Drucksache 17 / 12 419 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Heiko Thomas (GRÜNE) vom 03. Juli 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juli 2013) und Antwort Infektionsschutz im Krankenhaus – Wie werden PatientInnen und Beschäftigte in Berliner Krankenhäusern vor Infektionen geschützt? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Das Personal in Einrichtungen der Gesundheits- versorgung kann mit den verschiedensten Krankheitserre- gern in Kontakt kommen. Welche Maßnahmen werden in Berliner Krankenhäusern (insbesondere Charité und Vi- vantes) über die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes hinaus getroffen, um eine Ansteckung des Personals und dadurch auch eine Weiterverbreitung an andere PatientIn- nen zu vermeiden? Zu 1.: Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und die Ver- ordnung Berliner Hygieneverordnung bilden den gesetzli- chen Rahmen zum Schutz der Patientinnen und Patienten und des Personals. Die Einhaltung der gesetzlichen Vor- gaben wird von den zuständigen Berliner Gesundheitsäm- tern kontrolliert und überwacht. Weiterführende Maß- nahmen, die über das Infektionsschutzgesetz hinausgehen, liegen im Ermessen der Klinikverantwortlichen, so dass diese dem Senat nicht bekannt sind. 2. Inwieweit spielt der Schutz vor Infektionen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge in Berliner Krankenhäusern eine Rolle? Inwieweit finden Beratungen über mögliche Impfungen statt? Welche Impfungen wer- den im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge durchgeführt? Zu 2.: Es wird davon ausgegangen, dass die Forderun- gen der Arbeitsschutzgesetzgebung in den Berliner Klini- ken berücksichtigt werden. Genauere Angaben liegen der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales nicht vor. 3. In welchem Umfang und auf welcher Basis wird bspw. im Rahmen von Einstellungsuntersuchungen oder der arbeitsmedizinischen Vorsorge der Gesundheits- und/oder Impfstatus von Beschäftigten (bzw. von einzu- stellenden Beschäftigten) erhoben, um die Patientensi- cherheit zu erhöhen/eine Infektion anderer PatientInnen zu vermeiden (bitte nach Krankenhaus, Berufsgruppe und Einsatzbereich)? Gibt es verpflichtende Regelungen, wenn ja, welche? Zu 3.: Dem Senat wurde bekannt gegeben, dass in der Charité bei jeder Einstellungsuntersuchung (für Beschäf- tigte) oder bei jeder Erstuntersuchung (für Studierende) in einer Anamnese sowohl durchgemachte Kinderkrankhei- ten als auch der Impfstatus erhoben werden. Letzteres wird durch Vorlegen des Impfpasses überprüft. Die dar- aus folgende Beratung richtet sich streng nach den aktuel- len Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). Sollte der Empfehlung der Betriebsärztin oder des Betriebsarztes nicht nachgegangen werden, so wird in jeder nachfolgenden arbeitsmedizinischen Untersuchung die Beratung und das Aussprechen der Impfempfehlung wiederholt. 4. Welche Konsequenzen kann die Verweigerung ei- ner freiwilligen Offenlegung von Gesundheits- und/oder Impfstatus für die betroffenen Personen (z.B. eine Nicht- Einstellung; Nicht-Einsetzung in bestimmten Bereichen, Nicht-Ausübung bestimmter Tätigkeiten o.ä.) haben? Zu 4.: Der Senatsverwaltung für Gesundheit und Sozi- ales liegen hierzu keine Aussagen vor. 5. Gibt es besondere Regelungen z.B. für Personal, das besonderen Infektionsrisiken ausgesetzt ist (bspw. eine „Impfpflicht“ der Beschäftigten im Bereich der Infektionsimmunologie ), wenn ja welche, für wen und auf welcher Basis? Zu 5.: Es gibt auch für medizinisches Personal keine Impfpflicht. 