Drucksache 17 / 12 417 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Behrendt (GRÜNE) vom 26. Juni 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Juli 2013) und Antwort Justizopfer in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. An wie viele Personen wurde in den vergangenen fünf Jahren Entschädigung für den immateriellen Schaden durch eine zu Unrecht erlittene Freiheitsentziehung nach § 7 Abs. 3 des Gesetzes über die Entschädigung für Straf- verfolgungsmaßnahmen (StrEG) geleistet (bitte auf- schlüsseln nach Jahren)? Zu 1.: In den vergangenen fünf Jahren erhielt die aus der nachstehenden Auflistung ersichtliche Anzahl von Personen immateriellen Schadensersatz aufgrund einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung nach § 7 Abs. 3 StrEG: Jahr Anzahl der Empfängerinnen und Emp- fänger 2008 87 2009 107 2010 81 2011 79 2012 64 2013 (Stand 15.07.2013) 19 Gesamt 437 2. Für wie viele Hafttage wurde in den vergangenen fünf Jahren Haftentschädigung nach § 7 Abs. 3 StrEG geleistet (bitte aufschlüsseln nach Jahren)? Zu 2.: In den vergangenen fünf Jahren wurden Haftentschädigungen nach § 7 Abs. 3 StrEG für die aus der nachstehenden Übersicht ersichtliche Anzahl von Hafttagen geleistet: Jahr Anzahl Hafttage 2008 6.967 Tage 2009 9.533 Tage 2010 5.063 Tage 2011 6.486 Tage 2012 5.814 Tage 2013 (Stand 15.07.2013) 1.509 Tage Gesamt 35.372 Tage Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 417 2 3. Wie hoch war in den vergangenen fünf Jahren der Betrag, der für den Ersatz materieller und immaterieller Schäden durch eine zu Unrecht erlittene Freiheitsentzie- hung nach § 7 aufgewandte wurde (bitte aufschlüsseln nach Jahren und nach materiellem bzw. immateriellem Schaden)? Zu 3.: Im Hinblick auf den geleisteten Ersatz materiel- ler Schäden wird in der geführten Statistik nicht nach deren Verursachung differenziert. Infolgedessen kann die Frage nach dem in den vergangenen fünf Jahren für den Ersatz materieller Schäden durch eine zu Unrecht erlittene Freiheitsentziehung aufgewendeten Betrag nicht beant- wortet werden. Aus der nachstehenden Übersicht kann aber ersehen werden, welche Beträge für materielle und immaterielle Schäden insgesamt aufgewendet worden sind: Jahr Summe der Entschädigung für immat. Schäden Summe der Entschädigung für mat. Schäden 2008 76.637,00 € (11,00 €/Tag) 52.118,10 € 2009 bis 04.08.2009 ab 05.08.2009 Gesamt 78.364,00 € (11,00 €/Tag) 60.225,00 € (25,00 €/Tag) 138.589,00 € 76.137,61 € 2010 126.575,00 € 90.262,00 € 2011 162.150,00 € 40.727,92 € 2012 145.350,00 € 183.919,51 € 2013 (Stand: 15.07.2013) 37.725,00 € 11.908,73 € Gesamt 687.026,00 € 455.073,87 € 4. Werden gegenüber Personen, denen eine Entschä- digung nach § 7 Abs. 3 StrEG zusteht, Kosten für Betreu- ung und Verpflegung während der Haftzeit geltend ge- macht? Wenn ja, in welcher Höhe und auf welcher Rechtsgrundlage? Zu 4.: Wenn zu Unrecht Inhaftierte ausschließlich eine Entschädigung für den immateriellen Schaden nach § 7 Abs. 3 StrEG begehren, erfolgt keine Anrechnung. Ge- mäß Teil I, B II, Nr. 2 lit. b der Ausführungsvorschriften zum StrEG wird bei der Geltendmachung von kongruen- ten Vermögensschäden hingegen wie folgt angerechnet: aa) Sind der berechtigten Person Ausgaben für Ver- pflegung und Unterkunft erspart geblieben, so wird je Tag ein Betrag in Höhe von ¾ aus der Summe des Haftkosten- satzes für Einzelunterbringung und des Haftkostensatzes für Verpflegung (Frühstück, Mittagessen und Abendes- sen) angerechnet. bb) Sind ihr nur Ausgaben für Verpflegung oder nur Ausgaben für Unterkunft erspart ge-blieben, so wird je Tag ein Betrag in Höhe von ¾ des Haftkostensatzes für Verpflegung (Frühstück, Mittagessen und Abendessen) bzw. des Haftkostensatzes für Einzelunterbringung ange- rechnet. cc) Dabei werden der Aufnahme- und der Entlas- sungstag als ein Tag gerechnet. 