Drucksache 17 / 12 280 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 20. Juni 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Juni 2013) und Antwort Grundrechtsausübung bei Sondernutzungen des Straßenlandes Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Ist es rechtskonform, wenn private Marktbe- treiber*innen bzw. Veranstalter*innen von Kulturevents etc. mit entsprechenden Sondernutzungsrechten im öffent- lichen Straßenland Passant*innen die Grundrechtsaus- übung (Art. 5, 8 GG, Sammlung von Unterschriften für Volksinitiativen oder Volksbegehren) unter Berufung auf ihr „Hausrecht“ auch dann untersagen, wenn diese Grundrechtsausübung den Zweck der erteilten Sondernutzungs- genehmigung nicht wesentlich stört oder gar behindert? Frage 2: Welche Auswirkungen hat die Gewährung eines Sondernutzungsrechts für das Straßenland gegen- über kommerziellen Anbieter*innen, z.B. von Märkten, Kirmesveranstaltungen o.ä. auf die Wahrnehmung der Kommunikationsgrundrechte, solange nicht die mit dem Sondernutzungsrecht beabsichtigte Nutzung wesentlich gestört oder behindert wird? Frage 3: Teilt der Senat die Einschätzung, dass die mit einer Sondernutzungsgenehmigung für das Straßenland zugunsten privater Veranstalter*innen verbundene „temporäre Privatisierung“ öffentlicher Kommunikationsforen und für den Allgemeingebrauch gewidmeter Verkehrsflä- chen in der Abwägung der widerstreitenden Belange nicht weiter reichen kann, als das für den mit der Sondernut- zung verbundenen Zweck erforderlich ist – mit der Folge, dass die Allgemeinheit die Beeinträchtigung ihrer Grund- rechtsausübung durch die Ausnutzung der Sondernut- zungsgenehmigung seitens der privaten Rechteinha- ber*innen auch nur insoweit hinnehmen muss? Wenn ja: In welchem Rahmen müssen die privaten Rechteinha- ber*innen – nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz – typischerweise mit der Grundrechtsausübung verbundene Beeinträchtigungen (Anwesenheit, Mei- nungsäußerung etc.) hinnehmen? Antwort zu 1 bis 3: Eine Abfrage bei den Bezirken hat ergeben, dass lediglich in einem Bezirk ein solcher Fall wie in Frage 1 dargestellt bekannt geworden ist. In diesem Einzelfall wurde auf einem Wochenmarkt eine Befragung durch den zuständigen Sicherheitsdienst zunächst unter- sagt. Nachdem der Veranstalter davon Kenntnis erlangt hatte, konnte die Befragung ohne weitere Vorkommnisse durchgeführt werden. Weitere Fälle sind dem Senat nicht bekannt. Grundsätzlich gilt, dass die Sammlung von Unter- schriften für Volksinitiativen oder Volksbegehren immer dann möglich ist, wenn sie die Ausübung der Sondernut- zung nicht beeinträchtigt. Das Grundrecht der Meinungs- äußerungsfreiheit gilt insoweit nicht uneingeschränkt, insbesondere nicht ohne Rücksicht auf die Grundrechte Dritter – hier muss eine Abwägung der widerstreitenden Rechtspositionen erfolgen, was in der Regel eine Betrach- tung des jeweiligen Einzelfalls erfordert. Frage 4: Ist es möglich, die Duldung der Grundrechts- ausübung in einem den Zweck der Sondernutzung nicht konterkarierenden Rahmen als Pflicht der Rechteinha- ber*innen mittels Auflagen, Nebenbestimmungen o.ä. bei der Erteilung der Sondernutzungsgenehmigung festzuhal- ten? Frage 5: Werden in der Berliner Genehmigungspraxis der für die Sondernutzung des Straßenlandes zuständigen Behörden typischerweise Auflagen, Nebenbestimmungen o.ä. erteilt, die die Grundrechtsausübung durch die All- gemeinheit betreffen? Wenn ja: welche? Wenn nein: Warum nicht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 280 2 Antwort zu 4 und 5: Die den Sondernutzungserlaub- nissen beigefügten Auflagen und Nebenbestimmungen enthalten keine Hinweise auf Grundrechte. Solche Hin- weise sind auch nicht erforderlich, da die Grundrechte in der Verfassung festgeschrieben sind und es jeweils in Abhängigkeit von der konkreten Form der Sondernutzung und der hierbei ausgeübten Grundrechte auf der einen Seite und der in Frage stehenden Maßnahme der Passan- ten auf der anderen Seite auf die Abwägung im Einzelfall ankommt. Berlin, den 19. Juli 2013 In Vertretung Christian Gaebler ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Juli 2013)