6. Wie bewertet der Senat Vorschläge, nach denen bestimmte Impfungen (z.B. gegen Masern) von im Kran- kenhaus arbeitenden Personen arbeitsvertraglich fixiert Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 419 2 werden sollten? Gibt es derartige Regelungen in Berliner Krankenhäusern? Zu 6.: Grundsätzlich wird von Seiten der Senatsver- waltung für Gesundheit und Soziales die Aufklärung des medizinischen Personals über Impfungen bevorzugt. Ob eine Arbeitgeberin oder ein Arbeitgeber Impfungen in Arbeitsverträgen fixiert, liegt im Ermessen desselben. Inwieweit Berliner Arbeitgeber des medizinischen Sek- tors davon Gebrauch gemacht haben, ist dem Senat nicht bekannt. 7. Welche Aufklärungspflicht über bestehende In- fektionen von Krankenhauspersonal und das hiervon ausgehende Infektionsrisiko sieht der Senat gegenüber gefährdeten PatientInnen – und bei wem sieht er diese? Zu 7.: Die Gesundheitsämter sind gemäß § 16 IfSG verpflichtet, nach Eingang der Meldung einer Infektions- krankheit die erkrankte Person zu kontaktieren und im Rahmen der Ermittlungen auch die entsprechenden Kon- taktpersonen zu erfassen. Diese Kontaktpersonen werden dann vom Gesundheitsamt in Abhängigkeit von der Er- krankung über Präventionsmöglichkeiten und das weitere Verhalten beim Auftreten von Krankheitssymptomen aufgeklärt. Bezüglich des Krankenhauspersonals wird grundsätzlich erwartet, dass erkrankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause bleiben. Allerdings stellt sich die Situation schwierig dar, wenn es sich um Infektions- krankheiten handelt, bei denen schon vor dem Auftreten erster Krankheitszeichen eine Ansteckungsfähigkeit be- steht, wie es beispielsweise bei Masern der Fall ist. Wenn es zum Auftreten einer Infektionskrankheit auf Seiten des Krankenhauspersonals kommt, muss die feststellende Hausärztin oder der feststellende Hausarzt die Infektions- krankheit an das für den Wohnort zuständige Gesund- heitsamt melden. Dieses wird im Rahmen seiner Ermitt- lungen feststellen, dass es sich um medizinisches Personal handelt und mit der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber Kontakt aufnehmen, um Kontaktpersonen ermitteln zu können. Im konkreten Einzelfall werden Gesundheitsamt und Klinik gemeinsam über den Kreis der Kontaktperso- nen und deren Aufklärung entscheiden. 8. Welche Verfahrensschritte innerhalb der Berliner Krankenhäuser gibt es im Falle einer Infektionsgefahr durch Beschäftigte? Werden PatientInnen, die Kontakt zu bspw. an Masern erkranktem Krankenhauspersonal hat- ten, über eine mögliche Ansteckung und eine ggf. ange- zeigte postexpositionelle Impfung informiert und wenn ja, durch wen? Zu 8.: Siehe Antwort zu Frage 7. Darüber hinaus ge- hende Verfahrensschritte sind der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales nicht bekannt. 9. Inwieweit werden die Gesundheitsämter nach An- sicht des Senats ihrer Verantwortung für eine weitestmög- liche Vermeidung von Krankheitsausbrüchen (z.B. Ma- sern) gerecht? Zu 9.: Die Rechtsgrundlage für das Handeln der Ge- sundheitsämter ist das IfSG. Danach sind sie verpflichtet, bereits bei Tatsachen, die zum Auftreten einer übertragba- ren Krankheit führen können, alle notwendigen Maßnah- men zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allge- meinheit hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Die Gesundheitsämter üben somit eine Ermittlungs- und gleichzeitig eine Kontrollfunktion aus, die sie auch im Falle des aktuellen Masernausbruchsgeschehens gewis- senhaft durchführen. Weitere Informationen zum aktuel- len Masernausbruch in Berlin / Brandenburg finden Sie unter Frage 10. 