Drucksache 17 / 12 437 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Monteiro (SPD) vom 12. Juli 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juli 2013) und Antwort Wie sichert und stärkt der Berliner Senat die Bildungsberatung ab 2014? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Rolle spielt die öffentliche Bildungsbera- tung bei der Fachkräfteentwicklung und -sicherung in Berlin? Zu 1.: In Berlin gibt es seit fast einem Vierteljahrhun- dert ein aus den arbeitsmarkt-, bildungs- und gleichstel- lungspolitischen Anforderungen heraus entwickeltes An- gebot an Bildungsberatung, das auf der Grundlage des Prinzips der Anbieterneutralität jeder und jedem leicht erreichbar eine Begleitung und Information ermöglicht. Ziel ist es, wichtige Entscheidungen – gerade an unübersichtlichen Kreuzungen des Berufsweges – auf der Grundlage der Kenntnis der eigenen Ziele und Möglich- keiten zu treffen. Voraussetzungen dafür sind ausreichen- de Informationen über tatsächliche Möglichkeiten und eine fundierte Einschätzung dazu, welche Wirkungen die jetzt getroffenen Bildungsentscheidungen für die zukünf- tige Beschäftigungsfähigkeit haben können. Als große Herausforderung muss die Bildungsbera- tung in Berlin angesichts der demografischen Entwick- lung und des prognostizierten Fachkräftebedarfs heute und in den nächsten Jahren eine stärkere Orientierung auf die Förderung der Weiterbildungsbereitschaft und die gezielte Planung und Förderung der beruflichen Entwick- lung aller Beschäftigten vornehmen. Neben einem geziel- ten Angebot von Beratung für bisher nur unterdurch- schnittlich erreichte Zielgruppen wie formal gering quali- fizierte Frauen und Männer müssen gerade angesichts der Berliner Wirtschaftsstruktur Angebote für prekär Be- schäftigte und Selbständige und Angebote der Qualifizie- rungsberatung gerade für Klein- und Mittelbetriebe (wei- ter) entwickelt und das bestehende Beratungsangebot stärker anhand der bestehenden Bedarfe für alle zugäng- lich gemacht werden. Auch die Bildungsberatung steht wie alle Qualifizierungsprozesse in der Gefahr, bestehen- de Segregationen, die schon in der allgemeinbildenden Schule angelegt werden, weiter zu verstärken anstatt Fehlentwicklungen der Vergangenheit – sowohl in der institutionellen Gestaltung des beruflichen Bildungssys- tems als auch in der individuellen Bildungs- und Berufs- biografie – entgegenzuwirken und somit einen wichtigen Beitrag dazu zu leisten, die vorhandenen (Qualifikations- )Potentiale besser auszuschöpfen. Vor diesem Hintergrund ist im Masterplan Qualifizie- rung (MPQ) der Senatsverwaltung für Arbeit , Integration und Frauen als Leitziel für das Handlungsfeld 5 – Berufsbezogene Bildungsberatung - formuliert: „In Berlin setzt sich der Senat dafür ein, den Bürgerinnen und Bürgern ein kohärentes, bedarfsgerechtes, nachfrageorientiertes und geschlechtergerechtes Angebot berufsbezogener Bil- dungsberatung bereitzustellen.“ 2. In welcher Form und in welchem Umfang soll die Dienstleistung „Bildungsberatung“ den Bürgerinnen und Bürgern in den kommenden Jahren angeboten werden? Zu 2.: Die Arbeitsmarkt-, Berufsbildungs- und Gleich- stellungspolitik des Landes Berlin hebt die strategische Bedeutung von Qualifizierung im Programm BerlinArbeit hervor. Gute Bildungsberatung als Teil davon umfasst kompetente und unabhängige Informationen, Wissen und Orientierung zu Aus- und Weiterbildung, bei der Planung des Bildungs- und Berufsweges zum Erhalt und zur Si- cherung der Beschäftigungsfähigkeit. Diese Qualitätserwartung soll mithilfe des „Berliner Modells“ in den kommenden Jahren nachhaltig gestaltet und sichergestellt werden. Dazu ist eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung mit dem Beratungsnetzwerk, die regelmäßige Weiterbildung des Berliner Personals in Form des „B-TAGes“ (Berater/innen-Tag) und die Fortsetzung des Fachdialogs und Reviews mit Österreich vorgesehen. Die Maßnahmen sollen dazu dienen, dass Berlin weiterhin über eine hochwertige, bedarfsorientier- te, trägerunabhängige, neutrale und zielgruppenoffene Bildungsberatung verfügt und den Bürgerinnen und Bür- gern ein kohärentes, bedarfsgerechtes, nachfrageorientier- tes und geschlechtergerechtes Angebot berufsbezogener Bildungsberatung bereitstellt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 437 2 Das Berliner Angebot der Bildungsberatung orientiert sich an den Leitaussagen des Berliner Masterplans Quali- fizierung, das berufliche Bildung und berufsbezogene Bildungsberatung als öffentliche Daseinsvorsorge und