Drucksache 17 / 12 100 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Simon Weiß (PIRATEN) vom 21. Mai 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Mai 2013) und Antwort Mediennutzung im Strafvollzug im Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat den Gesetzentwurf des Landes Brandenburg für das Justizvollzugsgesetz (BbgJVollzG) hinsichtlich § 44 BbgJVollzG, der ua. auch eine mögliche Internetnutzung durch Gefangene zulässt? 2. Könnte sich der Senat eine ähnliche Regelung, die eine Internetnutzung durch Gefangene im Strafvollzug ermöglicht, auch für den Gesetzentwurf des Strafvoll- zugsgesetzes des Land Berlin vorstellen? 3. Wenn nein, welche Argumente sprechen nach An- sicht des Senats gegen eine Regelung, die eine Internet- nutzung durch Gefangene im Strafvollzug zulässt? Zu 1. bis 3.: § 44 BbgJVollzG entspricht wörtlich dem Musterentwurf. Die Fragestellung wird im Rahmen der Ausgestaltung des Berliner Strafvollzugsgesetzes zu ver- tiefen sein. Dabei werden bei den Arbeiten für einen Re- ferentenentwurf die Regelungen anderer Länder analysiert und mit einbezogen werden. Hinzuweisen ist bereits da- rauf, dass § 37 des Berliner Sicherungsverwahrungsvoll- zugsgesetzes eine weitergehende Regelung enthält als die in § 44 BbgJVollzG. 4. Welche verschiedenen Dienste des Unternehmens Telio werden in welchen Justizvollzugsanstalten des Lan- des Berlin zu welchen Tarifen angeboten und genutzt? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach Dienst(en), jeweiligem Tarif und Justizvollzugsanstalt.) Justizvollzugsanstalt Dienste der Telio Tarife JVA Tegel Telefondienste (Station) Orts-/Nahgespräch: 9 Cent/Min. Ferngespräch: 9 Cent/30 Sek. Ins Mobilfunknetz: 9 Cent/8,6 Sek. Ins Ausland: 9 Cent für zw. 2,31 und 10 Sek. JVA Plötzensee Telefondienste (Station) Orts-/Nahgespräch: 9 Cent/Min. Ferngespräch: 9 Cent/30 Sek. Ins Mobilfunknetz: 9 Cent/8,6 Sek. Ins Ausland: 9 Cent für zw. 2,31 und 10 Sek. JVA Moabit Telefondienste im Haftraum (ROOMio) Orts-/Nahgespräch: 10 Cent/Min. Ferngespräch: 10 Cent/30 Sek. Ins Mobilfunknetz: 10 Cent/8,6 Sek. 10 Freiminuten ins deutsche Festnetz Ins Ausland: 10 Cent für zw. 2,31 und 10 Sek. JVA für Frauen Telefondienste und Fernsehen im Haftraum (MULTio) mit Videorekorder und DVD-Player Basispaket: 14,95 €/Monat Orts-/Nahgespräch: 10 Cent/Min. Ferngespräche: 10 Cent/30 Sek. Ins Mobilfunknetz: 10 Cent/8,6 Sek. Ins Ausland: 10 Cent für zw. 2,31 Und 10 Sek. JVA Heidering keine Keine JVA des Offenen Vollzugs keine Keine Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 100 2 Jugendstrafanstalt Telefondienste (Station) Orts-/Nahgespräch: 10 Cent/Min. Ferngespräch: 10 Cent/30 Sek. Ins Mobilfunknetz: 10 Cent/8,6 Sek. Ins Ausland: 10 Cent für zw. 2,31 Und 10 Sek. Jugendarrestanstalt keine Keine 5. Welche Erfahrungen wurden seit März 2013 mit dem Gefangenen-Telefonsystem „ROOMio“ in der Justizvollzugsanstalt Moabit gemacht? Zu 5.: Die Inbetriebnahme von ROOMio in der JVA Moabit erfolgte im März 2013. Seither nutzen von den dortigen 1.050 Gefangenen ca. 600 die Möglichkeit, über den in ihrem Haftraum montierten Telefonapparat zu tele- fonieren. Die bisherigen Erfahrungen sind überwiegend positiv, was sich unter anderem auch in einem ausgespro- chen geringen Beschwerdeaufkommen äußert. Zudem werden die Bediensteten des Allgemeinen Vollzugs- dienstes durch ein nun weitaus geringeres Aufkommen handvermittelter Telefonate zugunsten betreuerischer Tätigkeiten in ihrer täglichen Arbeit entlastet. 