Drucksache 17 / 12 200 Kleine Anfrage 17.17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Katrin Lompscher (LINKE) vom 10. Juni 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Juni 2013) und Antwort Entwicklung von und Umgang mit Zwangsräumungen von Wohnungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat vor dem Hintergrund der Verankerung des Rechts auf Wohnen in der Verfassung von Berlin das Risiko eines Verlusts der Wohnung durch Zwangsräumung für bestimmte sozial benachteiligte Be- völkerungsgruppen? Zu 1.: Aus dem Recht auf Wohnraum im Sinne der Verfassung von Berlin, Artikel 28 Absatz 1 Satz 1, kön- nen keine Schutzrechte abgeleitet werden, die über den im Rahmen des Vollstreckungsschutzverfahrens nach § 765a Zivilprozessordnung (ZPO) gewährten Vollstreckungs- schutz (zu dessen verfassungskonformer Auslegung vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 3. Oktober 1979 - 1 BvR 614/79 -) hinausgehen. Das Recht auf Wohnraum im Sinne der Verfassung von Berlin, Artikel 28 Absatz 1 Satz 1, könnte subjektivrechtlich - also über seine Qualität als Programmsatz hinaus - allenfalls vor Obdachlosigkeit schützen (vgl. Beschluss vom 14. Feb- ruar 2005 - Verfassungsgerichtshof (VerfGH) 186/04 - und Beschluss vom 17. März 1994 - VerfGH 139/93 -, zit.n.juris). Er begründet weder ein allgemeines Behal- tensrecht für eine bestimmte bezogene Wohnung noch einen sonstigen Anspruch einer einzelnen Bürgerin bzw. eines einzelnen Bürgers. Das Recht auf Wohnraum in der Verfassung von Berlin, Artikel 28 Absatz 1 Satz 1, wirkt mithin grundsätzlich nicht unmittelbar anspruchsbegrün- dend, sondern verpflichtet das Abgeordnetenhaus von Berlin und den Senat von Berlin, das im Rahmen staatli- cher Einflussnahme und unter Berücksichtigung anderer staatlicher Aufgaben und Pflichten das Mögliche zu tun, für Schaffung und Erhaltung von Wohnraum zu sorgen (vgl. Beschluss vom 22. Mai 1996 - VerfGH 34/96 -, zit.n.juris). 2. Wird die 1995 eingeführte statistische Erhebung von Zwangsräumungen für das gesamte Stadtgebiet fort- geführt, wenn ja, bei welcher Stelle und mit welchen In- halten, wenn nein, warum nicht? 3. In welcher Weise und bei welcher Stelle werden ak- tuell Umfang, Gründe von Zwangsräumungen, betroffene Personengruppen und Hilfen bzw. Hilfsangebote öffentli- cher Stellen zur Vermeidung von Zwangräumungen er- fasst, dokumentiert und fortgeschrieben? Zu 2. und 3.: Die Führung einer entsprechenden Sta- tistik ist bei dem bei den Berliner Zivilgerichten einge- setztem Softwareprogramm AULAK nicht vorgesehen. Von der dortigen Statistik wird lediglich der Zahl der be- arbeiteten Wohnungsangelegenheiten ohne explizite Ausweisung der Räumungsangelegenheiten erfasst. Zwangsräumungen werden aufgrund eines mit Voll- streckungsklausel versehenen Räumungsurteils der Amts- gerichte (§§ 704, 724 Abs.1 ZPO) von der Gerichtsvoll- zieherin und vom Gerichtsvollzieher durchgeführt. Die Amtsgerichte unterliegen bei Erlass von Vollstreckungs- urteilen gegenüber den Bezirksämtern - Bereich Soziales bzw. dem JobCenter - keiner gesetzlich geregelten Mit- teilungspflicht. Diese Pflicht hat der Gesetzgeber nur für eingehende Räumungsklagen vorgesehen (vgl. Abschnitt 2, Ziffer IV. der Mitteilungspflichten in Zivilsachen (MiZi). Die bezirklichen Sozialämter erhalten dennoch von den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern Mit- teilungen über Räumungen. Die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher sind nach § 181 Abs.3 der Ge- schäftsanweisung für Gerichtsvollzieher verpflichtet, un- verzüglich die für die Unterbringung von Obdachlosen zuständige Verwaltungsbehörde zu unterrichten, wenn