzone wurden vom Senat zahlreiche weitere Maßnahmen zur Reduzierung ergriffen, die teilweise schon Jahre früher starteten. Einen umfassenden Überblick über durchgeführte und zukünftig geplante Maßnahmen gibt der Entwurf des Luftreinhalte- plans für Berlin 2011-2017, der unter www.berlin.de/luftreinhalteplan einsehbar ist. Zur Redu- zierung von Feinstaub ergreift der Senat Maßnahmen in folgenden Maßnahmenfelder: Raum-, Stadt- und Landschaftsplanung Ziel ist der Erhalt und die Schaffung von städtebauli- chen Strukturen, die einen guten Luftaustausch ermögli- chen sowie zur Verkehrsmeidung beitragen (Stadt der kurzen Wege, Erreichbarkeit mit Verkehrsmitteln des Umweltverbundes). Zur Reduzierung der Feinstaubbe- lastung trägt außerdem der Erhalt und die Verbesserung von Grün in der Stadt bei, z.B. durch die Kampagne „Stadtbäume für Berlin“ mit dem Ziel von 10.000 neuen Bäumen. Verkehr Neben der Umweltzone werden in Berlin bereits seit vielen Jahren emissionsarme Fahrzeuge gefördert: hierzu gehört die serienmäßige Ausrüstung von BVG-Bussen mit Partikelfiltern seit etwa 2000 oder die Förderung von Erdgasfahrzeugen durch Modellprojekte (z.B. TUT – Tausend Umwelttaxis bis 2006) und durch eine Koopera- tionsvereinbarung mit der GASAG (Tankgutschriften bis zu 1500 €). Bei der BSR sind etwa 50 Erdgas-Müllfahrzeuge im Einsatz. Für die Beschaffung von Fahrzeugen durch die öffentliche Hand schreiben die Beschaffungs- richtlinien seit 2003 in Partikelfilter für Dieselfahrzeuge vor. Auch die Projekt zur Förderung der Elektromobilität können zur Verbreitung lokal emissionsärmerer Fahr- zeuge beitragen. Weiterhin wurde die Filternachrüstung von Fahrgast- schiffen erfolgreich erprobt und ein Förderprogramm ge- startet. Neben technischen Maßnahmen dienen die zahl- reichen Maßnahmen des Stadtentwicklungsplans Verkehr (StEP Verkehr) für die Entwicklung einer nachhaltigen Mobilität neben andern Zielen auch der Reduzierung von Feinstaub. Durch Förderung des ÖPNV sowie des Rad- und Fußverkehrs konnte das Verkehrsaufkommen von Pkw und damit die entsprechenden Feinstaubemissionen in Berlin seit 2002 um etwa 10 bis 14 % reduziert werden. Dazu beigetragen hat auch die Einrichtung und Auswei- tung von Gebieten mit Parkraumbewirtschaftung. Auch Maßnahmen der Verkehrslenkung und des Ver- kehrsmanagements wurden zur Reduzierung der Feinstaubemissionen eingesetzt. Hierzu zählt das Lkw- Durchfahrverbot in der Silbersteinstraße, die kontinuierli- che Optimierung der Ampel-Koordinierungen unter Be- rücksichtigung der Belange aller Verkehrsteilnehmerin- nen und Verkehrsteilnehmer, die gezielte Anordnung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen nach sorgfältiger Einzelfallprüfung, die Einrichtung einer Verkehrsinfor- mationszentrale und Modellprojekte wie IQmobiltity zur Untersuchung der Potenziale der Verkehrsverstetigung und umweltsensitiven Verkehrssteuerung. Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur reduzieren ebenfalls Feinstaubemissionen, z.B. die Sanierung von Fahrbahnoberflächen. Auch der Ausbau des elektrisch betriebenen Schienenverkehrs trägt zur Minderung von Feinstaub bei, da diese Verkehrsmittel lokal keine Abgase emittieren und andererseits zur Reduzierung des Pkw- Verkehrs beitragen. Wärmeversorgung Emissionen aus Kohleöfen waren lange Zeit von Be- deutung für die Feinstaubbelastung in Berlin. Seit 1991 sank der Einsatz von Kohle um mehr als 90 %. Mit der Festlegung eines Luftvorranggebietes im Flächennut- zungsplan dürfen darin bereits seit 1994 in Neubauten keine Heizungsarten mehr eingebaut werden, deren Emis- sionen höher als bei Öl-Heizungen sind. Durch die Akti- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 017 2 vitäten im Klimaschutz, z.B. Förderprogramme zur wär- metechnischen Sanierung von Gebäuden oder auch Ange- bote zur Energieberatung konnte der Wärmebedarf der Gebäude gesenkt werden. In einem Forschungsprojekt wird derzeit der Einfluss von Holzverbrennung auf die Feinstaubbelastung näher untersucht, um gegebenenfalls weitere Maßnahmen zur Reduzierung von Feinstaubemis- sionen aus diesem Sektor entwickeln zu können. Denn neue Heizsysteme wie Pelletheizungen dürfen nicht zu signifikant höheren Belastungen durch Feinstaub führen. Dies gilt auch für Mini-Blockheizkraftwerke, für die der Einsatz von Gas als Energieträger unterstützt werden soll. Bausektor Maßnahmen im Bausektor zielen zum einen auf die Vermeidung von diffusen Staubemissionen, z.B. durch Aufwirbelung von Staub. Hierzu wurde ein Leitfaden „Vermeidung und Verminderung von Staubemissionen auf Baustellen“ herausgegeben, der die allgemeinen Anforderungen des Landes-Immissionsschutzrechts konkre- tisiert. Zur Reduzierung der Partikelemissionen durch Abgase von Baumaschinen sollen diese Maschinen zu- nehmend mit Partikelfilter betrieben werden. Hierzu hat der Senat im Oktober die Verwaltungsvorschrift Beschaf- fung und Umwelt beschlossen, die Abgasstandards für Baumaschinen festlegt, die ab 2014 bei Bau von öffentli- chen Gebäuden gelten. Vorbereitend wird die Partikefil- ternachrüstung in einem Praxistest seit 2012 erprobt. Anlagen in Industrie und Gewerbe Entsprechend des Standes der Technik werden zu- künftig bei Anlagengenehmigungen für mobile Maschi- nen und Stationärmotoren Partikelfilter zur Auflage ge- macht. Frage 2: Gibt es technische Möglichkeiten, speziell an besonders stark belasteten Straßenabschnit- ten/Kreuzungen/Baustellenbereichen, die in Berlin zum Einsatz kommen könnten, um den Feinstaub zu reduzie- ren? Antwort zu 2: Technische Potenziale bietet insbeson- dere die Motoren- und Abgastechnik zur Vermeidung von Abgasemissionen, d.h. die Anwendung von Partikelfil- tern. Als Maßnahmen zur Reduzierung der Emission von Abrieb und Aufwirbelung hat sich bisher nur die Reduzie- rung der Fahrzeuggeschwindigkeit bewährt. Versuche, mit einer intensivierten Straßenreinigung in Berlin die Aufwirbelung von Feinstaub zur reduzieren, brachten keinen nachweisbaren Effekt. Versuche in anderen Städ- ten mit sog. Feinstaubklebern (Calcium-Magnesium- Acetat-Lösung [CMA]) brachten keine eindeutigen Er- gebnisse. Die Anwendung erfolgt in erster Linie anstelle von Salzlösungen bei Schnee und Glatteis, wobei CMA sehr viel teuerer als das derzeit eingesetzte Feuchtsalz ist. Für Baustellen werden die Maßnahmen des Leitfadens „Vermeidung und Verminderung von Staubemissionen auf Baustellen“ empfohlen. Dies umfasst insbesondere: a) Verwendung von Geräten, die über technische