6. Ist es geplant, das Gefangenen-Telefonsystem „ROOMio“ noch auf andere Justizvollzugsanstalten auszuweiten ? Zu 6.: In den Justizvollzugsanstalten Tegel und Plöt- zensee ist Haftraumtelefonie geplant. In der JVA Tegel ist die Einführung für Ende 2013 vorgesehen. In der JVA Plötzensee wird zunächst ein Vergabeverfahren zur Ein- führung der Haftraumtelefonie durchgeführt. Welche An- bieter sich bewerben werden und auf wen die Auswahl fallen wird, ist offen. JVA Tegel JVA Plötzensee JVA Moabit JVA für Frauen JVA Heidering JVA OVB JSA JAA Einführung der Haftraumtele- fonie bis Ende 2013 Einführung der Haftraumtelefo- nie; nach Markterkundung vorhanden Im MULTio enthalten Nein, anderer Anbieter nein nein nein 7. Aufgrund welcher Kriterien ist es zur einer Auf- tragsvergabe an Telio als Telefonanbieter in den Berliner Justizvollzugsanstalten gekommen? a) Warum hält das Land Berlin an Telio als Telefon- anbieter in den Justizvollzugsanstalten fest? b) Wie lange ist das Land Berlin noch an die Verträge mit Telio gebunden? Zu 7.: Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass es keine Präferenz für einen Dienstleister gibt. Vielmehr sind den verschiedenen Vertragsschlüssen der einzelnen Justizvollzugsanstalten Vergabeverfahren vo- rausgegangen, in denen allerdings das Unternehmen Telio in der Vergangenheit häufig der einzige Anbieter war. Selbstverständlich wäre ein größerer Wettbewerb und damit die Auswahl zwischen verschiedenen Angeboten wünschenswert. Im Vergabeverfahren zur Telefonie der Gefangenen in der JVA Heidering lagen mehrere Ange- bote vor und nicht Telio sondern ein anderes Unterneh- men mit günstigeren Konditionen erhielt den Zuschlag. JVA Vertragslaufzeit Grund für Vertrag mit Telio Tegel bis Juni 2017 - bei Abschluss war Telio einziger Bewerber - Installation einer neuen Generation von Geräten Plötzensee ehemals JVA Charlotten- burg: bis März 2017 ehemals JVA Plötzensee und Justizvollzugskrankenhaus: bis Jan. bzw. Juni 016 - bei Abschluss war Telio einziger Bewerber Moabit bis März 2022 - von 3 Bewerbern hatte nur Telio bei Abschluss ein schlüssiges, sicheres Konzept - im Vergleich günstiges Angebot Frauen bis Februar 2022 bei Abschluss war Telio einziger Bewerber Heidering - - Offener Vollzug - - Jugendstrafanstalt bis 2018 im Vergleich zu einem anderen Bewerber günstigeres Angebot Jugendarrestanstalt - - Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 100 3 8. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass viele Gefangene aufgrund der hohen Preise für Telefongesprä- che den Kontakt zu ihrer Familie oder/und nahestehenden Personen nicht in dem Maß halten können, wie es ihren Bedürfnissen entspricht und auch aus Resozialisierungs- gründen unverzichtbar ist? Zu 8.: Kontakte zum sozialen Umfeld sind für Gefan- gene sehr wichtig. Es bestehen verschiedene Möglichkei- ten der Kontaktpflege nach außen, namentlich den Post- weg, die Besuchsmöglichkeiten und nicht zuletzt die Te- lefonie. Im letztgenannten Bereich räumen die Berliner Justizvollzugsanstalten den Inhaftierten Möglichkeiten zum Telefonieren ein, die erheblich über die Vorgaben des Strafvollzugsgesetzes (§ 32) hinausgehen. 9. