Drucksache 17 / 12 335 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 25. Juni 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Juni 2013) und Antwort »The longest time« - Praxis der Anordnung und Verlängerung von Abschiebehaft in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. An wie vielen Freiheitsentziehungsverfahren auf welcher Rechtsgrundlage zur Verhängung von Abschie- bungs-, Zurückweisungs- oder Zurückschiebungshaft war das Land Berlin in den Jahren seit 2009 beteiligt (bitte nach Jahren sowie Rechtsgrundlage – Erstantrag gemäß § 62 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), Erstantrag ge- mäß § 62 Abs. 2 AufenthG, Verlängerung gemäß § 62 Abs. 2 AufenthG, Antrag gemäß § 57 Abs. 1 AufenthG, Haftantrag § 11 Freiheitsentziehungsgesetz etc. – aufschlüsseln )? 2. In wie vielen Verfahren in den Jahren seit 2009 wurde eine Freiheitsentziehung durch das Amtsgericht angeordnet beziehungsweise verlängert (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Zu 1. u. 2.: Für das Jahr 2009 liegen keine Zahlen vor. Im Jahr 2010 ordnete das für Freiheitsentziehungssachen zuständige Amtsgericht (AG) Tiergarten bei 572 Anträ- gen in 446 Fällen Haft an, in 2011 bei 453 Anträgen in 300 Fällen und von Januar bis Juli 2012 bei 174 Anträgen in 111 Fällen. Seit August 2012 erfolgt hierzu in der Aus- länderbehörde keine statistische Erfassung mehr. Die Polizei Berlin führt seit dem Jahr 2012 eine statis- tische Erfassung von Haftanträgen, die durch ihre Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter außerhalb der Bürozeiten der Ausländerbehörde gestellt wurden. Im Jahr 2012 wurden 48 Haftanträge durch die Polizeikräfte gestellt. Die Zahl der bereits im Vorfeld durch Richterinnen und Richter nicht zugelassenen Anträge wird nicht erfasst. Die erbetenen Angaben zur jeweiligen Rechtsgrundla- ge werden statistisch nicht erfasst. Sie können auch nicht mit einem vertretbaren Aufwand erhoben werden. 3. An wie vielen Beschwerdeverfahren war das Land Berlin in den Jahren seit 2009 beteiligt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 4. Wie viele Beschwerdeverfahren waren in den Jah- ren seit 2009 für die betroffenen ausländischen Staatsan- gehörigen zumindest teilweise erfolgreich (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 5. An wie vielen Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof war das Land Berlin in den Jah- ren seit 2009 beteiligt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 6. In wie vielen Verfahren folgte der Bundesgerichts- hof in den Jahren seit 2009 dem durch das Land Berlin gestellten Antrag und bestätigte somit dessen Rechts- standpunkt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Zu 3. - 6.: Die erbetenen Angaben werden statistisch hier nicht vorgehalten. Sie können auch nicht mit einem vertretbaren Aufwand erhoben werden. 7. Wie viele Mitarbeiter_innen sind mit der Beantra- gung von Freiheitsentziehungen vor dem Amtsgericht befasst? Welchen Laufbahngruppen gehören diesem an? Werden diese Mitarbeiter_innen hinsichtlich der besonde- ren Grundrechtsrelevanz in einem speziellen Verfahren oder nach speziellen Kriterien für ihre Tätigkeit ausge- wählt und/oder besonders qualifiziert? Zu 7.: Insgesamt 27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen in der Ausländerbehörde Haftanträge beim Amts- gericht, davon sind zwei nach Besoldungsgruppe (BesGr.) A 11 besoldet (Hauptsachbearbeiterinnen), eine nach BesGr. A 13 S (Sachgebietsleiterin), bei den übrigen handelt es sich ebenfalls um Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter des gehobenen Dienstes, die nach BesGr. A 10 bzw. nach Entgeltgruppe E 9 besoldet bzw. vergütet wer- den. Die Personalauswahl erfolgt wie bei anderen Stellen- besetzungsverfahren auch auf der Basis eines entspre- chenden Anforderungsprofils nach Eignung, Befähigung und Leistung nach dem Prinzip der Bestenauswahl. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 335 2 Bei den Polizeidirektionen 1–6 werden innerhalb des Aufgabengebietes Integration/Migration (AGIM) neben den sechs Führungskräften insgesamt 63 Sachbearbeite- rinnen und Sachbearbeiter eingesetzt, die alle für die Haftantragstellung ausgebildet sind. Dabei handelt es sich um 54 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des gehobenen Dienstes und neun des mittleren Dienstes, die alle anhand des entsprechenden Anforderungsprofils ausgewählt wur- den. Ihre Qualifizierungen erfolgen im Rahmen von Dienstbesprechungen innerhalb der Fachdienststellen sowie internen Fortbildungen. Darüber hinaus werden von der Landespolizeischule entsprechende Fachseminare angeboten. 8. Wie werden die Mitarbeiter_innen über die Ände- rungen der Rechtsprechung informiert und wie wird si- chergestellt, dass eine Freiheitsentziehung nur noch ent- sprechend der Vorgaben der höchstrichterlichen Recht- sprechung beantragt wird? Zu 8.: Eine Auswertung der Rechtsprechung erfolgt regelmäßig über die Sachgebiets- und/oder Referatslei- tung der Ausländerbehörde, ggf. unter Beteiligung meiner die Fachaufsicht führenden Verwaltung. Relevante Ände- rungen werden über Sachgebietsbesprechungen und über interne Schulungen transportiert. Bei der Polizei Berlin finden aktuelle Rechts- und Verfahrensänderungen im Bereich des Ausländer- /Aufenthaltsrechts sowie sich aus der Rechtsprechung ergebende Neuerungen ihren unmittelbaren Niederschlag in der Aktualisierung des polizeiinternen Fachkompendi- ums zum Ausländerrecht. Sie werden zudem im Rahmen von Dienstbesprechungen kommuniziert. Tagesaktuelle Veröffentlichungen und Pressemitteilungen werden durch das Landeskriminalamt unmittelbar an die Fachdienststel- len (AGIM) gesteuert. 9. An der Beantwortung welcher Fragen dieser Klei- nen Anfrage waren welche Senatsverwaltungen, welche Abteilungen/Referate und welche weiteren Stellen jeweils beteiligt? Zu 9.: An der Beantwortung der Fragen 1 bis 9 war das Referat I B federführend, an der Beantwortung der Fragen 1, 7 u. 8 das Referat III B meiner Verwaltung und an der Beantwortung der Fragen 1 bis 8 war die Auslän- derbehörde sowie zu den Fragen 1, 7 und 8 die Polizei Berlin beteiligt. Berlin, den 16. Juli 2013 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Aug. 2013)