Drucksache 17 / 12 224 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (PIRATEN) vom 12. Juni 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juni 2013) und Antwort Einsatz- und Schlagstöcke bei der Berliner Polizei Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Behördenmitarbeiter*innen sind in Berlin befugt, Einsatzstöcke (Schlagstöcke) einzusetzen? (Bitte nach Personengruppen unter Angabe der Rechtsgrundlage aufschlüsseln.) Zu 1.: Nach § 1 Absatz 1 des Gesetzes über die An- wendung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öf- fentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Ber- lin (UZwG Bln) in der aktuellen Fassung in Verbindung mit den Ausführungsvorschriften für Vollzugsbeamte der Polizeibehörde zum UZwG Bln (AV Pol UZwG Bln) in der aktuellen Fassung dürfen nur Vollzugsbeamte des Landes Berlin unmittelbaren Zwang anwenden. Dazu gehört auch der Einsatz von Schlagstöcken (vgl. § 2 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 UZWG Bln). Vollzugsbeamte im Sinne des UZwG Bln sind gemäß § 3: 1. die Polizeivollzugsbeamten, 2. die Bediensteten im Justizvollzugsdienst, mit Aus- nahme der im Jugendstrafvollzug tätigen Bediens- teten, 3. die Justizwachtmeister, 4. die Hilfsbeamten* der Staatsanwaltschaft, soweit nicht für sie das Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes gilt, 5. die Bediensteten oder Gruppen von Bediensteten anderer Berliner Behörden, die der Senat mit be- stimmten Befugnissen der Polizeibehörde ausge- stattet hat, 6. die sonstigen Bediensteten, insbesondere die Dienstkräfte im Rahmen des all-gemeinen Ord- nungs- und Verkehrsüberwachungsdienstes der be- zirklichen Ordnungsämter, die mit der Anwendung des Verwaltungszwanges beauftragt sind. Nach Ziffer 13 der AV Pol UZwG sind Vollzugsbe- amte der Polizeibehörde im Sinne des UZwG Bln:  die Vollzugsbeamten der Schutzpolizei, der Kriminalpolizei und des Gewerbeaußendienstes (§ 102 LBG) sowie  die Angestellten des Polizeipräsidenten in Berlin, soweit sie mit der zwangsweisen Durchsetzung hoheitlicher Befugnisse durch besondere Dienst- anweisung beauftragt sind. 2. Welche Gesetze oder Richtlinien regeln den Einsatz von Einsatzstöcken (Schlagstöcken) durch Polizei- und andere Vollzugsbeamt*innen sowie unter 1. aufgelis- tete befugte Personengruppen? (Bitte im Originalwortlaut beifügen/verlinken.) Zu 2.: Für die unter 1. aufgeführten befugten Perso- nengruppen regelt das UZwG Bln in Verbindung mit der AV Pol UZwG Bln den Einsatz von Einsatzstöcken. 3. Gibt es bei der Polizei Weisungen, Empfehlungen oder Hinweise, welche den Einsatz von Schlagstöcken durch Polizist*innen regeln? (Bitte im Originalwortlaut beifügen oder verlinken.) Zu 3.: Siehe Antwort zu Frage 14. 4. Welche Einheiten der Berliner Polizei sind mit welcher Art von Einsatzstöcken (Schlagstöcken) ausge- stattet? (Bitte aufschlüsseln nach Modell/Typ, Bezeich- nung, Hersteller.) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 224 2 Zu 4.: * Der Schlagstock, kurz mit Handgelenkriemen und der Schlagstock zum Schutzschild sind als Einsatzstöcke für den Einsatzdienst (täglicher Dienst und Dienst aus besonderem Anlass) Auslaufmodelle und werden für alle Außendienstkräfte sukzessive durch den Mehrzweckstock ersetzt. 