Drucksache 17 / 12 300 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Andreas Otto (GRÜNE) vom 20. Juni 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juni 2013) und Antwort Senat ohne Strategie in der Asbestfrage? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Strategie verfolgt der Senat hinsicht- lich des weiteren Vorgehens gegen die Asbestfunde in Wohngebäuden? Antwort zu Frage 1: Der Senat erachtet die aktuell be- stehenden Rechtsvorgaben als ordnungsrechtliche Strate- gie. Darüber hinaus erarbeitet der Senat zur Aufklärung ein Informationsblatt zum Umgang mit Asbest in beste- henden Gebäuden für Eigentümerinnen und Eigentümer bzw. die Bauherrschaft sowie für Nutzerinnen und Nutzer von Gebäuden. Frage 2: Wie ist die Verteilung der Zuständigkeiten im Land Berlin bei Asbest-Fällen geregelt? Wer ist für Ar- beitsschutzbelange zuständig? Wer ist für die Luftreinhal- tung außerhalb von Gebäuden, etwa bei Abrissen, zustän- dig? Wer ist für die Sanierung von Wohngebäuden, in denen asbesthaltige Materialien verbaut wurden, zustän- dig? Wer ist für die Sanierung von Nichtwohngebäuden, in denen asbesthaltige Materialien verbaut wurden, zu- ständig? Antwort zu Frage 2: Zuständig für die Überwachung von Arbeitsschutzbelangen ist das Landesamt für Arbeits- schutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi); Luftreinhaltung außerhalb von Gebäuden ist die Se- natsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt; Baumaßnahmen im Rahmen von Sanierungen von Gebäuden sind die Bauaufsichtsbehörden. Frage 3: Welcher Senatsverwaltung obliegt die Feder- führung in allen Angelegenheiten der Asbestsanierung im Berliner Gebäudebestand? Antwort zu Frage 3: Bei Arbeiten mit Asbest gelten arbeitsschutzrechtliche, abfallrechtliche, immissions- schutzrechtliche und bauordnungsrechtliche Vorschriften. Die Ressortzuständigkeiten der betroffenen Senatsverwal- tungen stehen gleichwertig nebeneinander. Frage 4: Welche Ergebnisse hatten sogenannte Exper- tenrunden bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die z.B. am 30.04.13 und 30.05.2013 stattfanden? Frage 5: Welche unterschiedlichen Auffassungen ein- zelner Berliner Behörden gibt es in puncto Asbest- Entfernung? Trifft es zu, dass das „LAGetSi“ der Auffassung ist, dass etwa bei Bodenbelägen aus Vinylasbest auch der Kleber mit Asbestanteilen vollständig entfernt werden muss, während die Senatsverwaltung für Stadt- entwicklung dieses Vorgehen für nicht erforderlich hält? Antwort zu Fragen 4 und 5: An den Expertenrunden waren Fachleute und Sachverständige aus der Senatsver- waltung für Stadtentwicklung und Umwelt, der Senats- verwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, dem LA- GetSi, dem Umweltbundesamt, akkreditierten Prüfein- richtungen, Sachverständigenbüros, Vertreterinnen und Vertreter der städtischen Wohnungsbaugesellschaften und der Genossenschaften, des BBU (Verbands Berlin- Brandenburgischer Wohnungsbauunternehmen e.V.) und Fachunternehmen beteiligt. Die Expertenrunden themati- sierten die verschiedenen Rechtsauffassungen zu den im LAGetSi-Informationsschreiben vom 11.Juli 2012 enthal- tenen Ausbauvorgaben für Vinyl-Asbest-Platten und asbesthaltigem Kleber auf der Basis des geltenden Ge- fahrstoffrechts. Im Ergebnis war man sich einig, dass die Rechtsauffassungen bundesweit mit Expertinnen und Experten im Rahmen eines von den Ländern und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Juni 2013 veranstalteten Erfahrungsaustausches diskutiert werden sollten. Endgültige Ergebnisse liegen aus diesem Erfahrungsaustausch nicht vor. Es wird an einem Text- entwurf für die Überarbeitung der Gefahrstoffverordnung gearbeitet. Parallel werden die ressortübergreifenden Themen weiter verfolgt und konkretisiert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 300 2 Frage 6: Welche Relevanz haben hinsichtlich der As- bestsanierung in Berlin die Gefahrstoffverordnung und die REACH-Verordnung? Antwort zu Frage 6: Die REACH-Verordnung ist eine EU-weit geltende Verordnung. Im Anhang XVII regelt sie „Beschränkungen der Herstellung, des Inverkehrbringens und der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse“ zu denen auch Asbest zählt. Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ergänzt diese europäischen Festlegungen für den deutschen Rechts- raum. Beide Verordnungen sind in der jeweils geltenden Fassung für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber rechtlich bindend und daher bei Asbestsanierungsarbeiten einzuhal- ten. Frage 7: Ist dem Senat bekannt, dass das Europäische Parlament ein Asbestverbot in Gebäuden/ Wohnungen/ Betrieben für 2028 fordert? Welche Schritte sind dafür in Berlin zu unternehmen und wie ist der Zeitplan des Se- nats? Frage 8: Bis zu welchem Zeitpunkt will der Senat sei- nen Asbest-Sanierungsfahrplan erarbeitet haben und Prio- ritäten bei der anstehenden Gebäudesanierung setzen? Antwort zu Frage 7 und 8: Dem Senat ist bekannt, dass das Europäische Parlament am 14. März 2013 eine Entschließung “zu asbestbedingten Gefährdungen der Gesundheit am Arbeitsplatz und Aussichten auf Beseiti- gung von sämtlichem noch vorhandenen Asbest (2012/2065(INI)“ angenommen hat. Darin fordert das Europäische Parlament die EU-Kommission u. a. auf, einen Aktionsplan für eine bis 2028 durchzuführende sichere Beseitigung von Asbest aus öffentlichen Gebäu- den und Gebäuden mit Dienstleistungsfunktionen vorzu- legen. Die Entschließung wird vom Senat begrüßt. Ob die EU-Kommission die verschiedenen Anforde- rungen der Entschließung, u.a. die Forderung nach As- bestbeseitigung aus öffentlichen Gebäuden, zukünftig in praktische Initiativen umsetzen wird und wie diese dann aussehen werden, ist dem Senat derzeit nicht bekannt. Eine Stellungnahme der EU-Kommission steht noch aus. Nach Vorliegen eines Aktionsplanes der EU-Kommission wird der Senat die Umsetzungsmöglichkeiten für Berlin prüfen. Frage 9: Wann beginnt eine großflächige Sanie- rungstätigkeit und welche Schutzmaßnahmen werden in der Übergangszeit eingerichtet, um die BewohnerInnen von über 50.000 Wohnungen zu informieren und zu schützen? Antwort zu Frage 9: Die städtischen Wohnungsbauge- sellschaften erfassen systematisch den Bestand potenziell betroffener Wohnungen und sanieren diese bereits suk- zessive. Die betroffenen Mieterinnen und Mieter sind informiert worden. Sofern Wohnungen umfassend saniert werden müssen, wird den Betroffenen von den Woh- nungsbaugesellschaften eine alternative Unterkunft für die Zeit der Bauarbeiten zur Verfügung gestellt. Frage 10: Wird der Senat eine gesetzliche oder frei- willige Erfassung aller in belasteten Wohnungen Leben- den gewährleisten um bei eventuell auftretenden Erkran- kungen die Ursachen zuordnen zu können und bei Scha- denersatzangelegenheiten Nachweise kausaler Zusam- menhänge herstellen zu können? Antwort zu Frage 10: Eine flächendeckende Erfassung durch den Senat von in belasteten Wohnungen Lebenden erfolgt auf Grund fehlender Rechtsgrundlagen und aus datenschutzrechtlichen Aspekten nicht. Die Regelung von Schadensersatzangelegenheiten und die Zuordnung von Erkrankungsursachen unterliegen dem Zivilrecht und sind Sache zwischen den betroffenen Par- teien (Mieterinnen und Mieter; Vermieterinnen und Ver- mieter). Frage 11: Wie gewährleistet der Senat, dass Bewohne- rInnen unseriöse Sanierungen, bei denen etwa Schutz- maßnahmen missachtet werden, erkennen und den Behör- den melden können? Gibt es dazu Richtlinien des Senats oder Gerichtsurteile? Antwort zu Frage 11: Zum bauordnungsrechtlichen Umgang mit Asbest bieten die „Entscheidungshilfen der Berliner Bauaufsicht“ den Bauaufsichtsbehörden wie auch den betroffenen Mieterinnen und Mietern oder Nut- zerinnen und Nutzern Fachhinweise. Sie werden in das Informationsschreiben