Drucksache 17 / 12 137 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Thomas Birk (GRÜNE) vom 27. Mai 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Mai 2013) und Antwort Neue Verträge für freiberufliche LehrerInnen an den bezirklichen Musikschulen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Ist es zutreffend, dass der Senat seit 1983 die Hono- rare für den instrumentalen und vokalen Einzelunterricht der freiberuflichen MusikschullehrerInnen auf der rechtli- chen Grundlage von Senatsbeschlüssen geregelt hat (zu- letzt durch Senatsbeschluss Nr. S-550/2007 vom 24.07.2007)? Zu 1.: Ja. Die Höhe der Honorarsätze für Musikunter- richt wurde bis zum Inkrafttreten der Ausführungsvor- schriften über Honorare an den Musikschulen im Juli 2012 durch oder auf der Basis von Senatsbeschlüssen festgesetzt. 2. Ist es zutreffend, dass in diesen Senatsbeschlüssen, zuletzt im Senatsbeschluss Nr. S-550/2007 vom 24.07.2007, das dort genannte "Monatsstundenhonorar" in der folgenden Weise errechnet wurde: Satz des Einzel- stundenhonorars multipliziert mit 39 (durchschnittliche Dauer eines Unterrichtsjahres), dividiert durch 52,176 Jahreswochen, multipliziert mit dem Faktor 4,348? a) Falls ja, ist es zutreffend, dass der Senat diese Be- rechnungsweise aus der Vorgehensweise zur Errechnung der Einzelstundenvergütung von teilzeitbeschäftigten An- gestellten bzw. BeamtInnen abgeleitet hat? b) Falls nein, bitte darlegen, auf welcher rechtlichen Grundlage diese Berechnungsweise vorgenommen wurde. Zu 2.: Nein. Die Höhe der Honorarsätze wurde bis 1997 in Anlehnung an die Vergütung eines im Angestell- tenverhältnis beschäftigten 37-jährigen, verheirateten Mu- sikschullehrers mit abgeschlossener Ausbildung – Vergütungsgruppe IV BAT – errechnet. Die Berechnung erfolgte , indem die monatliche Grundvergütung inklusive Orts- zuschlag durch 4,348 (Umrechnung von Monat auf Wo- che) und durch 30 Pflichtstunden geteilt wurde. Das so errechnete Einzelstundenhonorar pro 45 min. wurde zur Ermittlung des Monatsstundenhonorars für wöchentlich 60 Unterrichtsminuten mit 39 multipliziert, durch 12 ge- teilt und sodann auf 60 Unterrichtsminuten umgerechnet. Gemäß Senatsbeschluss vom Juni 1997 werden die Honorarsätze seit 1997 in Anlehnung an die in den Richt- linien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zur Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht unter den BAT fallenden Musiklehrkräfte festgesetzt. Hierbei wurden der Berechnung die von der TdL mitgeteilten Sätze für das Tarifgebiet West zugrunde gelegt. Von 1997 bis 2002 wurden die Honorarsätze wie folgt festgelegt: Für Musiklehrkräfte, die keine arbeitneh- merähnlichen Personen sind, wurde die Höhe der Einzel- stundenhonorare entsprechend der von der TdL mitgeteil- ten Einzelstundenvergütung festgesetzt. Zur Ermittlung des Monatsstundenhonorars wurde das Einzelstundenho- norar mit 39 multipliziert und durch 12 geteilt. Für Musiklehrkräfte, die arbeitnehmerähnliche Perso- nen sind, wurde auf die von der TdL mitgeteilte Einzel- stundenvergütung ein Zuschlag für die nach dem Bundes- urlaubsgesetz (BUrlG) anfallende Urlaubsabgeltung in Höhe von 10,26 % hinzugerechnet. Das Monatsstunden- honorar entsprach der von der TdL mitgeteilten Monats- stundenvergütung. Seit 2002 werden die Honorarsätze anhand der Tari- fentwicklung im öffentlichen Dienst des Landes Berlin fortgeschrieben. 