10. Wie bewertet der Senat Vorschläge, nach denen die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) ganz oder teilweise verpflichtend für bestimmte Personenkreise umgesetzt werden/ein Impfzwang einge- führt wird? Und wenn ja, für welche? Zu 10.: Gemäß IfSG § 20 Abs. 6 können Schutzimp- fungen oder andere Maßnahmen der Prophylaxe durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit Zu- stimmung des Bundesrates für Teile der Bevölkerung angeordnet werden, wenn diese von einer schweren Er- krankung bedroht sind und mit einer epidemischen Ver- breitung zu rechnen ist. Von dieser Ermächtigungsgrund- lage hat das BMG bisher keinen Gebrauch gemacht. In Berlin wird der aktuelle, anhaltende Masernaus- bruch (Stand 26.07.2013: 464 Fälle) mit Sorge beobach- tet. Aufgrund der diffusen Ausbreitung sind Interventio- nen sehr schwierig. Angesichts der Überlegungen zur Impfpflicht ist allerdings zu berücksichtigen, dass mit einer solchen Impfpflicht gesundheitspolitische und juris- tische Fragestellungen verbunden sind. Aus Sicht der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sollte erst nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkei- ten die Einführung einer Impfpflicht in Erwägung gezo- gen werden. 11. Welche Maßnahmen plant der Senat in dieser An- gelegenheit? Teilt der Senat die Aussagen von Senator Czaja, der öffentlich eine Impfpflicht gefordert hat? Zu 11.: Angesichts der besorgniserregenden Entwick- lung der Masernfälle seit Anfang des Jahres, wurde von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales be- schlossen, ergänzend zu den Empfehlungen der STIKO, eine Masernschutzimpfung für alle vor 1970 Geborenen zu empfehlen. Dieser Entschluss wurde im Amtsblatt für Berlin am 28.06.2013 veröffentlicht. In diesem Zusammenhang hat Senator Czaja sich wie folgt geäußert: „Ich persönlich bin ein Befürworter der Impfpflicht. Allerdings setzt diese sowohl eine gesell- schaftliche Debatte als auch umfassende medizinisch- fachliche und juristische Prüfung voraus. Das aktuelle Maserngeschehen kann zudem nur bedingt durch eine Impfpflicht bei Kindern gelöst werden. In Berlin sind über die Hälfte der Erkrankten älter als 16 Jahre. Es geht also darum, Impflücken besonders bei Jugendlichen und Erwachsenen zu schließen. Dadurch werden indirekt auch Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 419 3 Säuglinge und andere Personen geschützt, die man noch nicht oder aus medizinischen Gründen gar nicht selber impfen kann. Wir müssen also die Aufklärung und Impf- bereitschaft in allen Altersklassen erhöhen. Die Bundes- zentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) leistet dafür einen guten Beitrag. Und auch meine Verwaltung informiert fortlaufend, arbeitet eng mit dem Berliner Impfbeirat zusammen und plant für den Sommer weitere Aktivitäten.“ 12. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über den in den Medien diskutierten Vorgang in der Charité vor, in dem es laut Medienberichten zu einer Masern-Erkrankung eines Mädchen gekommen ist, nachdem sie von einem Arzt der Charité behandelt wurde, der an Masern erkrankt war? Zu 12.: Nachdem die Erkrankung des Mädchens vom betroffenen Vater an den Gesundheitssenator Mario Czaja per E-Mail herangetragen worden war, nahm die Senats- verwaltung für Gesundheit und Soziales sowohl mit dem betroffenen Vater als auch mit der Charité - Universitäts- medizin Berlin - Kontakt auf. Innerhalb des Rahmens, der der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales durch die datenschutz- und auf- sichtsrechtlichen