der Senatsverwaltung für Stadt- entwicklung und Umwelt einfließen (siehe auch Antwort zu Frage 1). Dem Senat sind bezogen auf die Fragestellung keine Gerichtsurteile bekannt. Frage 12: Beurteilt der Senat Sanierungsmaßnahmen von Böden, bei denen der Kleber nicht rückstandslos entfernt wurde, wegen des Überdeckungsverbotes als „nicht fachgerecht“ und wie soll mit Sanierungen aus den Jahren 2009/ 2010/ 2011 und 2012 umgegangen werden? Welche landeseigenen und welche privaten Wohnungsun- ternehmen sind dem Senat bekannt, die solche „nicht fachgerechten“ Arbeiten durchgeführt haben? Antwort zu Frage 12: Nach der bis Ende 2010 gelten- den GefStoffV waren Überdeckungen asbesthaltiger Kle- berreste möglich. Die aktuelle GefStoffV sieht solche Regelungen nicht mehr vor. Allerdings existieren erst seit Ende 2012 ausreichend technische Verfahren, die eine emissionsarme Entfernung der Kleberreste ermöglichen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 300 3 Deshalb konnten die Wohnungsunternehmen bis Juli 2012 nach dem Ausbau von Vinyl-Asbest-Platten den asbesthaltigen Kleber unter einer Versiegelung in den Wohnungen belassen. Dem Senat sind keine Wohnungsunternehmen be- kannt, die nicht fachgerechte Arbeiten haben durchführen lassen. Frage 13: Wer ist verantwortlich für Verstöße gegen die Gefahrstoffverordnung im Rahmen der Asbestsanie- rung, welche strafrechtlichen Konsequenzen sind zu zie- hen und wer kommt für zusätzliche Kosten bei Fehlern der Eigentümer und der Behörden auf? Antwort zu Frage 13: Verantwortlich bei Verstößen gegen die Gefahrstoffverordnung bei Asbestsanierungsar- beiten ist die Arbeitgeberin / der Arbeitgeber als Adressat der Verordnung. Das LAGetSi ist als Vollzugsbehörde für die Ahndung eventueller Verstöße gegen die Gefahrstoffverordnung zuständig. Liegen Straftatbestände vor, wird der Vorgang zur Weiterbearbeitung an das Landeskriminalamt (LKA) abgegeben. Über strafrechtliche Konsequenzen wird ggfs. in einem Gerichtsverfahren zu entscheiden sein. Fehler von Eigentümerinnen und Eigentümern unter- liegen grundsätzlich zivilrechtlichen Regelungen. Bei Kosten, die durch Fehler von Behörden entstehen, tritt Amtshaftung ein. Frage 14: Welche Beweissicherungsverfahren hat der Senat durchführen lassen, um fehlerhafte Asbestsanierun- gen zu dokumentieren und gesundheitliche Schäden zu minimieren? Wie viele Asbest-Verfahren werden bei der Umweltkripo derzeit bearbeitet? Antwort zu Frage 14: Fehlerhafte Asbestsanierungen sind dem Senat nicht bekannt. Frage 15: Welche Haftpflichtversicherungen kommen für Gesundheitsschäden, die auf Asbesteinwirkung in Wohnungen zurückzuführen sind, auf? Wer haftet insbe- sondere bei unsachgemäßen Sanierungen für gesundheit- liche Folgeschäden; die Haftpflichtversicherung der Wohnungsbaugesellschaften, der beauftragten Ingenieur- büros, der Labore oder der durchführenden Firmen? Antwort zu Frage 15: Bei eventuellen Verstößen müsste im Einzelfall im Rahmen zivilrechtlicher Prozesse geprüft werden, wer fehlerhaft gehandelt hat und dafür haftet. Frage 16: Ist dem Senat bekannt, welche Wohnungs- baugesellschaften (landeseigene und sonstige) Asbestsa- nierungen ohne vollständige Beseitigung der asbesthalti- gen Materialien als mängelfrei abgenommen und bezahlt haben? Antwort zu Frage16: Nein. Frage 17: Hat der Senat einen Überblick über die Altsanierungen, die gemäß Gefahrstoffverordnung falsch waren, weil Asbest nicht rückstandslos entfernt wurde, und hat der Senat in diesen Fällen angewiesen, dass aus Kostengründen die beteiligten Firmen einen Rückbau erneut vollziehen müssen? Antwort zu Frage17: Dem Senat liegen keine Informa- tionen über „Altsanierungen“ vor, bei denen die Vorgaben der Gefahrstoffverordnung nicht eingehalten worden sind. Berlin, den 04. Oktober 2013 In Vertretung Christian Gaebler ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Okt. 2013)