Drucksache 17 / 12 407 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Fabio Reinhardt und Oliver Höfinghoff (PIRATEN) vom 08. Juli 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Juli 2013) und Antwort Warum werden fast alle Berliner Flüchtlingskinder von Kita und Hort ausgeschlossen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch ist aktuell in Berlin die prozentuale Quote der Kinder aus Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge, die eine Kita besuchen (vgl. Kleine An- frage Nr. 17/11976)? 2. Wie hoch ist aktuell in Berlin die prozentuale Quote der Grundschulkinder aus Gemeinschaftsunter- künften für Flüchtlinge, die nicht nur in der Schule selbst, sondern auch im nach Schulgesetz (SchulG) an jeder Grundschule vorhandenen Hort pädagogisch betreut wer- den? Zu 1. und 2.: Bezug nehmend auf die zitierte Kleine Anfrage Nr. 17/11976 ergibt sich aus den dort dargelegten Zahlen einer Stichtagserhebung zum 02.05.2013 eine Quote von 5,81 % (861 Kinder in Gemeinschaftsunter- künften für Flüchtlinge im Alter unter 6 Jahren, davon 50 Kinder in Kitas oder Tagespflege). Im Rahmen des Kita- Anmeldeverfahrens wird von den Eltern erfragt, ob sie bzw. das Kind in einer Gemeinschaftsunterkunft leben. Es wird dabei nicht differenziert erfasst, um welche Art von Gemeinschaftsunterkunft es sich handelt. Alle Berliner Grundschulen sind Ganztagsgrundschu- len mit Öffnungszeiten von 6:00 bis 18:00 Uhr. Die über den Unterricht hinausgehenden Angebote der ergänzen- den Förderung und Betreuung stehen allen Schulkindern zur Verfügung. Wie viele der in Gemeinschaftsunter- künften lebenden Kinder dieses Angebot nutzen, wird durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft statistisch nicht erhoben. 3. Teilt der Senat die Auffassung der Bundesregierung (vgl. Bundestagsdrucksache 13/5876 vom 22. Okto- ber 1996), dass der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) VIII - jedenfalls nach Ablauf der bis zu dreimonatigen Asylerstaufnahmefrist - gleichermaßen auch für Asylbewerberkinder und Gedul- dete gilt? Zu 3.: Der Senat teilt die Ausführungen der Bundesre- gierung in der Beantwortung der o.g. Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache 13/5876). 4. Welche zusätzlichen Rechte und Pflichten bei der Inanspruchnahme von Kita und Hort ergeben sich aus welchen bundes- und landesrechtlichen Vorschriften für Flüchtlingskinder ohne ausreichende deutsche Sprach- kenntnisse? Zu 4.: Flüchtlingskinder werden hinsichtlich des Er- werbs der deutschen Sprache in Kindertageseinrichtungen genauso wie alle anderen Kinder in Berlin ohne ausrei- chende Sprachkenntnisse gefördert. Insbesondere erhalten alle Kinder bereits ab Vollendung des zweiten Lebensjah- res auf Antrag eine Teilzeitförderung (§ 4 Abs. 3 Satz 2 Kindertagesförderungsverordnung -VOKitaFöG-), wenn dies für die sprachliche Integration erforderlich ist. Wer- den in Kindertageseinrichtungen mindestens 40 % Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache betreut, erhalten sie gemäß § 17 VOKitaFöG personelle Zuschläge insbeson- dere für eine gezielte Sprachförderung. Gemäß der Orientierungshilfe zur Feststellung des Bedarfs an ergänzender Förderung und Betreuung für Kinder an Grund- und Sonderschulen wird für Kinder in Not- und Sammelunterkünften ein Bedarf für das Modul von 13:30 bis 16:00 Uhr anerkannt. Liegen ergänzende Bedarfsgründe vor, kann auch ein darüber hinaus gehen- der Bedarf anerkannt werden. Für die Förderung der Sprachkompetenz erhalten Ganztagsschulen mit einem überdurchschnittlichen Anteil der Schülerinnen und Schü- ler nichtdeutscher Herkunftssprache gemäß § 6 der Schü- lerförderungs- und Betreuungsverordnung (SchüFöVO) Personalzuschläge. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 407 2 5. Welche besonderen Zuständigkeitsregelungen müssen Flüchtlinge bei der Anmeldung zum Kita- /Hortbesuch beachten? Ist es zutreffend, dass Flüchtlinge dabei im Regelfall - anders als deutsche Eltern - auf das Jugendamt eines zufällig gewählten anderen Bezirks als dem Wohnbezirk verwiesen werden? Zu 5.: Die Zuständigkeit für Leistungen nach dem Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) richtet sich nach Nr. 6 Abs. 1 der Ausführungsvorschriften über die Zu- ständigkeit der Jugendämter auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe (AV ZustJug). Diese Regelung nimmt Bezug auf die Ausführungsvorschriften über die örtliche Zuständigkeit für die Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII (AV ZustSoz). Nach Nr. 4 Abs. 3 und 4 AV ZustSoz richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Geburtsmonat, ist dieser nicht bekannt, nach dem Anfangsbuchstaben des Familiennamens. Das Jugendamt des entsprechenden Bezirks ist für die Erstellung eines Kita-Gutscheines sowie für die Feststellung des Bedarfs an ergänzender Förderung in der Schule zuständig. Der Antrag auf ergänzende Förderung und Betreuung ist in der besuchten Grundschule abzugeben, wird dann an das zuständige Jugendamt weitergeleitet und dort beschieden. 