Drucksache 17 / 12 398 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Danny Freymark (CDU) vom 04. Juli 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Juli 2013) und Antwort Qualität der Berliner Oberflächengewässer Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie oft kam es innerhalb der letzten zehn Jahre infolge der Mischwassereinleitungen zu Badever- boten bzw. zu Warnungen, in den Berliner Gewässern zu baden? (Bitte um Angaben der einzelnen Vorfälle und die Nennung der Orte.) Antwort zu 1: Neben anderen potentiellen Verschmut- zungsquellen stellen Mischwasserüberläufe eine erhebli- che mikrobiologische Verschmutzungsquelle dar. Ver- schmutzungen aus dieser Quelle können über den Zufluss der Spree in die Badegewässer gelangen. Die Spree nimmt im innerstädtischen Bereich an mehreren Stellen Mischwasserüberläufe auf. In Abhängigkeit von Ab- flussmenge, Niederschlagsintensität und –dauer können insbesondere die im nahen Zufluss der Stadtspree gelege- nen Badestellen in dem als Badegewässer ausgewiesenen Bereich der Unterhavel betroffen sein. Innerhalb der letzten zehn Jahre wurden in dem ent- sprechenden Badegebiet in den Jahren 2005, 2007, 2010, 2011 und 2012 mehrfach mikrobiologische Grenzwert- überschreitungen festgestellt. Im Zusammenhang mit Niederschlagsereignissen und auf Grund gleichzeitig überhöhter Keimzahlen im Zustromgebiet oberhalb der überwachten Badestellen lassen die Beanstandungen einen Einfluss im Zulauf insbesondere aus der Stadtspree annehmen. Die mikrobiologischen Grenzwertüberschrei- tungen führten vorübergehend an der Badestelle „Kleine Badewiese“ einmalig zum Aussprechen eines Badeverbotes sowie 7-mal zum Abraten vom Baden. An weiteren Badestellen der Unterhavel wurde vom Baden am „Grunewaldturm“ 5-mal; „Breitehorn“ 3-mal; „Lieper Bucht“ 1-mal und „Radfahrerwiese“ ebenfalls 1-mal abgeraten. Aufgrund der hohen Grundbelastung, die je- weils eine EU-Einstufung als „mangelhaft“ bewirkte, wird seit 2012 an der Badestelle „Kleine Badewiese“ und seit 2013 an der Badestelle „Grunewaldturm“ ganzjährig vom Baden abgeraten. Warnhinweise im Bereich der Unterhavel wegen möglicher Mischwasserüberläufe auf- grund von unwetterartigen Starkregenfällen erfolgten aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes in Jah- ren 2011 und 2012 insgesamt 3-mal. Frage2: Wie oft und aus welchen Gründen kam es in- nerhalb der letzten 10 Jahre zu signifikantem Fischsterben innerhalb der städtischen Gewässer? (Bitte um Angaben der einzelnen Vorfälle und die Nennung der Orte.) Antwort zu 2: In den letzten zehn Jahren kam es in 40 Berliner Gewässern zu Fischsterben. 14 Ereignisse gingen auf Mischwasserüberläufe zurück. Grundsätzlich führte in fast allen Fällen ein starker Sauerstoffmangel zum Fisch- sterben, wobei drei Konstellationen als auslösende Ereig- nisse festgestellt wurden:  In den Sommermonaten können hohe Niederschläge bzw. Starkregenereignisse zum Überlaufen des Mischwassersystems führen. Die Folge ist, dass nährstoff- reiches Wasser direkt in die Oberflächengewässer geleitet wird. In den Gewässern findet dann bei hohen Wasser- temperaturen ein sehr starker aerober mikrobieller Ab- bauprozess statt, der zu Sauerstoffzehrung und in der Folge zu Fischsterben führt. Besonders betroffen sind die innerstädtische Spree, der Landwehrkanal und der Berlin- Spandauer-Schifffahrtskanal.  Durch lange Eisbedeckung kann es bei nicht oder gering durchflossenen Gewässern zu Sauerstoffmangel- situationen kommen. Unter der Eisdecke finden Zeh- rungs- und Atmungsprozesse z.B. durch Fische und Mik- roorganismen statt. Der Sauerstoffvorrat wird verbraucht. Die Sauerstoffdefizite werden normalerweise durch Pho- tosynthese und den Eintrag atmosphärischen Sauerstoffs ausgeglichen. Bei einer geschlossenen und schneebe- deckten oder trüben Eisdecke sind diese Prozess unter- brochen. Im Jahr 2010 waren besonders viele Berliner Kleingewässer wie z.B. der Lietzensee von Fischsterben in Folge langer Eisbedeckung betroffen.  