5. Seit wann sind die unter 4. aufgelisteten Einsatz- stöcke (Schlagstöcke) jeweils im Einsatz? Zu 5.: Modell/Bezeichnung Im Einsatz seit Pol. Schlagstock, kurz mit Handgelenkriemen Beschaffung erfolgte bis 1994 Erstbeschaffung kann nicht nachvollzogen werden Pol. Schlagstock zum Schutzschild 1983 Mehrzweckschlagstock Monadnock PR-18 1987 Mehrzweckschlagstock Monadnock PR-24 STS 1987 Rettungsmehrzweckstock RMS 55 1992 Mehrzweckschlagstock Monadnock PR-24 XTS 1994 Mehrzweckschlagstock Control Device PR-21 1999 Mehrzweckschlagstock Control Device PR-24 1999 Mehrzweckschlagstock Control Device PR-22 STS 2005 Modell/Typ Bezeichnung Hersteller Ausgestattete Einheiten der Polizei Berlin Polizeilicher (Pol.) Schlagstock, kurz mit Handgelenkriemen (Gummi) Diverse Hersteller, u.a. Langfeldt Standardausstattung der Vollzugsbeamten der Polizei Berlin* Pol. Schlagstock zum Schutz- schild (Gummi) Kindt Akah Einsatzeinheiten* Mehrzweckschlagstock PR-18 Monadnock Für die Ausbildung Mehrzweckschlagstock PR-24 STS (feststehend) Monadnock Einsatzeinheiten Rettungsmehrzweckstock RMS 55 Bonowi Die Mehrzweckschlagstöcke (MS) sind als Ersatz für den Pol. Schlagstock, kurz mit Hand- gelenkriemen in der Beschaffung und gehören nach der entsprechenden Ausbildung zur Aus- stattung der Polizeivollzugsbeamten. Mehrzweckschlagstock PR-24 XTS Monadnock Mehrzweckschlagstock Control Device PR-21 Monadnock Mehrzweckschlagstock Control Device PR-24 Monadnock Mehrzweckschlagstock Control Device PR-22 STS Monadnock Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 224 3 6. Wie viele der unter 4. aufgelisteten Einsatzstöcke (Schlagstöcke) sind von der Polizei Berlin angeschafft worden und zu welchem Preis? (Bitte aufschlüsseln nach Modell/Typ, Bezeichnung, Hersteller und Preis.) Zu 6.: Modell/Typ Bezeichnung Hersteller Anzahl/Stück Preis/Stück Pol. Schlagstock, kurz mit Handgelenkriemen Diverse Hersteller, u.a. Langfeldt 18.505 5,74 € Pol. Schlagstock zum Schutz- schild Kindt Akah 2.137 18,43 € Mehrzweckschlagstock PR-18 Monadnock 85 53,40 € Mehrzweckschlagstock PR-24 STS Monadnock 2.135 40,82 € Rettungsmehrzweckstock RMS 55 Bonowi 100 36,35 € Mehrzweckschlagstock PR-24 XTS Monadnock 4.200 69,97 € Mehrzweckschlagstock Control Device PR-21 Monadnock 2.180 67,06 € Mehrzweckschlagstock Control Device PR-24 Monadnock 2.981 67,06 € Mehrzweckschlagstock Control Device PR-22 STS Monadnock 494 40,82 € 7. Welche Vor- und Nachteile bieten die unter 4. auf- gelisteten Schlagstöcke (Einsatzstöcke) jeweils im Poli- zeidienst? Zu 7.: Die Einsatzstöcke „alter Art“ (Schlagstock, kurz mit Handgelenkriemen und der Schlagstock zum Schutzschild) Vorteile:  „Normale Handhabbarkeit“ als Hiebwaffe  Geringer Aus- und Fortbildungsaufwand Nachteil:  Mangelhafte Möglichkeit des Einsatzes als Verteidigungsmittel aufgrund Ihrer Beschaffen- heit und des Materials Mehrzweckschlagstöcke: Vorteile:  Vielseitige Verwendbarkeit als Verteidigungsmittel und Wirksamkeit durch Beschaffenheit und Material (z.B. Angriffe mit Schlagwerk- zeugen können mittels Blocktechniken abge- wehrt werden, Hilfsmittel für Transport- und Festlegetechniken)  Psychologische Abschreckung durch schlagartiges Ausziehen des teleskopierbaren Mehrzweck- stocks Nachteil:  Zeitintensive Aus- und Fortbildung 8. Inwiefern war/ ist die Polizei Berlin an der Ent- wicklung der unter 4. aufgelisteten Einsatzstöcke (Schlag- stöcke) beteiligt gewesen? Zu 8.: Es erfolgte zu keinem Zeitpunkt die Beteiligung der Berliner Polizei. 