3. Ist es zutreffend, dass die Honorare für freiberufli- che MusikschullehrerInnen bei Kapitel 3712, Titel 427 01 der Bezirke veranschlagt werden und die Bezirke ange- wiesen waren, entsprechend den Vorgaben des Senats das Honorar für freiberufliche Lehrkräfte in zwölf gleichen monatlichen Beträgen zu zahlen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 137 2 Zu 3.: Ja. Die Honorare für freiberufliche Musikschul- lehrkräfte werden ganz überwiegend bei den Titeln 427 01 (Honorarausgaben) veranschlagt. In geringem Umfang stehen Honorare darüber hinaus auch in den Titeln 427 90 sowie 427 91 (Honorarausgaben aus zweckgebundenen Einnahmen) zur Verfügung. Es war den Bezirken freigestellt, mit den freiberufli- chen Lehrkräften für die Durchführung des Musikunter- richts Einzel – oder Monatsstundenhonorare zu vereinbaren . a) Wurde bei der bisherigen vertraglichen Grundla- ge für die freiberuflichen Lehrkräfte der Musikschulen dem besonderen pädagogischen Ausbildungsgeschehen im musikalischen Einzelunterricht, das auf Kontinuität, Langfristigkeit, Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit des LehrerInnen-SchülerInnen-Verhältnisses gründet, Rech- nung getragen? b) Hat der Senat bis heute diese pädagogische Beson- derheit der Ausbildung im musikalischen Einzelunterricht durch weitere Maßnahmen flankiert wie: die Gewährung einer Honorarfortzahlung im Krankheitsfalle, den Ab- schluss unbefristet geltender Dienstverträge und die An- passung der zu vergütenden Honorare an die Tariferhö- hungen für Angestellte des Landes Berlin? a) und b): Nach dem bisher überwiegend verwendeten Dienstvertragsmuster wurden die Rahmendienstverträge unbefristet geschlossen, konnten aber von beiden Ver- tragspartnern mit einer Frist von einem Monat zum 31. März oder zum 30. September gekündigt werden. Der Umfang der Beschäftigung richtete sich nach den von der Musikschule schriftlich erteilten Unterrichtsaufträgen (§ 2 des Dienstvertragsmusters). Bei der Entscheidung, ob ein Vertrag befristet oder unbefristet geschlossen wird und bei der Gestaltung der Kündigungsregelungen sind unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen. Die bestehenden Regelungen entspre- chen dem Bedarf der Musikschulen nach langfristiger, kontinuierlicher Zusammenarbeit mit ihren freiberufli- chen Lehrkräften und eröffnen zugleich die Möglichkeit, auf eine geänderte Nachfrage (z.B. durch kurzfristige Kündigung von Schülerverträgen) angemessen reagieren zu können. Sie sind daher auch in die neuen Verträge auf- genommen worden. Die Gewährung einer Honorarfortzahlung im Krank- heitsfalle für arbeitnehmerähnliche Personen und die An- passung der zu vergütenden Honorare an die Tariferhö- hungen ist dem mehrfach erklärten Willen des Senats geschuldet, den Musikschullehrkräften, diese besondere soziale Absicherung zukommen zu lassen. c) Falls nein, gab es andere Gründe, die den Senat be- wogen haben, das beschriebene Vertragsverhältnis über nahezu 30 Jahre anzuwenden? Falls es andere Gründe gab, welche waren das? c) Was die Gestaltung der Befristungs- und Kündi- gungsregelungen angeht, so gab und gibt es für den Senat keinen Anlass, diese zu ändern. Sie entsprechen dem Be- darf der Musikschulen und sind daher auch bei der Ge- staltung der neuen Vertragsmuster übernommen worden. Eine Änderung der Regelungen über die Honorarfort- zahlung im Krankheitsfall wurde erforderlich, weil die Deutsche Rentenversicherung diese beanstandet hat und den Senat im Bescheid an das Bezirksamt Marzahn- Hellersdorf aufgefordert hat, diese Regelung aufzuheben. Inhaltlich gab und gibt es auch insoweit keinen Ände- rungsbedarf. Deswegen wurde diese Regelung nicht er- satzlos gestrichen, sondern durch eine inhaltlich entspre- chende Regelung ersetzt (Ausfallhonorar im Krankheits- fall), die einer Prüfung des Rentenversicherungsträgers stand hält. Die Dynamisierungsregelung aus dem Jahr 2007 ent- hielt keine Aussagen über den Zeitpunkt der Anpassung der Honorarsätze an die tarifliche Entwicklung. Da die Anpassung der Honorarsätze einen organisatorischen Vorlauf benötigt und deswegen eine Aussage über den Zeitpunkt der Anpassung sachdienlich ist, wurde mit der neuen Honorarregelung eine entsprechende Regelung eingefügt. 