Einige Berliner Gewässer weisen einen hohen Eintrag an Laub, Ästen und sonstigen organischen Mate- rialien auf. Es sind meist Kleingewässer, die nicht oder nur zeitweise durchflossen und stark verschlammt sind. In der Folge kann es im Winter bei Eisbedeckung oder im Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 398 2 Sommer bei hohen Wassertemperaturen zu starken Zeh- rungs- und Atmungsprozessen kommen, die zu Sauer- stoffmangel führen. In der Vergangenheit war aufgrund des schlechten Gewässerzustandes u.a. das Seggeluchbe- cken von sommerlichem Fischsterben betroffen. In der folgenden Tabelle sind alle Gewässer aufgelis- tet bei denen im Zeitraum 2002 bis 2012 signifikante Fischsterben registriert wurden: Datum Gewässer Menge der veren- deten Fische (teilweise ge- schätzt) Ursache 2002 keine Fischsterben 06.2003 Seggeluchbecken 200 – 250 kg Sauerstoffmangel*¹ 07.2003 Östlicher Abzugsgraben (Span- dau) 40 kg Sauerstoffmangel*² 07.2003 Landwehrkanal 70 Stück Sauerstoffmangel*² 09.2003 Hermsdorfer See 100 kg Sauerstoffmangel durch Eintrag von sauerstoff- freiem Wasser aus Nebengewässern des Tegeler Fließes 01.2004 Hundekehlegraben 30 kg Sauerstoffmangel durch Atmungs- und Zehrungs- prozesse verursacht durch geringen Wasseraus- tausch und Niedrigwasserstände 05.2004 Gr. Wannsee 200-250 Stück vermutlich Konditionsschwäche bei den Fischen nach dem Winter und der Laichzeit 07.2005 Spree 450 kg Sauerstoffmangel*² 07.2005 Charlottenburger Verbindungska- nal, Westhafenkanal, Spree 500 kg Sauerstoffmangel*² 07.2005 Landwehrkanal 150 kg Sauerstoffmangel*² 07.2005 Teltowkanal 300 kg Sauerstoffmangel*² 11.2005 Steinbergsee 50 kg Sauerstoffmangel*¹ 07.2006 Landwehrkanal 1440 kg Sauerstoffmangel*² 07.2006 Berlin-Spandauer Schifffahrtska- nal 840 kg Sauerstoffmangel*² 07.2006 Spree 840 kg Sauerstoffmangel*² 07.2006 Teltowkanal 100 kg Sauerstoffmangel*² 07.2006 Dianasee, Herthasee, Königssee, Halensee, Hundekehlesee, Hu- bertussee 1500 kg Sauerstoffmangel*² 2007 keine Fischsterben 05.2008 Gr. Wannsee 80 Stück vermutlich Konditionsschwäche bei den Fischen nach dem Winter und der Laichzeit 06.2008 Schäfersee 1000 Stück Sauerstoffmangel*¹ 06.2008 Landwehrkanal 100 Stück Sauerstoffmangel*² 06.2008 Berlin-Spandauer-Schifffahrtska- nal 200 kg Sauerstoffmangel*² 06.2008 Teltowkanal 70 kg Sauerstoffmangel*² 07.2009 Septimerbecken 20 kg Sauerstoffmangel*² 07.2009 Landwehrkanal 880 kg Sauerstoffmangel*² 03.2010 Wuhlbecken an der Wuhle 255 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Ziegeleisee 600 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Kynastteich 450 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Krummer Pfuhl 150 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Blanke Helle 120 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Klarensee 3 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Ententech RWP 15 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Wilhelmsteich 60 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Nelly-Sachs Teich 450 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Blümelteich 225 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Dilgesteich, Kleiner Teich 18 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Eckernpfuhl 300 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Großer Karpfenpfuhl 24 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Giebelpfuhl 450 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Klosterteich Marienfelde 300 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Lietzensee 10000 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Hundekehlesee 1500 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Waldsee 100 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Treptower Karpfenteich 100 kg Sauerstoffmangel*³ Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 