Drucksache 17 / 12 118 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Turgut Altug (GRÜNE) vom 22. Mai 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Mai 2013) und Antwort Gleislinse: Ersatzmaßnahmen für die Eingriffe in die Natur müssen in Berlin stattfinden Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie sind die aktuellen Planungen zur Nut- zung des Geländes auf dem „ehemaligen Betriebsbahnhof Schöneweide“ Antwort zu 1: Das ca. 40 ha große Gebiet im Eigen- tum der Deutschen Bahn AG (DB AG) soll im Zusam- menhang mit den angrenzenden Flächen des städtebauli- chen Entwicklungsbereiches "Berlin - Johannisthal/Ad- lershof" zu einem den Technologiepark ergänzenden Gewerbegebiet entwickelt werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadtUm) ist zustän- dig für das Verfahren zum Bebauungsplan 9-60, die Ko- ordinierung der gemeinsamen Entwicklung mit der DB AG und die Durchführung der öffentlichen Maßnahmen (öffentliche Straßen und Grünflächen, Fuß- und Radwe- gebrücke über das Adlergestell). Im August 2012 haben die DB Netz AG, die SenStadtUm und der Bezirk Trep- tow-Köpenick einen städtebaulichen Rahmenvertrag als Grundlage für die Entwicklung des Geländes abgeschlos- sen. Den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan 9- 60 hat SenStadtUm am 09. November 2012 gefasst. Der Entwurf sieht zwei öffentliche Straßen – eine Ost-WestVerbindung und die sogenannte Bahnhofstraße als Ver- bindung zwischen S-Bahnhof ehem. Betriebsbahnhof Schöneweide und Groß-Berliner Damm - vor, die die ge- planten Gewerbegebiete erschließen werden. Des Weite- ren sollen ein öffentlicher Grünzug, der an einen beste- henden Grünzug im Entwicklungsbereich anknüpft und in den geplanten öffentlichen Quartiersplatz am Bahnhof mündet, festgesetzt werden. Hier ist die Öffnung des SBahnhofes „Betriebsbahnhof Schöneweide“ nach Westen geplant. Das denkmalgeschützte Ensemble mit dem ehe- maligen Lokschuppen bleibt planfestgestellte Bahnfläche; damit ist auch die derzeitige Nutzung durch den Verein der Dampflokfreunde planungsrechtlich gesichert. Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung zu dem Bebauungsplanentwurf 9-60 fand im Februar 2013 statt. Die daran anschließende frühzeitige Behördenbeteiligung wurde Ende April 2013 abgeschlossen. Die zweite Behör- denbeteiligung mit dem vollständigen Umweltbericht, dem Ausgleichskonzept und allen relevanten gutachterli- chen Ergebnissen ist für den Spätsommer 2013 anbe- raumt. Die Festsetzung des Bebauungsplanes kann erst nach Freistellung der Bahnflächen aus der Planfeststellung vom Senat / Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Dies erwartet die DB AG in der 2. Hälfte des Jahres 2013. Das Änderungsverfahren des Flächennutzungsplanes in dem Bereich, das heißt die Darstellung von Gewerbe- flächen anstelle von Bahnflächen, hat bereits die öffentli- che Auslegung durchlaufen. Der Änderungsbeschluss des Senats ist bis Ende des Jahres 2013 vorgesehen. Die Umsetzung der Maßnahmen ist in den Jahren 2014 bis 2018 geplant. Frage 2: Inwieweit trifft es zu, dass die Ausgleichs- maßnahmen nicht in Berlin, sondern in Brandenburg um- gesetzt werden sollen? Wenn das der Fall ist, warum? Antwort zu 2: Ohne Berücksichtigung der maximalen Eingriffsminimierung vor Ort, die nach den Anforderun- gen der DB AG noch eine wirtschaftliche Entwicklung des Geländes des ehem. Betriebsbahnhofes Schöneweide ermöglicht, umfasst der externe Ausgleichsbedarf für die „Gleislinse“ 10 bis 15 ha vegetationsarme Offenlandflächen /Magerrasen u. a. als Habitate für Brachpieper, Heidelerche , Steinschmätzer und Zauneidechsen. Dieser ex- terne Ausgleichsbedarf soll aus wirtschaftlichen Gründen auf bahneigenen Flächen umgesetzt werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 118 2 Die Deutsche Bahn hat im Rahmen der Suche nach Ausgleichsflächen für die Entwicklung des ehemaligen Betriebsbahnhofes Schöneweide in zwei Suchphasen alle größeren in Frage kommenden Flächen im Eigentum der DB und des Landes Berlin in und im näheren Umland von Berlin gutachterlich untersuchen lassen. Abschließend haben sich der sogenannte Biesenhorster Sand in Berlin und der ehemalige Jochmontageplatz Fredersdorf in Brandenburg als für den Ausgleich geeignete und ausrei- chende Flächen herausgestellt. Weitere