Regelungen gesetzt ist, wurde versucht, bei der Aufklärung einiger Fragen des betroffenen Vaters unterstützend tätig zu werden. So wurde eine Stellung- nahme von der Charité angefordert, wie dort von Seiten des Betriebsarztes eine Masern-Immunität bei den Be- schäftigten sichergestellt wird. Auch vor dem Hintergrund des aktuellen Berliner Masernausbruchs mit einem sehr hohen Anteil an erwachsenen Erkrankten ist diese Frage natürlich von besonderer Bedeutung. Über die Antwort der Charité wurde der betroffene Vater durch die Senats- verwaltung für Gesundheit und Soziales informiert. Nach den Angaben der Charité ergibt sich folgender Sachverhalt: Die Maserndiagnose bei dem Arzt wurde am 09.04.2013 gestellt. Das für den Wohnort des betroffenen Arztes zuständige Gesundheitsamt erhielt gemäß § 6 des (IfSG) am gleichen Tag vom behandelnden Arzt des Be- troffenen eine namentliche Meldung und wurde zudem am 10.04.2013 von der Charité über die Arbeit und die Kontakte des Betroffenen informiert. Die Zuständigkeit des Gesundheitsamtes entsprechend dem Wohnort des Betroffenen ergibt sich aus § 9 Absatz 3 IfSG. Das Ge- sundheitsamt hat die notwendigen Schutzmaßnahmen nach den §§ 28 bis 30 IfSG zu treffen. Es kann z. B. auch Ansteckungsverdächtige einer Beobachtung unterwerfen (§ 29 Absatz 1 IfSG). Welches Gesundheitsamt in Berlin (oder ggf. in Bran- denburg) für den erkrankten Arzt zuständig ist, ist der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales nicht be- kannt. Diese kann das zuständige Gesundheitsamt aus Gründen des Datenschutzes auch nicht ermitteln. In Be- tracht kommen alle 12 Berliner Gesundheitsämter oder auch eines in Brandenburg. Daten der Berliner Gesund- heitsämter über gemeldete Infektionen gehen dem Lan- desamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) nur anonymisiert zu. Anders verhält es sich in diesem Fall beim Gesundheitsamt Steglitz-Zehlendorf, da der be- troffene Vater in seinem E-Mail-Verkehr selbst sehr offen über den Ablauf des Infektionsgeschehens berichtete und das zuständige Gesundheitsamt angab. Welche konkreten Schutzmaßnahmen das für den an Masern erkrankten Arzt zuständige Gesundheitsamt ge- troffen hat und warum es offenbar die Kontaktpersonen des betroffenen Arztes nicht informiert hat, können wir aus den beschriebenen Gründen nicht klären. Das Bemü- hen, aber auch die rechtlichen Grenzen der Senatsverwal- tung für Gesundheit und Soziales wurden dem betroffe- nen Vater schriftlich, aber auch in persönlichen Telefona- ten erörtert. Die Krankheit seiner Tochter und die damit zusam- menhängende Belastung für das Kind und die gesamte Familie werden von Seiten der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sehr bedauert. 13. Wie bewertet der Senat diesen Vorgang? Zu 13.: Die Senatsverwaltung für Gesundheit und So- ziales kommt nach Bewertung der o. g. Fakten zu dem Schluss, dass im Handeln des Gesundheitsamtes von Steglitz-Zehlendorf und im Handeln der Charité keine Fehler erkennbar sind. 14. Welche Konsequenzen hat die Charité bzw. der Senat hieraus gezogen und was plant der Senat? Zu 14.: Die Senatsverwaltung für Gesundheit und So- ziales konnte in Erfahrung bringen, dass die Charité er- neut alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgerufen hat, ihren Impfstatus kontrollieren und sich bei fehlendem Impfschutz impfen zu lassen. Aufgrund der Antwort zu 13. sind keine weiteren Maßnahmen von Seiten der Se- natsverwaltung für Gesundheit und Soziales geplant. Berlin, den 19. August 2013 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Aug. 2013)