Ausdruck gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingun- gen in Berlin sichergestellt und weiterentwickelt wird. Denn die Qualifikation der in Berlin lebenden und arbei- tenden Menschen ist ein Schlüsselfaktor für die Attrakti- vität des Wirtschaftsstandortes Berlin und eine Vorausset- zung für die Bewältigung der Herausforderungen, die sich aus dem wirtschaftlichen und demografischen Wandel ergeben. Das „Berliner Modell“ wurde im Auftrag der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, Referat Berufliche Qualifizierung, durch die k.o.s GmbH entwi- ckelt und wird kontinuierlich begleitet und gesichert. Da die Weiterbildungsberatung ein fachpolitisch sehr wichtiges Instrument darstellt, soll es grundsätzlich in der bisherigen, bewährten Angebotsform weitergeführt wer- den (siehe Schaubild). Die Aufrechterhaltung des bisheri- gen Finanzierungsniveaus ist dabei das Mindestziel. Es ist geplant, Landesmittel im bisherigen Umfang zur Verfü- gung zu stellen. Zur Kofinanzierung aus Mitteln des europäischen So- zialfonds können zum jetzigen Zeitpunkt noch keine ver- bindlichen Aussagen getroffen werden. 3. Wie hat sich die Finanzierung der Bildungsberatung durch den Senat in den letzten 5 Jahren entwickelt? Zu 3.: In den letzten 5 Jahren wurde die Weiterbil- dungsberatung einschließlich der Weiterbildungsdaten- bank Berlin und der Supportstrukturen (KES und KOS) mit jährlich durchschnittlich ca. 3,8 Mio. € aus Landesund ESF-Mitteln gefördert. Weitere regionale Erweite- rungen der Angebotsstruktur sind damit jedoch möglich. Die Finanzierung der Weiterbildungsberatung für Frauen erfolgte in den letzten 5 Jahren auf gleichbleiben- dem Niveau bei ca. 650.000 € jährlich. 4. Welche Maßnahmen setzt der Senat um, um des Know-how und den bisherigen Vorsprung Berlins durch das sogenannte „Berliner Modell“ der Bildungsberatung, das im Sinne von Qualitätssicherung und Vermarktung als Referenzmodell für andere Bundesländer gilt, zu behalten und auszubauen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 437 3 Zu 4.: Der Berliner Senat führt die Entwicklung des „Berliner Modells“ zum Nutzen der Berliner Aktivitäten fort und sichert zugleich den Transfer des gewonnen Know-hows als Referenz guter Praxis über die Grenzen der Stadt. So besteht seit 2011 eine Kooperation und ein Know-how-Transfer zu Bildungsberatung zwischen Ber- lin und Österreich. Beteiligt sind hier die Senatsverwal- tung für Arbeit, Integration und Frauen, Referat Berufli- che Qualifizierung, das Österreichische Bundesministeri- um für Unterricht, Kunst und Kultur, Abteilung Erwach- senenbildung, die k.o.s GmbH und das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung. Die bundesweite Fachtagung am 12. November 2012 präsentierte das fünf- jährige Bestehen des „Berliner Modells“ der Qualitätssicherung und den dazu geführten fachlichen Austausch mit Österreich, dokumentiert in einer Fachpublikation. Im Herbst 2012 startete parallel dazu ein Qualitätsentwick- lungsprozess mit dem Berliner Netzwerk Integration durch Qualifizierung IQNW, um die Qualität der Aner- kennungsberatung mithilfe der Erfahrungen des „Berliner Modells“ zu steigern und zu definieren. Die Ergebnisse erfreuen sich hoher Nachfrage aus anderen Bundesländern und werden im Oktober 2013 auf einer Fachtagung vorge- stellt. Weiterhin konnte das Thema Qualitätssicherung nach dem „Berliner Modell“ auch für die Qualifizierungsberatung transferiert werden. In den Arbeitsgruppen zum Masterplan Industrie - zur Verbesserung von Rah- menbedingungen der Aus- und Weiterbildung in Betrie- ben - erfolgt ein Austausch zur Definition von Qualifizie- rungsberatung und zu ihrer spezifischen Qualität. Erwar- tet wird hierzu eine Veröffentlichung. Im Rahmen der Qualitätssicherung des Berliner Netzwerks öffentlicher Bildungsberatung erweitert sich das Profil des „Berliner Modells“ ab diesem Jahr um ein Fortbildungsangebot zur Professionalisierung des Berliner Beratungspersonals. Das Fachkonzept >B-TAG< umfasst einmal pro Jahr einen ganztägigen Weiterbildungstag. Die erstmalige Durchführung ist am 16. August 2013 vorgesehen. Kennzeichnend für das „Berliner Modell“ ist die Einführung einer einheitlichen und vergleichbaren Qualitäts- praxis in Beratungseinrichtungen, die partizipativ entwi- ckelt wurde und inhaltlich an den Anliegen und Bedarfen von Kundinnen und Kunden ausgerichtetet ist. Zum „Berliner Modell“ und dem Weg der Qualitätssicherung in der Bildungsberatung wird eine Publikation für den Herbst 2013 vorbereitet. Mit dem Konzept