zu erwarten ist, dass die Räumungsschuldnerin bzw. der Räumungsschuldner durch Vollstreckung des Räumungs- titels obdachlos wird. Diese Meldungen werden bei der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales zentral statistisch erfasst. Im Jahr 2011 wurde der Senatsfach- verwaltung von den Bezirken beispielsweise der Eingang von 6.777 Räumungsmitteilungen gemeldet. Für 2012 liegen noch keine Daten vor. Mit den vorgenannten Mit- teilungen sind allerdings nur die Räumungen erfasst, bei denen nach der (subjektiven) Einschätzung der jeweils zuständigen Gerichtsvollzieherin bzw. des jeweils zustän- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 200 2 digen Gerichtsvollziehers eine Obdachlosigkeit der Räu- mungsschuldnerin bzw. des Räumungsschuldners drohte. Es ist dem Senat auch nicht bekannt, wie viele von den 6.777 terminierten Zwangsräumungen tatsächlich durch- geführt worden sind. Darüber werden die bezirklichen Sozialämter von den Gerichtsvollzieherinnen und Ge- richtsvollziehern nicht in Kenntnis gesetzt. Derzeit wird der statistische Erfassungsbogen für die Geschäftstätigkeit der Gerichtsvollzieherinnen und Ge- richtsvollzieher bundesweit von den Landesjustizverwal- tungen überarbeitet. Der aktuelle Entwurf sieht auch eine separate Erfassung der Räumungsaufträge vor. Sollte der Entwurf wie vorgesehen umgesetzt werden, wären künftig auch genaue Aussagen über die Anzahl der in Berlin durchgeführten Wohnungsräumungen möglich. 4. Wie viele Räumungen fanden in den Jahren 2011 und 2012 statt und welche Erkenntnisse hat der Senat über die betroffenen Personengruppen? Zu 4.: Über die Anzahl der durchgeführten Räumun- gen durch die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvoll- zieher und die betroffenen Personengruppen liegen keine statistischen Daten vor. Eine Sonderauswertung für den fraglichen Zeitraum ist mit vertretbarem Auf-wand nicht leistbar. 5. Welche Informationspflichten gegenüber öffentli- chen Stellen bestehen seitens des Vermieters bei beab- sichtigten Räumungen? Zu 5.: Es gibt keine Rechtsvorschrift, die der Vermie- terin und dem Vermieter eine Datenübermittlung an öf- fentliche Stellen - hier z. B. dem Sozialamt - erlaubt. Zu- widerhandlungen stellen einen Verstoß gegen das Bun- desdatenschutzgesetz (BDSG) dar und werden als Ord- nungswidrigkeit geahndet. Vermieterinnen und Vermieter dürfen Kündigungsschreiben mit Räumungsandrohung ausschließlich nur dann an das Sozialamt weiterleiten, wenn die Mieterin bzw. der Mieter im Vorfeld einer Da- tenübermittlung zugestimmt hat (§ 4 Abs. 1 BDSG). Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Ent- scheidung der Betroffenen bzw. des Betroffenen beruht. In keinem Fall darf die Abgabe einer derartigen Einwilli- gung als Voraussetzung für einen Vertragsabschluss von der Vermieterin bzw. vom Vermieter verlangt werden. Dies würde die freie Entscheidung der Mietbewerberin bzw. des Mietbewerbers beeinflussen und ihre bzw. seine Erklärung wäre mangels Freiwilligkeit ungültig. Im Rahmen des Kooperationsvertrages „Geschütztes Marktsegment“ hat deshalb das Land Berlin mit den beteiligten Unternehmen der Wohnungswirtschaft eine In- formationspflicht über Mietvertragsverletzungen, die zur Wohnungskündigung führen könnten, vereinbart (vgl. § 4 BDSG). Im Gegenzug beinhaltet der bei den bezirklichen Sozialämtern zu stellende „Antrag auf eine Marktsegment - („M“) Berechtigung zur Wohnungsbewerbung “ eine Einverständniserklärung der Wohnungsbewerberinnen bzw. Wohnungsbewerber zur Informations- weitergabe der Vermieterin bzw. des Vermieters an das bezirkliche Sozialamt. 