4. Welche neue Berechnungsweise hat der Senat mit dem Erlass der Ausführungsvorschriften über Honorare der Musikschulen (AV Honorare MuS) vom 10. Juli 2012 zu Grunde gelegt? Zu 4.: Es gibt keine neue Berechnungsweise zur Er- mittlung der Honorarsätze. Bis zum Erlass der Ausfüh- rungsvorschriften über Honorare der Musikschulen (AV Honorare) vom 10. Juli 2012 wurde im musikalischen Einzel- und Gruppenunterricht zwischen Einzelstunden- honorar und Monatsstundenhonorar unterschieden. Mit Inkrafttreten der Ausführungsvorschriften und der Umset- zung in den Bezirken entfällt die Möglichkeit, ein Mo- natsstundenhonorar zu zahlen. Daher entfällt die Berech- nung dieses Honorarsatzes ersatzlos. Das Einzelstundenhonorar wird wie bisher ermittelt, indem die bestehenden Honorarsätze anhand der Tari- fentwicklung im öffentlichen Dienst fortgeschrieben wer- den. a) Ist es zutreffend, dass die neue vertragliche Grund- lage, der die freiberuflichen MusikschullehrerInnen durch Unterschrift zustimmen sollen, wegen der nunmehr ver- änderten Berechnungsweise der Honorarvergütung zu einer Minderung ihrer Honorarvergütung führen wird (bitte mit Vergleichsrechnung)? Wenn nein, wie kommt der Senat zu dieser Annahme? b) Teilt der Senat meine Auffassung, dass ein Einver- ständnis der freiberuflichen MusikschullehrerInnen mit der Veränderung der vertraglichen Beziehungen zum Land Berlin, vertreten durch die Bezirke, eine Zustim- mung zur Minderung des ihnen gezahlten Honorars für den vokalen und instrumentalen Einzelunterricht verbun- den mit einem unregelmäßigen Einkommen bedeutet und Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 137 3 hält er eine solche Zustimmung für zumutbar? Falls ja, warum? a) und b): Da die bisher geltenden Monatssätze der freiberuflich Tätigen auf Basis von 39 Unterrichtswochen pro Jahr errechnet wurden, die tatsächlich geleisteten Un- terrichtsstunden diese Zeit aber oft nicht erreichten (z.B. Feiertage, Ausfall), wurden in der Vergangenheit Leis- tungen vergütet, die nicht erbracht wurden. Je nach Ver- teilung der Unterrichtsstunden auf bestimmte Wochentage kann es durch die Umstellung auf die Einzelstundenab- rechnung individuell zu (überschaubaren) Einkommens- nachteilen kommen. Demgegenüber sind mit den Neuregelungen aber auch Einkommensvorteile verbunden: o Pflicht zur Honorierung von Schülervorspielen und sonstigen Tätigkeiten (wie Elterngespräche, Teil- nahme an Fachkonferenzen, AG´s, Begutachtung und Pflege von Instrumenten). Zur Vergütung in vollem Umfang sind alle Musikschulen künftig ver- pflichtet. Vereinbarungen hierzu sind gesondert zu treffen. o Bestimmte Unterrichtsformen wie z.B. Musikalische Früherziehung und Unterricht in Kooperationsange- boten werden seit Inkrafttreten der neuen AV Hono- rare mit 2,- € zusätzlich vergütet. Der Senat geht davon aus, dass mögliche Einkom- mensnachteile durch die gleichzeitig erzielbaren Ein- kommensvorteile ausgeglichen werden. Hinzukommen die Honoraranhebungen in Höhe von insgesamt 7,3 % in 2012 und 2013 im Zuge der Anpassung der Honorare an die Tarifentwicklung im Öffentlichen Dienst des Landes Berlin. 5. Teilt der Senat meine Auffassung, dass eine Minde- rung des Honorars der freiberuflichen Musikschullehre- rInnen ausgabenneutral zu vermeiden wäre durch eine entsprechende prozentuale Anhebung der Honorarsätze für instrumentalen und vokalen Einzelunterricht? Falls nein, warum nicht? Zu 5.: Nein. Der Senat geht davon aus, dass die Bezir- ke zur Vergütung sonstiger Tätigkeiten zusätzliche Hono- rarmittel aufwenden werden. Für eine zusätzliche prozen- tuale Anhebung der Honorarsätze gibt es daher keine fi- nanziellen Spielräume. 