6. Wie und durch wen (Jugendamt am Wohnort oder des ortsfremden zuständigen Bezirks?) werden Flücht- lingseltern in Berlin dabei unterstützt, den Rechts- anspruch auf einen wohnortnahen Kita-/Hortplatz zu realisieren? Zu 6.: Die zuständigen Jugendämter (vgl. Antwort zu 5.) erstellen den jeweiligen Kita-Gutschein und informie- ren und beraten die Eltern nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Kinder- tagesförderungsgesetz (KitaFöG). Damit sind die Jugend- ämter für sämtliche mit der Betreuung verbundenen Fra- gen zuständig. Neben den Jugendämtern, welche auch zu Möglichkeiten der ergänzenden Förderung und Betreuung beraten, liegt der Fokus im schulischen Bereich auf der Beratung durch die Grundschule. Im Rahmen des Bil- dungsauftrags der Ganztagsschule sollen auch über den Unterricht hinaus Bildungsangebote gemacht werden, welche in der Konsequenz zu mehr Chancengerechtigkeit führen. Daher sind die Personensorgeberechtigten über die Möglichkeiten ganztägiger Bildungs- und Erziehungs- angebote an Berliner Ganztagsschulen zu informieren und Anträge auf ergänzende Förderung und Betreuung auszu- händigen. Die Eltern, deren Kinder im folgenden Kalenderjahr schulpflichtig werden und keine Kita oder Tagespflege besuchen und nicht über die erforderlichen Sprachkennt- nisse verfügen, werden gemäß § 55 Schulgesetz (SchulG) von der Schulbehörde im Einvernehmen mit dem Jugend- amt über die Angebote von Tageseinrichtungen informiert und hinsichtlich des individuellen Rechtsanspruchs bera- ten. 7. Wie bewertet der Senat diese Zuständigkeitsregelung ? Zu 7.: Da es in einem Stadtstaat (Einheitsgemeinde) nicht möglich ist, dass sich die Jugendämter die Kosten gegenseitig in Rechnung stellen, soll mit der AV ZustJuG erreicht werden, dass die Kosten, die für Jugendhilfeleis- tungen entstehen und der sonstige Aufwand auf alle Be- zirke gleichmäßig verteilt werden. Andernfalls würde es zu einer unverhältnismäßigen Belastung von Bezirken kommen, in denen sich bspw. Gemeinschaftsunterkünfte befinden. Die Zuordnung dieser Antragstellergruppe auf verschiedene Jugendämter ist in einer Stadt, die über eine gute Verkehrsinfrastruktur verfügt, durchaus vertretbar. Insbesondere kann zwar für die Antragstellung ein Ju- gendamt zuständig sein, das sich nicht im Wohnortbezirk befindet, allerdings besuchen die betroffenen Kinder in der Regel wohnortnahe Kindertageseinrichtungen. In der Mehrzahl der Fälle müssen die Eltern daher das zustän- dige Jugendamt nur einmal aufsuchen. Unter Berücksichtigung aller Belange handelt sich bei der genannten Zuständigkeitsregelung um eine nachvoll- ziehbare und vertretbare Vorschrift. 8. Wie (und durch welches Jugendamt) werden Flüchtlingseltern in Berlin konkret dabei unterstützt, den Pflichtbesuch im letzten Kitajahr zu realisieren? 9. Wie ist die geringe Quote des Kitabesuchs der 0- 6-jährigen Flüchtlingskinder von insgesamt nur etwa zehn Prozent damit zu vereinbaren, dass allein etwa 17 Prozent von ihnen sogar kitapflichtig sein dürften? 10. Woran liegt es, dass in Berlin nur so wenige Flüchtlingskinder in die Kita (vgl. Kleine Anfrage Nr. 17/11976) und in den Hort gehen? Welche Schlussfolge- rungen zieht der Senat daraus, und was wird das Land unternehmen, um diese Situation zu ändern? Zu 8., 9. und 10.: Eine Kita-Pflicht existiert nicht. In der Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 17/11976 wurde erläutert, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialdienste vor Ort die Familien über Unterstüt- zungsmöglichkeiten im Rahmen des SGB VIII beraten und sie bei Bedarf an das zuständige Jugendamt vermit- teln. Zur Frage der weiteren konkreten Unterstützung sei auf die Beantwortung der Frage Nr. 6 verwiesen. Je nach Aufenthaltsstatus besteht nur für einen Teil der in Rede stehenden Kinder die Schulpflicht. Die nicht schulpflichtigen Kinder haben ein Schulbesuchsrecht. Für alle Kinder, die eine Schule besuchen, gilt, dass sie die über den Unterricht hinausgehende ergänzende Förderung und Betreuung in Anspruch nehmen können. Der Senat hat das Ziel, dass möglichst viele Kinder einen Kita-Platz in Anspruch nehmen, nicht zuletzt, um sie gut auf den Übergang in die Schule vorzubereiten, dies gilt in gleicher Weise für Flüchtlingskinder. Die Senats- verwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft beab- sichtigt, die bereits in mehreren Sprachen vorliegende Elterninformation zum Kita-Besuch in weitere relevante Sprachen zu übersetzen und den betreffenden Zielgruppen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 407 3 zugänglich zu machen. Ebenso wird dafür geworben, dass möglichst viele Kinder die Angebote der ergänzenden Förderung und Betreuung wahrnehmen. 11. An der Beantwortung welcher Fragen dieser Kleinen Anfrage waren welche Senatsverwaltungen mit welchen Referaten/Abteilungen und welche weiteren Stellen jeweils beteiligt? Zu 11.: Die Beantwortung erfolgte unter Beteiligung mehrerer Referate der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft sowie der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen. Berlin, den 26. Juli 2013 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. August 2013)