6. Welche Regelungen (Informationspflichten, Koope- rationen etc.) bestehen zwischen den Jobcentern, den be- zirklichen Sozialämtern und weiteren beteiligten öffentli- chen Stellen zur Vermeidung von Zwangsräumungen? Zu 6.: Die Zusammenarbeit zwischen den JobCentern und den Sozialämtern in den Bezirken ist unterschiedlich geregelt. Dem Senat liegen über die Einzelverfahren keine Informationen oder Erkenntnisse vor. Die Beantwortung der Frage ist nur nach einer aufwendigen Bezirksabfrage möglich, die im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht er- folgen kann. Der Senat verweist im Zusammenhang mit den ge- stellten Fragen auch auf die Beantwortung der Kleinen Anfragen Drs. 17/10269 und Drs. 17/12214 über Räu- mungsklagen und Wohnungsräumungen in Berlin. 7. Gibt es seitens des Senates bzw. auf gesetzlicher Grundlage Vorgaben für das Handeln sowie Hilfsange- bote der Bezirke zur Vermeidung von Zwangsräumun- gen? 8. Welche Hilfsangebote bestehen derzeit in Berlin zur Vermeidung von Zwangsräumungen, bei welchen Stellen und wie werden sie genutzt? 10. Welche Maßnahmen werden von verantwortlichen öffentlichen Stellen ergriffen, um eine Räumung in die Obdachlosigkeit zu vermeiden? Zu 7., 8. und 10.: Die Datenübermittlung der Amtsge- richte von eingegangenen Räumungsklagen an JobCenter bzw. Sozialämter ist gesetzlich verankert (§ 22 Abs. 9 Sozialgesetzbuch (SGB) II und § 36 Abs. 2 SGB XII). Die gesetzlichen Regelungen dienen ausschließlich dem Ziel und Zweck, den beklagten Mieterinnen und Mietern seitens der Behörden rechtzeitig ein Beratungsangebot zu unterbreiten, damit ggf. die Räumungsklage z. B. durch Mietschuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II bzw. § 36 Abs. 1 SGB XII von der Klägerin bzw. vom Kläger zurückgezogen wird. Den Hinweis auf die behördliche Beratung zur Wohnungsverlustvermeidung und die Dringlichkeit aktiv zu werden, da mietrechtlich nur ein enges Zeitfenster besteht eine Räumungsklagerücknahme zu erwirken, erhält jede bzw. jeder Beklagte schriftlich zeitnah von den Sozialämtern bzw. JobCentern. Das Be- ratungsangebot wahrzunehmen obliegt der beklagten Per- son. Dem Senat liegen keine Daten vor, wie viele Miete- rinnen und Mieter sich aufgrund der behördlichen Bera- tungsanschreiben bei den Sozialämtern bzw. JobCentern gemeldet haben. Alle gerichtlichen Entscheidungen zu Räumungskla- gen und die Durchführung von Räumungen beruhen aus- schließlich auf Mietrecht (Zivilrecht) und nicht auf Sozi- alrecht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 200 3 Wenn es zur Vollstreckung eines erwirkten Räu- mungstitels durch vorherige Räumungsklageentscheidung kommt und dabei Mieterinnen und Mieter in der Woh- nung angetroffen werden, erhalten diese unmittelbar das Angebot einer Unterbringung in einer Wohnungslosenein- richtung gemäß Nr. 19 Zuständigkeitskatalog des Allge- meinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Bln) bzw. werden ihnen konkrete Hinweise über Beratungs- oder andere beste- hende Anlaufstellen unterbreitet. Über die Annahme eines Unterbringungsangebotes entscheiden alleine die be- troffenen Personen. Der Senat verweist im Zusammenhang mit den ge- stellten Fragen auch auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage Drs. 17/10269 über Räumungsklagen und Woh- nungsräumungen. 