Drucksache 17 / 12 141 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Alexander Spies (PIRATEN) vom 28. Mai 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Mai 2013) und Antwort Schnüffeln Jobcenter und Sozialämter Leistungsbezieher_innen im Internet aus? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Teilt der Senat die Forderung von Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), der sich Ende Mai 2013 in der Presse für die (gezielte) Recherche nach Leistungsbezieher_innen in sozialen Netzwerken ausgesprochen hat? Zu 1.: Der Berliner Senat teilt eine Forderung nach gezielter Recherche nach Leistungsbezieherinnen und Leistungsbeziehern in sozialen Netzwerken ausdrücklich nicht. Daten und Informationen, die für die Leistungser- bringung notwendig sind, sind direkt bei dem Antragstel- ler bzw. der Antragstellerin zu erheben. Nur wenn die notwendige Sachverhaltsaufklärung (§ 20 SGB X) auf diesem Wege nicht möglich ist, kann unter Beachtung der Grundsätze des Sozialdatenschutzes (§§ 67 ff. SGB X) die Datenerhebung auch bei anderen Personen oder Stel- len durchgeführt werden. Dazu gehören jedoch die sozia- len Netzwerke nicht. 2. Laut dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz haben sich Geschäftsführer_innen und behördliche Daten- schutzbeauftragte von Jobcentern und Arbeitsagenturen mit der Frage an seine Behörde gewandt, ob sie in sozia- len Netzwerken Leistungsbezieher_innen hinterher re- cherchieren dürfen: Kann der Senat mit Sicherheit aus- schließen, dass sich Berliner Jobcenter darunter befan- den? Wenn nein, welche Behörden haben entsprechende Anfragen gestellt? Zu 2.: Ob sich Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Berliner Jobcenter mit der Frage an den Bundesbeauf- tragten für den Datenschutz (BfDI) gewandt haben, in- wieweit sie in sozialen Netzwerken Leistungsbezieherin- nen oder Leistungsbezieher hinterher recherchieren dür- fen, ist dem Senat nicht bekannt. Diese Auskunft kann nur der Bundesbeauftragte selbst erteilen. Der BfDI hat seine datenschutzrechtliche Bewertung, unter welchen Voraussetzungen Jobcenter Daten aus sozi- alen Netzwerken verwenden dürfen, in seinem 24.Tätigkeitsbericht 2011-2012 unter Punkt 12.1.3.3. dar- gelegt. http://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publikationen/Taetig- keitsberichte/TB_BfDI/24TB_2011_2012.html?nn=408924 Er führt hierzu aus, dass Jobcenter im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung nur in Ausnahmefällen und nach vorheriger Prüfung aller gesetzlicher Voraussetzungen Internetsuchmaschinen und soziale Netzwerke nutzen dürfen. Darüber hinaus hat er erhebliche Zweifel darüber geäußert, ob die Recherche über Internetsuchmaschinen oder soziale Netzwerke überhaupt geeignete Maßnahmen sind. Die nach § 4 f Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in den Berliner Jobcentern bestellten Beauftragten für den Datenschutz stellen die rechtmäßige Anwendung des Da- tenschutzes in den Grundsicherungsstellen sicher. 3. Laut Presseinfo Nr. 28 der Bundesagentur für Ar- beit vom 24. Mai 2013 ist der Zugang zu sozialen Netz- werken auf allen Dienstrechnern der Arbeitsagenturen und gemeinsamen Einrichtungen (Jobcenter) gesperrt: a. Zu welchen konkreten sozialen Netzwerken ist der Zugang gesperrt? b. Seit wann ist der Zugang zu den jeweiligen sozialen Netzwerken gesperrt? Zu 3a.: Nach Auskunft der Regionaldirektion Berlin- Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit ist der Zugang über Dienstrechner der Arbeitsagenturen und Jobcenter zu sämtlichen sozialen Netzwerken wie z.B. Facebook, Twit- ter, Myspace, Xing, MeinVZ, StudiVZ etc. gesperrt. Zu 3b.: Die Zugangssperren wurden mit der Einfüh- rung der Internetfähigkeit der Dienstrechner eingerichtet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 141 2 4. Nutzten in der Vergangenheit oder nutzen aktuell Mitarbeiter_innen