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass gerade die Preise für Auslandsgespräche weit über dem gängigen Tarif für reguläre Festnetzanschlüsse liegen? Zu 9.: Im Hinblick auf die unterschiedlichen Anforde- rungen und Rahmenbedingungen der privaten Festnetzte- lefone und der mit besonderen Sicherheitsbedingungen verbundenen Gefangenentelefonie ist der Vergleich wenig zielführend. Der Einfluss auf die Preisgestaltung der Tele- fonie von Gefangenen beschränkt sich auf die Durchfüh- rung von Vergabeverfahren und der Auswahl des günsti- geren Anbieters. 10. Ist das Unternehmen Telio bereits an den Senat, einzelne Mitglieder des Senats oder ihnen unterstellte Mitarbeiter herangetreten, um eine Auftragserteilung für weitere Arten der Mediennutzung zu erhalten? Zu 10.: Dies ist dem Senat nicht bekannt. Allerdings fand am 18. Juni 2012 in der JVA Char- lottenburg ein Gespräch zwischen einem Mitarbeiter der JVA und Mitarbeitern der Telio Management GmbH statt, dessen Inhalt die Leiterin der JVA Charlottenburg zu ei- ner Anzeige veranlasste. Das von der Staatsanwaltschaft Berlin daraufhin wegen Vorteilsgewährung bzw. Beste- chung eingeleitete Ermittlungsverfahren ist mangels An- fangsverdachts gem. § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt worden. 11. Wenn ja, wie, wann und für welche Formen der Mediennutzung? Zu 11.: Siehe Antwort zu Frage 10. 12. Wie bewertet der Senat den Service (Installations- und Wartungsservice) von Telio? a) Welche Informationen und von wem hat sich der Senat eingeholt, um die Frage unter 12. zu beantworten? b) Spricht der Senat mit Gefangenen über die Zufrie- denheit mit Telio als Anbieter und wenn ja, welche Er- kenntnisse/Konsequenzen zieht er aus diesen Gesprä- chen? Zu 12., a) und b): Der Service der Telio entspricht dem vertraglich vereinbarten Umfang: Die installierten Systeme arbeiten einwandfrei, und die seltenen Störungen werden unverzüglich beseitigt. Der Installations- und Wartungsservice wird als gut bewertet. Der Senat erfragt seine Informationen hierzu bei den jeweiligen Justizvollzugsanstalten. Diese wiederum er- langen ihre Kenntnisse von ihren, für diesen Bereich zu- ständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. sonsti- gen Zuständigen. Sowohl die Justizvollzugsanstalten als auch die Servicemitarbeiterinnen bzw. Servicemitarbeiter von Telio tauschen sich regelmäßig mit den Insassen- bzw. Verwahrtenvertretungen aus. Natürlich haben Insas- sen bzw. Sicherungsverwahrte darüber hinaus jederzeit die Möglichkeit, sich an das Vollzugspersonal, die An- staltsleitung oder die Senatsverwaltung zu wenden. 13. Sieht der Senat eine mögliche Handlungsoption darin, dass die Höhe der Preise für Telefongespräche von Gefangenen dadurch gesenkt werden könnten, dass sich die Senatsverwaltung für Justiz oder die Anstalten selbst um die Telefonanlagen kümmern? Zu 13.: Nein. Im Hinblick auf die bekannten Heraus- forderungen zur Konsolidierung des Haushaltes stehen dafür zusätzliche personelle oder finanzielle Ressourcen nicht zur Verfügung. 14. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass Telio gegen das Startup-Unternehmen Rufpin, das den Gefan- genen durch eine Einwahlnummer günstigere Tarife an- bot, eine einstweilige Verfügung erwirkte und sich Rufpin darauf hin zurückzog? Zu 14.: Die einstweilige Verfügung beruht auf einer gerichtlichen Entscheidung, die der Senat nicht kommen- tiert. Weshalb Rufpin sich aus dem Marktsegment Gefan- genen-Telefonie zurückgezogen hat, ist dem Senat nicht bekannt. Berlin, den 24. Juni 2013 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juli 2013)