Drucksache 17 / 12 237 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Anja Kofbinger (GRÜNE) vom 13. Juni 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juni 2013) und Antwort K.O.-Tropfen in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Hat der Senat endlich veranlasst, dass in Statistiken des Landeskriminalamtes Berlin oder eine eigene Statistik der Berliner Polizei, Verdachtsfälle und began- gene Sexualdelikte unter Beteiligung von sogenannten K.O.-Tropfen gesondert aufgelistet werden? Zu 1.: Für die Eingabe von Strafanzeigen im Polizeili- chen Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) besteht seit dem 14. Septem- ber 2012 eine verbindliche Anweisung für diejenigen Fälle, in denen der einfache Verdacht einer Beibringung sogenannter "K.O.-Tropfen" besteht, ein recherchierbares Zusatzmerkmal zu erfassen. 2. Wenn ja, wie häufig sind in den letzten fünf Jahren solche Fälle in Berlin erfasst worden? Zu 2.: Im Jahr 2012 wurden ab dem 14. September 2012 insgesamt vier Strafanzeigen wegen Straftaten ge- gen die sexuelle Selbstbestimmung mit dem Zusatzmerk- mal "K.O.-Tropfen" erfasst. Im Jahr 2013 waren es bis einschließlich 18. Juni 2013 insgesamt zwei. Vergleichs- zahlen für Zeiträume vor dem 14. September 2012 liegen nicht vor. 3. Wenn nein, warum ignoriert der Senat weiterhin die Notwendigkeit eine solche Statistik zu führen, um informiert und zielgerecht über eine Entwicklung infor- mieren und ggf. Gegenmaßnahmen ergreifen zu können? Zu 3: Entfällt, siehe Antwort zu Frage 2. 4. Welche Maßnahmen und Initiativen ergreift der Senat, um junge Menschen und insbesondere junge Frau- en über die Gefährdung durch K.O.-Tropfen zu in- formieren? Zu 4.: Die Polizei Berlin arbeitet mit der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin sehr eng zusammen. Die Fachstelle gehört zur Anlaufstelle, die über vielfältige Medien zu diesem Thema verfügt, welche auch der Poli- zei Berlin zur Verfügung gestellt werden und im Rahmen von Präventionseinsätzen jederzeit genutzt werden kön- nen. Die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) weist auf ihrer Internetseite auf die Risiken und Gefahren von „K.O.-Tropfen“ hin. Von den Ansprechpersonen der Polizei Berlin für gleichgeschlechtliche Lebensweisen ist ein Informations- blatt „Pass auf“ mit zahlreichen Verhaltenstipps herausgegeben worden, das sich an Homosexuelle wendet und von der Polizei vorrangig bei Präventionseinsätzen in den Berliner Szenen verteilt wird. Darüber hinaus werden durch das schwule Anti-Gewalt-Projekt in Berlin „Maneo“ Präventionskampagnen zum Schutz vor „K.O.- Tropfen“ und zur Sensibilisierung in den Berliner Szenen durchgeführt, an denen sich auch die Polizei Berlin betei- ligt. „Maneo“ hält hierzu ein spezielles Medienangebot bereit, auf das die Polizei Berlin zurückgreifen kann. Im Suchtbereich sind alle Drogenberatungsstellen zum Thema „K.O.-Tropfen“ informiert und können Betroffene beraten und unterstützen. Die Fachstelle für Suchtpräven- tion hat eine Postkarte „Na-klar-Infocard“ zum Thema erstellt und in einer Auflage von 11.400 Stück in der Berliner Gastronomie, Bars, Clubs und öffentlichen Ein- richtungen verteilt. Außerdem wurden gezielt junge Par- tygängerinnen und Partygänger im Rahmen der Aktion Clubmission sensibilisiert. Die Fachstelle für Suchtprä- vention berücksichtigt diese Thematik bei ihren Schulun- gen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, insbe- sondere in den Oberstufenzentren, die sich am Projekt Prev@work beteiligen. Das Informationsblatt zu „K.O.- Tropfen“ ist auf der Webseite www.berlin-suchtpraevention .de zu finden. Gemeinsam mit anderen Berliner Insti- tutionen engagiert sich die Fachstelle für Suchtprävention im Netzwerk Kontra K.O.-Drogen Berlin, das aktuell einen Flyer entwickelt und regelmäßig Veranstaltungen plant und organisiert. In diesem Rahmen wurde unter Beteiligung der Leitung der Fachstelle vor kurzem ein Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 237 2 Salongespräch zum Thema „K.O. Drogen - Nein danke! Aufklärung, Prävention und Beratungsarbeit“ in Berlin durchgeführt. Das Krisen- und Beratungszentrum für vergewaltigte und sexuell belästigte Frauen, (LARA), bietet Krisenin- tervention, Unterstützung und Beratung, Kurzzeittherapie sowie Prozessbegleitung für die Betroffenen selbst sowie Beratung für Angehörige an und führt Fortbildungen für Multiplikatoren und Mutiplikatorinnen durch. Sensibilisierung und Vernetzung zwischen den Berei- chen findet kontinuierlich statt. 5. Werden Delikt-übergreifende Statistiken geführt, in wie vielen Fällen in Berlin jährlich K.O.-Tropfen Teil des kriminellen Vorganges waren, die nicht auf den Tat- verdacht oder Tatbestand Sexualdelikt eingeschränkt sind? Zu 5.: Ja, siehe Antwort zu 1. Die nachfolgende Ta- belle enthält eine Übersicht über die seit dem 14. Septem- ber 2012 im Polizeilichen Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) erfass- ten Strafanzeigen mit dem Zusatzmerkmal "K.O.