der Berliner Jobcenter und Sozialämter Internetrecherchen, um unerlaubte Ortsabwesenheit, „Schwarzarbeit“, Gesundheitszustand, Vermögen etc. von Leistungsberechtigten aufzuspüren? a. Wenn ja, in welcher Größenordnung (bitte nach Jahren und Behörden aufschlüsseln)? b. Wenn ja, sind die Betroffenen jeweils über die Datenerhebung informiert worden? Wenn nein, warum nicht? Zu 4., 4a. und b.: Dem Berliner Senat liegen keine Er- kenntnisse darüber vor, dass Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter der Jobcenter oder Sozialämter grundsätzlich das Internet für die Recherche von Informationen über Leis- tungsberechtige nutzen. Ob in Einzelfällen unter Berück- sichtigung der in der Beantwortung zu Frage 1 genannten Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches - Zehntes Buch – Informationen aus dem Internet zur notwendigen Sachverhaltsaufklärung herangezogen werden, ist dem Senat nicht bekannt. 5. Können Mitarbeiter_innen der Berliner Sozialäm- ter von ihren Dienstrechnern auf soziale Netzwerke zu- greifen? a. Wenn nein, zu welchen konkreten sozialen Netzwerken ist der Zugang gesperrt? b. Wenn nein, seit wann ist der Zugang zu den jeweiligen sozialen Netzwerken gesperrt? Zu 5., 5a. und b.: Die Zugriffssteuerung der von den Sozialämtern genutzten Anwendungen der Informations- technik (IT) obliegt den jeweiligen bezirklichen IT-Stel- len. Welche Internetportale im Einzelnen über die Dienst- rechner der Sozialämter angesteuert werden können und welche gesperrt wurden, ist dem Senat nicht bekannt und kann nur bei den einzelnen Bezirksverwaltungen erfragt werden. 6. Kann der Senat mit Sicherheit ausschließen, dass Mitarbeiter_innen der Jobcenter und Sozialämter sich über private internetfähige Geräte Informationen über Leistungsbezieher_innen beschaffen und daraus leistungs- relevante Entscheidungen treffen? 7. In wie vielen Fällen kam es in den Jahren seit 2005 dazu, dass die Internetrecherche von Mitarbeiter_innen der Berliner Jobcenter und Sozialämter zu leistungsrele- vanten Erkenntnissen führte (bitte nach Jahren und Be- hörden aufschlüsseln)? Zu 6. und 7.: Der Senat kann über die Verwendung von privaten internetfähigen Geräten von Mitarbeiterin- nen und Mitarbeitern der Jobcenter oder Sozialämter kei- ne Angaben machen. Die Erhebung von Sozialdaten und deren Verwendung bei der Prüfung von Leistungsvo- raussetzungen unterliegen den einschlägigen Datenschutz- regelungen, die im Rahmen der Leistungsgewährung zu berücksichtigen sind. Statistische Angaben, in wie vielen Fällen leistungs- relevante Erkenntnisse, die nicht direkt beim Leistungsbe- rechtigten erhoben wurden, in die Entscheidung zur Leis- tungsgewährungen eingeflossen sind, werden nicht erho- ben. 8. Gibt es Weisungen, Richtlinien oder Hinweise in den Berliner Jobcentern und Sozialämtern, welche die Recherche in sozialen Netzwerken oder im Internet regeln (bitte alle Weisungen, Richtlinien oder Hinweise auflisten und im Originalwortlaut beifügen/verlinken)? Zu 8.: Es gibt weder in den Berliner Jobcentern noch in den Berliner Sozialämtern Weisungen, Richtlinien oder Hinweise, die die Recherche in sozialen Netzwerken oder im Internet regeln. 9. An der Beantwortung welcher Fragen dieser Klei- nen Anfrage waren welche Senatsverwaltungen, welche Abteilungen und welche weiteren Stellen jeweils betei- ligt? Zu 9.: An der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage waren in Bezug auf die Praxis der Berliner Sozialämter die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, in Bezug auf die Praxis in den Berliner Jobcentern die Bun- desagentur für Arbeit (Regionaldirektion Berlin-Branden- burg) und in Bezug auf Fragen der landeseinheitlichen Regelungen zu IT-Anwendungen die Senatsverwaltung für Inneres und Sport beteiligt. Berlin, den 5. Juli 2013 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Juli 2013)