Drucksache 17 / 12 127 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Hakan Taş (LINKE) vom 27. Mai 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Mai 2013) und Antwort Zukunft der Flüchtlingsunterkunft Motardstraße Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Pläne hat der Senat hinsichtlich des weite- ren Betriebs einer Aufnahmeeinrichtung in der Motard- straße? Ist der Senat am weiteren Betrieb einer Aufnah- meeinrichtung interessiert und wenn ja, welche Gründe sprechen aus Sicht des Senats für eine weitere Nutzung des Standorts? Zu 1.: Grundsätzlich ist der Senat an einer weiteren Nutzung des Standortes interessiert, weil dort eine über viele Jahre gewachsene und bewährte Infrastruktur ent- standen ist, die günstige Rahmenbedingungen für die Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlin- gen und Asylbegehrenden gewährleistet; dies betrifft etwa die örtliche Nähe zu Schulen und Vereinen sowie zur Ber- liner Zweigstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BMAF) und auch die Verkehrsanbindung (in Laufweite befindet sich etwa eine Station der U-Bahn- Linie U 7). Hinzu kommt die hohe Akzeptanz der Ein- richtung durch die lokal ansässige Bevölkerung. 2. Welche Vertragslaufzeiten gelten für die Aufnah- meeinrichtung in der Motardstraße (zwischen LAGeSo und dem Betreiber AWO Kreisverband Berlin-Mitte, zwi- schen Grundstückseigner und Betreiber, zwischen Grund- stückseigner und LAGeSo)? Zu 2.: Es besteht ein Vertragsverhältnis zwischen der Arbeiterwohlfahrt - AWO und dem Eigentümer (Pacht- vertrag) und ein weiteres Vertragsverhältnis zwischen der AWO und dem Land Berlin, vertreten durch das Landes- amt für Gesundheit und Soziales Berlin - LAGeSo (Be- treibervertrag). Beide Verträge wurden ursprünglich 1996 geschlossen und verlängern sich jeweils jährlich. 3. Trifft es zu, dass der Grundstückeigner Osram den Verkauf des Grundstücks plant? Zu 3.: Die OSRAM GmbH, in deren Eigentum sich das betroffene Grundstück befindet, hat den Pachtvertrag mit Wirkung zum 31.12.2013 gekündigt und strebt den Verkauf des Areals an. Die OSRAM GmbH hat allerdings die Bereitschaft und die Absicht bekundet, mit dem Land Berlin – vertreten durch den Bezirk Spandau von Berlin sowie das LAGeSo - und der AWO als Betreiberin der Einrichtung für die Zeit nach 2013 eine einvernehmliche Anschlusslösung zu finden und hat dazu Verhandlungen mit allen Beteiligten aufgenommen, welche derzeit noch andauern. 4. Plant der Senat einen Kauf des Grundstücks und wenn nein, warum nicht? Zu 4.: Die angebotene Kaufoption wird zurzeit ge- prüft. 5. Mit welchen Betreiberfirmen steht der Senat in Verhandlungen über einen Kauf des Grundstücks und den weiteren Betrieb einer Aufnahmeeinrichtung oder Ge- meinschaftsunterkunft am Standort Motardstraße? Zu 5.: Auf die Antwort zu 3. wird verwiesen. 6. Plant der Senat eine Ausschreibung für den weite- ren Betrieb einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemein- schaftsunterkunft am Standort Motardstraße und wenn nein, warum nicht? Zu 6.: Die Frage der Ausschreibung ist abhängig vom Ausgang der Kaufverhandlungen. 7. Hält der Senat den Standort Motardstraße für den Betrieb einer Aufnahmeeinrichtung aus sozial-räumlicher Sicht für geeignet (bitte begründen)? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 127 2 Zu 7.: Auf die Antwort zu 1. wird verwiesen. 8. Welche planungsrechtlichen Bedenken gibt es hin- sichtlich des Betriebs einer Aufnahmeeinrichtung am Standort Motardstraße? Zu 8.: So lange eine abschließende Entscheidung dar- über, ob und ggf. in welcher Weise der Standort Motardstraße weiter für die Unterbringung von Asylbe- gehrenden und Flüchtlingen genutzt werden kann und soll, noch nicht getroffen worden ist, erachtet der Senat die Fragestellung als spekulativ und eine rechtliche Be- wertung daher als verfrüht. Die zuständigen Verwaltungsbehörden werden im Rahmen der Entscheidungsfindung die einschlägigen bauplanungsrechtlichen Bestimmungen angemessen be- rück-sichtigen; dies betrifft insbesondere den Dritten Teil des Baugesetzbuches (BauGB) zur Regelung der bauli- chen und sonstigen Nutzung. Klärungsbedürftig ist ferner, ob sich für die künftige Nutzung Folgen aus der teilweisen Lage des Grundstücks im Achtungsabstand eines Störfallbetriebs (Kraftwerk Reuter) ergeben; das für diesen Betrieb veranlasste Ein- zelfallgutachten wird derzeit erstellt. 