Flächen konnten aktuell nicht identifiziert werden. Da nach Abschluss der Prüfung der Biesenhorster Sand nicht in Frage kommt, hat sich SenStadtUm für den ehemaligen Jochmontageplatz Fredersdorf entscheiden müssen. Frage 3: Wie groß ist der Umfang dieser Maßnahmen bzw. welchem finanziellen Wert entsprechen diese Maß- nahmen? Antwort zu 3: Hier sind aktuell keine Aussagen mög- lich. Zurzeit wird im Rahmen der Erstellung des Umwelt- berichtes die Ausgleichskonzeption für das Gelände erar- beitet. SenStadtUm geht davon aus, dass diese im Spät- sommer 2013 zur Abstimmung mit zuständigen Natur- schutzbehörden vorliegt. Frage 4 und 5: Welche Ergebnisse liegen bzgl. der ak- tuellen Kartierungen des Gebietes vor? Welche Tier- und Pflanzenarten wurden bei den Artenkartierungen auf dem Gelände festgestellt? Antwort zu 4 und 5: Aktuelle Kartierungen liegen noch nicht vor (siehe 3.), dies ist auch bei den nachfol- genden Fragen 6., 7. und 8. zu berücksichtigen. Im Rahmen einer ersten Kartierung / Untersuchung des Geländes des ehem. Betriebsbahnhofes Schöneweide im Jahr 2009 wurden Kartierungen zur Flora, zu Bio- toptypen und zur Fauna durchgeführt. Für die Fauna wur- den die Artengruppen Vögel, Reptilien, Heuschrecken und Laufkäfer untersucht. Es wurden 255 Pflanzenarten, darunter 32 Arten der Roten-Liste Berlin erfasst. Die Untersuchung der Fauna ergab, dass im Untersu- chungsgebiet 30 Brutvogelarten, eine Reptilienart, 16 Heuschreckenarten und 46 Laufkäferarten vorkommen. Frage 6: Wie viele der festgestellten Arten gelten nach den geltenden Naturschutzgesetzen und EU-Richtlinien als „streng geschützt“? Antwort zu 6: Alle im Gebiet des ehem. Betriebs- bahnhofs Schöneweide vorkommenden Vogelarten sowie die Zauneidechse als Art des Anhanges IV der Fauna- Flora-Habitat(FFH)-Richtlinie sind gemeinschaftsrecht- lich besonders geschützt und damit grundsätzlich pla- nungsrelevant. Nach bundesdeutschem Recht streng ge- schützt sind Heidelerche, Brachpieper und Zauneidechse. Zusätzlich für das Gebiet wertgebend ist der Steinschmät- zer, der ebenso wie der Brachpieper bundesweit vom Aussterben bedroht ist. Frage 7: Welche geschützten Biotoparten überwiegen auf diesem Areal? Antwort zu 7: Auf dem Areal kommen Sandtrocken- rasen (gesetzlich geschützter Biotop gemäß § 30 Bun- desnaturschutzgesetz [BNatSchG]) in einer Größenord- nung von 19,5 ha (Stand 2009) vor. Frage 8: Bedingen der Schutzstatus der Biotope und der streng geschützten Arten einen Widerspruch bzw. Ausschluss der vorgelegten Planung? Antwort zu 8: Das Vorkommen von gemeinschafts- rechtlich geschützten Tierarten und gesetzlich geschützter Biotope bedingt nicht grundsätzlich den Ausschluss der Planung. Gemäß den gesetzlichen Regelungen zum Bio- topschutz und zum besonderen Artenschutz, können Vor- haben durchgeführt werden, sofern Kompensationsmöglichkeiten bestehen und die entsprechenden Kompensati- onen erfolgen. Die artenschutzrechtlichen Regelungen erfordern, dass sich trotz des Eingriffs der Erhaltungszu- stand der Populationen der betroffenen gemeinschafts- rechtlich geschützten Arten nicht verschlechtert. Ob dies durch die geplanten Kompensationsmaßnamen sicherge- stellt werden kann, wird gegenwärtig geprüft. Frage 9: In welcher Form arbeitet der Senat mit dem Bezirk bei solchen Planungen zusammen? Antwort zu 9: Für die Ermittlung des Ausgleiches, der Identifizierung von Ausgleichsflächen und der Erstellung der Ausgleichskonzeption finden eine kontinuierliche Abstimmung und enge Kooperation zwischen dem Bezirk (Untere Naturschutzbehörde) und SenStadtUm (für das Projekt zuständiges Referat und Oberste Naturschutzbe- hörde) im Rahmen von gemeinsamen Terminen und di- rektem Informationsaustausch statt. Frage 10: Teilt der Senat meine Auffassung, dass die derzeit aktuell geltende Ausgleichskonzeption veraltet ist? Wenn ja, was gedenkt der Senat dagegen zu tun? Antwort zu 10: Aufgrund der vielen bereits umgesetz- ten Maßnahmen auf der Grundlage der Gesamtstädtischen Ausgleichskonzeption von 2004 wird gegenwärtig im Rahmen der Aktualisierung des Berliner Landschaftspro- gramms einschließlich Artenschutzprogramm auch die Gesamtstädtische Ausgleichskonzeption aktualisiert. Berlin, den 14. Juni 2013 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Juni 2013)