6. Wie gedenkt der Senat mit der Tatsache umzuge- hen, dass offensichtlich die Mehrheit der freiberuflichen MusikschullehrerInnen sich weigert, die neuen Honorar- verträge fristgerecht zu unterschreiben? Welche Folgen sind für die MusikschullehrerInnen zu erwarten? Welche Folgen sind für die MusikschülerInnen zu erwarten? Zu 6.: Senat und Bezirke sind gleichermaßen daran in- teressiert, die Dienstverträge mit allen freiberuflichen Lehrkräften fortzusetzen. Diese Lehrkräfte leisten einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Bildung in Berlin. Im Interesse des Landes Berlin ist es aber zwingend notwen- dig, die Vertragsverhältnisse so zu gestalten, dass über den versicherungsrechtlichen Status der Selbständigkeit der freiberuflichen Lehrkräfte keine Zweifel bestehen. Laut einer von der Senatsverwaltung für Bildung, Ju- gend und Wissenschaft durchgeführten Umfrage ist die Zahl derjenigen Lehrkräfte, die die angebotenen Honorar- verträge nicht in der gesetzten Frist unterschrieben haben, von Bezirk zu Bezirk sehr unterschiedlich. Bezogen auf alle Bezirke liegt die Rücklaufquote der neuen Honorar- verträge durchschnittlich derzeit bereits bei ca. 72 % (Stand: 5.6.2013). Der Senat geht davon aus, dass sich diese Quote noch erhöhen wird und die Lehrkräfte in weit überwiegender Zahl ihre Tätigkeit an den Berliner Musikschulen fortset- zen. Die Fortsetzung der Verträge zu den bisherigen Be- dingungen ist ausgeschlossen. Lehrkräfte, die den ihnen angebotenen Vertrag nicht unterschreiben, können für die Berliner Musikschulen über den 1. August 2013 hinaus nicht weiter tätig werden. Wenn die Lehrkraft sich entscheidet, das Vertragsver- hältnis an der Musikschule zu den neuen Bedingungen nicht fortzusetzen, hat die Musikschülerin oder der Mu- sikschüler die Möglichkeit, den Vertrag mit der Musik- schule zu kündigen oder den Vertrag fortzusetzen und sich von einer anderen Lehrkraft unterrichten zu lassen. 7. Ist der Senat bereit, einzugestehen, dass der musik- pädagogische Auftrag einer Musikschule unter den Rah- menbedingungen der neuen Honorarverordnung nicht erfüllt werden kann, wenn noch dazu mehr als 90 Prozent der MusikschullehrerInnen freischaffend sind, was deutschlandweit im negativen Sinne einzigartig ist? Teilt der Senat meine Auffassung, dass es daher dringend einer Neuordnung des Berliner bezirklichen Musikschulwesens bedarf? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Über- legungen hat der Senat dazu bereits angestellt? Zu 7.: Die weit überwiegende Unterrichtserbringung durch freiberufliche Lehrkräfte in Berlin ist das Ergebnis verschiedener Entwicklungsprozesse der letzten Jahrzehn- te. Dazu beigetragen haben die historisch bedingten Aus- stattungsunterschiede bei den Musikschulen (im Westteil der Stadt überwiegend Unterricht durch freiberufliche Lehrkräfte) vor der Wiedervereinigung und die danach notwendigen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung (Abbau der Festangestellten im Ostteil der Stadt). Die Leistungserbringung durch freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglicht bei den gegebenen finanziellen Ressourcen eine bundesweit vergleichsweise sehr gute Versorgung der Bevölkerung mit Musikschulunterricht. Entsprechend des Senatsbeschlusses zum Kommissi- onsbericht hat die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft ein Steuerungsgremium zur gemeinsa- men Wahrnehmung bildungspolitischer Verantwortung von Senat und Bezirken eingerichtet. In diesem Steue- rungsgremium wurde die Beratung der Themen „Sicherung von Mindestmengen zur Versorgung der Bevölke- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 137 4 rung mit den Angeboten der Musikschulen“ sowie „Stärkung der überbezirklichen Zusammenarbeit“ vorangetrieben . Diese Beratungen dauern noch an. Es liegt im Inte- resse der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis- senschaft, das Thema Personalausstattung der Berliner Musikschulen in die Beratungen einzubringen. Berlin, den 13. Juni 2013 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Jul. 2013)