des „gelungenen Lernens in der Beratung “ wurde ein Qualitätsansatz für Bildungsberatung entwickelt, der in Berlin zu einer anderen Form der Zu- sammenarbeit der Beratungsstellen untereinander auf der Grundlage einer gemeinsamen Berliner Qualitätssprache geführt hat. Dieses „Berliner Modell“ ist Grundlage für einen Transfer auch über Berlin hinaus, so z.B. beim Einsatz und der Anwendung in acht niedersächsischen Beratungseinrichtungen (Aufbau eines niedersächsischen Netzwerks regionaler, unabhängiger Bildungsberatung im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Wissen- schaft und Kultur) oder der Unterstützung und Begleitung der Dresdener Bildungsbahnen (Lernen vor Ort Projekt). 5. Welche Maßnahmen hat der Senat eingeleitet, um die EU-Anforderungen zur Evaluierung von ESF geför- derten Leistungen in der Bildungsberatung zu gewährleis- ten? Zu 5.: Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen hat die KES, KOS und das LernNetz Berlin Brandenburg (LNBB) beauftragt, Evaluierungsinstrumen- te zur qualitativen Wirkungsmessung der Bildungsbera- tung zu erarbeiten. Es sollen geeignete Instrumente und Methoden zur Messung konzipiert , 2014/2015 erprobt und allen öffentlich geförderten Bildungsberatungsstellen im Land Berlin zur Nutzung zur Verfügung gestellt wer- den. Dabei wird es notwendig sein, sowohl Ansätze von einfacher Ergebnismessung zu betrachten als auch den Nachweis der Wirkungen von Bildungsberatung hinsicht- lich des individuellen und ökonomischen Nutzens für die jeweilige Region zu erbringen. 6. Wie dokumentieren sich diese Maßnahmen im ak- tuellen Stand der ESF-OP-Abstimmungen für die kom- mende Förderperiode? Zu 6.: Durch die ESF-Verwaltungsbehörde bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und For- schung ist bei der Beantragung der Aufnahme des Förder- instruments Weiterbildungsberatung/Weiterbildungsbera- tungsstellen in das ESF-OP 2014-2020 auf das Problem der Darstellung von quantitativ abrechenbaren Ergebnis- indikatoren für die Bildungsberatung hingewiesen wor- den. In dem noch nicht abgeschlossenen Diskussionspro- zess mit der ESF-Verwaltungsbehörde zum neuen OP ist nunmehr vorgeschlagen worden, dass alle Beratungsteil- nehmenden über das TRS-System in EUREKA-Plus er- fasst und entsprechend nach 4 Wochen bzw. 6 Monaten zum Verbleib befragt werden. Es wird damit gerechnet, dass 20% der Teilnehmenden nach der Beratung in eine Qualifizierungsmaßnahme einmünden und damit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern können. Weitere Erkenntnisse bezüglich der Wirkungsmessung für die Bildungsberatung, die sich aus der Antwort zu Nr. 5 ergeben, werden in den Abstimmungsprozess einflie- ßen. 7. Inwieweit sind für die Sicherung der Zukunftsfä- higkeit des Berliner Arbeitsmarktes in den Bereichen Erkennbarkeit und Transparenz der arbeitspolitischen Instrumentarien, die Sozialpartner eingebunden und dem Senat deren Positionen bekannt? Zu 7.: Mit dem Masterplan Qualifizierung (MPQ), der von den Wirtschafts- und Sozialpartnern in Berlin ge- meinsam mit dem Senat von Berlin erarbeitet wurde, liegt für Berlin eine strategische Standortbestimmung zur be- ruflichen Qualifizierung vor. Die Präambel wurde als Zeichen des Konsenses von den Spitzen der Wirtschafts- und Sozialpartner unterzeichnet und verortet Qualifizie- rung als strategischen Standortfaktor mit wachsender Bedeutung und als grundlegend für die Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 437 4 Eines der insgesamt sechs Handlungsfelder davon – das Handlungsfeld 5 – ist die berufsbezogene Bildungsberatung . Die Kooperation mit anderen arbeitsmarkt- und be- rufsbildungspolitisch wichtigen Akteuren, wie z.B. Wirt- schafts- und Sozialpartnern, wird aufgrund der großen Bedeutung, die der Bildungsberatung beigemessen wird, soweit wie möglich ausgebaut. Dabei kann an vorhandene Strukturen des Dialogs, wie der Abstimmung und der Zusammenarbeit u.a., bei der Berliner Vereinbarung zur Nachwuchskräftesicherung, der Bildungszielplanung und des Arbeitsmarktmonitorings angeknüpft werden. Glei- ches gilt ebenso für das Programm BerlinArbeit wie auch für das Rahmen-Arbeitsmarktprogramm, in die das „Berliner Modell“ der Bildungsberatung eingebettet ist. Den mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern getroffe- nen Vereinbarungen zur Fachkräftesicherung und - entwicklung am Standort Berlin wird in diesem Zusam- menhang große Bedeutung beigemessen. Berlin, den 12. August 2013 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. August 2013)