5. An wie viele Personen wurde in den vergangenen fünf Jahren Entschädigung nach dem StrEG für nicht freiheitsentziehende Strafverfolgungsmaßnahmen geleis- tet (bitte aufschlüsseln nach Jahren)? Zu 5.: Wie bereits aus der Antwort zu Frage 3 ersicht- lich, wird dies bei der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz nicht gesondert erfasst. Aus der nach- folgenden Übersicht kann aber ersehen werden, an wie viele Personen insgesamt materieller Schadensersatz geleistet worden ist: Jahr Anzahl der Empfängerinnen und Empfänger 2008 70 2009 72 2010 96 2011 68 2012 64 2013 23 Gesamt 393 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 417 3 6. Wie hoch war der in den vergangenen fünf Jahren aufgewandte Betrag für Entschädigungen nach dem StrEG für nicht freiheitsentziehende Strafverfolgungs- maßnahmen (bitte aufschlüsseln nach Jahren)? Zu 6.: Siehe die Antwort zu Frage 3. 7. Welcher Art waren die erlittenen Schäden aus den Fragen 5 und 6 typischer Weise? Zu 7.: Häufig geltend gemacht werden insbesondere Rechtsanwaltsgebühren zur Abwehr der jeweiligen Straf- verfolgungsmaßnahme, Nutzungsausfall infolge der Be- schlagnahme von PC, Nutzungsausfall infolge der Be- schlagnahme von Kfz, Verdienstausfall infolge des vor- läufigen Entzugs der Fahrerlaubnis sowie Rechtsanwalts- gebühren für das Betragsverfahren. 8. Welche speziellen Beratungs- und Unterstützungs- angebote stehen im Land Berlin für Personen zur Verfü- gung, die durch Strafverfolgungsmaßnahmen einen nach dem StrEG zu ersetzenden Schaden erlitten haben? Hält der Senat dieses Angebot für ausreichend? Zu 8.: Es bestehen grundsätzlich keine speziellen Be- ratungs- und Unterstützungsangebote für Personen, die einen nach dem StrEG zu ersetzenden Schaden erlitten haben. Jene wenden sich insofern jedoch regelmäßig an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die sie häufig auch bereits im Ermittlungsverfahren vertreten haben (vgl. auch Antwort zu Frage 7). Für zu Unrecht verurteilte Menschen, die deshalb eine Freiheitsentziehung erlitten haben, halten die Sozialen Dienste der Justiz allerdings ein Beratungsangebot vor. Aufgrund des Umstandes, dass derartige Fälle äußerst selten sind, hängen die Beratungsinhalte und die Bera- tungsdauer vom jeweiligen Einzelfall ab. Die Wahrneh- mung des Angebots geschieht freiwillig. Die Justizvoll- zugsanstalten sind gehalten, die Betroffenen von diesem Angebot in Kenntnis zu setzen und ggf. den Kontakt zu den Sozialen Diensten der Justiz herzustellen. Eine weitere Ausdifferenzierung von Beratungs- und Hilfsangeboten ist angesichts des Vorstehenden nicht geplant. 9. Ist der Senat der Auffassung, dass die im StrEG 2009 auf Bestreben Berlins auf 25 € pro Tag angehobene Haftpauschale in einem angemessenen Verhältnis zu den materiellen und immateriellen Nachteilen durch den Ver- lust der persönlichen Freiheit steht? Wenn ja, warum? Wenn nein, welche Initiativen plant der Senat zu einer weiteren Erhöhung der Pauschale? Zu 9.: Die gemäß § 7 Abs. 3 StrEG zu leistende Ent- schädigung war mit der Unterstützung Berlins im Bundes- rat im August 2009 von 11,00 € auf nunmehr 25,00 € pro angefangenem Tag der Freiheitsentziehung erhöht wor- den. Berlin hat auf der Amtschefkonferenz der Justiz- staatssekretäre am 12./13. September 2012 ein erneutes Meinungsbild der Bundesländer eingeholt. Ein Bedürfnis für eine erneute Erhöhung des Entschädigungssatzes wurde dort nicht gesehen. Damit besteht für ein etwaiges Vorhaben zur Erhöhung des Satzes derzeit keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat sieht, dass der aufgrund des Gesetzes ge- währte Pauschalbetrag den üblichen Bedenken von Pau- schalbeträgen begegnet, nämlich keine differenzierte Einzelfallbetrachtung zuzulassen. Aus dem Vorgenannten hat der Senat gegenwärtig nicht die Absicht, eine erneute Initiative zur Veränderung dieser Vorschrift zu unternehmen. Berlin, den 24. Juli 2013 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Juli 2013)