398 3 03.2010 Waldsee (Hermsdorf) 100 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Mövensee (Volkspark Rehberge) 1200 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Ziegeleisee 350 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Königssee 1500 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Dianasee 1500 kg Sauerstoffmangel*³ 03.2010 Buckower Dorfteich 45 kg Sauerstoffmangel*³ 06.2010 Seggeluchbecken 1250 kg Sauerstoffmangel*¹ 07.2010 Schäfersee 450 kg Sauerstoffmangel*¹ 07.2010 Teltowkanal / Tempelhofer Hafen 250 kg Sauerstoffmangel*² 07.2010 Berlin-Spandauer-Schifffahrtska- nal 320 kg Sauerstoffmangel*² 01.2011 Ziegeleisee 780 kg Sauerstoffmangel*¹ 06.2011 Landwehrkanal 50 kg Sauerstoffmangel*² 06.2011 Berlin-Spandauer-Schifffahrtska- nal 100 kg Sauerstoffmangel*² 07.2012 Landwehrkanal 100 Stück Sauerstoffmangel*² 07.2012 Septimerbecken 5 kg Sauerstoffmangel*¹ Sauerstoffmangel*¹: Die Gewässer weisen einen hohen Ein- trag an Laub, Ästen und sonstigen organischen Materialien auf. Sind meistens nicht oder nur zeitweise durchflossen und ver- schlammt. Somit kann es im Winter bei Eisbedeckung oder im Sommer bei hohen Wassertemperaturen zu starken Zehrungs- und Atmungsprozessen kommen, die zu Sauerstoffmangel füh- ren. Sauerstoffmangel*²:Außergewöhnlich hohe Niederschläge (Starkregen) in den Sommermonaten führen zum vermehrten Eintrag von nährstoffreichem Wasser in die Oberflächengewäs- ser. Die Nährstofffrachten gelangen überwiegend durch ein Überlaufen des Mischentwässerungssystems in die Gewässer (mit Ausnahme des Teltowkanals, der durch Regenwasserein- leitungen belastet wird). In Folge des verstärkten aeroben mik- robiellen Abbaus treten Sauerstoffzehrungen im Gewässer auf, die zu Fischsterben führen. Sauerstoffmangel*³: Der Sauerstoffmangel tritt in Folge lan- ger Eisbedeckung bei nicht oder gering durchflossenen Gewäs- sern auf. Unter der Eisdecke finden Zehrungs- und Atmungspro- zesse z.B. durch Fische und Mikroorganismen statt. Der Sauer- stoffvorrat wird verbraucht. Die Sauerstoffdefizite werden nor- malerweise durch Photosynthese und den Eintrag atmosphä- rischen Sauerstoffs ausgeglichen. Bei einer geschlossenen und schneebedeckten oder trüben Eisdecke ist dieser Prozess unter- brochen. Bei der Photosynthese wird der Wasserkörper von Algen mit Sauerstoff angereichert. Frage 3: Seit welchem Jahr ist das Sauerstoffschiff Rudolf Kloos im Einsatz, wie entwickelte sich die Anzahl der Einsätze seit dem Jahr 2010 und auf welche Höhe belaufen sich die Gesamtkosten für die Einsätze p.a.? Antwort zu 3: Das Belüftungsschiff „Rudolf Kloos“ wird seit 1995 von der Senatsverwaltung für Stadtent- wicklung und Umwelt betrieben. In Abhängigkeit von den täglich gemessenen Sauer- stoffwerten wird das Belüftungsschiff seit 2010 gleich- bleibend, überwiegend von Mai bis September, in den innerstädtischen Gewässern mit Schwerpunkt Landwehr- kanal und Neuköllner Schifffahrtskanal eingesetzt. Der Einsatz erfolgt bei gemessenen Sauerstoffwerten unter 2,5 mg/l oder zur Vorbeugung bei angekündigten Starkre- genereignissen mit einem zu erwartenden Überlauf der Mischwasserkanalisation. Zur Optimierung der Sauerstoffanreicherung werden die kühleren Nachtstunden von 22:00 bis 6:00 Uhr genutzt. Außerdem kann auf dem Landwehrkanal nur nachts mit einer Ausnahmegenehmigung in beiden Richtungen ge- fahren werden, da tagsüber bauwerksbedingt (marode Uferwände) ein Begegnungsverbot besteht. 2013 kann auf Grund eines Schiffsschadens erst Ende Juli mit den Be- lüftungseinsätzen begonnen werden. Die Einsatzkosten belaufen sich in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Einsatzfahrten auf etwa 450.000 € pro Jahr. Diese teilen sich in 360.000 € für Schiffseinsatz, Wartung und Reparaturen sowie 90.000 € für Flüssigsauerstoff . Berlin, den 26.07.2013 In Vertretung Christian Gaebler ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. August 2013)