9. Welche Verletzungsgefahren kann der Einsatz von Einsatzstöcken (Schlagstöcken) bewirken? Welche empi- rischen Erkenntnisse und Studienergebnisse sind dem Senat hierzu bekannt? Zu 9.: Empirische Erkenntnisse, Studienergebnisse oder valide Daten liegen der Polizei Berlin nicht vor. Dennoch können zwangsmittelbedingte Verletzungen eintreten. 10. Wird jeder Einsatz der Einsatzstöcke (Schlagstö- cke) durch Polizist*innen protokolliert? a. Wenn ja, welche Daten werden dabei erfasst? b. Wenn ja, gibt es Weisungen, Empfehlungen und Hinweise zur Erfassung? (Bitte im Originalwortlaut bei- fügen/verlinken.) c. Wenn nein, warum nicht? Zu 10 a und b.: Der Einsatz des Einsatzstocks wird durch die Beamtinnen und Beamten nicht protokolliert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 224 4 Zu 10 c.: Die Dokumentation polizeilicher Maßnah- men, einschließlich durchgeführter Zwangsmaßnahmen, erfolgt einzelfallbezogen im Rahmen der Vorgangsbe- arbeitung. 11. Wird eine Statistik zum Einsatz von Einsatzstö- cken (Schlagstöcken) durch Polizist*innen geführt? Wenn ja, welche Daten werden dabei erfasst? Wenn nein, wa- rum nicht? Zu 11.: Nein, siehe hierzu auch Antwort zu Frage 10. 12. Wie viele Einsätze von Einsatzstöcken (Schlag- stöcken) durch die Berliner Polizei gab es in den Jahren seit 2010 zu welchen Anlässen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Anzahl der Einsätze sowie Anlass.) Zu 12.: Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. 13. Wie viele Verletzte hat es in den Jahren seit 2010 im Zusammenhang mit dem Einsatz von Einsatzstöcken (Schlagstöcken) durch die Berliner Polizei gegeben? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Anzahl an Verletzten sowie Anlass.) Zu 13.: Die Daten werden nicht erfasst. Auf die Ant- wort zu Frage 10 wird verwiesen. 14. Welche Handhabungs- und Sicherheitsbestim- mungen sollten Polizist*innen bei einem Einsatz von Einsatzstöcken (Schlagstöcken) einhalten, um die Verlet- zungsrisiken gering zu halten? (Bitte Einzelaufschlüsse- lung nach Einsatzstockmodell.) Zu 14.: Generell für alle Einsatzstöcke gelten die Ausführungsvorschriften Nr. 76 zum § 19 UZwG Berlin: Der Gebrauch des Schlagstocks gegen Personen kommt nur in Betracht, wenn besonders hartnäckiger oder gewaltsamer Widerstand zu brechen ist. a) Gezielte Schläge auf Kopf, Nierengegend oder Unterleib sind unzulässig. Der Schlagstockgebrauch gegen Störer, die sich nach Aufforderung entfernen, hat zu unterbleiben. Der Schlagstockgebrauch ist ferner unzulässig gegen Personen, die am Boden liegen, es sei denn, sie leisten so heftigen Widerstand, dass er auf andere Weise nicht gebrochen werden kann. b) Auch nach Anordnung des Schlagstockgebrauchs hat der einzelne Beamte den Gebrauch einzustellen, wenn an seinem Standort der Zweck erreicht ist (zum Beispiel die Störer sich entfernen). Diese einschränkenden Bestimmungen gelten für Notwehr-/Nothilfe-Situationen naturgemäß nicht. Neben diesen