9. Welche Hilfsangebote bestehen derzeit in Berlin im Falle einer Räumung (insbesondere für Familien mit Kin- dern, Menschen mit Behinderungen oder schweren Er- krankungen, Jugendliche, ältere Menschen)? Zu 9.: Im Falle einer Räumung können sich Be- troffene an das zuständige Sozialamt bzw. bei SGB II- Leistungsbezug an das zuständige JobCenter wenden. Besteht der Wunsch auf Unterbringung in einer Notunter- kunft sind gemäß ASOG Bln die Bezirksämter für die Ordnungsaufgaben bei Wohnungslosigkeit verantwort- lich. Das Hilfeverfahren für Familien und Alleinerziehende mit Kindern bei Unterbringung gemäß ASOG Bln unter- scheidet sich generell nicht von dem für andere woh- nungslose Haushalte, bis auf die Einbeziehung des Ju- gendamtes nach Vorgaben der internen Organisations- festlegungen des jeweiligen Bezirksamtes. Gegenwärtig sind vier Unterkünfte mit 161 Plätzen ausschließlich für Familien und Alleinerziehende mit Kindern bekannt. Ist die Kapazität aus-geschöpft, werden Familien bzw. Al- leinerziehende mit Kindern auch in anderen Einrichtun- gen gemäß ASOG Bln untergebracht, die über die Berli- ner Unterbringungsleitstelle (BUL) belegbar sind. Wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit be- drohten Personen und Familien stehen - analog anderen Leistungsberechtigten - rechtlich alle Leistungsansprüche zu. Der Status „wohnungslos“ führt generell nicht zur Leistungseinschränkung u. a. im Sozialhilferecht (z. B. Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege) und Jugendhilfe- recht. Bei bestehenden Energie- bzw. Mietschulden ist die Möglichkeit eines Entschuldungsantrages gem. § 22 Abs. 8 SGB II oder § 36 SGB XII gegeben. Liegt nach Prüfung des zuständigen Bezirksamtes eine Anspruchsberechtigung vor, können wohnungslose Per- sonen das „Geschützte Marktsegment“ zur Wohnraumerlangung nutzen. Je nach individueller Hilfebedarfslage einer Familie bzw. Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern - die über das Wohnungsproblem hinaus besteht - sind vorran- gig unterstützende Jugendhilfe- und Erziehungshilfemaß- nahmen zu prüfen. Unter Umständen kommen nach Ein- zelfallprüfung des zuständigen Bezirksamtes ergänzende persönliche Hilfemaßnahmen gemäß § 67 ff SGB XII in Frage. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 7., 8., 10. verwiesen. 11. Welche Vorgaben und Regelungen bestehen für überbezirklichen Informationsaustausch über Hilfsleis- tungen für von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen bei Umzug in einen anderen Bezirk? Zu 11: Die überbezirkliche Zusammenarbeit der Ber- liner Bezirke ist in den Ausführungsvorschriften über die örtliche Zuständigkeit für die Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII (AV Zuständigkeit Soziales – AV ZustSoz) vom 19. April 2012 (ABl. S. 702) geändert zum 1. Juni 2013 mit Verwaltungsvorschriften vom 14. Mai 2013 (ABl. S. 1082) geregelt. Der Senat verweist an der Stelle auf das ausführliche und umfangreiche Regelwerk, insbesondere auf die Ausführungen unter den Nummern 11 und 12 „Neuanträge im Zusammenhang mit dem Umzug in einen anderen Bezirk“ sowie „Zuständigkeitswechsel /Aktenabgabe bei laufendem Sozialhilfebezug“. Der Kooperationsvertrag „Geschütztes Marktsegment “ enthält ebenfalls Regelungen für eine Überleitung von Berechtigten/Mieterinnen und Mietern bei umzugs- bedingtem Wechsel des Wohnbezirks. 12. Welche Vorgaben für die Rechtmäßigkeit, Ange- messenheit und Verhältnismäßigkeit bestehen für die In- anspruchnahme von Amtshilfe durch die Polizei bei einer Wohnungsräumung? Zu 12.: Die Voraussetzungen für die Inanspruch- nahme von Vollzugshilfe durch die Polizei richten sich nach §§ 52 ff. ASOG Bln (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz von Berlin). Danach leistet die Polizei Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen auf Ersuchen Vollzugshilfe, wenn unmittelbarer Zwang gegen Personen anzuwenden ist und die anderen Behörden oder Stellen nicht über die hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügen oder ihre Maßnahmen nicht auf andere Weise durchsetzen können. Verantwortlich für die Rechtmäßigkeit der Maß- nahme bleibt die ersuchende Stelle, während die ersuchte Polizei nur für die Art und Weise der Zwangsanwendung Verantwortung trägt. Ein Verweigerungsrecht steht der Polizei allenfalls zu, wenn die Rechtswidrigkeit der durchzuführenden Vollstreckungsmaßnahme offensicht- lich ist (vgl. Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, Polizei- und Ordnungsrecht, 2009, § 52 ASOG, Rn. 15). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 200 4 Voraussetzung für die Durchführung einer Zwang- vollstreckung, also für das Tätigwerden einer mit der Räumung einer Wohnung beauftragten Gerichtsvollziehe- rin oder eines Gerichtsvollziehers sind das Vorliegen ei- nes Vollstreckungstitels - meist eines gerichtlichen Urteils -, nebst Vollstreckungsklausel sowie die Zustellung des Titels an die Schuldnerin bzw. den Schuldner. Die Ge- richtsvollzieherin oder der Gerichtsvollzieher ist grund- sätzlich verpflichtet, dem Vollstreckungsauftrag nachzu- kommen. Werden sie oder er bei der Durchführung des Vollstreckungsauftrags behindert - entweder durch die zur Räumung verpflichtete Person selbst oder durch Dritte - ist die Gerichtsvollzieherin oder der Gerichtsvollzieher befugt, polizeiliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie oder er keine hinreichenden eigenen Kräfte oder sons- tige Möglichkeiten hat (Beauftragung eines Schlüssel- dienstes oder eines Räumungsunternehmens), die Räu- mung mittels unmittelbaren Zwanges unter Berücksichti- gung der notwendigen Eigensicherung zu bewirken. Dienstrechtliche Vorgaben für die Berliner Gerichts- vollzieherinnen und Gerichtsvollzieher hinsichtlich der Inanspruchnahme von Amtshilfe durch die Polizei bei einer Zwangsräumung existieren nicht. 13. Welche Vorgaben hat der Gesellschafter den städ- tischen Wohnungsbaugesellschaften für den Umgang mit Mietvertragsverstößen und die Vermeidung von Wohn- räumen gemacht? Zu 13.: Der Senat hat den städtischen Wohnungsbau- gesellschaften für das operative Geschäft keine Vorgaben gemacht. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die in der Rechtsform von Aktiengesellschaften bzw. Ge- sellschaften mit beschränkter Haftung tätig sind, handeln eigenverantwortlich. Die städtischen Wohnungsbaugesell- schaften halten sich an die geltenden Gesetze, u. a. das Mietrecht. 14. In welcher Weise dokumentieren die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ihr Handeln im Falle dro- hender Räumungsverfahren? Zu 14.: Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften führen eine lückenlose Dokumentation (u. a. Kündigun- gen, Protokolle, Klagen und Gerichtsurteile) über Räu- mungsverfahren und deren Ausgang. Räumungsklagen basieren auf Mahnverfahren und darauf folgenden Einzel- fallprüfungen der zuständigen Abteilung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Es werden sowohl durchge- führte als auch vermiedene Räumungen dokumentiert. In den zuständigen Kundenzentren bzw. in der Zentrale der betreffenden städtischen Wohnungsbaugesellschaft wer- den alle Aktivitäten je Einzelfall dokumentiert. Das be- trifft sowohl den Zeitraum vor Einreichung der Räu- mungsklage als auch bis hin zur Räumung bzw. deren Verhinderung. Ein hoher Anteil von anberaumten Räumungen kann von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften vermie- den werden, z. B. durch die Arbeit der Forderungsmana- ger oder die Beratung der Mieterin oder des Mieters durch eine Mieterberatungsgesellschaft, die Tochter einer städti- schen Wohnungsbaugesellschaft ist. Berlin, den 31. Juli 2013 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Aug. 2013)