9. Als welcher Baugebietstypus ist der Standort Motardstraße im Bebauungsplan ausgewiesen? 10. Welche Ausnahmeregelungen gibt es im Bebau- ungsplan hinsichtlich der Nutzung des Standorts Motardstraße für den Betrieb einer Aufnahmeeinrichtung und wann wurden diese getroffen? Zu 9. und 10.: Für das Grundstück gelten die Rege- lungen des Baunutzungsplans von 1960 in Verbindung mit den planungsrechtlichen Bestimmungen der Bauord- nung Berlin von 1958. Danach handelt es sich um ein reines Arbeitsgebiet. Im reinen Arbeitsgebiet sind soziale Einrichtungen grundsätzlich nicht zulässig. Im Übrigen wird auf die Antwort zu 8. verwiesen. 11. Ist dem Senat die Rechtsprechung zur Nutzung von Gewerbe- und Industriegebieten für soziale Zwecke wie den Betrieb von Aufnahmeeinrichtungen und Ge- meinschaftsunterkünften für Asylsuchende a. VGH Baden-Württemberg vom 14.03.13, W 8 S 2504/12 (Asylbewerberunterkunft im Gewerbege- biet nach § 8 BauNVO unzulässig, weil „gebietsunverträglich “), b. VG Schwerin vom 29.09.12, 2 B 409/12 (keine Asylbewerberunterkunft im Gewerbegebiet), c. OVG Nordrhein-Westfalen vom 04.11.03, 22 B 1345/03 (keine Asylbewerberunterkunft im Indust- riegebiet) bekannt? Zu 11.: Dem Senat ist diese Rechtsprechung bekannt. Es ist insoweit aber zu berücksichtigen, dass mit den Planungen für den Betrieb als Gemeinschaftsunterkunft bzw. Aufnahmeeinrichtung bereits im Jahr 1989 begon- nen wurde und die zitierte Rechtsprechung somit zu ei- nem wesentlich späteren Zeitraum ergangen ist. 12. Welchen Immissionsbelastungen sind die Bewoh- nerinnen und Bewohner der Aufnahmeeinrichtung in der Motardstraße ausgesetzt? Zu 12.: Über die Immissionsbelastungen der in der Aufnahmeeinrichtung Motardstraße untergebrachten Per- sonen liegen keine Erkenntnisse vor. Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass gemäß der für den Luftreinhalteplan 2011-2017 durchgeführten stadtweiten Berechnungen der Luftqualität die Luftbelas- tung an der Motardstraße im Jahresmittel 25 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) Feinstaub (PM10), 17 µg/m³ Feinstaub (PM2.5) und 23 µg/m³ Stickstoffdioxid beträgt. Damit werden die Grenzwerte für diese Stoffe deutlich unterschritten. Bei der Modellierung wurde auch das an- grenzende Industriegebiet, z. B. Emissionen durch das Kraftwerk inklusive der Kohlehalden berücksichtigt. 13. Wie oft und durch wen wurden in den letzten fünf Jahren am Standort Motardstraße die Belastungswerte durch Abwässer, Luft- und Bodenverschmutzung gemes- sen? In welchen Abständen finden die Messungen statt und wann ist die nächste Messung geplant? Zu 13.: Berlin verfügt über ein Netz von 16 festen Luftmessstationen mit kontinuierlichen Referenzmessver- fahren. Zusätzlich wird an 23 Hauptverkehrsstraßen mit einem vereinfachten und preiswerten Messverfahren die Belastung durch elementaren Kohlenstoff und Stickstoff- dioxid mit einer Sammelzeit von zwei Wochen gemessen. Darüber hinaus steht eine mobile Messstation für Sonder- untersuchungen zur Verfügung, die temporär an wech- selnden Standorten eingesetzt wird. Mit diesem Messbus wurden im Frühjahr 2003 über einen Zeitraum von drei- einhalb Monaten Messungen der Feinstaubkonzentration auf dem Kraftwerksgelände durchgeführt, um mögliche Belastungen durch das Kraftwerk, z. B. durch Staubab- wehungen von der Kohlehalde, zu untersuchen. Es wur- den jedoch keine signifikanten Erhöhungen gemessen. Die Schadstoffkonzentration lag im Bereich der städti- schen Hintergrund-station und niedriger als Hauptver- kehrsstraßen. Seitdem wurden keine Messungen der Luft- verschmutzung mehr im Bereich der Motardstraße durch- geführt. Zur Beurteilung der Luftverschmutzung sind die Modellrechnungen (vgl. Antwort zu 12.) ausreichend. Berlin, den 08. Juli 2013 Mario C z a j a _____________________________ Senator für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juli 2013)