Bestimmungen werden besondere Handhabungs- und Sicherheitsbestimmungen bei der Polizei Berlin auf den Einzelfall abgestimmt und für die Anwendung des Mehrzweckstocks geschult und vermit- telt. Diese Handhabungs- und Sicherheitshinweise werden in der Aus- und Fortbildung zu fast allen Einsatztechniken in Verbindung mit dem rechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelehrt. Beispielhaft ist hier der Einsatz des Mehrzweckstocks als Hilfsmittel der Körperlichen Gewalt beim Abdrängen von Personen ge- nannt, wobei der Mehrzweckstock auf den Brustbereich des Störers aufgesetzt und nicht gestoßen wird. 15. Gibt es Verbote oder Empfehlungen bestimmte Körperzonen (z.B. Kopf, Unterleib) beim Einsatz von Einsatzstöcken (Schlagstöcken) nicht zu treffen? (Wenn ja, bitte entsprechende Rechtsgrundlage/Empfehlung im Originalwortlaut beifügen.) Zu 15.: Auf die Antwort zu Frage 14 wird verwiesen. Über die AV Pol zum UZwG Berlin hinaus wird die Polizei Berlin gesondert geschult. Der menschliche Körper wird dabei in die Bereiche vom Kopf über den Hals-, Brust-, Bauch- und Unterleibsbereich (rote Zone), den Gelenken (gelbe Zone) und den ohne Ein- schränkungen geltenden übrigen Körperregionen (grüne Zone) eingeteilt (siehe Anlage). Entsprechend dargestellt ist die Wirkung des Mehrzwecksstocks auf die einzelnen Bereiche. 16. In welcher Art und Weise werden Polizist*innen in Berlin im Umgang mit Einsatzstöcken (Schlagstöcken) geschult hinsichtlich der Wirkung sowie der Handha- bungs- und Sicherheitsbestimmungen sowie der Minimie- rung der Verletzungsrisiken? Zu 16.: Die Grundausbildung zur Erlangung der Trageberechtigung am Mehrzweckstock dauert für alle Dienstkräfte drei Tage und erfolgt zentral an der Landespolizeischule. Die Beherrschbarkeit des Einsatz- mittels müssen alle trageberechtigten Einsatzkräfte im Anschluss an die Ausbildung viermal im Jahr im Rahmen anderthalbstündiger Fortbildungen in den örtlichen Einsatztrainingsbereichen ihrer jeweiligen Direktionen oder Ämter nachweisen. Die Ausbildung am Mehrzweckstock erfolgt auf Grundlage eines Stoffverteilungsplans. Zu Beginn eines dreitägigen Lehrgangs werden rechtliche und allgemein theoretische Grundlagen vermittelt, in der deutlich auf die Wirkungsweise des Mehrzweckstockes und der damit verbundenen Verletzungsrisiken hingewiesen wird. Darüber hinaus werden bei allen zu vermittelnden Einsatztechniken die jeweiligen Handhabungsbestim- mungen und möglichen Verletzungsrisiken erläutert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 224 5 17. Welche Stellen waren an der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage beteiligt? Zu 17.: Neben der Senatsverwaltung für Inneres und Sport waren seitens der Polizei Berlin die Zentrale Ser- viceeinheit (ZSE), das Landeskriminalamt (LKA) und die zuständigen Stabsbereiche (PPr St 1 und 2) des Polizei- präsidenten an der Beantwortung beteiligt. Berlin, den 17. Juli 2012 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Juli 2013) Anlage 1 zur Kleinen Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (PIRATEN) „Einsatz-und Schlagstöcke bei der Berliner Polizei“ vom 12. Juni 2013 Einwirkungen durch Anwendung vom MS auf den menschlichen Körper ka17-12224 KA 1712224 Anlage