-Trop- fen": '1 Jahr 2013 bis einschl. 18.06.2013 6. Ist der Senat immer noch der Ansicht, wie in der Antwort auf die Kleine Anfrage 16/11266 geäußert, dass keine Maßnahmen erforderlich sind, um den Zugang zu GBL- und allen GHB-haltigen Medikamenten einzu- schränken? Zu 6.: Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) ist seit 2002 dem Betäubungsmittelgesetz in Anlage III zu § 1 Betäubungsmittelgesetz BtMG (verkehrsfähig und ver- schreibungsfähig) unterstellt und nur im medizinischen Bereich zulässig. Dort wird es als Narkotikum bei Kaiser- schnittentbindungen, Geburtsanästhesie und bei Risiko- fällen aller Art angewendet (z. B. Patienten mit Leber- schäden, Herzkatheteruntersuchungen etc.). Der konkrete Nachweis des Missbrauchs von GHB im Zusammenhang mit Sexualdelikten ist aufgrund des schnellen Abbaus von GHB innerhalb weniger Stunden im Körper schwierig. Die Abwägung zwischen medizinischer Anwendung, ihrem Nutzen und der Gefahr des Missbrauchs ist not- wendig und gilt auch für GBL (γ-Butyrolacton, das Lacton der γ-Hydroxybuttersäure GHB). GBL wird in der chemischen Industrie eingesetzt. Welche Konsequenzen etwaige Zugangsbeschränkungen haben könnten, kann von hier nicht beurteilt werden. 7. Wird in Schulen mittlerweile umfangreicher als nur im Rahmen der Suchtprophylaxe über den Miss- brauch und die Gefahren von K.O.-Tropfen aufgeklärt, wenn ja, in welcher Form? Zu 7.: Zum Thema „K.O.-Tropfen“ in den Schulen gibt es zwischen der Polizei Berlin und der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin eine klare Aufgabentei- lung. Die Aufklärung in den Schulen über den Missbrauch und die Gefahren von „K.O.-Tropfen“ stellt für die Polizei Berlin kein präventionseigenes Thema dar. In den Schulen werden durch die Präventionsbeauftragten der Polizeiabschnitte themenbezogene Informationsveran- staltungen durchgeführt, in denen bei Bedarf die Drogen- prävention behandelt wird. Diese umfassen hauptsächlich die rechtliche Aufklärung und werden individuell auf die Schulklasse abgestimmt. Wenn im Rahmen dieser Veran- staltungen von den Schülern zu „K.O.-Tropfen“ Fragen gestellt werden, können von der Polizei Verhaltensemp- fehlungen gegeben werden. Eine eigenständige Aufbe- reitung des Themas in Form einer Informationsveranstal- tung in den Schulen erfolgt von der Polizei Berlin nicht. 8. Welche eigenen, gezielten Maßnahmen hat der Se- nat seit 2007 geplant und umgesetzt, die bezüglich der Gefahren von K.O.-Tropfen zu einer verstärkten Aufklä- rung, Sensibilisierung und Vernetzung in den Bereichen Schule und Jugendarbeit, Gesundheitswesen und Polizei führen? Zu 8.: Die von der Polizei Berlin durchgeführten Maßnahmen erfolgen in Zusammenarbeit mit der Fach- stelle für Suchtprävention im Land Berlin und den spezi- ellen Beratungsstellen. Dazu gehören insbesondere Prä- ventionskampagnen zur Drogenprävention und gezielte Aufklärungsarbeit im Rahmen von Präventionseinsätzen zum Schutz vor „K.O.-Tropfen“. Die Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin hat im April 2013 ein Infoblatt zu „K.O.-Tropfen“ bzw. GHB (Chemikalie Gamma-Hydroxybuttersäure) veröffentlicht. Darin wird unter anderem auch darauf hingewiesen, dass GHB dazu benutzt wird, Drinks zu präparieren, um Frau- en bzw. Mädchen willenlos und wehrlos gegen sexuelle Übergriffe zu machen. Das Infoblatt enthält zudem Hin- weise zu Vorsichtsmaßnahmen (vgl. http://www.berlinsuchtpraevention .de/upload/factsheets/Informationsblatt_KO- Tropfen.pdf). Dieses Material wird auch im Kontext der Jugendar- beit genutzt, wenn sie im Rahmen ihrer präventiven Auf- gaben junge Menschen über jugendtypische Gefährdun- gen aufklärt. Im Sinne ihrer präventiven Ausrichtung zielt Jugendarbeit darauf ab, die Eigenverantwortlichkeit von jungen Menschen zu stärken und sie zu befähigen, Ge- fährdungssituationen zu erkennen und sich entsprechend umsichtig zu verhalten. Delikt 2012 2013 1 Körperverletzung 14 8 Mord und Totschlag 5 Raub 17 12 Besonders schwerer Diebstahl 1 2 Einfacher Diebstahl 1 Straftaten i.Z.m. Btm 1 Vergewaltigung, schw sex Nötigung 2 Weitere Sexualdelikte 2 2 Gesamtergebnis 43 24 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 237 3 Die Aufklärung über die spezifischen Gefährdungen durch „K.O.-Tropfen“ findet – wie schon in der Antwort auf Frage 8 der Kleinen Anfrage 16/11266 ausgeführt – überwiegend im Rahmen beziehungsintensiver Angebote, wie z. B. in Mädchengruppen, statt. Entsprechende päda- gogische Angebote werden im Rahmen der sozialpädago- gischen Fortbildung angeregt und unterstützt. Berlin, den 09. Juli 2013 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Aug. 2013)