Drucksache 17 / 12 379 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Moritz (GRÜNE) vom 01. Juli 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Juli 2013) und Antwort Schallschutzprogramm für die Anlieger vom BER Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Beantwortung beruht teilweise auf Angaben der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB). Frage 1: Auf welchem Gutachten oder welcher fachli- chen Beurteilung beruhen die Aussagen der Geschäftsfüh- rung und von Mitgliedern des Aufsichtsrats der FBB GmbH, dass bis zu 90% der Wohngebäude nicht auf das gerichtlich mehrfach bestätigte Schutzziel für die Tag- schutzzone geschützt werden könnten? Antwort zu Frage 1: Die entsprechende Aussage der FBB-Geschäftsführung beruht auf einem Gutachten der Krebs und Kiefer GmbH (K + K GmbH), welches diese im Juli 2012 für die Flughafengesellschaft erstellt hat. Bei Annahme eines Schutzziels von 0 x 55 dB(A) wurde folgendes Fazit gezogen: „Das NAT-Kriterium von 0 x 55 dB führt dazu, dass nicht nur die Kosten der Umsetzung des Schallschutzprogramms innerhalb des Tagschutz- gebiets um den Faktor 7,25 - 8,43 steigen, es führt auch dazu, dass bei ca. 90 Prozent aller Gebäude die Schallschutzvorrichtungen technisch komplex sind und die Ausführung der Schallschutzvorrich- tungen unverhältnismäßig (Kosten stehen außer Verhältnis zum Schutzziel) sind. Die Kosten der Schallschutzvorrichtungen liegen bei 90 Prozent der Objekte im Durchschnitt über 30 Prozent des Verkehrswerts eines Gebäudes und damit haben die betroffenen Eigentümer einen Anspruch auf Entschädigung auf Grundlage des Planfeststel- lungsbeschlusses.“ Zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse, insbeson- dere über den bauphysikalischen Zustand der Mehrzahl der innerhalb des Tagschutzgebietes gelegenen Wohnob- jekte und ein mögliches Optimierungspotential bei der Umsetzung des baulichen Schallschutzes waren für den Gutachter K+K GmbH Veranlassung, seine Prognose über den Umfang der in die sog. Kappungsgrenze fallen- den Anzahl von Wohnobjekten zu korrigieren. Dies ist mit einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 06.06.2013 geschehen, in welcher die Feststellung enthal- ten ist, dass bei ca. 75 Prozent der Wohneinheiten die bauliche Umsetzung von Schallschutz komplex und un- wirtschaftlich ist, und demzufolge hier mit hoher Wahr- scheinlichkeit die Entschädigungsgrenze in Höhe von 30 Prozent des Verkehrswertes greift. Frage 1.1: Wenn ein Gutachten bzw. anderweitige schriftliche Fachaussagen vorliegen, inwieweit sind dort die unterschiedlichen Bauweisen der Wohnhäuser berück- sichtigt worden und bezieht sich die Aussage dabei auf die finanzielle Begrenzung von 30% des Verkehrswertes der Immobilie oder lassen sich die Häuser grundsätzlich nicht schützen? Antwort zu Frage 1.1: Die Aussage der Krebs und Kiefer GmbH basiert auf rd. 150 Referenzobjekten, die insgesamt 35 ausgewählten Immissionspunkten zugeord- net wurden. Diese innerhalb des Tagschutzgebietes und in der Nähe der Immissionspunkte liegenden Objekte wur- den derart ausgewählt, dass sie repräsentativ für alle Ob- jekte innerhalb des Tagschutzgebietes zur weiteren Ana- lyse herangezogen werden konnten. Im Nahbereich des Flughafens Berlin Brandenburg, z. B. in Selchow oder Bohnsdorf, stehen überwiegend ein- bis zweigeschossige Einfamilienhäuser, in weiter entfernt liegenden Berei- chen, z. B. Blankenfelde-Mahlow, befinden sich mehrge- schossige Mehrfamilienhäuser. Die ältesten Gebäude im Bereich des Flughafens Ber- lin Brandenburg wurden gegen 1900 errichtet. Ein Groß- teil der Gebäude wurde in den 1930er Jahren und nach 1960 gebaut. Die Gebäude sind nach den baulichen Ge- gebenheiten sehr unterschiedlich. Um diese Bandbreite abzudecken, wurden Objekte aus diesen jeweiligen Zeit- räumen mit unterschiedlichen Bauarten und Bautypen ausgewählt, um ganzheitliche Aussagen über die Auswir- kungen auf alle Gebäude innerhalb des Tagschutzgebietes hinsichtlich der Auswirkung auf die technische Machbar- keit und die Kosten treffen zu können. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 379 2 Die in der Folgezeit gewonnenen Erkenntnisse recht- fertigen die Annahme, dass in Einzelfällen (insbesondere bei sehr alten Gebäuden) die bauphysikalischen Gegeben- heiten von Wohnobjekten die bauliche Umsetzung des Schutzziels ausschließen, d.h. auch bei Nichtbeachtung der 30-Prozent-Grenze wären diese nicht auf das vorge- gebene Schallschutzmaß zu schützen. In der Mehrzahl der Fälle ist es jedoch so, dass der für die bauliche Umset- zung des Schutzziels absehbare finanzielle Aufwand oberhalb von 30 Prozent des Verkehrswerts des betref- fenden Wohnobjektes liegt. Frage 1.2: Wie beurteilt der Senat diese Aussagen be- zogen auf den betroffenen Wohnhäuserbestand im Land Berlin? Antwort zu Frage 1.2: Eine gesonderte Aussage für das Gebiet des Landes Berlin ist nicht sachgerecht. Frage 2: Auf welchen Umfragen oder sonstigen fach- lichen Erhebungen beruhen die Aussagen der Geschäfts- führung und von Mitgliedern des Aufsichtsrats der FBB GmbH, dass viele oder gar die Mehrheit der Grundstücks- eigentümer, die eine finanzielle Entschädigung gemäß den Festlegungen zum Schallschutz im Planfeststellungs- beschluss erhalten würden, diesen nicht in Schallschutz- maßnahmen an ihrem Wohnhaus investieren würden sondern für sonstige Dinge ausgeben würden? Antwort zu Frage 2: Im Rahmen von Vorort-Gesprä- chen der Flughafengesellschaft mit den Anspruchsberech- tigten, anlässlich von Informationsveranstaltungen im Flughafenumland, aber auch aus dem mit den Anspruchs- berechtigten geführten Schriftverkehr wurde deutlich, dass bestimmte Flughafenanwohner entweder überhaupt nicht in Maßnahmen des Schallschutzes zu investieren gedenken oder aber nur einen Teil zu erwartender Ent- schädigungszahlungen dafür aufzuwenden beabsichtigen. Frage 2.1.: Wenn es diese Umfragen oder sonstigen Erhebungen gibt, wer hat sie wann in wessen Auftrag erstellt und zu welchem Ergebnis ist diese Umfrage ge- langt? Antwort zu Frage 2.1.: Es liegt kein Auftrag vor, eine solche Umfrage zu erstellen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Frage 2.2.: Welche Haltung bezieht der Senat zu die- sen Aussagen? Antwort zu Frage 2.2.: Der Senat hält diese Ausfüh- rungen der FBB für plausibel. Frage 3: Wie und zu welchem Stichtag erfolgt die Er- mittlung des Verkehrswertes der betroffenen Immobilien? Antwort zu Frage 3: Für die Ermittlung des Ver- kehrswerts der jeweils betroffenen Immobilie gilt als Stichtag der Zeitpunkt, zu welchem der Antrag auf Ge- währung von Schallschutz bei der Flughafengesellschaft eingegangen ist. Frage 3.1.: Erfolgt die Wertermittlung nach pauscha- len Annahmen oder für jedes Objekt einzeln? Antwort zu Frage 3.1.: Die Verkehrswertermittlung erfolgt grundsätzlich für jedes Wohnobjekt gesondert. Frage 4.: Inwieweit wird die FBB GmbH ihrer Ver- pflichtung gerecht werden, die Betroffenen vor Inbetrieb- nahme des BER vor den Fluglärmauswirkungen, gemäß den Festlegungen des Planfeststellungsbeschluss, zu schützen? Antwort zu Frage 4.: Das Bestreben der Flughafenge- sellschaft ist es, jedem vom Fluglärm betroffenen Antrag- steller vor Inbetriebnahme der neuen südlichen Start- und Landebahn zu ermöglichen, auf der Grundlage entspre- chender Kostenbescheide baulichen Schallschutz beauf- tragen zu können. Dieses Vorhaben wird in einem Zeit- und Ablaufplan abgebildet, der das Handeln der Flugha- fengesellschaft in den nächsten Monaten bestimmt. Der Stand der Umsetzung von Maßnahmen des Schallschutzes ist ferner Gegenstand eines monatlichen Berichts an das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft BB als der zuständigen Genehmigungsbehörde und kann über dessen Homepage durch Jedermann eingesehen werden. Frage 4.1.: Wird die FBB GmbH erst nach der von ihr angestrebten weiteren gerichtlichen Klärung zum Schall- schutzziel in der Tagschutzzone am BER mit der Erarbei- tung von Kostenerstattungsvereinbarungen auf der Grund- lage des gültigen Planfeststellungsbeschlusses beginnen bzw. fortfahren? Antwort zu Frage 4.1.: Nein. Die Erarbeitung von Kostenbescheiden auf der Grundlage des Schutzziels < 0,005 x 55 dB(A) durch von der Flughafengesellschaft beauftragte Ingenieurbüros findet derzeit bereits statt. Mit der Versendung erster Kostenbescheide ist Anfang Au- gust 2013 zu rechnen. Frage 4.2.: Wenn also erst nach gerichtlicher Klärung des Schallschutzziels mit der Umsetzung begonnen wird, mit welchem Eröffnungstermin des BER ist dann zu rech- nen bzw. um wie viel Zeit wird sich dieser Termin verzö- gern bevor der Schallschutz gegeben ist und die Inbe- triebnahme erfolgen kann? Antwort zu Frage 4.2.: Eine Beantwortung entfällt mit Blick auf die Antwort zu Frage 4.1.. Berlin, den 31. Juli 2013 Der Regierende Bürgermeister In Vertretung Björn Böhning Chef der Senatskanzlei (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Aug. 2013)