Einrichtungen zum Erfassen von Stäuben verfü- gen oder zum Binden bzw. Niederschlagen von Stäuben verfügen (zum Beispiel Steinsägen mit Befeuchtungseinrichtung für Nassschneidever- fahren), c) geringe Abwurfhöhen, Befeuchtung staubender Schüttgüter beim Umschlag, d) Verwendung von geschlossenen Schuttrutschen, Verhüllung von Arbeitsbereichen mit geeigneten Planen bei Abbruch- und Entkernungsarbeiten, e) Lagerung staubender Güter in geschlossenen Containern oder Silos, Abdecken von Halden und Haufwerken mit geeigneten Folien, f) Verwendung von Reifenwaschanlagen an der Baufeldgrenze, Reduzierung der Geschwindig- keit von Baustellenfahrzeugen, Anfeuchten von Arbeitsbereichen bzw. Flächen, Befeuchtung o- der Asphaltierung von Fahrwegen bei größeren Baustellen, g) Einsatz von Sprühnebel zur Staubbindung, h) Sicherung der Ladung von Transportfahrzeugen gegen Abwehen durch Planen oder durch Ver- wendung geschlossener Gebinde (Container, „Big Bag“), j) Reinigung verschmutzter Arbeitsbereiche. Geeignete technische Maßnahmen, mit denen der be- reits in die Atmosphäre emittierte Feinstaub in größerem Maßstaub wieder aus der Atmosphäre entfernt wird, sind nicht bekannt. Frage 3: Ist dem Senat das Projekt "Feinstaub-Sauger" bekannt und wenn ja, wie beurteilt der Senat diese Tech- nik zur möglichen Reduzierung von Feinstaub an diesen Orten? Antwort zu 3: Dem Senat sind mehrere Vorschläge für „Feinstaub-Sauger“ bekannt, mit denen Feinstaub direkt aus der Atmosphäre herausgefiltert werden soll, um die Luftqualität zu verbessern. Zwar können Filtersysteme durchaus 90 % Feinstaub- partikel aus der angesaugten Luft abscheiden, aber die erreichbaren Luftdurchsätze reichen nicht aus, um einen merklichen Effekt auf die Außenluft zu bewirken. So wurde z.B. in Ludwigsburg/Baden-Württemberg ein Feldversuch mit einer Pilotanlage durchgeführt, die in der Stunde 4000 m³ Luft ansaugen und reinigen konnte. Die- ser „Feinstaub-Sauger“ wurde in unmittelbarer Nähe der Messstation der Landesanstalt für Umwelt Baden-Würt- temberg (LUBW) installiert. Eine Reduktion der Feinstaubkonzentration konnte nicht festgestellt werden. Der Einflussradius einer derartigen Anlage wird auf maximal 20 Meter geschätzt. Mit dem Luftdurchsatz kön- nen bei einem Tagesmittelwert von Feinstaub von 50 µg/m³ und einer Abscheiderate von 90 % maximal 4,2 g Feinstaub aus der Atmosphäre entfernt werden. Dagegen emittiert z.B. der Fahrzeugverkehr auf der Frankfurter Allee pro Tag und pro 20 Meter Fahrstrecke (entspre- chend dem Einflussradius des Filtergerätes) 56 g Fein- staub. Selbst mit dieser Emission verursacht der Straßen- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 017 3 verkehr nur etwa 20 % der gemessenen Feinstaubbelas- tung, während die übrige Belastung aus dem übrigen Stadtgebiet und weiter entfernten Gebieten stammt. Diese Abschätzung zeigt, dass Feinstaub-Sauger bei realisti- schen Absaugleistungen keinen signifikanten Einfluss auf die Außenluft erreichen können. Im übrigen ist eine der- artige Saugleistung mit einem erheblichem Strombedarf sowie Lärm verbunden. Technische Maßnahmen müssen weiterhin direkt an der Quelle ansetzen. Berlin, den 03. Mai 2013 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Juni 2013)